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Deutsch-Französischer Krieg

Nachdem sich die Spannungen zwischen Preussen und Frankreich durch die «Emser Depesche» vom 13. Juli 1870 verschärft hatten, ergriff der Bundesrat am 14. und 15. Juli vorsorgliche Massnahmen. In der Nacht vom 15. Juli erging der Mobilmachungsbefehl des Norddeutschen Bundes, worauf die Bundesversammlung die Schweiz als neutral erklärte und der Landesregierung Vollmachten erteilte. Waffenlieferungen an die Kriegführenden wurden untersagt und fünf Heereseinheiten mit einem Gesamtbestand von 37'000 Mann aufgeboten. Gemäss Instruktionen des Militärdepartements sicherte das Gros der Truppen die Grenzübergänge von Schaffhausen bis zum Pruntruterzipfel, zwei Divisionen wurden in Reserve gehalten. Am 19. Juli, dem Tag der Kriegserklärung Frankreichs an Preussen, wählte die Bundesversammlung Hans Herzog zum Oberbefehlshaber und tags darauf Rudolf Paravicini zum Generalstabschef. Herzog schlug sein Hauptquartier in Olten auf, berief Emil Rothpletz als Chef der Operationssektion und konzentrierte die Armee etwas stärker um den Schwerpunkt Basel, wo er einen französischen Durchmarschversuch nach Süddeutschland befürchtete.

Der Deutsch-Französische Krieg verursachte der Schweiz vorerst wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Ungewissheit über das Schicksal der Schweiz und ihrer Münzunion mit Frankreich (Lateinische Münzunion) liess das Vertrauen in das Kreditwesen schwinden. Die Geschäfte wurden nur noch bar abgewickelt, so dass es zu einer Geldknappheit kam. Der Bundesrat legte daher für eine Reihe von ausländischen Goldmünzen den Kurs in der Schweiz gesetzlich fest. Seinen eigenen, durch den Aktivdienst gestiegenen Kreditbedarf suchte er mit mässigem Erfolg durch die Ausgabe von 4½%-Kassenscheinen zu decken. Da im Ausland keine Anleihen mehr zu annehmbaren Bedingungen erhältlich waren, hob er den Zinsfuss auf 6% an. Auf diese Weise konnte er die Kosten für die Mobilmachung in der Grössenordnung von 8 Mio. Franken decken. Auch die Einfuhr von Gütern wurde erschwert. 1870 bestanden Eisenbahnanschlüsse nur mit Frankreich und den Ländern des Deutschen Zollvereins. Die Zufahrtsrouten wurden bei Kriegsausbruch zum Teil stillgelegt oder erlitten starke Störungen. Soweit das Schiffsmaterial ausreichte, konnte auf den Rhein ausgewichen werden. Ansonsten mussten grosse Umwege in Kauf genommen werden. Trotz der Verkehrserschwernisse und Ausfuhrverbote erhöhte sich die Einfuhr von Lebensmitteln und Steinkohle. Die Preise stiegen aber durchschnittlich um einen Drittel.

Da sich das Kriegsgeschehen immer weiter von der Schweiz entfernte, wurden die aufgebotenen Truppen und der Grosse Generalstab in der zweiten Hälfte August entlassen. General und Generalstabschef gingen in den Urlaub. An ihrer Stelle übernahm Bundesrat Emil Welti, Vorsteher des Militärdepartements, die Führung. Weil die Kompetenzen zwischen Bundesrat und Armeekommando noch nicht klar ausgeschieden waren, war das Verhältnis zwischen Welti und Herzog getrübt. Obschon sich im November grössere Kriegshandlungen in den Räumen Strassburg, Belfort und Dijon abspielten, ersuchte der General am Ende des Monats um seine Entlassung. Da Bundesrat Welti dieses Begehren einfach überging, reichte er im Dezember ein zweites Rücktrittsgesuch ein. Auf einen dringenden Appell des Bundesrates hin beschloss Herzog, dennoch auf dem undankbaren Posten auszuharren.

Im Verlauf des siegreichen Vormarsches der deutschen Streitkräfte spielte der Bundesrat mit dem Gedanken einer Besetzung Nordsavoyens, um die der Schweiz 1815-1816 zugesicherte Neutralisierung dieses Gebiets im Kriegsfall zu sichern. Der Oberbefehlshaber hielt ein solches Unterfangen politisch und militärisch für abwegig, arbeitete aber eine entsprechende Studie aus. Weil Frankreich in einer Besetzung Nordsavoyens durch eidgenössische Truppen eine inakzeptable Revision des Entscheides von 1860 (Savoyerhandel) gesehen hätte, verzichtete der Bundesrat darauf.

Im Dezember 1870 näherte sich der Krieg wieder der Schweiz. Der Bundesrat beschloss, Truppen für den Grenzschutz im Jura aufzubieten. Am 17. Januar 1871 übernahm der beurlaubte General Herzog erneut den Oberbefehl. Als sich abzeichnete, dass die französische Armée de l'Est, die sogenannte Bourbakiarmee, zur Schweizer Grenze abgedrängt wurde, verschob Herzog in Eilmärschen Truppen in die bedrohte Grenzregion. Nachdem er den französischen Unterhändlern die Bedingungen für die Aufnahme der vollständig demoralisierten und Mangel leidenden französischen Ostarmee in der Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar diktiert hatte, begann in Les Verrières der Übertritt von insgesamt 87'000 Soldaten, die entwaffnet und interniert wurden.

Im Deutsch-Französischen Krieg waren viele Schwächen der aus kantonalen Kontingenten zusammengesetzten Armee zutage getreten, die General Herzog in seinen beiden Berichten über die Grenzbesetzung von 1870 und 1871 schonungslos aufdeckte. Bestrebungen zur Zentralisierung der Armee erhielten Auftrieb und wurden in der Bundesverfassung von 1874 umgesetzt (Militärwesen, Aktivdienst).

Quellen und Literatur

  • A. Jöhr, Die Volkswirtschaft der Schweiz im Kriegsfall, 1912
  • E. Jacky, L'occupation des frontières suisses en 1870-1871 et l'entrée en Suisse de l'armée française de l'est, 1914
  • H. Senn, General Hans Herzog, 1945
  • Bonjour, Neutralität 2
  • Generalstab 2
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans Senn: "Deutsch-Französischer Krieg", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 17.03.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008925/2010-03-17/, konsultiert am 28.03.2024.