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Naturschutzgebiete

Eines der wichtigsten Instrumente des Naturschutzes ist die Ausscheidung von Naturschutzgebieten, die unersetzlichen Lebensraum bestimmter Tiere und Pflanzen sichern. Die Forderung nach Naturschutzgebieten, insbesondere nach Nationalparks, entwickelte sich im 19. Jahrhundert ausgehend von neuen Vorstellungen über den Umgang mit der Natur, nachdem Industrialisierung und Urbanisierung immer mehr Naturräume zerstört hatten. Der 1872 in den USA gegründete Yellowstone-Park hatte dabei als erster Nationalpark Vorbildcharakter.

Karikatur von Johann Friedrich Boscovits aus dem Nebelspalter, 1910, Nr. 41 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern; e-periodica).
Karikatur von Johann Friedrich Boscovits aus dem Nebelspalter, 1910, Nr. 41 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern; e-periodica). […]

In der Schweiz wurde 1886 die Schaffung eines Nationalparks diskutiert. Im Zuge der Institutionalisierung des Naturschutzes erfolgte 1914 die Umsetzung des Projekts. Bestrebungen zur Einrichtung von Naturschutzgebieten gab es jedoch schon vor der Gründung des Nationalparks. 1906 überprüfte das ständige Komitee des Schweizerischen Forstvereins aufgrund einer Motion diese Frage, worauf die Diskussion von der Schweizerischen Naturschutzkommission (SNK) aufgenommen wurde. Auch auf Bundesebene erfolgten erste Schritte: Artikel 702 des Zivilgesetzbuchs von 1907 sah vor, dass zum Schutz von Naturdenkmälern Enteignungen vorgenommen werden konnten. In der Folge veranlassten die SNK und der Schweizerische Bund für Naturschutz (SBN, seit 1997 Pro Natura) die Schaffung zahlreicher Naturschutzgebiete, etwa das Reservat St. Jakob an der Birs (1910) oder jenes im Dürsrütiwald in Lauperswil (1912). Andere Projekte, wie die Schaffung eines Naturschutzgebietes im Aletschwald (Aletschgletscher), mussten wegen Interessenkonflikten teilweise jahrzehntelang auf ihre Realisierung warten.

Die Aufmerksamkeit der Naturschützer richtete sich vor allem auf Seen und Moore (z.B. bei der Rothenturm-Initiative 1987), die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Zuge der Binnenkolonisation stark bedroht waren. So unterlagen die Ziele des Naturschutzes nicht selten wirtschaftlichen Interessen. Häufig schlugen die kantonalen Naturschutzkommissionen neue Naturschutzgebiete vor und schieden diese aus, da sie vor Ort mehr unternehmen konnten als Dachorganisationen wie die SNK oder der SBN.

Ursprünglich wurde zwischen botanischen und zoologischen Reservaten unterschieden, was aber bald zugunsten einer ganzheitlichen Betrachtung der Naturschutzgebiete aufgegeben wurde. Dennoch blieb die Einstellung von Politik und Wissenschaft gegenüber dem Reservatsgedanken ambivalent: Einerseits steht hinter den Naturschutzgebieten ein «Inseldenken», was dazu führt, dass problematische Entwicklungen in den nicht geschützten Gebieten ausgeblendet werden, andererseits lassen sich in den Naturschutzgebieten bereits Ansätze eines modernen, ökologischen Naturverständnisses entdecken.

Seit 1946 verkaufen der SBN und der Schweizerische Heimatschutz (SHS) gemeinsam den Schoggitaler, dessen Erlös für die Rettung von Natur- und Kulturdenkmälern und die Schaffung von Naturschutzgebieten verwendet wird. Zwischen 1963 und 1988 erstellte eine gemeinsame Kommission des Schweizer Alpen-Clubs, des SBN und der SHS auf eigene Initiative ein Inventar der zu erhaltenden Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung, welches als Instrument zur Erhaltung der benannten Landschaften und Naturdenkmäler dienen sollte. Dieses Inventar wurde 1977 teilweise ins Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung übernommen, das zwischen 1958 und 1967 entstanden war. Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts war das Engagement privater Organisationen bei der Schaffung und beim Unterhalt von Naturschutzgebieten von grosser Bedeutung, so war beispielsweise Pro Natura 2009 an über 700 Naturschutzgebieten beteiligt. Insgesamt verfügte die Schweiz 2009 über mehr als 3000 geschützte oder zumindest inventarisierte Gebiete in verschiedenen Kategorien, was einer Fläche von insgesamt 54'786 ha oder einem Anteil von 1,33% der Gesamtfläche des Landes entspricht.

Quellen und Literatur

  • R. de Miller, Matériaux pour l'histoire de l'environnement en Suisse, 1999
  • A. Schmidhauser, Entwicklung und Aktivitäten wichtiger Naturschutzorganisationen von gesamtschweiz. Bedeutung, 1999
Weblinks

Zitiervorschlag

Stephanie Summermatter: "Naturschutzgebiete", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.06.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007792/2015-06-22/, konsultiert am 28.03.2024.