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FreiburgKanton

Ab 1481 Ort, seit der Helvetischen Republik (1798-1803) Kanton der Eidgenossenschaft. Französisch Fribourg, italienisch Friburgo, romanisch Friburg. Der auf der Sprachgrenze gelegene Kanton Freiburg umfasst die französischsprachigen Bezirke Saane, Glane, Greyerz (mit der deutschsprachigen Gemeinde Jaun, französisch Bellegarde), Veveyse, Broye, den zweisprachigen See- und den deutschsprachigen Sensebezirk (Bezirk).

Wappen des Kantons Freiburg
Wappen des Kantons Freiburg […]
Oro- und hydrografische Karte des Kantons Freiburg mit den wichtigsten Ortschaften
Oro- und hydrografische Karte des Kantons Freiburg mit den wichtigsten Ortschaften […]

Die «Stadt und Republik Freiburg», welche die Stadt Freiburg und die Alte Landschaft umfasste, sicherte sich ihr Gebiet hauptsächlich im 15. und 16. Jahrhundert durch Käufe, Eroberungen und Verträge (u.a. Grafschaft Greyerz). Sie besass mit Bern die gemeine Herrschaft über Murten, Grandson, Orbe-Echallens und Grasburg. In der Helvetischen Republik fielen Freiburg die Bezirke Avenches und Payerne zu, die es 1801 an den Kanton Léman, den späteren Kanton Waadt, abtreten musste. Murten gelangte als Gemeinde erst 1803 endgültig an Freiburg. Clavaleyres gehörte 1527 zum Kanton Bern, kam 1798 an Freiburg sowie 1807 zurück an Bern und wurde mit der Eingemeindung nach Murten im Jahr 2022 wieder freiburgisch. Die Dotationsakte von 1803 besiegelte die Trennung von Stadt und Staat, doch blieb die Stadt Freiburg Hauptort des Kantons. 1483-1798 war Deutsch Verwaltungssprache. 1798-1856 war Freiburg de facto zweisprachig: Als Verwaltungssprache galt abwechselnd das Französische (1798-1814, 1831-1856) oder das Deutsche (1814-1830), die amtlichen Texte wurden jeweils in die andere Sprache übersetzt. 1857-1990 hatten Deutsch und Französisch den Status von Amtssprachen, wobei die französische Fassung als die rechtsverbindliche galt. Seit 1991 sind die beiden Sprachen gleichberechtigt und somit beide Sprachversionen gleichermassen gültig.

Struktur der Bodennutzung im Kanton Freiburg

Fläche (2014)1 671,4 km2 
Wald / bestockte Fläche454,7 km227,2%
Landwirtschaftliche Nutzfläche922,6 km255,2%
Siedlungsfläche155,3 km29,3%
Unproduktive Fläche138,8 km28,3%
Struktur der Bodennutzung im Kanton Freiburg -  Arealstatistik der Schweiz

Das Kantonsgebiet liegt im Mittelland und in den Voralpen (Freiburger Alpen). Es wird von den Flüssen Broye, Glane, Saane und Sense (Einzugsgebiet des Rheins) und von der Veveyse (Einzugsgebiet der Rhone) durchzogen und stösst an den Neuenburger- und den Murtensee.

Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur des Kantons Freiburg

Jahr 18501880a1900195019702000
Einwohner 99 891114 994127 951158 695180 309241 706
Anteil an Gesamtbevölkerung der Schweiz4,2%4,1%3,9%3,4%2,9%3,3%
Sprache       
Französisch  79 31687 353104 312108 663152 766
Deutsch  35 70538 73852 27758 44870 611
Italienisch  3241 6791 4407 1733 100
Rätoromanisch  10189286131
Andere  451635745 93915 098
Religion, Konfession       
Katholischb 87 75397 113108 440136 959154 677170 069
Protestantisch 12 13318 13819 30521 00324 08436 819
Christkatholisch    5443162
Andere 5149206679150534 656
davon jüdischen Glaubens 5104167179177138
davon islamischen Glaubens      7 389
davon ohne Zugehörigkeitc      14 500
Nationalität       
Schweizer 98 556113 219123 579154 527163 503206 182
Ausländer 1 3351 7754 3724 16816 80635 524
Jahr  19051939196519952001
Beschäftigte im Kanton1. Sektor 48 55751 70216 45412 833d11 951d
 2. Sektor 16 67114 56628 53531 07529 951
 3. Sektor 8 3109 89520 41461 69065 938
Jahr  19651975198519952001
Anteil am schweiz. Volkseinkommen 2,1%2,4%2,5%2,7%2,7%

a Einwohner, Nationalität: Wohnbevölkerung; Sprache, Religion: ortsanwesende Bevölkerung

b 1880 und 1900 einschliesslich der Christkatholiken; ab 1950 römisch-katholisch

c zu keiner Konfession oder religiösen Gruppe gehörig

d gemäss landwirtschaftlicher Betriebszählungen 1996 bzw. 2000

Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur des Kantons Freiburg -  Historische Statistik der Schweiz; eidgenössische Volkszählungen; Bundesamt für Statistik

Von der Urzeit bis ins Frühmittelalter

Vom Paläolithikum bis zur Latènezeit

Der Lagerplatz aus dem Magdalénien (um 13'500 v.Chr.), der beim Lac de Lussy (Gemeinde Châtel-Saint-Denis) entdeckt wurde, ist der älteste bekannte Fundort des Kantons. Aus dem Mesolithikum (8200-5500 v.Chr.) stammen der Abri (Felsunterschlupf) von Arconciel und drei Fundstellen in den Voralpen auf 1000 bis 1500 m, nämlich im Petit-Mont- und im Gros-Mont-Tal (Gemeinde Val-de-Charmey) sowie im Euschelstal (Gemeinde Jaun), wo Jägerrastplätze und ein Abri entdeckt wurden. Bei Schürfungen (Haut-Vully-Joressant, Noréaz-Seedorf) und systematischen Grabungen (Murten-Ober Prehl) kamen Ansammlungen von Mikrolithen zum Vorschein, die von den letzten nomadischen Jägern und Sammlern in tiefer gelegenen Gebieten (500-600 m) zeugen.

Da gut erhaltene Fundstätten fehlen, weiss man über die Anfänge der Landwirtschaft (5500-4000 v.Chr.) noch wenig. Besser dokumentiert ist die Zeit nach 4000 v.Chr. (Neolithikum) dank Funden in Höhensiedlungen (Düdingen-Schiffenen) und vor allem auch dank der im feuchten Milieu konservierten Überreste von Ufersiedlungen am Neuenburgersee (Delley und Portalban, Gletterens) und Murtensee (Muntelier, Greng). Die Ufer waren während eineinhalb Jahrtausenden bis etwa 2450 v.Chr. besiedelt. Als dann die Seespiegel infolge einer Klimaveränderung beträchtlich stiegen, blieben sie mehrere Jahrhunderte lang verlassen. Die damit einhergehende Lücke in der Überlieferung liess sich teilweise schliessen durch Untersuchungen in dem Hügelland, das den Seen vorgelagert ist und das beim Bau der Autobahn Murten-Yverdon ins Blickfeld rückte. Aus der Periode von etwa 2300 bis 1500 v.Chr., die als frühe bis mittlere Bronzezeit bezeichnet wird, sind im Flachland gelegene Weiler (Ried, Murten-Blancherie) und Höhensiedlungen (Ile d'Ogoz, Tentlingen) bekannt. Die Bestattungssitten reichten von der einfachen Körperbestattung in Erdgräbern in der frühen Bronzezeit (Enney, Broc) über Körper- und Brandbestattung in Verbindung mit Grabhügeln in der mittleren Bronzezeit (Murten-Löwenberg, Châbles) bis zur Niederlegung der Totenasche in Urnengräbern in der Spätbronzezeit (Vuadens). Über das gesamte Kantonsgebiet verteilte Einzelfunde ergänzen die zuweilen lückenhafte Quellenlage dieser Periode. In der Spätbronzezeit (ca. 1100-800 v.Chr.) erlebten die Seeufersiedlungen einen erneuten Aufschwung und brachten ein hoch entwickeltes Bronzehandwerk hervor. Die Bestattungsriten der Bewohner von Ufersiedlungen sind, da keine Nekropolen gefunden wurden, nicht bekannt. Kurz nach 850 v.Chr., als die Seespiegel erneut anstiegen, wurden diese Siedlungen endgültig aufgegeben.

Einige Jahrzehnte später begann die ältere Eisen- oder Hallstattzeit (800-450 v.Chr.). Aufschluss über diese Periode geben Siedlungen, die bei Grabungen in Zusammenhang mit dem Bau der Autobahn A1 in der Broyeebene bei Estavayer-le-Lac entdeckt wurden, ferner die Beigaben aus Hügelgräbern (Körper- oder Brandgräber mit Aufschüttungen), die im gesamten Kantonsgebiet anzutreffen sind (Galmwald, Bois de Châtillon, Düdingen, Bulle). Diese Funde zeugen von einer zunehmenden sozialen Differenzierung und einer erstarkenden politischen Macht. Die Reichtümer waren im Besitz einiger Mächtiger, welche die Handelswege (u.a. die vermutlich durch das Tal der Saane verlaufende Zinnroute) kontrollierten und sich Luxusgüter aus dem Mittelmeerraum beschafften. Über die wahrscheinlich zahlreichen Höhensiedlungen ist nur wenig bekannt (Châtillon-sur-Glâne). Bemerkenswerte Einzelfunde sind der Eisendolch von Estavayer-le-Lac und die Bronzefibel von Font aus der Zeit der Etrusker. Aus der jüngeren Eisen- oder Latènezeit liegen einige der frühen und mittleren Phase (450-200 v.Chr.) zuzuordnende Funde vor: die Siedlung und Metallverarbeitungswerkstatt von Sévaz, Nekropolen (Kerzers, Gempenach, Gumefens), Flachgräber mit Schmuckbeigaben (Frauengräber, goldener Halsring von Châtonnaye) und Waffen (Männergräber). Über die Bestattungsriten der Spätlatènezeit (200-16 v.Chr.) weiss man kaum etwas. Gut erforscht ist jedoch eine befestigte Siedlung auf dem Mont Vully, bei der es sich um eines der zwölf oppida handeln könnte, die Caesar in De bello gallico erwähnt.

Römerzeit

Das Gebiet des heutigen Kanton Freiburg und insbesondere das Broyetal verdankte seine Entwicklung in den ersten Jahrhunderten nach Christus vor allem seiner Nähe zu Aventicum (Avenches). Der vielfältige Austausch mit dem Hauptort der civitas der Helvetier, der es administrativ zugeordnet war, trug zu seinem raschen wirtschaftlichen Aufschwung bei. Eine wesentliche Rolle spielten dabei die Verkehrsachse von Martigny nach Vindonissa, die über Vevey, Oron, Payerne, Avenches und Solothurn führte, die Nebenstrasse von Avenches nach Yverdon und zahlreiche Ortsverbindungen. Die Verbesserung des Strassennetzes (Bau der Brücken von Haut-Vully und von Morens) förderte die Romanisierung des Gebiets.

Entlang dieser Verkehrsachsen entstanden vici (kleinere Städte) und villae (Gutshöfe). Der einzige bis heute nachgewiesene Vicus, in der Ebene von Marsens-Riaz (1.-3. Jh. n.Chr.), lag am Alpenrand an der Strasse durch das Saanetal (Galloromanen). In diesem Marktort gehörten Handwerk (v.a. Eisen-, daneben auch Bronzeverarbeitung), Handel, Ackerbau und Viehzucht ebenso zur wirtschaftlichen Betätigung wie die Beherbergung von Reisenden und Pilgern. Letztere besuchten hier den auf keltischer Tradition beruhenden Tempel, der dem Caturix, einer dem römischen Gott Mars angeglichenen helvetischen Gottheit, gewidmet war (Kelten). Dieses einheimische Heiligtum ist wie diejenigen von Estavayer-le-Gibloux und Meyriez ein Beleg dafür, dass die Bevölkerung trotz der Ausbreitung der römischen Religion und des Eindringens fremder Kulte (ägyptische Gottheiten Isis und Harpokrates) am Glauben ihrer Vorfahren festhielt.

Mosaik mit Motiven der venatio (Jagd) aus der Severerzeit Ende des 2. Jahrhunderts n.Chr. in der Villa von Vallon (Amt für Archäologie des Kantons Freiburg).
Mosaik mit Motiven der venatio (Jagd) aus der Severerzeit Ende des 2. Jahrhunderts n.Chr. in der Villa von Vallon (Amt für Archäologie des Kantons Freiburg). […]

Grosse Gutshöfe, für die oft Wald gerodet wurde, prägten ab den ersten Jahrhunderten nach Christus das Landschaftsbild. Ihre Zahl wird auf rund hundert geschätzt, wobei sie in der Nähe von Aventicum gehäuft zu finden sind. Für den Bau wurden vor allem im Wohnbereich (pars urbana) neue Materialien verwendet: Mörtel, Terrakotta (Ziegelei in Gurwolf) und Fensterglas. Die Einfuhr von Steinen zur Verkleidung der Bauten (Kalkstein aus dem Jura, Marmor verschiedener Herkunft) florierte und ergänzte das Angebot der örtlichen Vorkommen (Steinbrüche in Châbles, Bösingen, Greyerz-Epagny). Einige Villen, wie die in Bösingen, Cormérod, Ferpicloz, Murten und Riaz, waren regelrechte Paläste: Mosaike (in Vallon Jagdszenen in einem Amphitheater und Bacchus, der die schlafende Ariadne entdeckt; in Cormérod Theseus, der den Minotaurus niederstreckt), Wandmalereien und figürliche Bronzen (mehrere Fragmente einer grossen Bronzestatue in Arconciel) zeugen vom Reichtum einer Minderheit. Der bescheidener gestaltete Wirtschaftsbereich (pars rustica) der Villen umfasste vielfältige, für die landwirtschaftliche Produktion benötigte Einrichtungen wie Speicher, Ställe, Scheunen, Schmieden, Vorratsräume, Räucher- und Trockenkammern (Ursy) sowie die Unterkünfte des freien oder in Sklaverei gehaltenen Personals. Die Gutshöfe als Zentren der Romanisierung veränderten die ländliche Wirtschaft tiefgreifend, indem sie das Land und dessen Bewirtschaftung durchorganisierten. Mit dem agronomischen Fortschritt stiegen die Erträge der Anbauflächen (Aufkommen von Roggen) und verbesserte sich die Qualität des Viehs dank geeigneter Zuchtwahl. Neue Baumarten (Nussbaum, Kastanie) wurden eingeführt.

In unmittelbarer Nähe der Siedlungen entstanden die Nekropolen, die zuweilen umfriedete Gräberfelder (Arconciel) oder Mausoleen (Domdidier, Vallon) aufwiesen. Die in den ersten beiden Jahrhunderten vorherrschende Brandbestattung wich allmählich der Körperbestattung. Ab Mitte des 3. Jahrhunderts werden die gallorömischen Anlagen seltener. Die Krise des Kaiserreichs, die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen und die mit den Einfällen der Germanen entstehende Unsicherheit erklären die Verkümmerung der meisten Stätten.

Frühmittelalter

Wenig ist bekannt über die Geschichte des Freiburger Gebiets von den Einfällen der Alemannen 275-277 und dem Abzug der römischen Truppen (401) bis zur Gründung der Abtei Hauterive (1138) und der Stadt Freiburg; zu spärlich sind die Zeugnisse. Bei Murten und Vallon wurden in den Ruinen weitläufiger römischer Villen aus Abbruchmaterial und Holz einfache Bauten errichtet. Bestattungen in römischen Ruinen sind mehrfach belegt und lassen Wohnstätten der verbliebenen gallorömischen Bevölkerung in deren Nähe vermuten. Aus curtis oder auf -acum gebildete Ortsnamen weisen auf Kontinuität hin. Die 443 erfolgte Ansiedlung der Burgunder in der Sapaudia (Gebiet um den Genfersee) ist auf Freiburger Boden archäologisch nicht nachweisbar. Dass einzelne germanische Menschen im Gebiet von Freiburg lebten, ist anthropologisch bestätigt; die Grabfunde zeichnen jedoch einen einheitlichen, romanisierten Kulturraum (erkennbar an der Kleidung), der von der Aare bis ins Burgund und die Freigrafschaft reichte. Allmählich siedelten Alemannen, germanisierten ab dem 7. oder 8. Jahrhundert den Nordosten und rodeten Land im Südosten des heutigen Kantonsgebiets. Stellenweise überschritten sie die Saane.

Goldscheibenfibel und silberne Pferdchenfibeln aus dem Frauengrab 131 der merowingischen Nekropole von Riaz/Tronche-Bélon (Amt für Archäologie des Kantons Freiburg).
Goldscheibenfibel und silberne Pferdchenfibeln aus dem Frauengrab 131 der merowingischen Nekropole von Riaz/Tronche-Bélon (Amt für Archäologie des Kantons Freiburg).

Wenn auch kärglich geworden, nahm das spätantike Leben im Rahmen gallorömischer Tradition seinen Fortgang. Damit blieb auch die Grundlage für eine vertiefte Christianisierung erhalten, deren Zeugnisse im Verlauf des 6. Jahrhunderts zunehmen. Auch auf der Landschaft verbreitete sich das Christentum, vermutlich noch von Avenches aus. In Domdidier entwickelte sich die ehemalige Pfarrkirche aus einem Grabgebäude im römischen Friedhof an der Ausfallstrasse von Aventicum. Die Kernbauten der Kirchen von Vallon/Carignan, Lully und Font sind spätantike memoriae. Die frühesten Kirchen von Tours (Gemeinde Montagny), Villaz-Saint-Pierre und Bösingen stehen in den Ruinen römischer Villen. In Riaz entstand in den Ruinen des gallorömischen Tempels ein Friedhof. In Carignan (Gemeinde Vallon) ist ein spätantikes Baptisterium nachgewiesen, womit sich die Frage nach dem Verhältnis zum nahen Bischofssitz von Avenches stellt. Die Kirche von Carignan und die frühesten Kirchen von Surpierre, Tours, Font und Treyvaux liegen deutlich ausserhalb der zugehörigen Dörfer. In Belfaux wiederum standen in nächster Nähe von Kirche (6./7. Jh.) und Friedhof weitgehend hölzerne Wohn- und Wirtschaftsbauten (Grubenhäuser) noch des 1. Jahrtausends. Die ergrabenen frühmittelalterlichen Kirchengrundrisse entsprechen den aus der übrigen Westschweiz und den spätrömischen Kastellorten an Aare und Rhein bekannten Typen. Patrozinien und schriftliche Überlieferung lassen weitere frühe Kirchen erkennen, erhellen jedoch die kirchliche Organisation kaum. Wo sie nicht in merowingischen Gräberfeldern entstanden sind, haben die Kirchen die Friedhöfe an sich gezogen und zum Aufgeben der frühmittelalterlichen Bestattungsplätze geführt.

Der Grossteil der Funde stammt aus der Zeit nach der Einbindung des burgundischen Königreichs ins fränkische Reich 534 und der Errichtung des fränkischen Teilreichs Burgund 561 (König Guntram). Bestattungen mit Waffenbeigaben, die eher fränkischem als romanischem Brauchtum entsprechen, sind vielleicht Ausdruck dieser politischen Situation. Die vereinzelt auftretenden christlichen Motive erlauben keine Rückschlüsse auf die Frömmigkeit. Ausser den frühmittelalterlichen Gebäuden von Belfaux sind noch keine Siedlungen bekannt.

Herrschaft, Politik und Verfassung vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

Herrschaftliche und kirchliche Strukturen

Das zweite Königreich Burgund und das deutsche Reich

Das karolingische Reich wurde unter Karl dem Dicken nochmals vereint. Nach dessen Tod 888 wurde die Westschweiz Teil eines neuen Gebildes, des Königreichs Burgund, begründet von Rudolf I, einem Welfen. Die Güter und Höfe, welche die rudolfinischen Herrscher aufsuchten, befanden sich nahe den Rändern des heutigen Kantons: in Font, Payerne, Cudrefin, Murten/Muntelier, Kerzers und Bümpliz sowie in Lutry und Vevey, aber nicht in den dazwischen liegenden Gebieten der Saane und der Glane. Die Umrisse der einzelnen Gaue (pagi) des Reiches und die Wirkungsbereiche der Beauftragten (Grafen) des Königs sind allerdings kaum greifbar. Der Bischof von Lausanne, zu dessen Diözese das spätere Kantonsgebiet gehörte, erhielt 1011 Grafschaftsrechte (Gerichtsrechte, Einkünfte, Münzrecht) im Waadtgau. Auf später freiburgischem Boden unterstanden Riaz und Bulle (Nachfolgesiedlung des römischen Vicus?) sowie Albeuve seiner Herrschaft.

Nach dem Tod König Rudolfs III. 1032 setzte der deutsche Kaiser Konrad II. seinen Anspruch auf das Königreich Burgund durch, das darauf eng an das Reich gebunden wurde. So gewannen während der folgenden hundert Jahre Deutschsprachige und Auswärtige grossen Einfluss im nachmaligen Kanton Freiburg: Die Lenzburger stellten einen Lausanner Bischof. Rudolf von Rheinfelden wurde 1057 als Herzog von Schwaben offenbar auch mit der Verwaltung Burgunds beauftragt. Er verfügte damit über Reichsgüter und Reichsrechte, bis er sich 1077 als Gegenkönig aufstellen liess. Der aus dem Grafenhaus der Oltigen (Burg beim Zusammenfluss von Saane und Aare) stammende, zu Kaiser Heinrich IV. haltende Bischof Burkhard von Lausanne bekämpfte ihn heftig. Er erhielt dafür 1079 Rechte und Güter zwischen Saane, Genfersee und Alpen, darunter vermutlich Cugy und Murten. Ein Graf Cono (zweifellos sein Bruder) wurde 1082 auf Betreiben Burchards von Kaiser Heinrich IV. mit Burg und Herrschaft Arconciel in Ohtlannden (früheste Nennung des Namens Üchtland) beschenkt. Bischof Burchard förderte auch das Ausgreifen des Grafen Rainald II. von Burgund, seines Schwagers, östlich des Juras. Dessen Sohn Wilhelm III. der Deutsche (in der französischen Geschichtsschreibung Wilhelm II.) erhielt das reiche Erbe seines Grossvaters Cono von Oltigen (von Oltigen). Er konnte sich im Gebiet um Saane und Glane auf die Freiherren de Glâne stützen. In seinem Umkreis finden sich ferner die Freiherren von Belp, die späteren von Montagny. Im Süden des heutigen Kantonsgebiets erscheinen vor 1085 der Graf Wilerius aus Greyerz und 1095 ein Freiherr de Fruence. Ahnen der Freiherren de Blonay sind als Vertreter des Klosters Saint-Maurice um Attalens zu vermuten. Vom oberen Genfersee her baute sich der Einfluss des Hauses Savoyen auf: Humbert Weisshand hatte sich als Parteigänger Kaiser Konrads II. 1032 im Chablais festgesetzt. Graf Gerold von Genf hingegen unterwarf sich erst 1045 – wohl gegen weitgehende Zugeständnisse von Seiten des Kaisers – und begründete damit Einfluss und Besitzungen des Hauses in der ganzen Westschweiz bis ins Wistenlach (Vully, zwischen Murten- und Neuenburgersee).

Zwei Cluniazenserpriorate entstanden im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts in Rodungsgebieten nahe der heutigen Kantonsgrenze: Rougemont (ab 1073) und Rüeggisberg (um 1075). Das Priorat Münchenwiler wurde 1080 als Sühneleistung an Cluny geschenkt (Cluniazenser). Der Neubau der gewaltigen Abteikirche von Payerne in den gleichen Jahren beanspruchte auch Ressourcen aus der heute freiburgischen Umgebung.

Unter den Zähringern

Im Kloster Payerne wurde 1127 der noch junge Graf von Burgund Wilhelm IV. das Kind (in der französischen Zählung Wilhelm III.), der Sohn von Wilhelm III. (in der französischen Tradition Wilhelm II.) und Agnes von Zähringen, sowie sein Gefolge, darunter Peter und Ulrich de Glâne, ermordet. Anwärter auf das Erbe waren die Angehörigen der jüngeren Linie des Grafenhauses Burgund und der Onkel des ermordeten Grafen, der Herzog Konrad von Zähringen. Für die Zähringer ging es um die zweite grosse Erbschaft in Burgund. Bereits 1090, nach dem Tod von Berchtold von Rheinfelden, dem Sohn des Gegenkönigs Rudolf, waren dessen Güter um Burgdorf an seine Schwester Agnes und deren Gemahl Berchtold II. von Zähringen gelangt. Dies hatte damals auch den Anlass zur Verschwägerung mit den Grafen von Burgund gegeben, den nunmehr benachbarten früheren Gegnern der Rheinfelden.

König Lothar III. anerkannte den Anspruch der von Zähringen auf das burgundische Erbe. Mehr noch: er ernannte Konrad von Zähringen zum Rektor (Gouverneur) im alten Königreich Burgund von der Saône bis zum Mittelmeer. Doch schon östlich des Jura stiess Konrad auf den Widerstand des Grafen Amadeus von Genf. Nach einem duellartigen Gefecht 1132 bei Payerne, das Amadeus verlor, vermittelte Bernhard von Clairvaux 1133 einen Vergleich. Darauf beschränkte sich Konrad auf das Gebiet entlang der Aare, weiter westlich behielt Amadeus von Genf seine Vormachtstellung. Wenig später entstanden die Zisterzienserklöster Hautcrêt (1132/1143) und Hauterive (1134/1138); Letzteres durch die Stiftung Wilhelms de Glâne, der nach den Ereignissen von 1127 und 1132 seinen Besitz auflöste und Mönch wurde (Zisterzienser). Das von den Prämonstratensern um 1136/1137 gegründete Kloster Humilimont – anfänglich ein Doppelkloster – wurde von den Grafen von Greyerz und den Herren von Corbières gefördert.

1152 eröffneten sich für Berchtold IV. von Zähringen, den Sohn des eben verstorbenen Konrad, ungeahnte Aussichten auf ein eigenes Herzogtum: eine Heerfahrt nach Burgund und in die Provence mit Friedrich I. Barbarossa, dem neuen König, war geplant. Das Projekt zerschlug sich, Friedrich erheiratete Burgund mit der Tochter des letzten Grafen für sich selbst und der Zähringer wurde mit der Regalieninvestitur der Bischöfe von Genf, Sitten und Lausanne abgefunden. Doch zielstrebig machte sich Berchtold IV. daran, die Herrschaft östlich des Juras zu gewinnen und zu sichern: in einer Saaneschleife gründete er 1157 die Stadt Freiburg.

Von der Zähringerstadt zum eidgenössischen Ort (1157-1481)

Mit der Gründung der Stadt Freiburg setzte Berchtold IV. von Zähringen auf den Saaneraum, dessen Möglichkeiten (Markt, Verkehrswege, Landesausbau) noch brach lagen. Er verzichtete jedoch darauf, in die bestehenden politischen Strukturen am Genfersee und im Broyetal einzudringen. Zudem hatte er wahrscheinlich aus den Erfahrungen des Grafen Amadeus I. von Genf gelernt, der kurz zuvor mit einem bereits begonnenen Turmbau in Lausanne am Widerstand des Bischofs gescheitert war. Mit Versprechungen gegenüber dem Bischof von Lausanne sowie den Klöstern Hautcrêt und Hauterive sicherte er die Gründung ab. Noch vor 1162 trat Berchtold IV. von Zähringen seine Rechte in Genf an den dortigen Grafen ab, konzentrierte sich also auf Herrschaftsverdichtung. Erst die Beteiligung der Grundherren aus der deutsch- und der französischsprachigen Umgebung ermöglichten den Bau und das rasche Wachstum der Stadt Freiburg. Die den Bürgern gewährten Rechte liessen sie stadtsässig werden. Händler und Handwerker zogen nach. Die Kämpfe um 1200 – der burgundische Aufstand gegen Herzog Berchtold V., der Krieg zwischen dem Grafen von Genf und dem Bischof von Lausanne und die Fehde zwischen dem Zähringer und dem Grafen Thomas von Savoyen – schädigten das Broyetal und das Greyerzerland, während die Stadt Freiburg anscheinend verschont blieb.

Die Berner und Freiburger Truppen auf dem Feldzug gegen Savoyen 1308. Illustration aus der Spiezer Chronik (1485) von Diebold Schilling (Burgerbibliothek Bern, Mss.h.h.I.16, S. 149).
Die Berner und Freiburger Truppen auf dem Feldzug gegen Savoyen 1308. Illustration aus der Spiezer Chronik (1485) von Diebold Schilling (Burgerbibliothek Bern, Mss.h.h.I.16, S. 149). […]

Nach dem Tod Berchtolds V. 1218 und damit dem Aussterben des Geschlechts erbte Ulrich III. von Kyburg als Schwestersohn dessen Rechte und Güter in der Westschweiz. Das Rektorat und die auf Reichsboden gebaute Stadt Bern hingegen zog der Stauferkönig Friedrich II. ans Reich: Der Kyburger sollte nicht zu mächtig werden. So wurde das westliche Zähringergut mit Freiburg vom Gebiet um Burgdorf und Thun getrennt, mit ein Grund für die schon durch die Nähe gegebene Rivalität zwischen Freiburg und Bern. Im Kräftespiel zwischen Anhängern der Staufer, dem Bischof von Lausanne, den Grafen von Genf und den Grafen von Savoyen wirkten ab 1248 Freiburg und seine Stadtherren, die Grafen von Kyburg, zusammen: 1249 erfolgte die Bestätigung des Stadtrechts (Handfeste), 1253 und 1254 die Erlaubnis zur Erweiterung der Stadt auf dem rechten Saaneufer. 1251-1255 ertrug die Stadt einen Kleinkrieg gegen Peter II. von Savoyen, der sich den umliegenden Adel (Greyerz, Aarberg/Arconciel, Montagny, Corbières, Englisberg) und die befestigten Plätze Moudon, Romont und Payerne gefügig gemacht hatte. Nach dem Tod Hartmanns V. von Kyburg 1263 stellte sich Freiburg unter den Schutz des Grafen Rudolf von Habsburg, des künftigen Königs. Dieser führte bald darauf gegen Peter II. von Savoyen um das Kyburger Erbe den sogenannten Grafenkrieg, in dessen Verlauf die Stadt 1266 erfolglos belagert wurde. Mehrfach von Friedensschlüssen unterbrochen, flackerten in der Westschweiz während Jahrzehnten immer wieder Fehden und Kriege auf. Dabei waren die Habsburger, die Grafen von Savoyen und deren Seitenlinie, die Herren der savoyischen Waadt, die bedeutendsten, aber nicht die einzigen Handlungsträger. Die Stadt Freiburg bemühte sich in Bündnissen mit benachbarten Städten um die Sicherheit der Strassen und um Schiedsverfahren für Konflikte; Bündnisse schloss sie namentlich mit Avenches (1239, 1270), Bern (vielleicht bereits 1218, erneuert 1243, 1271), Murten (1245, 1293), Payerne (1249 Bündniserneuerung) und Laupen 1250/1260 (erneuert 1294). Nachdem er König geworden war, drängte Rudolf von Habsburg die überschuldeten kyburgischen Erben 1277 zum Verkauf von Freiburg an seine Söhne und führte von hier aus namentlich gegen Savoyen den Kampf um die Reichsrechte (mit dem Fernziel Arles), die Kontrolle der Jurapässe (Jougne, Col de la Faucille) und die eigene Hausmacht im Westen. Unklar ist der Anlass eines Zuges gegen Bern, den die Stadt Freiburg mit Ludwig I., dem Herrn der savoyischen Waadt, und eventuell anderen Verbündeten 1298 unternommen hatte. Das Unternehmen scheiterte (Niederlage von Oberwangen).

Trotz weiterer Niederlagen gegen Bern im Gümmenenkrieg und im Laupenkrieg vermochte Freiburg sich während des 14. Jahrhunderts zu behaupten und die benachbarten Kleinstädte weitgehend zu ersticken. Die Exemtion von den Reichsgerichten wurde 1361 bestätigt. Erzherzog Rudolf IV. von Österreich bestätigte 1363 die Privilegien der Stadt Freiburg auch kraft kaiserlicher Autorität. Die Stadt baute über ihre reichsten Bürger die Hoheit über ihr Umland aus und kaufte das Obersimmental und Gebiete im Seeland. Nach dem Sempacherkrieg 1386 mussten diese Erwerbungen allerdings an Bern abgetreten werden: Die selbst gewählte Treue zur meist fernen habsburgischen Herrschaft schlug zum Nachteil aus; Bern, nicht Freiburg, stieg zur regionalen Vormacht auf. In Freiburg setzte sich darauf eine bernfreundliche Politik durch: Das ewige Burgrecht von 1403 bevorzugte je die Partnerstadt, selbst gegenüber der eigenen Herrschaft (Reich bzw. Habsburg). 1405 kam Freiburg nach einem Stadtbrand Bern zu Hilfe. 1412 wurde Freiburg an der Seite Berns in ein Bündnis mit Savoyen aufgenommen, in dem seine Distanz zu Österreich deutlich wird. Es folgten 1414-1420 eine gemeinsame Aktion im Wallis, 1415 die Unterstützung für die Eroberung des österreichischen Aargaus und 1423 der Kauf der Herrschaft Grasburg, erste gemeine Herrschaft der beiden Stadtstaaten. Die folgenden Jahre wirtschaftlicher Blüte ermöglichten den Ausbau der Landeshoheit über die Alte Landschaft, namentlich durch den Erwerb der Reichslehen der Grafen von Thierstein.

Durch Neutralität suchte sich Freiburg aus dem Alten Zürichkrieg (1436-1450) herauszuhalten. Doch geriet es in einen verheerenden Folgekonflikt mit Bern und Savoyen, als Rechtshändel, Übergriffe und Fehden vor dem Hintergrund der internationalen Politik eskalierten. Die Stadt fand sich nach dem 1448 diktierten Frieden von Murten finanziell erschöpft, innerlich zerrissen und mit dem Aufruhr des Landvolks konfrontiert, das zur Finanzierung des Kriegs mit Steuern belegt worden war. Auch das späte persönliche Eingreifen Herzog Albrechts VI. 1449 schaffte keine Beruhigung. 1452 sagte sich Freiburg von Österreich los und unterwarf sich Savoyen, das ihm sämtliche Kriegsschulden erliess und alle Freiheiten bestätigte, ja erweiterte. Bern, durch den Vertragsbruch Savoyens geprellt, drohte Freiburg mit erneutem Krieg, knüpfte dann aber 1454 mit einer Erneuerung des Burgrechts freundschaftliche Beziehungen zu Freiburg, das so den Eidgenossen näher rückte und zum Beispiel 1460 an der Eroberung des Thurgaus teilnahm. Die Loyalität gegenüber Savoyen wurde belastet durch überfällige Schulden und die Errichtung der Herrschaft Romont, Apanage Jakobs von Savoyen, Grafen von Romont, der ein Bruder des Herzogs Amadeus IX. und ein bedrohlicher Nachbar war. Österreich verzichtete allerdings erst 1474, als es die Ewige Richtung unterzeichnete, in aller Form auf Freiburg.

Freiburger und Berner Truppen stehen im Oktober 1475 während der Burgunderkriege vor Estavayer. Illustration aus der von Christoph Silberysen 1572 angefertigten Kopie von Werner Schodelers Eidgenössischen Chronik (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 2, Fol. 130r; e-codices).
Freiburger und Berner Truppen stehen im Oktober 1475 während der Burgunderkriege vor Estavayer. Illustration aus der von Christoph Silberysen 1572 angefertigten Kopie von Werner Schodelers Eidgenössischen Chronik (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 2, Fol. 130r; e-codices). […]

In den Burgunderkriegen lagen weder die Feindschaft Berns noch ein Erfolg Karls des Kühnen in Freiburgs Interesse. Trotz hergebrachter sprachlich-kultureller Neigung der Führungsschicht zum romanischen Westen entschied es sich für Bern und damit gegen Savoyen und Burgund. Die Untertanen des Grafen von Greyerz verbanden sich mit Freiburg, ebenso die bischöflichen Orte Bulle, Riaz und La Roche. Der Graf von Greyerz tat desgleichen, obwohl er Vasall des Herzogs von Savoyen war. Dem Sieg bei Murten (22. Juni 1476) gingen Aktionen am oberen Genfersee voraus, an denen Freiburger und Greyerzer wesentlich beteiligt waren. 1477 verzichtete Herzogin Jolanda von Savoyen auf ihre Rechte über Freiburg, das damit reichsfrei wurde (Reichsunmittelbarkeit) und 1481 durch das Stanser Verkommnis – mit Berner Unterstützung und trotz des Widerstands der Länderorte – der Eidgenossenschaft beitreten konnte. Allerdings erhielt es nicht die gleichen Rechte wie die älteren Orte: Freiburg durfte ohne Einverständnis der Eidgenossen keine Bündnisse abschliessen und erhielt, sollte es angegriffen werden, nicht bedingungslos deren militärische Hilfe. Solothurn wurde zu denselben Bedingungen aufgenommen.

Gemeinde und Territorialbildung

Die Stadtrechte, die Herzog Berchtold IV. von Zähringen der Stadt Freiburg bei ihrer Gründung verlieh, sind nicht überliefert. Sie entsprechen aber wohl dem Kern der Handfeste, die ihr 1249 – wahrscheinlich in einer Zeit städtebaulicher Expansion und wirtschaftlichen Aufschwungs – von Hartmann IV. und Hartmann V. von Kyburg bestätigt wurde. Laut Handfeste hatten die Bürger das Recht, insbesondere die Ämter des Schultheissen und des Pfarrers selbst zu besetzen; dieses Recht wurde ihnen von den Habsburgern nur vorübergehend (1289-1308) vorenthalten. Der Schultheiss stand an der Spitze von 24 Geschworenen, dem Kleinen Rat. Die von der Stadt 1347 erlassenen Satzungen bestimmten, dass die Ämter des Schultheissen, des Säckelmeisters und des Bürgermeisters (Verantwortlicher für Polizei) sowie die Mitglieder des Kleinen Rats und des Rats der Zweihundert jährlich am 24. Juni (Johannes der Täufer) neu besetzt werden sollten. Zur Vorbereitung der Wahlen hatten die drei Venner, die je einem der damals drei Stadtquartiere vorstanden, am Sonntag vor dem 24. Juni (später Heimlicher Sonntag genannt) je 20 Bürger aus jedem der Stadtquartiere zu versammeln (später Rat der Sechzig). Eine weitere Satzung von 1392 gab den Vennern ausserdem die Macht, am Vorabend des Johannistages die Teilnehmer der Bürgerversammlung aufzubieten, die sich damals in der Liebfrauenkirche und seit 1404 in jener der Franziskaner trafen. Die Verfassungsentwicklung gipfelte im Vennerbrief von 1404, gemäss dem die nunmehr vier Venner (des Burg-, Au-, Spital- und neu auch des Neustadtquartiers) aus dem «gemeinen Volk» (gent de comun) und nicht aus dem Adel zu wählen seien. Der Vennerbrief wurde fortan jeweils am 24. Juni von den Bürgern beschworen. 1406 wurde den Vennern, die auch die Truppen anführten, das Umland, die Alte Landschaft, zugeordnet. Mit einem Zusatz von 1407, der jeglichen Aufruhr verbot, hatte der Vennerbrief Bestand bis ans Ende des Ancien Régime.

Bis Ende des Mittelalters war der Kleine Rat in wechselnder Zusammensetzung zugleich höchstes Gericht, das sich zunehmend auf Kosten anderer Gerichte ausdehnte. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde Freiburg als österreichische Landstadt von der Reichsgerichtsbarkeit ausgenommen, zu Beginn des 15. Jahrhunderts von der geistlichen Gerichtsbarkeit (Ehesachen, Häresie). Nach dem Zeugnis der sogenannten Schwarzen Bücher (oder Thurnrödel) urteilte das Ratsgericht Ende des 15. Jahrhunderts aber auch in Fällen von Blasphemie, Bestialität und Häresie (Hexerei). Das Stadtrecht galt auch in der Alten Landschaft; Murten, Estavayer-le-Lac und Bulle dagegen folgten der Coutume von Lausanne, das restliche Gebiet des heutigen Kantons (Broye, Veveyse und Greyerz) der Coutume von Moudon. Zum Aufbau einer eigenen Gerichtsbarkeit in den Landvogteien kam es erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Im Strafrecht galt ab 1541 die Carolina.

Während der langen Zeit der habsburgischen Stadtherrschaft (1277-1452) näherte sich Freiburgs Status de facto immer mehr demjenigen einer Reichsstadt, nicht zuletzt weil das Interesse der Habsburger sich zunehmend in den Osten verlagerte. Erst als die österreichischen Vorlande im 15. Jahrhundert wieder stärker ins Blickfeld der habsburgischen Politik rückten, mussten 1436 und 1439 wieder Bestätigungen für die gewählten Schultheissen eingeholt werden. 1442 wurde die Stadt von Kaiser Friedrich III., einem Habsburger, besucht.

Territoriale Entwicklung Freiburgs bis 1555
Territoriale Entwicklung Freiburgs bis 1555 […]

Beim Aufbau eines Territoriums war Freiburg sowohl durch seinen Status als österreichische Landstadt wie auch durch die Rivalität der Schwesterstadt Bern behindert. Erste Erwerbungen im Simmental und Seeland (Laubegg und Mannenberg, Nidau, Büren und der Inselgau, 1378-1382) mussten nach dem Sempacherkrieg (1386-1388) an Bern abgetreten werden (1398). In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gelang es lediglich, die Alte Landschaft durch den Kauf der thiersteinischen Lehen 1418/1442 zu ergänzen und zusammen mit Bern 1423 die gemeine Herrschaft Grasburg zu erwerben. Weitere Untertanengebiete kamen erst nach den Burgunderkriegen hinzu, als Freiburg die Herrschaften Everdes und Arconciel-Illens (mit Plaffeien) und, mit Bern, die späteren gemeinen Vogteien Murten, Grandson, Echallens und Orbe eroberte. Durch Kauf erwarb Freiburg 1478 Montagny, 1483 Pont, 1488 ein Drittel von Estavayer, 1502/1504 Jaun, 1505-1521 Wallenbuch, 1520 Font und 1526 Corserey. Anlässlich der Eroberung der Waadt 1536 kam Freiburg in den Besitz von Estavayer, La Molière, Vallon, Delley, Saint-Aubin und Surpierre, Romont, Rue, Châtel-Saint-Denis, Attalens und Bossonnens sowie Vaulruz und Vuippens, stiess aber im Gegensatz zu Bern nicht bis an den Genfersee vor. 1537 folgten La Roche, Riaz, Bulle und Albeuve, ehemalige Besitzungen des Bischofs von Lausanne, die auf diese Weise katholisch blieben. 1555 schliesslich erhielt Freiburg aus der Konkursmasse des letzten Grafen von Greyerz das Gebiet von Montbovon bis La Tour-de-Trême. Die Rivalität Berns brachte es mit sich, dass Freiburg sich für den Aufbau eines Territoriums nach Westen und Süden wenden musste und, paradoxerweise, französischsprachige Landvogteien erst erwarb, nachdem es sich der Eidgenossenschaft zugewandt und Deutsch zur Amtssprache gemacht hatte.

Vom 13. Jahrhundert an wurde Freiburg – nicht zuletzt auch wegen seiner Lage zwischen Bern und Savoyen – in zahlreiche Konflikte hineingezogen. Erst die Befreiung von der Stadtherrschaft und der Eintritt in die Eidgenossenschaft löste das Dilemma, in dem sich Freiburg seit dem Erlöschen der Zähringer 1218 befunden hatte.

Staat, Regierung und Verwaltung im Ancien Régime

Konfrontiert mit der Reformation entschied sich Freiburg für das Festhalten am alten Glauben, was weit reichende Konsequenzen für die Geschichte der folgenden Jahrhunderte hatte. Das freiburgische Ancien Régime kann in zwei Abschnitte unterteilt werden, in die Turbulenzen des 16. Jahrhunderts, erzeugt durch Einflüsse der Renaissance und die Reaktionen auf die Reformation (1524-1602), und die darauffolgende lange ruhige Phase der Patrizierherrschaft (1602-1798).

Die Gegenreformation (1524-1602)

Wie in anderen katholischen Staaten lässt sich in Freiburg die Gegenreformation – die politische Strategie der Behörden gegen die Reformation – von der katholischen Reform – den Massnahmen der zivilen und kirchlichen Organe im eigentlichen religiösen Bereich – unterscheiden. Allerdings gab es auch deutliche Überschneidungen. Die freiburgische Gegenreformation, die den Katholizismus zur Staatsreligion erhob, begann bemerkenswert früh. Nach der Bekanntmachung der 1521 von Rom gegen Luther erlassenen Bannbulle drohte Freiburg jeden zu verbannen, der sich für den Reformator aussprach. Im Anschluss an die eidgenössischen Tagsatzungen von 1522 und 1524 (die erste verurteilte Zwingli und die Neuerungen von Zürich, an der zweiten wurde die Beibehaltung des alten Glaubens beschlossen) ergriff Freiburg, das in Anhänger und Gegner der Reformation gespalten war, eine aussergewöhnliche Massnahme: 1524 zwang die Regierung die gesamte Bevölkerung, das katholische Glaubensbekenntnis öffentlich abzulegen. Widerstand Leistende wurden ins Exil gezwungen. Während in der Schweiz und in Europa die Reformation voranschritt, wurde in jeder Freiburger Pfarrei durch das ganze Jahrhundert hindurch und darüber hinaus das Bekenntnis zum Glauben wiederholt. Manchmal geschah dies besonders feierlich: 1542 schworen die politischen Amtsträger unter Namensaufruf in der Stiftskirche St. Niklaus, den «wahren christlichen Glauben» zu bewahren.

Das Freiburger Juliusbanner. Leinendamast mit Granatapfelmotiv und Zwickelbildern, bestickt mit Seide, Gold- und Silberfäden, hergestellt in Italien, 1512 © Museum für Kunst und Geschichte Freiburg.
Das Freiburger Juliusbanner. Leinendamast mit Granatapfelmotiv und Zwickelbildern, bestickt mit Seide, Gold- und Silberfäden, hergestellt in Italien, 1512 © Museum für Kunst und Geschichte Freiburg. […]

Aus den Quellen geht nicht hervor, weshalb Freiburg so rasch und entschlossen reagierte, noch bevor die Nachbarorte Bern, Neuenburg und Waadt den neuen Glauben angenommen hatten. Daher können über die Gründe nur Vermutungen angestellt werden. Offenbar hatte die Freiburger Obrigkeit ein Interesse daran, am Status quo festzuhalten. Anfang des 16. Jahrhunderts stand Freiburg in einer engen politischen Beziehung zum Papsttum, woran sich auch mit dem Tod von Papst Julius II. (1513) und Schultheiss Peter Falck (1519), die diese Verbindung aufgebaut hatten, nichts änderte. Ausserdem fühlte sich Freiburg, das gerade erst der Eidgenossenschaft beigetreten war, zur Bündnistreue verpflichtet. Weiter waren Übergriffe der weltlichen Obrigkeit in die geistliche Herrschaftssphäre, in diesem Fall diejenige des Bischofs von Lausanne, keineswegs selten. Nicht zuletzt war der Solddienst für den Staat, der seine Vorrangstellung in der Tuchindustrie (Wolle) eingebüsst hatte, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Der Reformator Zwingli dagegen bekämpfte die fremden Dienste, die er als reines Söldnertum betrachtete.

Während die Freiburger Innenpolitik durch die aktive Bekämpfung der Reformation geprägt war, trat in der Aussenpolitik ein passiver Widerstand zutage. Die nachbarschaftlichen Beziehungen bestimmten das Verhalten der Regierung, das sich nach zwei Grundsätzen richtete: Koexistenz mit Bern und folglich gegenseitige Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Die Befolgung dieser Grundsätze auf beiden Seiten erklärt zum einen die Unbeirrbarkeit der im Innern praktizierten freiburgischen Religionspolitik, die sich ab 1555 (Reichstag von Augsburg) auf das kaiserliche Prinzip cuius regio, eius religio berufen konnte, zum anderen das Ausbleiben bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen den beiden Städten und Freiburgs Neutralität in den Kappelerkriegen. Das mittelalterliche Burgrechtssystem überdauerte den konfessionellen Gegensatz des 16. Jahrhunderts.

Der 1403 zwischen Freiburg und Bern abgeschlossene Burgrechtsvertrag wurde nie formell aufgehoben. Dessen Ausweitung auf Genf 1526 wurde 1530, nach dem offiziellen Übertritt Berns zur Reformation (1528), bestätigt. Genf spielte nämlich als Absatzmarkt und als Durchgangsstation in den handelspolitischen Überlegungen Berns wie Freiburgs eine wichtige Rolle. Freiburg und Bern waren darauf bedacht, dass dieser wertvolle Verbündete nicht an Savoyen oder Frankreich fiel. Dieses gemeinsame Interesse führte 1536 zur militärischen Besetzung der Waadt durch die beiden Orte, die das eroberte Gebiet unter sich aufteilten, sowie 1555 zur Teilung der Grafschaft Greyerz.

Für Freiburg ergab sich eine paradoxe Situation: Einerseits verzeichnete es einen beträchtlichen Gebietszuwachs, andererseits war es nun von Bern, das sich bis an die Ufer des Genfersees erstreckte, umschlossen. Diese geografische und konfessionelle Insellage, eine Determinante der Freiburger Geschichte von 1536 bis 1798, förderte bei den Machthabern tendenziell eine Belagerungsmentalität. Diese erklärt denn vermutlich auch die fieberhafte Konfessionspolitik des 16. Jahrhunderts. Das Ziel der freiburgischen Diplomatie bestand darin, Bern von jeglicher Aggression abzuhalten und zugleich enge Bindungen mit dem katholischen Europa einzugehen. 1564 wurde in Freiburg das 1521 geschlossene Bündnis der Eidgenossen mit dem französischen König erneuert (Allianzen), nachdem 1516 dort bereits der Ewige Frieden zwischen König Franz I. und den eidgenössischen Orten geschlossen worden war. Die Bartholomäusnacht 1572 verschärfte die Spannungen innerhalb der Schweiz. Diese erreichten ihren Höhepunkt in den folgenden Jahren, in denen Freiburg Bündnisse mit Savoyen (1578), dem Goldenen Bund (1586) und Spanien (1588) einging. Die Eröffnung einer ständigen Nuntiatur in Luzern (1579), die in Freiburg aktiv Einfluss nahm, trug ebenfalls zur Verschlechterung der Lage bei. Doch die Neutralität Freiburgs im Konflikt zwischen Bern und Savoyen (1589-1590) und die Erneuerung der Allianz mit Frankreich (1602) wenige Jahre nach dem Edikt von Nantes (1598) leiteten die von der gemässigten Mehrheit ersehnte Entspannung ein, welcher die Anhänger der Allianz mit Spanien bis dahin entgegengewirkt hatten.

Ancien Régime (1602-1798)

Der politische Kurs, der mit der Glaubensspaltung im 16. Jahrhundert eingeschlagen worden war, förderte im 17. und 18. Jahrhundert die Machtkonzentration in den Händen des Patriziats und das Entstehen des Absolutismus. Dieser Prozess lässt sich in Freiburg besonders deutlich verfolgen.

Das Patriziat, dessen Wurzeln ins Mittelalter zurückreichen (Vennerbrief von 1404), entwickelte sich, gestärkt durch die Massnahmen zur Eindämmung der Reformation, Anfang des 16. Jahrhunderts zu einer «kräftigen Oligarchie» («oligarchie vigoureuse», Gaston Castella). 1542 erscheint erstmals der Geheime Rat, der für die Sicherheit des Staats zu sorgen hatte und – offenbar nach dem Vorbild des venezianischen Zehnerrats – zehn Mitglieder zählte. Die vier Venner, die darin eine zentrale Rolle spielten, präsidierten auch die Geheime Kammer, die zu einem Symbol des Absolutismus wurde. Sie war ein Produkt der Gegenreformation und kümmerte sich unter anderem um die sogenannte Pittlung (französisch grabeau), eine Form der Zensur oder Kontrolle des öffentlichen und privaten Lebens der Magistraten. Dieses gefürchtete Inquisitionsinstrument diente dazu, neue Ideen aufzuspüren und deren Verbreitung zu verhindern.

Dominante Familien in Freiburg 1763
Dominante Familien in Freiburg 1763 […]
Das politische System Freiburgs im Ancien Régime
Das politische System Freiburgs im Ancien Régime […]

Das patrizische Regime institutionalisierte sich 1627, als die als «Heimliche» bezeichneten Bürger ihre alleinige Wählbarkeit für die öffentlichen Ämter proklamierten. 1684 wurde mit der beinah hermetischen Schliessung des Bürgerbuchs der Zugang zur Macht auf die 77 sogenannt regimentsfähigen Familien eingeschränkt. Die Zahl der im Kleinen Rat sitzenden Familien verringerte sich von 64 (1490-1520) auf 32 (1700-1730). Das Bürgertum nahm die neue Ordnung anscheinend apathisch hin. Aus den Rivalitäten zwischen Adel und Patriziat in den Räten erwuchsen keinerlei Impulse für eine tiefer greifende Reform. Einzig die Unruhen 1781-1783 (Chenaux-Handel) zeugen vom Aufstieg sozialer Kräfte mit ernsthaften politischen Ambitionen.

Das Patriziat berief sich auf das Gottesgnadentum und regierte nach dem absolutistischen Grundsatz «alles für das Volk, nichts durch das Volk». Nur ein einziges wichtiges Privileg teilte es mit dem gemeinen Bürgertum: das althergebrachte Recht, den Schultheiss, den Bürgermeister und den Pfarrer der Stadt zu wählen. Das Volk konnte in Religionsfragen nie mitreden, nicht einmal auf dem Gipfel der Krise des 16. Jahrhunderts. In Freiburg fanden keinerlei Glaubensdisputationen oder -gespräche statt, das Glaubensbekenntnis wurde von der Obrigkeit aufgezwungen. Es kam auch 1600 zu keiner Volksbefragung, als das Stadtrecht (Municipale) eingeführt wurde, ein wichtiges Instrument für die rechtliche und administrative Vereinheitlichung der Verwaltung, die das unübersichtliche Geflecht von mittelalterlichen Freiheiten, Privilegien und Immunitäten allmählich ablöste.

Territoriale Verwaltung Freiburgs im 18. Jahrhundert
Territoriale Verwaltung Freiburgs im 18. Jahrhundert […]

Ab 1536 bzw. 1555 Lehnsherrin eines mit savoyischen, bischöflichen und gräflichen Herrschaften durchsetzten Territoriums, ordnete Freiburg das Gebiet neu in 19 Vogteien und versuchte, daraus durch eine zentralistische Politik ein zusammenhängendes Ganzes zu schaffen. Im 18. Jahrhundert verstärkte die patrizische Aufklärung, angeführt von François-Joseph-Nicolas d'Alt de Tieffenthal, diese Rationalisierungsbewegung, die darauf abzielte, Freiburg zu einem modernen Staat zu machen. Die Kehrseite der Medaille waren die Zunahme des Verwaltungspersonals, die wachsende Steuerlast sowie die übertriebene und manchmal ungeschickte Einmischung der Zentralgewalt. Das engmaschige Kontrollnetz, die Bespitzelung und die unvermeidlichen Entgleisungen liessen in den Gemeinden und Pfarreien, die um ihre Autonomie bangten, eine Widerstandsbewegung entstehen, die durchaus Berührungspunkte mit den Unruhen von 1781 aufwies.

Als im Mai 1781 die Stadt Freiburg, das Zentrum der politischen, kirchlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Macht, überraschend von der aufständischen Landbevölkerung belagert wurde, kam Bern ihr sogleich zu Hilfe. Darin zeigt sich die patrizische Solidarität zwischen den beiden Stadtrepubliken, die im Bauernkrieg 1653 gefestigt worden war, als die freiburgischen Truppen unter Berner Kommando marschierten. Diese Unterordnung erklärt wohl Freiburgs Neutralität in den beiden Villmergerkriegen 1656 und 1712, an denen Bern massgeblich beteiligt war. Die Truppen, die ab Ende des 16. Jahrhunderts einem Kriegsrat unterstanden, wurden wiederholt reorganisiert, unter anderem 1611, 1631, 1668 und 1670 (entsprechend den Anforderungen des Defensionale von Wil) sowie 1746. Gegen Ende des Ancien Régime konnte Freiburg rund 12'000 Mann aufbieten.

Als mittelgrosse Macht in der Eidgenossenschaft spielte Freiburg eine einigende Rolle. In den beiden Villmergerkriegen 1656 und 1712 wandte es erfolgreich das System der eidgenössischen Vermittlung an, um die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Reformierten (Protestantismus) zu beenden. In beiden Fällen erwies sich Freiburgs Diplomatie der aktiven Neutralität als wirksam, was bei zeitgenössischen Beobachtern Bewunderung hervorrief. Freiburg half Bern, im eidgenössischen Raum eine Stabilität herzustellen, die innerhalb einiger Jahrzehnte das mit dem Trücklibund 1715 entstandene Klima eines «kalten Kriegs» in ein friedliches Zusammenleben umwandelte. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts – 1749 sicherte Freiburg der Stadt Bern in der Henzi-Verschwörung seine Unterstützung zu – intensivierten sich die Beziehungen zwischen den beiden Stadtstaaten, wie auch ihre umfangreicher werdende diplomatische Korrespondenz belegt.

In den Beziehungen, welche die Stadt und Republik Freiburg mit den europäischen Mächten unterhielt, kommt ebenfalls ihr Realitätssinn zum Ausdruck. Österreich, Spanien, Frankreich, Genua, der Kirchenstaat, Sardinien, Savoyen und Venedig – mit all diesen katholischen Regierungen schloss Freiburg Verträge und Abkommen ab, um vor allem seine konfessionelle Isolierung und seine Abhängigkeit von Bern auszugleichen. Freiburg wählte also eine Strategie der doppelten Loyalität, die unumgänglich schien, um einerseits den alten Glauben zu wahren und andererseits die traditionellen Bande mit dem zur Reformation übergetretenen Bern aufrechtzuerhalten. In dieser Konstellation eignete sich Frankreich als ständiger Verbündeter und kontinentale Grossmacht am besten für Freiburgs Ziele. Denn die königliche Politik, 1516 in Freiburg festgelegt wurde und seither unverändert blieb, bestand genau darin, die Integrität des Corpus helveticum und seiner Mitglieder zu gewährleisten. Somit verdankte Freiburg den Erfolg seiner Sicherheitspolitik letztlich dem Einfluss Frankreichs.

Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur bis ins 18. Jahrhundert

Besiedlung und Bevölkerung

Mittelalter

In der Antike gehörten die besten Ackerflächen in der Broye (Bezirk) und im Hügelland zwischen Murtensee und Saane zum Hinterland des römischen Hauptorts Aventicum. An den Talflanken der Saane und der Glane sowie an der oberen Broye standen römische Gutsbetriebe oft bis auf 750 m, vereinzelt auch höher. Weniger dicht erschlossen waren der obere Sensebezirk und das Plateau im Südwesten des Kantons. Vom 3. bis 6. Jahrhundert mag die bebaute Fläche geschrumpft sein; die Chronisten Bischof Marius aus Avenches sowie Fredegar berichten von Überschwemmungen. Doch neben verlassenen Herrenhäusern, an deren Standort später nicht mehr gebaut wurde, gibt es auch andere, über deren Mauerresten die mittelalterlichen Kirchweiler stehen. Die Vorgaben von Bodenbeschaffenheit und Klima spiegeln sich in den beiden Siedlungstypen, welche die Landschaft Freiburgs seit dem ausgehenden Mittelalter prägen: In dem spätestens seit römischer Zeit besiedelten Gebiet gibt es vor allem Dörfer, während in den erst seit dem Hochmittelalter kolonisierten höheren Lagen Einzelhöfe überwiegen, gelegentlich zu Weilern verdichtet. Zur Infrastruktur der ländlichen Siedlungen gehörten Backhäuser, Mühlen, vereinzelte Schmieden. Quellen zur Lebensweise einer «Freiburger» Bauernfamilie des frühen und hohen Mittelalters fehlen. Auch über die Wohnbauten des Adels, etwa der Familien von Greyerz, von Glane oder von Corbières, ist nichts bekannt. In Analogie zu benachbarten Landschaften sind Holz- und Fachwerkbauten in steiler Lage zu erwarten, gesichert mit Gräben und Palisaden. Mörtelgebundenes Mauerwerk blieb auf den Kirchenbau beschränkt.

Vom 12. Jahrhundert an änderte sich das Landschaftsbild. Wer es sich leisten konnte, baute eine Burg, so die im Dienste des Hochadels und der Klöster stehenden Verwalter oder auch die reichen Hofbesitzer mit eigenem Reitpferd. Um 1200 wirkten im späteren Kanton über 80 Ritterfamilien; gegen 70 Burgstellen sind nachgewiesen. In Wechselwirkung mit diesem Aufschwung wurde die Feldflur durch Verdichtung im Altsiedelland sowie durch Ausdehnung in vordem nicht oder nur extensiv genutzten Waldgebieten erweitert. Das Vordringen in den Wald spiegelt sich in den Ortsnamen der Dörfer des Ärgeratals (von unten nach oben): Giffers (caprilia, Ziegenweide), Plasselb (plana silva, ebener Wald), Plaffeien (plana fageta, ebener Buchenwald). Orts- und Flurnamen mit dem Bestandteil Riet (46 Fälle) oder Essert (286), die beide auf Rodungsland hinweisen, sind weit verbreitet. Wesentlichen Anteil an diesem Landausbau hatten die in zwei Wellen um 1080 bzw. 1135 gegründeten Klöster.

Zahlreiche Geschlechter teilten sich in diesem beschränkten, intensiv genutzten Raum die Herrschaft über Land und Leute. Zwischen 1150 und 1325 wurden an der mittleren Saane zahlreiche Städte angelegt (Städtegründung). Viele von ihnen existierten nur kurze Zeit. Mängel der Lage, der Infrastruktur und des rechtlichen Status und nicht zuletzt die Pest um 1350 führten zu einer Strukturbereinigung. Als Städte bestanden Freiburg, Bulle und Greyerz weiter. Corbières, Vuippens, Vaulruz und La Tour-de-Trême sanken zu Dörfern ab und Arconciel, Pont-en-Ogoz und Montsalvens wurden aufgegeben. Im übrigen Gebiet vermochte sich Murten neben Avenches und Payerne zu halten sowie Romont neben Lucens und Moudon. Rue und Châtel-Saint-Denis (1296 an Stelle des älteren Fruence) hingegen blieben eher bescheiden. Das stattliche Estavayer-le-Lac ging in mehreren Schritten aus einem Burgstädtchen hervor.

Perspektivische Ansicht des Guts Greng. Kolorierte Zeichnung des Architekten Charles de Castella, 1786 (Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, Ms. L 1943/2).
Perspektivische Ansicht des Guts Greng. Kolorierte Zeichnung des Architekten Charles de Castella, 1786 (Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, Ms. L 1943/2). […]

Vom 16. bis ins 18. Jahrhundert wurden in den Voralpen neue Flächen (Schwand, Ciernes) zur Gewinnung von Heuwiesen und Weideland gerodet. Urbarmachung gab es auch in den übrigen Gebieten für die Ansiedlung von Handwerkern und Kleinbauern, denen oft Parzellen innerhalb der Allmend zugewiesen wurden. Ab etwa 1600 entstanden mehr und mehr Herrensitze des Patriziats im Umkreis der Stadt Freiburg. Wie die römische Villa oder die frühmittelalterliche curtis umfassen sie das Herrenhaus, das Bauernhaus, Ställe, Speicher und Backhaus und zuweilen eine Kapelle mit der Familiengrablege.

Anhand der spärlich überlieferten Quellen ist es schwierig, die Bevölkerungszahl Freiburgs in dieser Zeit zu ermitteln. Einige Angaben zur Zahl der Haushalte sind aber in den Akten der Pfarreivisitationen der Diözese Lausanne enthalten (1416-1417 und 1453). Weitere Daten liegen im Zusammenhang mit den Steuern vor, die für den Kauf von Nidau 1387 und von Greyerz 1555 erhoben wurden, ferner gibt es regionale Zählungen für 1444, 1447, 1448 und eine Steuerliste von 1445. Nicolas Morard schätzt die Bevölkerung innerhalb der Grenzen des heutigen Kantons um das Jahr 1300 auf etwa 44'000, was einer Bevölkerungsdichte von 30 Einwohnern pro km2 entspricht. Nach der hohen Mortalität im 14. Jahrhundert soll die Bevölkerungszahl zwischen 1420 und 1450 schätzungsweise 28'000 Einwohner betragen haben, was einer Bevölkerungsdichte von 19 Einwohnern pro km2 entspricht. Weniger drastisch dürfte der Bevölkerungsrückgang im Greyerzerland ausgefallen sein.

Frühe Neuzeit

Trotz der nur dünnen Quellengrundlage wird allgemein angenommen, dass die Bevölkerungsentwicklung im Kanton Freiburg von 1500 bis 1800 weitgehend parallel zur gesamtschweizerischen verlief. Die Bevölkerung nahm zu, doch wurde das Wachstum beeinträchtigt durch Hungersnöte sowie die mehr oder weniger kontinuierliche zivile und militärische Auswanderung. Man geht auch davon aus, dass die Stadt Freiburg im Unterschied zum Kanton in diesem Zeitraum keine Bevölkerungszunahme verzeichnete (1445 5800 Einwohner, einschliesslich 546 hierher geflohene Landleute; 1798 5117). Die Demografen sind sich zudem einig, dass sich das Wachstum gegen Ende des 18. Jahrhunderts beschleunigte. Innerhalb der heutigen Kantonsgrenzen zählte man 1785 61'000 Einwohner, 1798 66'000 und 1811 74'000. 1798 entsprach die Bevölkerungsdichte des Kantons mit 41 Einwohnern pro km2 dem schweizerischen Durchschnitt. Unter den heutigen 26 Kantonen und Halbkantonen belegte Freiburg 1798 gemessen an der Bevölkerungszahl den 10. Platz (2000 den 12. Platz). Der Hauptort lag 1798 auf dem 9. Rang der 20 Schweizer Städte mit über 2000 Einwohnern.

Das demografische Verhalten (Natalität, Fruchtbarkeit, Nuptialität, Mortalität) variierte von einer Gegend des Kantons zur anderen. Während in dem katholischen Bergdorf Charmey die mittlere Geburtenzahl einer sogenannt vollständigen Familie bei sechs Kindern lag (1761-1875), betrug sie in Vully, einer reformierten Kirchgemeinde im Mittelland, vier Kinder (1750-1875). Hier war auch der zeitliche Abstand zwischen zwei Geburten grösser als in Charmey, was darauf hindeutet, dass malthusianische Praktiken bei den Reformierten verbreiteter waren als bei den Katholiken (Malthusianismus). Ende des 18. Jahrhunderts verzeichnete Charmey einen starken Geburtenschub, der vielleicht auf den gestiegenen Wohlstand zurückzuführen ist. Die komfortablere Situation brachte hier Ende des 18. Jahrhunderts eine gewisse Lockerung der Sitten mit sich: Der Anteil der unehelichen Kinder betrug 7%, lag damit aber immer noch unter dem in der Stadt Freiburg (1780-1805 8%). Das Heiratsalter war im gesamten Kantonsgebiet eher hoch: 26 Jahre bei den Frauen, 29 Jahre bei den Männern. Die Lebenserwartung bei der Geburt (38 Jahre in Charmey und 34,5 Jahre in Vully) entsprach dem europäischen Durchschnitt.

Wirtschaft

Mittelalter

Der Getreidebau in Form der Dreizelgenwirtschaft beherrschte im Mittelalter den ganzen freiburgischen Raum, auch die heute von der Milchwirtschaft geprägten Voralpengebiete. Die Alpweiden wurden mit Schafen genutzt. Der Weinbau, heute auf den Mont Vully und Cheyres beschränkt, war etwas weiter verbreitet. Die Freiburger besassen auch zahlreiche Rebberge im Lavaux. Zu diesem Rebgebiet bestanden enge Beziehungen. Die Versorgung mit Holz, Kohle und Baumrinde (für die Gerbereien) war im Mittelalter noch reichlich gewährleistet. Vom 12. Jahrhundert an ermöglichten die landwirtschaftlichen Erträge eine zunehmende gesellschaftliche Arbeitsteilung. Die zu Rittern werdenden Freien und Ministerialen und viele Geistliche – auch die vormals so eifrigen Zisterzienser – trieben selbst keine Landwirtschaft mehr. Dazu kam eine wachsende Zahl von Bauhandwerkern, die für die zahlreichen Neubauten von Burgen, Kirchen und Klöstern, Befestigungen, Brücken und Bürgerhäusern der neu gegründeten Städte tätig waren und von der Materialbeschaffung bis zur Ausstattung alle Arbeiten übernahmen. Zulieferer wie Schmiede, Seiler und Wagner fanden ihr Auskommen. Viele Tätigkeiten wurden von den Haushaltungen zu den Gewerbetreibenden in den Marktorten verlagert, wo Müller, Bäcker und Metzger auftraten.

Gerberei und Tuchmacherei, die beiden Gewerbe, denen Freiburg im Spätmittelalter seine Blüte verdankte, beruhten auf der am Ende des 13. Jahrhunderts allgemein verbreiteten Schafzucht (Viehwirtschaft). Diese wiederum war auf die Zusammenarbeit zwischen Kapitalgebern als Eigentümern der Herden und Inhabern von Weideplätzen oder -rechten angewiesen. Daher zielten die territorialen Interessen der Stadt Freiburg auf Winterweiden in den Auen der Aare und zusätzliche Sommerweiden im Obersimmental. Die Gerberei verarbeitete 1356 und 1357 insgesamt 20'000 Häute, von denen ein Drittel ins Rheinland ging. Die Tuchmacher in Stadt und Land produzierten zunächst für den einheimischen Bedarf. Nach der Mitte des 14. Jahrhunderts setzte in Freiburg ein exportorientiertes Tuchgewerbe ein (Exportwirtschaft). Um die Qualität der einheimischen Wolle zu verbessern, wurden feinhaarige Schafe und burgundische Wolle eingeführt. Die besten, nicht mechanisch gewalkten Tücher wurden behördlich kontrolliert und mit einem Gütesiegel versehen. 1434 wurde mit 14'000 besiegelten Tüchern ein Höhepunkt erreicht. Das Tuch- und Ledergewerbe dürfte um die Mitte des 15. Jahrhunderts 2500 bis 3000 Personen, d.h. die Hälfte oder mehr der Stadtfreiburger ernährt haben; danach ging die Tuchherstellung zurück. Zeitweise wurden auch aus importierten Halbfabrikaten gefertigte Sicheln und Sensen ausgeführt. Walken, Mühlen, Sägen, Stampfen, Hammer- und Schleifwerke reihten sich am Galternbach, der frühen Gewerbezone der Stadt, waren aber auch verstreut auf der Landschaft und in der Nähe der Kleinstädte anzutreffen. Bald nach 1250 hatte die Stadt Freiburg durch den Bau dreier Brücken und einer in den Steilhang gelegten Strasse den Weg für Fuhrwerke geöffnet und wurde damit zum wichtigsten Saaneübergang. Trotz der unregelmässigen Wasserführung wurde die Saane ab Freiburg mit Schiffen befahren.

In einem Friedensvertrag mit Bern (1294) werden an beschlagnahmten Handelsgütern genannt: Wein, Korn, Salz und andere Lebensmittel, Textilien, Eisen (wahrscheinlich Hufeisen), Ketten und Kupfer. Die beiden dreitägigen Jahrmärkte in Freiburg wurden 1327 durch herzogliches Privileg auf je acht Tage verlängert und 1385 um zwei weitere dreitägige Märkte ergänzt. Vom 14. Jahrhundert an häufig besucht wurde die Messe in Genf, wo Freiburg einen Stand in der Tuchhalle unterhielt, gefolgt von Zurzach; gelegentlich finden sich Freiburger Kaufleute im süddeutschen Raum, im 15. Jahrhundert vereinzelt auch in Mailand, Venedig, Avignon und Barcelona.

Ein Freiherr von Montagny hatte 1259 Schulden bei nicht näher lokalisierten Juden. Diese Finanzfachleute wurden von Graf Peter II. im savoyischen Herrschaftsgebiet gefördert; in Murten sind sie ab 1294 erwähnt. Drei Bankiers aus Asti erhielten 1303 das freiburgische Burgrecht. Freiburg respektierte das Münzrecht des Bischofs von Lausanne, bis es 1422 von Kaiser und Papst dieses zu den Regalien zählende Privileg erlangte und 1435 mit eigenen Prägungen begann.

Ancien Régime 1500-1800

In der frühen Neuzeit standen der deutlich überwiegende 1. und der lebendige 3. Sektor dem kümmerlichen 2. Sektor gegenüber. Mangels hinreichender Quellen lässt sich dies nicht in Beschäftigungszahlen ausdrücken. Drei Faktoren bestimmten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Der erste Faktor war Freiburgs geopolitische Insellage inmitten von Berner Gebiet. Die tatsächliche oder nur scheinbar vorhandene Erstickungsgefahr stellte den Staat Freiburg immer wieder vor die Alternative: Autarkie oder Austausch? Der zweite Faktor war die Einbindung des Stadtstaats in die «globale Wirtschaft» (Fernand Braudel) eines riesigen grenzüberschreitenden Marktes, der die Westschweiz, Savoyen und die Freigrafschaft Burgund mit rund zwei Millionen Einwohnern (Ende des 18. Jh.) umfasste. Als dritter Faktor ist die Seeschifffahrt zu nennen. Aufgrund der Bedeutung der Verbindungen Murten-Vully, Vevey-Genf, Estavayer-Yverdon und Portalban-Neuenburg und spielten der Murten-, Genfer- und der Neuenburgersee für die wirtschaftliche Entwicklung Freiburgs eine entscheidende Rolle. Dabei ist zu bedenken, dass die Hauptachse Bern-Genf über Murten lief und nicht über Freiburg, das somit abseits lag. Diese drei Faktoren standen zueinander in Wechselwirkung, wobei deren gegenseitiger Einfluss sich zwischen 1500 und 1800 veränderte. Im 18. Jahrhundert erfolgte die Öffnung und der Anschluss.

Die freiburgische Landwirtschaft des Ancien Régime suchte ein Gleichgewicht zwischen den gegensätzlichen agronomischen Auffassungen von Merkantilismus und Physiokratie, zwischen Gras- und Getreidewirtschaft und vor allem auch zwischen der traditionellen genossenschaftlichen und einer neuen Agrarverfassung, die kollektiven Dienstbarkeiten abgeneigt war. Alles in allem glich die Modernisierung dieses Sektors, der eine ständig wachsende Bevölkerung zu ernähren hatte, eher einer Evolution als einer Revolution. Freiburg meisterte die Herausforderung, ausser während der Hungersnöte (1770-1771, 1816-1817), in denen der Kanton auf ausländisches Getreide angewiesen war. Ein leistungsfähiger Zweig war die Viehzucht, wie sich am regen Export von hochwertigem Rindvieh und offenbar auch von Pferden ablesen lässt. In der alpinen Landwirtschaft war das 18. Jahrhundert das goldene Zeitalter des Greyerzerkäses. Dieser wurde nur in Berggebieten hergestellt, weshalb die Patrizier dort gute Weideplätze kauften und damit rentable Investitionen tätigten.

Verladen von Freiburger Käse im Hafen von Vevey. Kolorierte Zeichnung eines unbekannten Künstlers, um 1820 (Musée historique de Vevey).
Verladen von Freiburger Käse im Hafen von Vevey. Kolorierte Zeichnung eines unbekannten Künstlers, um 1820 (Musée historique de Vevey). […]

In einer vorwiegend ländlichen Wirtschaft war das Gewerbe, zum Beispiel die Müllerei und das Schmiedehandwerk, direkt auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft abgestimmt. Lange gab es keinen einzigen grösseren Gewerbebetrieb. Die Produktion von eher minderwertiger Ware war in der frühen Neuzeit nur noch auf den örtlichen Markt ausgerichtet; Hans Ratze bemühte sich in den 1570er Jahren vergeblich, die Tuchmacherei wieder zu beleben. Ende des 18. Jahrhunderts setzte offenbar der Aufschwung ein, angekurbelt durch den Zugang zu einem die Kantonsgrenzen übergreifenden Wirtschaftsraum. Für kurze Zeit belieferte die ab 1411 bestehende Papierfabrik in Marly die Société typographique de Neuchâtel, während die grosse Indiennemanufaktur Fabrique-Neuve de Cortaillod Hunderte von Freiburger Stoffmalerinnen in Estavayer-le-Lac, Freiburg, Greng und Portalban beschäftigte (Indiennedruckerei). Im Süden des Kantons belieferte die Glasfabrik von Semsales, 1776 gegründet und mit Kohle aus der Gegend von Oron betrieben, während längerer Zeit das Weinbaugebiet Lavaux mit Weinflaschen und -gläsern. Mehrere Tausend Zentner Greyerzer wurden vom damals bernischen Hafen Vevey nach Genf und Lyon verschifft. Dagegen war die Textilmanufaktur, die Abraham Verdan 1785 mit Hilfe eines zinslosen Darlehens der öffentlichen Hand in Freiburg eröffnete, lediglich eine Art Wohltätigkeitsinstitution, die den Überfluss an gering qualifizierten Arbeitskräften beschäftigen sollte (Schliessung 1805).

Freiburg verfügte über wenig Protoindustrie und glich dies durch die erfolgreiche Kommerzialisierung seiner ländlichen Wirtschaft aus. Es exportierte Getreideüberschüsse, Lebendvieh, Holz und Fettkäse und erzielte damit in einem weiten Umkreis seiner Messen und Märkte beachtlichen Erfolg. Jede Stadt hatte ihren eigenen Wochenmarkt. Die Messen, an denen der Austausch zwischen Händlern aus der Schweiz, der Freigrafschaft Burgund und aus Savoyen stattfand, verzeichneten regen Zulauf. Sie wurden in 13 Städten und Flecken abgehalten. 1797 beispielsweise zählte man insgesamt 52 Messen: acht in Romont, je sechs in Bulle, Estavayer und Rue, je fünf in Freiburg und Greyerz, vier in Murten, drei in Plaffeien, je zwei in Attalens, Jaun, Châtel-Saint-Denis und La Roche sowie eine einzige, die sehr gut besucht war und mehrere Tage dauerte, in Charmey.

Neben dem Handel umfasste der 3. Sektor weitere Zweige. Zu nennen ist die obrigkeitliche Verwaltung mit wachsendem Personalbestand – sozusagen der Preis für den aufgeklärten Absolutismus des 18. Jahrhunderts. Zu diesem Sektor gehörte auch der Klerus (sowohl der umfangreiche Ordens- als auch der männliche und weibliche Weltklerus). Mit dem Aufschwung des Handels traten die ersten Makler und Bankkaufleute in Erscheinung. Die Stadt und Republik Freiburg selbst agierte im Geschäftsleben an vorderster Front. Die Freiburger Staatskasse hortete und legte in der Schweiz (Genf, Neuenburg) und im Ausland (Frankreich, Sachsen) beträchtliche Geldmittel an. Die vom französischen König geschuldeten Pensionsrückstände machten Freiburg zu einem Gläubiger der Krone. Der Solddienst schliesslich ermöglichte es den Patriziern, sich als militärische Unternehmer zu betätigen, und bot vielen jungen Leuten Arbeit: Im 18. Jahrhundert verzeichnete die Aushebungskammer über 8000 Männer.

Gesellschaft

Die mittelalterliche Gesellschaft

Durch die Zuwanderung der Alemannen ins heutige Kantonsgebiet ab dem 8. Jahrhundert entstand eine Zone, in der romanische und deutschsprachige Bevölkerungsteile aufeinandertrafen. Die Stadt Freiburg ist seit je zweisprachig. Die grosse Zahl privatrechtlicher Bestimmungen in der Handfeste von 1249 wird damit erklärt, dass der Rat Entscheide zu fällen hatte, die das Herkommen beider Sprachgruppen berücksichtigen sollten. Noch im 15. Jahrhundert wurde zwischen deutschen und welschen Lehen, zwischen deutschem und welschem Freiburger Kornmass unterschieden. Auffallend ist die grosse Bedeutung des Notariatswesens (Register ab 1356) in privaten Angelegenheiten – ähnlich wie in Gebieten mit verschriftlichtem Recht. Ab 1424 fertigten Notare auch in Deutsch und «rommant» aus. Die Führungsschicht war verhandlungssicher in beiden Sprachen, die in Urkunden mit benachbarten Herren und Städten ab 1292/1295 das Latein ablösten. Vermutlich waren in dem breiten Streifen zwischen Murtensee und Voralpen auch Kaufleute, Spediteure, Gastwirte und die mit Aufsichts- und Verwaltungsaufgaben betrauten Personen zweisprachig.

Drei wesentliche Rechtstraditionen treffen auf dem heutigen Kantonsgebiet aufeinander und wurden noch bis weit in die Neuzeit unterschieden: die Coutume de Lausanne (Estavayer-le-Lac, Murten), die Coutume de Moudon (Bulle, Romont, Greyerz und andere) sowie das auf die Handfeste zurückgehende Freiburger Recht in der Stadt und ihrem Umkreis.

Nicht zu erschliessen sind mögliche Unterschiede der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Mentalität der Bauern im Altsiedelland und der – freiwilligen oder als abgeschobene Überzählige unfreiwilligen – Rodungspioniere im Hügelland. Die Milchwirtschaft und Sennenkultur in den Voralpen entwickelte sich erst ab dem 15. Jahrhundert. Um 1300 unterstanden die meisten Bauern bestimmten Abgaben, der Telle und dem Fall. Die individuellen und kollektiven Loskäufe von 1430 und 1460 befreiten viele Bauern von diesen Lasten, doch erlangten sie damit nicht immer die völlige Freiheit bzw. die Abzugsfreiheit. Sie zahlten nach wie vor Grundzinsen, genossen aber eine gewisse Sicherheit (wie z.B. den Schutz vor willkürlicher Ausweisung).

Die enorme Bautätigkeit der Stadt Freiburg spiegelt das Selbstverständnis eines von seinem Stadtherrn weitgehend unabhängigen Gemeinwesens. Für Murten indes blieben die Jahre als Reichsstadt (1218-1255) Episode. In anderen Kleinstädten erhielten die Bürger nur wenig Rechte und diese oft erst sehr spät (z.B. Handfeste für Corbières erst 1390), sodass ein Niedergang meist nicht zu verhindern war. Allgemein hatte der einzelne Bürger wenig zu sagen; die Zünfte beschränkten sich auf Gewerbefragen und Bruderschaften. Wer hingegen vom Handwerker zum Kaufmann wurde, konnte Landgüter erwerben und in die Führungsschicht aufsteigen.

Juden treten im späteren Kantonsgebiet ab der Mitte des 13. Jahrhunderts als Geldverleiher auf, ab 1356 in der Stadt Freiburg, wo sie bis ins späte 15. Jahrhundert auch als Ärzte wirkten; manche erwarben das Bürgerrecht. In Murten werden 1454 eine Synagoge und ein Rabbiner genannt (Judentum).

Gesellschaft des Ancien Régime

In der freiburgischen Gesellschaft des Ancien Régime herrschte, wie in jeder ständischen Gesellschaft, grosse soziale Ungleichheit, die auch rechtlich untermauert war. Das Patriziat war eine politische und soziale Schicht, welche fast alle Privilegien auf sich vereinte. Es setzte sich zusammen aus Adligen (etwa fünfzehn Familien), die ausländische Titel trugen, Söldnerregimente besassen und meist wohlhabend waren, und einfachen Patriziern, die sich ihren Lebensunterhalt sicherten, indem sie die öffentlichen Ämter monopolisierten und heimlich nach dem Aufstieg in den Adelsstand strebten. Letztere stellten in den Räten die Mehrheit und machten sich die Unruhen von 1781-1782 zunutze, um sich das begehrte Adelsprädikat zuzulegen. Ob der internen Zwistigkeiten liess das Patriziat offenbar seinen wahren Gegner ausser Acht: das von der Macht ausgeschlossene, aber ehrgeizige Bürgertum. Zu diesem gehörte der Grossteil der 700 am stärksten belasteten Steuerzahler der Hauptstadt (die Patrizier nicht mit eingerechnet). Im nicht zum Rat zugelassenen Bürgertum fand die Helvetische Revolution von 1798 die glühendsten Anhänger und die Mehrheit der Führungsleute der Helvetischen Republik. Die Elite der Landstädte und einige reiche Landleute schlossen sich ihm an. Der überwiegende Teil der Bauern, Handwerker und Händler lebte in «ehrlicher Mittelmässigkeit». Die Bauern, die drei Viertel der Bevölkerung ausmachten, haben die Obrigkeit kaum weiter beunruhigt (1635-1636 Proteste in Jaun, 1653 in Greyerz), und die Handwerkerzünfte mischten sich nur in beruflichen Belangen ein.

Kirche und Religion, Kultur und Bildung

Klerus und religiöses Leben im Mittelalter

Das Gebiet des späteren Kantons Freiburg gehörte vollumfänglich zur Diözese Lausanne und genauer zu den Dekanaten Avenches, Vevey, Ogoz, Freiburg und Köniz (nur die Pfarrei Ueberstorf). An den Pfarrkirchen der Kleinstädte Estavayer-le-Lac, Murten und Romont bildeten sich im Spätmittelalter sogenannte Pseudo-Kollegiatstifte aus, d.h. Klerikergemeinschaften, die de iure nie zu Kollegiatstiften erhoben worden waren; die Pfarrkirchen dieser Städte wurden collégiales oder Stiftskirchen genannt. In diesen drei Städten gab es im 15. Jahrhundert auch eine Schule, in Estavayer wurde 1316 ein Dominikanerinnenkloster gegründet und in Estavayer und Romont lebten im Spätmittelalter vorübergehend Beginen. Nur kleine Niederlassungen im Kanton besassen die Orden der Benediktiner (Berlai, Broc), Cluniazenser (Kerzers, Pont-la-Ville), Augustinerchorherren (Avry-devant-Pont, Farvagny-le-Grand, Sâles, Semsales, Sévaz) und der Deutsche Orden (Fräschels). Die Zisterzienser, Kartäuser und Prämonstratenser hatten zumindest mittelgrosse Klöster, die Zisterzienser und Prämonstratenser auch Frauenklöster. Die Zisterzienser liessen sich in Hauterive (Männer), La Fille-Dieu, La Maigrauge und La Voix-Dieu (Frauen) nieder. Kartäuser gründeten La Part-Dieu, Valsainte und Val-de-Paix, die Prämonstratenser Humilimont (Männer) und Posat (Frauen). Von den zahlreichen Wallfahrten des Kantons Freiburg gehen nur sehr wenige ins Mittelalter zurück (eventuell Dürrenberg bei Gurmels, Notre-Dame von Tours bei Montagny).

Die Stadt Freiburg ist seit ihrer Gründung 1157 Zentrum einer Pfarrei und eines Dekanats (abgetrennt von den Dekanaten Avenches und Köniz). Die erste Pfarrkirche (St. Niklaus) wurde 1182 geweiht. Sehr früh, spätestens 1249, hatte die Gemeinde das Patronat inne. Im 14. und 15. Jahrhundert entwickelte sich an der Stadtkirche eine Klerikergemeinschaft, die 1459 ins städtische Burgrecht aufgenommen wurde und 1512 den Status eines Kollegiatstifts erhielt. 1224 liessen sich im Auquartier Johanniter nieder. Die Stadt beherbergte Augustinerchorherren vom Grossen St. Bernhard (1228-1602), Augustinereremiten (vor 1255), Franziskaner (ab 1256) und zahlreiche Bruderschaften. Der Franziskanerkonvent empfing berühmte Gäste: 1404 den Wanderprediger Vinzenz Ferrer, 1414 Kaiser Sigismund, 1418 Papst Martin V., 1440 Papst Felix V., 1442 Kaiser Friedrich III.

Ins 13. Jahrhundert zurück gehen zwei Institutionen, die in Freiburg einzigartig sind: das von allem Anfang an städtische Spital (1249), das mit der Liebfrauenkirche verbunden war, und die Heiliggeistbruderschaft (1264). Die grossen Vermögen, die beide Institutionen zugunsten der Armen anhäuften, wurden durch Vorsteher verwaltet, die ebenso wie andere städtische Beamte am 24. Juni gewählt wurden. Die Leprosorien von Bürglen (1252), Uebewil (um 1260) und Marches (Gemeinde Matran, 1252) wurden um 1400 zu einem Siechenhaus in Bürglen zusammengelegt, das sich im 15. Jahrhundert zum Wallfahrtsort entwickelte. Ab 1299 lassen sich in Freiburg auch Beginen nachweisen, die jedoch spätestens Anfang 16. Jahrhundert ausstarben. In Freiburg gab es zudem Waldenser (Anhänger der Sekte von Petrus Waldes), denen 1399 und 1430 der Prozess gemacht wurde. Ihre Verfolgung ging um 1440 in eine Hexenjagd über, die in der Westschweiz somit mittelalterliche Wurzeln hat.

Der Wechsel der Stadtherrschaft von den Habsburgern zu den Savoyern 1452 brachte nur einen momentanen Wechsel in der kulturellen Ausrichtung der Stadt: das Chorgestühl für die Klerikergemeinschaft von St. Niklaus wurde 1462 bei Antoine de Peney in Auftrag gegeben, und der Turm der Pfarrkirche (Neubau begonnen 1283) 1470 bei Georges du Jordil, beide von Genf; der Altar der Nelkenmeister in der Franziskanerkirche, der um 1480 von einer Basler Werkstatt in Solothurn angefertigt wurde, ist Ausdruck einer entschiedenen Hinwendung der Stadt zum oberdeutschen Raum. An der Lateinschule, der einzigen im Kantonsgebiet, die ab 1425 eine Monopolstellung besass, unterrichteten zunehmend deutschsprachige Lehrer. Diese Tendenz wurde bekräftigt durch die erste offizielle, Ende des 15. Jahrhunderts verfasste Freiburger Stadtchronik, welche die Stadt (dem Beispiel Berns folgend) nach den Burgunderkriegen bei Peter von Molsheim in Auftrag gegeben hatte.

Religion, Schule und Kultur im Ancien Régime

Fragstuck Des Christlichen Glaubens an die neuwe Sectische Predigkandten, die deutsche Übersetzung Sebastian Werros der französischsprachigen anticalvinistischen Schmähschrift Questions relatives à la religion chrétienne adressées aux nouveaux prédicateurs sectaires des schottischen Jesuiten John Hay, 1585 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Fragstuck Des Christlichen Glaubens an die neuwe Sectische Predigkandten, die deutsche Übersetzung Sebastian Werros der französischsprachigen anticalvinistischen Schmähschrift Questions relatives à la religion chrétienne adressées aux nouveaux prédicateurs sectaires des schottischen Jesuiten John Hay, 1585 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Im religiösen Leben lassen sich drei Perioden unterscheiden: die katholische Reform (1545-1649), der barocke Katholizismus (1649-1758) und die Aufklärung (1758-1815). Der Beginn der katholischen Reform fiel mit der Eröffnung des Konzils von Trient (1545) zusammen, von dem sich die traditionsverbundene Schweiz jedoch lange Zeit distanzierte. In Freiburg lockerte die Abwesenheit des Bischofs, der von seinem Sitz in Lausanne verjagt worden war, die Beziehungen zur römischen Autorität und verlieh dem Kollegiatstift St. Niklaus aussergewöhnliche Entscheidungsbefugnisse. Für die Bewahrung des alten Glaubens setzten sich zunächst der Prediger Simon Schibenhart, der Propst Peter Schneuwly, der Generalvikar Jean Michel und der Pfarrer Sebastian Werro ein. 1580 kamen die Jesuiten, angeführt von dem Holländer Petrus Canisius, 1609 die auf die Seelsorge der breiten Bevölkerung spezialisierten Kapuziner aus der italienischen Provinz. Der Lausanner Bischof Johann von Wattenwyl (1609-1649) sorgte mit einiger Verspätung dafür, dass die Tridentiner Dekrete, welche die Aufgaben des Bischofs betrafen (Residenzpflicht, regelmässige Visitation der Pfarreien), umgesetzt wurden. Er kam aus der Freigrafschaft Burgund, stammte aber ursprünglich aus Bern und residierte als erster Lausanner Bischof in Freiburg. 1625 berief er gemäss den Konzilsbeschlüssen eine grosse Diözesansynode ein, welche die Wiedererlangung einer starken Kontrolle über den Pfarrklerus und eine Bekräftigung der Kirchendisziplin bewirkte. In der Folge liessen sich Kapuzinerinnen (1626), Ursulinen (1634) und Visitantinnen (1635) in der Stadt nieder, wo sie heute noch ansässig sind. Die zweite Periode brachte eine Konsolidierung der Reformen. Freiburg hüllte sich in liturgischen und künstlerischen Prunk, der es als Bollwerk des Katholizismus erscheinen liess. Die katholische Aufklärung strebte nach einem Ausgleich zwischen Läuterung des Volksglaubens und liturgischen Reformen einerseits und Öffnung zur Welt, freiem Zugang zur Bibel und sogar Interkonfessionalität andererseits. Die patrizischen Bischöfe Joseph-Nicolas de Montenach und Bernhard Emmanuel von Lenzburg, der Chorherr Charles-Aloyse Fontaine und Pater Gregor Girard verkörperten diese eigenständige Bewegung, die sich in der Helvetik zeitweise der protestantischen und kantisch geprägten Stapfer'schen Aufklärung annäherte.

Fast alle wohlhabenden Freiburger waren Schüler des 1582 gegründeten Jesuitenkollegiums St. Michael. Im 18. Jahrhundert erkannten einige Ehemalige wie Fontaine oder Girard – und erst recht die Antiklerikalen – Lücken in dessen Unterricht. Erst 1795 wurde auf Anregung des nach Freiburg geflohenen französischen Klerus in einem Flügel des Kollegiums das vom Konzil von Trient vorgegebene grosse Diözesanseminar eröffnet. Bis dahin konnten sich künftige Priester, wenn sie grosses Glück hatten, mit einem Stipendium im Ausland (Rom, Mailand, Paris, Lyon) ausbilden lassen. Dasselbe galt für Söhne aus gutem Hause, die an einer Universität in Deutschland, Österreich oder Frankreich studieren wollten. Mitte des 18. Jahrhunderts fand ein Umdenken statt. 1751 wurde ein «Hochschulprojekt» lanciert, das versandete. 1762 jedoch kam es zur Eröffnung der als Akademie bezeichneten Rechtsschule, damals die einzige Lehranstalt für Berufsunterricht im Kanton und die einzige bedeutende Schulgründung nach 1635, als die Ursulinen, Flüchtlinge aus der vom Dreissigjährigen Krieg heimgesuchten Freigrafschaft Burgund, mit der Erziehung der Töchter von Patriziern und Bürgern betraut worden waren. Ein 1749 zwischen Bischof und Staat abgeschlossenes Konkordat sah vor, in jeder Gemeinde oder Pfarrei eine Volksschule zu schaffen. 1798 verfügten nur die reichen Städte, Dörfer und Gemeinden über Räumlichkeiten und – dürftig bezahltes – Personal für die Ausbildung von Knaben und Mädchen. Auf dem Land überwog Ende des Jahrhunderts der Aufklärung offenbar immer noch der Analphabetismus.

In den 1750er bis 1770er Jahren, dem goldenen Zeitalter des 18. Jahrhunderts, begünstigte die gute Wirtschaftslage eine voluntaristische Aufholpolitik, die sich auf alle Bereiche erstreckte und in Schultheissen wie François-Joseph-Nicolas d'Alt de Tieffenthal und Ignace de Gady herausragende Repräsentanten fand. Es kam vor allem zu einem Mentalitätswandel, der sogar die Eröffnung einer Freimaurerloge ermöglichte (1756-1763). Die zahlreichen für den zivilen Gebrauch neu geschaffenen Einrichtungen, die Infrastrukturanlagen und städtebaulichen Veränderungen stehen in starkem Kontrast zum Bau nur einer neuen Kirche (Unserer Lieben Frau von der immerwährenden Hilfe). Auch in den Landgebieten zeichnete sich ein gewisses Nachlassen der Religiosität ab. 1760 waren über 50 Kirchen, die Hälfte davon Pfarrkirchen, baufällig, doch die Erneuerungsprojekte wurden infolge der europäischen Hungersnot von 1770-1771 eingestellt. Diese traf Freiburg hart (erhöhte Morbidität und Mortalität, Rückgang der Geburten und Eheschliessungen) und leitete einen konjunkturellen Abschwung ein, der den Chenaux-Handel (1781) als eine der politischen und sozialen Folgen mit verursacht haben könnte. Im letzten Drittel des Jahrhunderts, nach dem Tod des Barons d'Alt, kam der Modernisierungsprozess der vorangegangenen 20 Jahre zum Erliegen, sodass nichts mehr für die Entwicklung ländlicher Gebiete unternommen wurde. Allerdings fehlen Studien, die diesen Zusammenhang erhärten.

Einzug des Schultheissen François Joseph Maurice de Techtermann in Murten, Juni 1785. Joseph-Emanuel Curty zugeschriebenes Aquarell (Musée gruérien, Bulle).
Einzug des Schultheissen François Joseph Maurice de Techtermann in Murten, Juni 1785. Joseph-Emanuel Curty zugeschriebenes Aquarell (Musée gruérien, Bulle). […]

Während der gesamten frühen Neuzeit bestand eine Kluft zwischen der Stadt Freiburg, die das Machtmonopol innehatte, und ihrem Hinterland. Die Stadt versuchte dieses ausgedehnte, heterogene Gebiet zu vereinheitlichen, stiess dabei aber auf heftigen Widerstand. Das Sensegebiet mit seinen grossen Pfarreien, das nach Bern ausgerichtete Murtenbiet, die am Neuenburgersee gelegene Broyeregion wie auch die vom Genfersee beeinflussten Gebiete Greyerzerland und Veveyse hatten eine gefestigte Identität mit eigener Geschichte, weshalb sie ihren Traditionen treu blieben.

Der Kanton im 19. und 20. Jahrhundert

Politische Geschichte und Verfassungsentwicklung

Nach dem gescheiterten Chenaux-Handel flohen viele Beteiligte ins Ausland. Ab 1789 begaben sich einige von ihnen nach Frankreich, wo sie den Club helvétique gründeten, der die Schweiz mit revolutionärer Propaganda überschwemmte. Die neuen Ideen fanden vor allem im französischsprachigen Teil des Kantons Anklang, bei den Bauern dagegen kaum. Von der Regierung wurden sie heftig bekämpft. Den Slogan «die Religion in Gefahr», den die ab 1789 in Freiburg aufgenommenen französischen Flüchtlinge (3700 Emigrés, davon 2500 deportierte Priester) verwendeten, griffen 1798 die Freiburger Gegenrevolutionäre auf. Diese sahen in der Helvetischen Republik ein Abbild einer Französischen Revolution, welche die Kirche verfolgte. In der Schweiz wurde die Kirche nicht verfolgt, aber sie war während der Helvetik (1798-1803), ebenso in den nachfolgenden Zeiträumen der Mediation (Mediationsakte, 1803-1813) und der Restauration (1814-1830) in sich gespalten und spielte lediglich als ein Akteur unter anderen mit.

Die Helvetische Republik (1798-1803)

Die Stadt Freiburg, während einer langen Zeit Operationsbasis der französischen Gegenrevolutionäre, fiel nahezu widerstandslos am 2. März 1798, drei Tage vor Bern (Franzoseneinfall). Damit brach das Ancien Régime zusammen, und die beiden Stadtstaaten verloren auf einen Schlag ihre im 16. Jahrhundert eroberten Gebiete. Freiburg musste ohnmächtig mit ansehen, wie in Payerne ein Kanton Sarine et Broye geschaffen wurde. Dieser hatte aber nur kurzen Bestand, und rasch kehrte die Bevölkerung des Greyerzerlandes, der Glane- und Veveyse-Region auf Druck Frankreichs zu Freiburg zurück, was der von der Revolution erfassten Stadt die Möglichkeit gab, wieder zu sich zu kommen und zur Gegenoffensive anzusetzen. Einige Wochen später stand sie einem Gebiet vor, welches das Murtenbiet und die gesamte waadtländisch-freiburgische Broyeregion umfasste. Paradoxerweise verdankte der Kanton ausgerechnet der Revolution für ein paar Jahre seine grösste Ausdehnung. Dadurch entstand zwar territoriale Geschlossenheit, gleichzeitig aber eine konfessionelle Mischung, die wegen des Gewichts von mehreren Tausend Reformierten in den Bezirken Avenches und Payerne die bisherigen Verhältnisse änderte. Diese Vernunftehe währte nicht lange: Schon 1801 trennten sich die Waadtländer von Freiburg, sehr zum Missfallen der Freiburger, die vergeblich die Vorteile einer territorialen Vereinigung der Broyeregion geltend machten. Das Puzzle der Broye-Exklaven war damit wiederhergestellt.

Die Kapitulation Freiburgs, die den Sturz des Patriziats besiegelte, ebnete der städtischen Bürgerschaft und den ländlichen Eliten, die bis dahin von der Macht ausgeschlossen waren, den Weg in die Politik. Sie stellten in der Helvetischen Republik die zwölf ersten Parlamentarier von 1798, die fünf Mitglieder der Verwaltungskammer, den Regierungsstatthalter und vier hochrangige Magistraten: François-Pierre Savary, Mitglied des Direktoriums, Nicolas Simon Pierre Repond, Kriegsminister, Rodolphe-Martin Gapany, Regierungskommissar, und schliesslich im Mai 1800 Pierre-Léon Pettolaz, Präsident des Senats. Ehemalige Patrizier machten ihnen dieses Monopol streitig: Joseph (de) Lanther, Kriegsminister, Tobie de Raemy de Bertigny, Mitglied der Verwaltungskammer, und Jean (de) Montenach, Distriktsstatthalter. Letzterer war ab 1798 Mitglied und ab 1799 Präsident der Munizipalität Freiburg (Stadtammann von Freiburg).

Die Grundhaltung der politischen Akteure zeichnete sich aus durch eine pragmatische Position der Mitte, welche ideologischen Bekehrungseifer und jede Form von Extremismus ablehnte. Die Abkehr von der Vergangenheit war der Preis, den die früheren Machthaber bezahlten, um an der neuen Regierungsform teilhaben zu können. Sie strebten danach, sich mit Frankreich, ungeachtet dessen politischer Regierung, zu arrangieren. Hervorzuheben ist auch, dass die freiburgische Revolution ein Blutvergiessen zu vermeiden suchte. Allein die Militärjustiz sprach noch Todesstrafen aus, doch wurden diese nicht vollstreckt.

Die Helvetik geriet dennoch rasch in Misskredit. Sechs Faktoren spielten dabei eine wesentliche Rolle. Die drei ersten waren, in chronologischer Reihenfolge, die Besetzung, die Zwangsabgaben und die Beschlagnahmungen, welche die französischen Besatzer ab März 1798 verordneten. Mit den beiden letzteren Massnahmen brachten sie das Patriziat, das die Generäle und Kommissare des Direktoriums hauptsächlich im Visier hatten, gegen sich auf. Der Unmut richtete sich auch gegen die helvetischen Behörden, die diese Massnahmen ausführen mussten, obwohl dank ihrer Intervention erhebliche Nachlässe auf die geforderten Gesamtbeträge gewährt wurden. Der vierte Faktor hing mit der Religionspolitik der Helvetik zusammen. Diese war aus dem klosterfeindlichen Utilitarismus der Aufklärung erwachsen und zielte nicht nur auf die Säkularisation der zuweilen beträchtlichen Klostergüter ab, sondern letztlich auf die Schliessung der Klöster, die mit dem Verbot der Aufnahme neuer Ordensmitglieder eingeleitet wurde. Die in den Gesetzen vom 8. Mai, 20. Juli und 17. September 1798 enthaltenen Bestimmungen kamen bei der gesamten Bevölkerung schlecht an. Sie wertete diese als Angriff auf die Religion, die öffentliche Fürsorge und das Unterrichtswesen. Dieser wurde als umso schlimmer betrachtet, als einige klösterliche Einrichtungen in diesen Bereichen ihren Auftrag zur allgemeinen Zufriedenheit erfüllten.

Die obligatorische Wehrpflicht als fünfter Faktor stiess ebenfalls auf Ablehnung, insbesondere im oberen Sensegebiet, wo im März und April 1799 Widerständische und Deserteure den Kern einer gegenrevolutionären Bewegung bildeten. Die Helvetische Republik entsandte den energischen Greyerzer Kriegskommissar Gapany, der alle Vollmachten erhielt, um die Ordnung wiederherzustellen. Fünf Tote waren die Bilanz des Aufstands. Die Expedition trug Gapany, der früher bei der Schweizergarde von König Ludwig XVI. gedient hatte, den Übernamen «Freiburger Robespierre» ein und blieb im kollektiven Gedächtnis als Episode der freiburgischen «Terreur» haften.

Die Steuerlast als letzter Faktor entfaltete ihre Wirkung erst spät. Die Aufhebung des Zehnten am 10. November 1798 fand die Zustimmung der Bauernschaft, d.h. des überwiegenden Teils der Bevölkerung. Zwei Jahre lang wurden keine Abgaben erhoben. Als jedoch 1800 das Gesetz aufgehoben und 1801 der Zehnt wieder eingeführt wurde, verweigerten die Betroffenen dessen Entrichtung. Bei der Landbevölkerung machte sich eine riesige Enttäuschung breit, vor allem im Unterland; die Berggebiete dagegen waren weniger betroffen. Die Regierung, von Anfang 1800 an auf Schlingerkurs, verlor damit den letzten Rest an Glaubwürdigkeit, zumal die neue Steuerordnung, die belastender war als das alte Abgabensystem, ab 1798 tatsächlich zur Anwendung gelangte.

Die Helvetik, die auf immer weniger eingeschworene Anhänger bauen konnte, wurde zusätzlich geschwächt durch die ab 1800 aufeinander folgenden Staatsstreiche, die dem Widerstreit zwischen den sogenannten Unitariern und den Föderalisten entsprangen. In Freiburg gewann die föderalistische Bewegung, getragen von den ehemaligen adligen und patrizischen Machthabern, nach dem 18. Brumaire (9. November 1799) die Oberhand. Angestachelt von Charles-Frédéric Reinhardt, später von Raymond Verninac, beide französische Minister in der Schweiz, unternahmen die Freiburger Gemässigten (Savary, Lanther, Montenach) zusammen mit dem Aargauer Johann Rudolf Dolder den Staatsstreich vom 27. bis 28. Oktober 1801. Doch die Schweizer Unitarier gaben nicht auf und stürzten am 18. April 1802 die Oktobristen. Am 15. Mai wurde eine neue Verfassung, die dem Volk unterbreitet worden war, für angenommen erklärt; die sehr hohe Zahl der Nichtstimmenden (9398 von 17'922 Wahlberechtigten im Kanton) wurde dabei zu den Ja-Stimmen gezählt. Der im Sommer 1802 ausgebrochene Bürgerkrieg endete am 5. Oktober mit der Kapitulation Freiburgs vor den föderalistischen Truppen. Die provisorische Kantonsregierung bestand ausschliesslich aus ehemaligen Patriziern. Sie blieb jedoch bis 1803, d.h. während der Monate, als in Paris die Consulta tagte, handlungsunfähig.

Die Mediation (1803-1813)

Porträt Ludwig von Affrys. Öl auf Leinwand von Joseph de Landerset, 1807 © Museum für Kunst und Geschichte Freiburg.
Porträt Ludwig von Affrys. Öl auf Leinwand von Joseph de Landerset, 1807 © Museum für Kunst und Geschichte Freiburg. […]

Freiburg diente nicht zufällig als Pilotkanton für die Schweiz der Mediation. Es stand in der Gunst Napoleon Bonapartes, der Freiburgs traditionelle Sympathien für Frankreich schätzte. Bonaparte, der zwischen den die Schweiz spaltenden Parteien zu vermitteln hatte, fand in Ludwig von Affry, einem Angehörigen des «qualifizierten» Freiburger Adels, den Mann der «goldenen Mitte». Er ernannte diesen in Frankreich ausgebildeten General zum Landammann der Schweiz. Als erster der sechs Vorortskantone übernahm Freiburg die ebenso schwierige wie ehrenhafte Rolle der Hauptstadt eines Landes, das vom Bürgerkrieg ausgezehrt war und sich nach Frieden sehnte. Am 4. Juli 1803 wurde in der Stadt Freiburg im Beisein des von General Michel Ney geleiteten diplomatischen Korps die Tagsatzung der 19 Kantone feierlich eröffnet. Der allgegenwärtige von Affry betätigte sich in den Organen, die die neue französisch-schweizerische Allianz und die damit verbundene militärische Kapitulation auszuhandeln hatten, deren Unterzeichnung am 27. November 1803 stattfand. Er liess den aus Freiburg stammenden Marquis Antoine Constantin de Maillardoz, seinen Neffen, zum Minister der Schweiz in Paris ernennen. 1809 stand von Affry erneut an der Spitze der Eidgenossenschaft.

Von Affry war auch Schultheiss von Freiburg und liess in dieser Eigenschaft seinen Einfluss spielen, um den Kanton Freiburg zu einer städtisch und aristokratisch geprägten Republik zu machen, deren Behörden nach dem Zensusprinzip gewählt wurden. Die Wählerschaft schrumpfte von 17'922 Bürgern 1802 (in der Helvetik herrschte das allgemeine Wahlrecht) auf 6312 im Jahre 1803. Wie zur Zeit der Helvetik umfasste das Kantonsgebiet zwölf von Oberamtmännern verwaltete Kreise, doch verschwand die dem Französischen entliehene Terminologie (Präfekt, Distrikt, Munizipalität usw.). Von der Revolution wurde jedoch die Idee der Gleichheit der Gemeinden übernommen: Da die Stadt Freiburg ab 1798 keine souveräne Republik mehr war, wurde mittels der Dotationsakte vom 8. Oktober 1803 eine Güterteilung zwischen ihr und dem Kanton durchgeführt. Auf kantonaler Ebene wählte der Grosse Rat (60 Mitglieder) aus seiner Mitte den Kleinen Rat (15 Mitglieder) und das Appellationsgericht (13 Richter), wobei Kleinräte und Appellationsrichter Mitglieder des Grossen Rats blieben. Die ehemaligen Patrizier brachten 36 Personen aus ihren Reihen in den Grossen Rat und 13 in den Kleinen Rat. Der gemässigte Adel und die aufgeklärte Fraktion des Patriziats, die sich um Ludwig von Affry, Jean de Montenach und Charles de Schaller scharten, beherrschten das politische Leben. Sie boten den sogenannten Ultras (extrem Altgesinnte) aus dem Patriziat, die pro-österreichisch und pro-bernisch gesinnt waren, die Stirn und stützten sich manchmal auf die «Volkspartei» im Grossen Rat. Es bestand ein wirksames Kontrollsystem: Der Pittlung des Ancien Régime und die Carolina, einschliesslich Folter, beide 1798 abgeschafft, wurden wieder eingeführt.

Die Kirche wurde einem System kontrollierter Freiheit unterworfen. Das Klostergesetz vom Juli 1798 wurde zwar aufgehoben, doch der neue Bischof der Diözese Lausanne, Maxime Guisolan, war kein anderer als der Beichtvater von Ludwig von Affry. Die Wahl dieses einfachen Bürgers hatte weit reichende Folgen. Nachdem die Diözese über ein Jahrhundert lang in patrizischer Hand gewesen war, gelangte von nun an kein Patrizier mehr auf den Bischofsstuhl. Ausserdem begann mit der Wahl Guisolans zum Bischof die ein Jahrzehnt lang währende Allianz von Adel und Bürgertum gegen die Ultras. Die Mediation in Freiburg hatte einen französisch-aristokratischen Anstrich, und mit der Ausrufung des napoleonischen Kaiserreichs (1804) erhielt die Regierung, die zu Recht als «Kleine Restauration» bezeichnet wurde, Rückendeckung.

Napoleons Niederlage in Leipzig im Oktober 1813 zog am 29. Dezember die Aufhebung der Mediationsakte durch die Tagsatzung in Zürich nach sich. Der Grosse Rat von Freiburg kündigte die Akte am 10. Januar 1814. Er setzte im Zuge eines von Jean de Montenach angezettelten Staatsstreichs den Kleinen Rat ab und erhob sich zum Verfassungsrat (Konstituante, 12. bis 14. Januar). Freiburg weigerte sich, in Zürich zu tagen, und schloss sich der konservativen Tagsatzung in Luzern an (Konservatismus), die aber auf Intervention der Grossmächte aufgelöst wurde.

Montenach gehörte zum Triumvirat, das von der eidgenössischen Tagsatzung damit betraut wurde, am Wiener Kongress die Interessen der Schweiz zu verteidigen. Er vertrat die Berner Linie, d.h. die Interessen der Alten Orte, und setzte sich für eine unabhängige und neutrale Schweiz in einem von der Heiligen Allianz stabilisierten Europa ein. Aus diesem Grund reagierte er auf Napoleons Rückkehr im März 1815 sogleich mit scharfer Kritik. Seine Auffassung teilten auch einige herausragende Freiburger Offiziere (Karl von Affry, Nicolas de Gady, Jean-Louis Girard), die in der eidgenössischen Armee von Niklaus Franz von Bachmann hohe Ränge bekleideten. Über sie beteiligte sich Freiburg an den militärischen Operationen von 1815 (Belagerung von Hüningen, Burgunderfeldzug und Verteidigung Genfs). Ein Jahr zuvor, am 1. Juni 1814, hatte ein Freiburger Kontingent in die Calvinstadt übergesetzt, um das Bündnis, das vor drei Jahrhunderten aus religiösen Gründen zerbrochen war, zu erneuern.

Restauration und Regeneration (1814-1847)

Die Restauration bedeutete in Freiburg ideologisch gesehen den überwältigenden Sieg der theokratischen Gegenrevolution und politisch die Rückkehr der Führungsschicht des Ancien Régime an die Macht. Freiburg war der einzige Kanton, in dem das Patriziat unter Berufung auf das Legitimitätsprinzip wieder voll in seine Rechte eingesetzt wurde. Die völlig reaktionäre neue Kantonsverfassung wurde, trotz Protesten aus dem Greyerzerland und Murtenbiet, am 10. Mai 1814 erlassen. Mehrere Bezirkshauptorte wurden militärisch besetzt. Der gewaltlose Widerstand, den eine Gruppe von Adligen und Bürgern unter der Führung von Joseph de Praroman und François Duc der neuen Ordnung entgegensetzte, mündete im Dezember 1814 in einen Prozess, der in der Schweiz und in ganz Europa die Gemüter bewegte. Auf Intervention von Russland und Österreich wurde den Verurteilten im Juli 1815 Amnestie gewährt.

Mit der Verfassung von 1814 bildete sich ein Grosser Rat von 144 Abgeordneten, die durch Vorschlag und Kooptation auf Lebenszeit ernannt wurden. Davon mussten 108 aus dem Patriziat stammen, 8 aus den Städten und 28 vom Land. 75 Mitglieder hatten bereits im 1798 aufgelösten Grossen Rat gesessen. Die Legislative wählte 13 Staatsräte und 15 Appellationsrichter auf Lebenszeit. Der Zugang zum Patriziat war möglich, allerdings nur unter erschwerten Bedingungen. Der reaktionäre Charakter der Regierung verstärkte sich mit der Wiederberufung der Jesuiten (1818) und den mit Paris (1816) und Neapel (1825) abgeschlossenen Militärkapitulationen. Bischof Pierre Tobie Yenni, von 1815 bis 1845 im Amt, war ein Mann des ultrakonservativen Patriziats.

Im Anschluss an die Pariser Julirevolution von 1830 gelangten in mehreren Kantonen die Liberalen an die Macht. In Freiburg beschloss der Grosse Rat auf den am Stecklitag (2. Dezember 1830) vom Volk ausgeübten Druck hin die Beendigung der patrizischen Vorherrschaft. Die treibenden Kräfte von 1830 stammten aus dem liberalen Patriziat, dem Stadtbürgertum und der wohlhabenden Bauernschaft. Ein gewählter Verfassungsrat arbeitete vom 7. bis 24. Januar 1831 eine neue Verfassung aus. Diese übertrug dem Volk die Souveränität, die es durch seine Vertreter ausübte, und schrieb die Grundfreiheiten fest, doch wurde sie dem Volk nicht zur Genehmigung vorgelegt. Das Volk bestimmte Wahlmänner, die wiederum für neun Jahre die 86 Grossräte ernannten, von denen ein Drittel alle drei Jahre zu erneuern war. Der Grosse Rat wählte die 13 Mitglieder des Staatsrats und die 13 Mitglieder des Appellationsgerichts. Der Einfluss der Liberalen stiess jedoch in der Presse und im Schulbereich bald auf das Gegengewicht der Konservativen, die, vom Klerus unterstützt, die Wahlen von 1834 und 1837 gewannen. In den eidgenössischen Angelegenheiten verhielt sich Freiburg zunächst vorsichtig. Der Kanton war weder Mitglied des Siebnerkonkordats der regenerierten Kantone, noch schloss er sich dem konservativen Sarnerbund an. 1845 trat er dann aber im Strudel der religiösen und politischen Auseinandersetzungen dem Sonderbund bei, für den 1846 47 der 88 anwesenden Grossräte stimmten. Ein Handstreich von Radikalen aus dem Broyebezirk, Murtenbiet und Greyerzerland (6. bis 7. Januar 1847) scheiterte. Nach Ausbruch des Sonderbundskriegs wurde Freiburg zum Hauptziel der eidgenössischen Truppen unter General Guillaume-Henri Dufour. Am 14. November 1847, als die Stadt eingeschlossen war, kapitulierte der Staatsrat. Die militärische Niederlage zog einen erneuten Regierungswechsel nach sich.

Von der radikalen Regierung zur Vorherrschaft der Konservativen (1847-1881)

Eine Volksversammlung ernannte am 15. November 1847 eine provisorische Regierung mit sieben Mitgliedern, welche Orden und Kongregationen auswies und 82 Personen anklagte, die sie für den Beitritt zum Sonderbund verantwortlich machte. Durch die Wahlen vom 10. Dezember wurde bei hoher Stimmabstinenz ein mehrheitlich radikaler Grosser Rat geschaffen, der die Verfassung vom 4. März 1848 ausarbeitete. Über diese konnte das Volk genauso wenig abstimmen wie im September über die Bundesverfassung, die im Kanton Freiburg ausschliesslich dem Grossen Rat vorgelegt wurde. Die neue Freiburger Kantonsverfassung setzte auf Freiheit, Gleichheit und Volkssouveränität, war jedoch stark antiklerikal geprägt. Der für neun Jahre gewählte Grosse Rat (ein Grossrat auf 1500 Einwohner und zehn indirekte Grossräte) ernannte für acht Jahre einen siebenköpfigen Staatsrat (Direktorialsystem) und ein neunköpfiges Kantonsgericht. Der Kanton verfügte über eine zentralistische Verwaltung mit sieben Bezirken und ein neues Gesetz über die Gemeinden und Pfarreien. Die Radikalen schufen zwar bedeutende Gesetze (u.a. Steuer- und Bildungswesen), doch machten sie sich unbeliebt mit ihrer Politik des Antiklerikalismus, die zur Verbannung von Bischof Etienne Marilley (1848-1856) und zu bewaffneten Aufständen (1850-1853) führte. Die konservative Opposition formierte sich neu und bewies ihre Stärke in der Volksversammlung von Posieux im Mai 1852, an der zwei Drittel aller Wahlberechtigten (15'000 von 22'000) teilnahmen. Obwohl die radikale Regierung schliesslich gewisse Zugeständnisse machte, triumphierten die Konservativen 1854 bei den Nationalrats- und 1856 bei den Grossratswahlen.

Den Wahlsieg vom Dezember 1856 hatte eine Koalition errungen, die zu zwei Dritteln aus Konservativen und zu einem Drittel aus gemässigten Liberalen sowie aus einigen Radikalen und Unabhängigen aus dem Murtenbiet bestand. Die Konservativen konnten zwar die ländliche Bevölkerung mobilisieren, doch bestimmten die Gemässigten unter Hubert Charles die kantonale Politik. Die Verfassung wurde revidiert und gelangte im Mai 1857 zur Volksabstimmung (90% Ja, Wahlbeteiligung von zwei Dritteln). Sie stellte einen Kompromiss dar, indem sie das Staatssystem von 1848 übernahm, aber auf die antiklerikalen Artikel verzichtete. Der Staatsrat versuchte, den Kanton im Bundesstaat wieder besser zu verankern, doch blieb Freiburg isoliert. Louis de Weck-Reynold wurde nach 1871 der starke Mann. Die zunehmenden politischen und religiösen Spannungen führten zum Bruch der Koalition, worauf die Konservativen, die sich rund um die Zeitung La Liberté, den Piusverein und den Katholischen Verein organisiert hatten, die Oberhand gewannen. Nach dem Tod von de Weck-Reynold 1880 übernahmen François-Xavier Menoud und Alphonse Théraulaz für zehn Jahre die Führung des Kantons, in dem das Volk, wie 1830 und 1847, nur am Rande in die Politik einbezogen war.

Die christliche Republik (1881-1921)

Karikatur zu den Grossratswahlen vom 3. Dezember 1911, erschienen in Der Neue Postillon, 16. Dezember 1911 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Karikatur zu den Grossratswahlen vom 3. Dezember 1911, erschienen in Der Neue Postillon, 16. Dezember 1911 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Die konservative Partei, seit 1885 kantonal organisiert, von den Ideen der päpstlichen Enzyklika Rerum Novarum inspiriert und vom charismatischen Georges Python geleitet, behauptete sich mühelos gegen die 1894 zur Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) zusammengeschlossenen radikal-liberalen Opposition. Ausgeprägte Wahldisziplin und starke soziale Kontrolle verstärkten die Wählerbasis der Konservativen. Sie setzten sich in der lange Zeit liberal gebliebenen Hauptstadt ebenso durch wie im Greyerzerland, wo die «Freiburgisten» – konservative, nach ihrem Publikationsorgan Le Fribourgeois benannte Abweichler – rasch zum Verstummen gebracht wurden. Die Regierungsform, eine «von oben gelenkte Demokratie», stützte sich auf eine straff organisierte Beamtenschaft, aus der ein Teil der Grossräte stammte. Es stürzte sich in grosse Projekte zum Aufbau der kantonalen Wirtschaft und nahm hierfür Darlehen für über 90 Mio. Franken auf. Verfehlte Geldanlagen der 1892 gegründeten Staatsbank verursachten finanzielle Verluste, aus denen die radikale Opposition Python, der aus der Sache herausgehalten wurde, keinen Strick drehen konnte. 1906 gelangte mit Antonin Weissenbach ein Freisinniger in den Staatsrat, doch trat er schon 1909 zurück. Python musste aber 1911 Jean-Marie Musy, dem neuen Führer der Konservativen, im Staatsrat den Vortritt lassen. Freiburg blieb eine rein repräsentative Demokratie, wobei die Starrheit des kantonalen politischen Systems zur Dynamik der Regierung im wirtschaftlichen und schulischen Bereich im Widerspruch stand.

Der Staatsrat der 1920er Jahre, dargestellt als moderner Verteidiger der Freiheit der Kirche. Ausschnitt eines Glasfensters zur Freiburger Geschichte in der Kathedrale St. Niklaus. Karton von Józef Mehoffer, 1932, ausgeführt von den Glasmalern Kirsch und Fleckner (Amt für Kulturgüter, Freiburg; Fotografie Jean Mülhauser).
Der Staatsrat der 1920er Jahre, dargestellt als moderner Verteidiger der Freiheit der Kirche. Ausschnitt eines Glasfensters zur Freiburger Geschichte in der Kathedrale St. Niklaus. Karton von Józef Mehoffer, 1932, ausgeführt von den Glasmalern Kirsch und Fleckner (Amt für Kulturgüter, Freiburg; Fotografie Jean Mülhauser). […]

Der Erste Weltkrieg brachte den zweisprachigen Kanton in eine schwierige Lage. Die deutschsprachige Minderheit wurde offenkundig von der Zeitschrift Stimmen im Sturm aus der deutschen Schweiz unterstützt, einem Organ des Pangermanismus, während die Romands, welche die Mehrheit bildeten, sich gegen den autoritären Stil der Bundesregierung auflehnten und lautstark ihre Sympathie für die Entente bekundeten («Tumulte von Freiburg», 15. bis 17. März 1915). Beim Landesstreik vom November 1918 erhielt das nach Bern entsandte Freiburger Regiment den Auftrag, die Ausweisung der sowjetischen Gesandtschaft zu vollziehen und die Räumlichkeiten der Zeitung Berner Tagwacht zu besetzen (Tagwacht). Im Kanton beteiligten sich lediglich die Angestellten der Bundesbetriebe am Streik. Die 1905 gegründete Sozialdemokratische Partei verlor nach einigen Wahlerfolgen (in den städtischen Gemeinden Freiburg und La Tour-de-Trême) an Schwung. Die Wahlen von 1916 ergaben trotz Majorzsystem ein der tatsächlichen Wählerstärke entsprechendes Ergebnis: 93 konservative und 22 freisinnige Grossräte. 1919 wurde der freisinnige Victor Buchs in den Staatsrat gewählt.

Krisenzeit und wirtschaftliche Öffnung (1921-1966)

Das Kriegsende und die politischen Reformen auf Bundesebene zogen bedeutende Änderungen der kantonalen Verfassung nach sich (1917-1921). Die Volksrechte wurden erweitert: Gesetzesinitiative, fakultatives Gesetzesreferendum, Volkswahl des Staatsrats und Proporzwahl des Grossen Rats. Dieser Übergang zur halbdirekten Demokratie wurde etwas abgedämpft durch die Einführung einer Sperrklausel von 15% für die Wahl der Grossräte, was die Sozialdemokraten benachteiligte. Die Wahlen von 1921 bestätigten das bisherige Kräfteverhältnis im Grossen Rat: 90 Konservative, 26 Freisinnige, 3 Agrarier und kein einziger Sozialdemokrat. Musys Übertritt in den Bundesrat (1919) und Pythons Erkrankung liessen den Mangel an Führungspersönlichkeiten offenbar werden, die in der schwierigen finanziellen Situation und dem prekären sozioökonomischen Umfeld grosse Projekte hätten vorantreiben können. Freiburg bekam nach dem Ersten Weltkrieg die Wirtschaftskrise infolge der Umstellung von der Kriegs- auf die Friedensproduktion und der strukturellen Flaute der Landwirtschaft zu spüren. Die Behörden schufen neue Beschäftigungsmöglichkeiten, zum Beispiel durch den Ausbau der SBB-Strecke Romont-Siviriez (1920), den Bau der Pérollesbrücke (1922) und den Neubau der Zähringerbrücke (1924 an Stelle der Grossen Hängebrücke von 1832-1834). Nach einer leichten Erholung folgte die Weltwirtschaftskrise von 1929. Spät und zögerlich ergriffen die Behörden antizyklische Massnahmen: Errichtung des Miséricorde-Gebäudes der Universität, Teerung des Strassennetzes und Staudammbau. Ein kantonales Gesetz zur Errichtung von Korporationen wurde 1934 vom Grossrat angenommen, konnte aber wegen des Widerstands von Freisinnigen und Sozialisten nicht in Kraft treten (Korporativismus, Ständestaat). 1935 stimmte der Kanton Freiburg mit Obwalden und dem Wallis dem ständestaatlich inspirierten Entwurf für eine neue Bundesverfassung zu.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen die Behörden umzudenken und prangerten den Rückstand der Industrie, die Bevölkerungsstagnation und die Abwanderung der aktiven Kräfte an. Das Steuergesetz von 1950 ermöglichte eine Steuerbefreiung für Neuunternehmen. Auf Initiative von Maxime Quartenoud, später von Paul Torche förderte die Regierung die kantonale Wirtschaft durch den Bau von Stauwerken und Nationalstrassen. Sie profitierte dabei von der guten Konjunkturlage und der Sättigung der Zentren im Mittelland, wobei sie einige freiburgische Besonderheiten als Trümpfe ausspielte: grosse Reserven an günstigem Land, tiefes Lohnniveau, gute Anbindung an das Autobahn- und Eisenbahnnetz. Die Wirtschaftsstruktur veränderte sich: Der primäre Sektor verzeichnete einen Rückgang von 47% (1920) auf 18% (1970) der Erwerbstätigen, der sekundäre einen Anstieg von 28% auf 46% und der tertiäre oder Dienstleistungssektor von 25% auf 36%. Dieser wirtschaftliche Umbruch führte zusammen mit der Erschliessung des Kantons durch die Westschweizer Medien (Presse, Fernsehen), der Urbanisierung und dem Wandel des Katholizismus (Zweites Vatikanum) zu einer Neuverteilung der politischen Karten: 1946 hielt die sozialdemokratische Partei Einzug in den Grossen Rat, während die freisinnige Partei stagnierte und die Konservativen etwas an Boden verloren.

Die Minderheitsparteien versuchten, mit Verfassungsrevisionen an dem konservativen Bollwerk zu rütteln, doch kamen davon nur wenige durch: Das fakultative Finanzreferendum (1948), die Wählbarkeit aller Schweizer Bürger (1954), die Festlegung der Grossratssitze auf 130 und die Begrenzung der Zahl der im eidgenössischen Parlament vertretenen Staatsräte auf maximal zwei (1960) fanden Zustimmung beim Souverän. 1966 trat ein Grossteil der Christlichsozialen aus der konservativen Partei aus, worauf diese im Grossen Rat deutliche Einbussen erlitt und die Mehrheit, die sie seit 1857 innegehabt hatte, verlor. Dank dem Majorzsystem behielt sie jedoch durch ein Bündnis mit den Agrariern die Mehrheit im Staatsrat. Letztere waren in der BGU, der Partei der Bauern, des Gewerbes und der Unabhängigen, organisiert (später Schweizerische Volkspartei-Bauern, Gewerbe und Unabhängige SVP-BGU, seit 1986 Schweizerische Volkspartei SVP).

Veränderungen und neue Herausforderungen seit 1966

Der Kanton entwickelte sich bis 1973 dynamisch. Auf Empfehlung der Universitätsökonomen leitete er eine polyzentrische Entwicklung ein («konzentrierte Dezentralisierung»), die sich vor allem auf die Bezirkshauptorte stützte. Mit voller Wucht bekam Freiburg die Auswirkungen der Krisen von 1973 und 1987 zu spüren. Der tertiäre Sektor übernahm anstelle der Industrie die Funktion des Wachstumsmotors. Die Regierung und das Amt für Wirtschaftsförderung betrieben eine Politik der Ansiedlung neuer Unternehmen in einem von Restrukturierungen und Konzentrationen geprägten Umfeld, in welchem Pioniere der Industrialisierung, wie die Brauerei Cardinal 1996-1998, in Bedrängnis gerieten. Freiburg setzte auch auf den Tourismus und konnte mit der 1971 beschlossenen Priorisierung der Nationalstrasse A12, die 1981 fertiggestellt wurde, und der Beteiligung am Bau der 2001 eröffneten A1 zwei wesentliche Erfolge verbuchen. Der Kanton hat sich immer mehr der übrigen Schweiz angeglichen, dabei aber einige Besonderheiten bewahrt: eine junge, stark wachsende Bevölkerung, ein unter dem schweizerischen Durchschnitt liegendes Einkommensniveau sowie einen Agrar- und Bausektor mit nach wie vor nennenswerten Beschäftigungszahlen.

Nachdem die Wählerschaft 1971 die Freisinnigen zu Gunsten der Sozialdemokraten aus dem Staatsrat gedrängt hatte, kehrten sich 1976 die Verhältnisse um. Die neue Sitzverteilung, vier Konservative, die nun der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) angehörten, zwei Freisinnige und ein Vertreter der SVP-BGU, änderte sich bald, als die Sensler Christlichsozialen aus der CVP austraten, womit diese trotz ihrer Koalition mit der SVP-BGU die Mehrheit im Volk verlor. 1981 wurden die Karten neu gemischt, als die CVP ihre Strategie an ihre Wählerstärke anpasste. Sie kündigte die Koalition mit der SVP-BGU und beanspruchte nur noch drei Regierungssitze, während der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) und der Sozialdemokratischen Partei (SP) je zwei Sitze zustehen sollten. Diese Freiburger Zauberformel wurde bald von Vertretern der SVP und der Sozialdemokraten sowie von Unabhängigen gesprengt: In den Wahlen von 2001 entfielen drei Sitze auf die CVP, zwei auf die SP und je einer auf die FDP und auf einen Unabhängigen. Seit 2006 büsst die CVP kontinuierlich an Zustimmung ein und ist seit 2016 nicht mehr die stärkste Partei im Grossen Rat. Mehrere Verfassungsrevisionen erweiterten die Wählerschaft und die politischen Rechte: Frauenstimmrecht (1971), Volkswahl der Ständeräte und Oberamtmänner (1972), obligatorisches Finanzreferendum (1972), Wählbarkeit mit 20 statt wie früher mit 25 Jahren (1985) und zivilrechtliche Mündigkeit mit 18 Jahren (1991). Roselyne Crausaz (CVP) zog 1986 in den Staatsrat ein und war damit die erste Frau, die in der Westschweiz einer kantonalen Exekutive angehörte. Der Souverän lehnte dagegen die Proporzwahl für den Staatsrat ab (1981), ebenso die Volkswahl der Richter. 2000 wählte das Volk, nachdem es sich 1999 in einer Grundsatzabstimmung dafür ausgesprochen hatte, einen Verfassungsrat. Dieser arbeitete eine neue Kantonsverfassung aus, die 2004 mit 58% Ja-Stimmen angenommen wurde.

Nach den beiden konservativen Bundesräten Jean-Marie Musy (1919-1934; 1925 und 1930 Präsident) und Jean Bourgknecht (1959-1962) wurden mit Joseph Deiss (1999-2006; 2004 Präsident) und Alain Berset (seit 2011) ein Christdemokrat und ein Sozialdemokrat in die Bundesregierung gewählt. Die Freiburger Abordnung in den eidgenössischen Räten war lange Zeit mehrheitlich konservativ. 1959 stellten die Konservativen vier von sieben Nationalräten; zu Beginn des 21. Jahrhunderts hielten sie immer noch fast einen Drittel der Sitze. Der erste nicht-konservative Ständerat war – sieht man von der radikalen Phase der 1850er Jahre ab – der Sozialdemokrat Otto Piller (1979-1995).

Anfang des 21. Jahrhunderts, nachdem nicht Freiburg, sondern St. Gallen zum Sitz des Bundesverwaltungsgerichts als Teil des Bundesgerichts bestimmt wurde, machte sich der Kanton Gedanken über seine Identität und seine Rolle im Kräftefeld zwischen Genferseeregion und Bern. Er bemühte sich, den 1990 angenommenen Sprachenartikel der Kantonsverfassung umzusetzen, der den Gebrauch der Amtssprachen nach dem Territorialitätsprinzip regelt und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften fördern soll. Freiburg stärkte auch seine wirtschaftliche Öffnung zur Welt und hat 2001 mit seinen Exporten die Umsatzmarke von 5 Mrd. Franken überschritten. Mit Neuenburg und Bern arbeitet der Kanton in den Bereichen Energie und Universitäten (Benefri – Netzwerk der Universitäten Bern, Neuenburg und Freiburg) zusammen. Nach dem Bau eines waadtländisch-freiburgischen Spitals in Payerne und der Bildung eines gemeinsamen Organs für Wirtschaftsförderung (Coreb) eröffneten die Kantone Freiburg und Waadt 2005 in der Broyeregion ein interkantonales Gymnasium. Der Kanton gehört zudem zum Espace Mittelland seit dessen Gründung 1994.

Sitze des Kantons Freiburg in der Bundesversammlung 1919-2015

 19191939195919671979199119992003200720112015
Ständerat
KK/CVP22221111111
FDP      1    
SP    11 1111
Nationalrat
KK/CVP64433222222
FDP12121111111
BGU/SVP 11  1 1112
SP  112122232
CSP     1111  
Total Sitze77766667777
Sitze des Kantons Freiburg in der Bundesversammlung 1919-2015 -  Historische Statistik der Schweiz; Bundesamt für Statistik

Zusammensetzung des Regierungsrats im Kanton Freiburg 1981-2016

 19811986199119962001200620112016
CVP33333333
FDP21 11111
SP22222222
SVP 11     
DSP  1     
Grüne      11
Andere   111  
Total77777777
Zusammensetzung des Regierungsrats im Kanton Freiburg 1981-2016 -  Historische Statistik der Schweiz; Bundesamt für Statistik

Zusammensetzung des Grossrats im Kanton Freiburg 1921-2016

 19211941196119661971198119912001200620112016
KK/CVP9084745657474645373127
FDP2528343430292426191721
BGU/SVP33128991016182121
SP  102129332926252928
CSP   8512910444
DSP      75   
Grüne      41336
Andere 3 3  11453
Total Sitze118118130130130130130130110110110
Zusammensetzung des Grossrats im Kanton Freiburg 1921-2016 -  Historische Statistik der Schweiz; Bundesamt für Statistik

Staatsführung und Verwaltung

Seit 1803 orientiert sich Freiburg bei seiner Staatsorganisation am bernischen und französischen Modell. Der Kanton gliedert sich in territoriale Einheiten, die zugleich Verwaltungs-, Gerichts- und Wahlbezirke sind (1814 zwölf Oberämter, 1831 dreizehn Bezirke, 1848 und 1857 bis heute sieben Bezirke). Die politischen Gemeinden sind öffentlich-rechtliche Körperschaften, die innerhalb der Schranken der kantonalen und eidgenössischen Gesetzgebung einige Autonomie geniessen. Sie verfügen über weit reichende Kompetenzen im Steuerbereich und eigene Behörden: den Gemeinderat (Exekutive), der den Gemeindepräsidenten wählt, und die Gemeindeversammlung bzw. in grösseren Gemeinden den Generalrat (Gemeindeparlament). Daneben bestehen immer noch Bürgergemeinden, die ihre eigenen Güter verwalten. Die Gemeinden arbeiten in Verbänden mit anderen Gemeinden zusammen. Häufig werden freiwillige Fusionen durchgeführt, die der Kanton durch einen Spezialfonds fördert: 1977 gab es 271 Gemeinden, 2002 202 und 2004 noch 182. 1996 erliess der Kanton ein Gesetz zur Bildung von Agglomerationen.

Auf kantonaler Ebene wird die legislative Gewalt vom Grossen Rat ausgeübt (2004 130 Grossräte), die exekutive vom Staatsrat (bis 1813 Kleiner Rat), der von einem Präsidenten (bis 1847 Schultheiss) geleitet wird und 1848 vom Kommissionssystem (für einen Bereich sind mehrere Staatsräte zuständig) zum Direktorialsystem (jeder Staatsrat ist für einen Bereich zuständig) gewechselt hat. Die Oberamtmänner vertreten die Regierung in den Bezirken und fungieren als Koordinatoren der Gemeindetätigkeit. Früher von der Regierung ernannt, werden sie seit 1972 vom Volk gewählt. Zur Judikative gehören das Kantonsgericht (Berufungsinstanz), das Verwaltungsgericht (1990), das Wirtschaftsstrafgericht, sieben Bezirksgerichte mit einer Gewerbekammer, 29 Friedensgerichte, drei Mietgerichte und die Jugendstrafkammer (Gerichtswesen).

1803 zählte die kantonale Zentralverwaltung 14 Personen sowie rund 40 Beamte, die für die Staatsgüter und Regalien zuständig oder in den Bezirken tätig waren. 1977 verfügte der Staat Freiburg über 4000 Beamte und 2002 über 8000 Stellen zu 100% gerechnet (Vollzeitäquivalente). 1803 verwaltete er seine Güter und Regalien und war für die Rechtsprechung sowie die militärischen und administrativen Angelegenheiten und das Verkehrswesen zuständig. 1848 verlor er das Post-, Münz- und Zollregal, 1848 und 1874 die militärische Zuständigkeit. Doch fielen ihm 1848 neue Aufgaben zu, insbesondere im schulischen und wirtschaftlichen Bereich. Seit 1945 ist der Staat stärker gefordert, um den mit Bevölkerungswachstum und wirtschaftlicher Entwicklung zusammenhängenden Herausforderungen zu begegnen und den sozialen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.

Der Kanton bezog bis 1847 Einkünfte aus seinen Gütern und Regalien (Post, Pulver, Salz) und aus den Wegzöllen. 1848 erhöhten sich seine Ausgaben beträchtlich (über 1 Mio. Fr.), weshalb er seither eine Steuer auf Liegenschaften, Kapital und Einkommen sowie Handänderungsgebühren erhebt. Die staatlichen Einkünfte sind ständig gestiegen: 1900 4 Mio. Franken, 1945 25 Mio., 1970 210 Mio. und 2001 2 Mrd. Die Steuereinnahmen bildeten 2001 34% der Einkünfte, während die Bundesbeiträge (Subventionen) 30% ausmachten. Das Volk verfügt seit 1948 über ein fakultatives, seit 1972 über ein obligatorisches Finanzreferendum.

Die Vereinheitlichung des Rechts dauerte mehrere Jahrzehnte: Das kantonale Zivil- und das Strafgesetzbuch wurden 1849, die Zivil- und die Strafprozessordnung 1850 erlassen. Der Kanton unterhielt ein Zuchthaus sowie eine Zwangsarbeitsanstalt, die 1851 im ehemaligen Kloster der Augustiner Eremiten in der Stadt Freiburg untergebracht wurde. Die zunächst für öffentliche Arbeiten eingesetzten Gefangenen wurden 1899 in die Strafanstalt Bellechasse verlegt. Das Gesetz von 1804 regelte die Organisation der Armee, damit sie den Verpflichtungen aus der Mediationsakte entsprechen konnte. Das Milizsystem, das auf der allgemeinen Wehrpflicht beruhte, veränderte sich mit den Gesetzen von 1819 und 1844. Freiburg wurde nach 1874 zwar kein erstrangiger Standort der Schweizer Armee, erhielt aber mehrere Kasernen und Waffenplätze (Planche und Poya in der Stadt Freiburg, Drognens in Siviriez).

Nachdem es seine Souveränität wiedererlangt hatte, prägte Freiburg von 1806 bis 1826 Münzen zu 4, 1 und ½ Franken sowie zu 1 und ½ Batzen. Entsprechend dem 1825 mit fünf anderen Kantonen geschlossenen Münzkonkordat prägte es 1827-1848 Münzen zu 5, 1, ½ und ¼ Batzen. Der Staat übte das Salzregal aus, indem er den Verkauf von aus der Schweiz oder Frankreich importiertem Salz monopolisierte. 1832 schuf er eine kantonale Postverwaltung, die das von der Berner Familie Fischer in Pacht betriebene Unternehmen ablöste.

1803 wurde ein Sanitätsrat geschaffen. Staat und Ärzteschaft setzten eine Gesundheitspolitik in Gang, in der das Impfen im Vordergrund stand. Das Bürgerspital wurde 1803 von der Stadtgemeinde übernommen. Die psychiatrische Klinik in Marsens wurde 1875, das Kantonsspital 1913 gegründet, 1971 zog dieses in einen Neubau ein. Der Kanton führte 1982 die obligatorische Kranken- und Unfallversicherung ein und versuchte 1989 mit dem Programm Mediplan die Spitalpolitik zu koordinieren.

Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur im 19. und 20. Jahrhundert

Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung

Innerhalb seiner heutigen Grenzen zählte der Kanton 1785 61'000 und 1799 67'814 Einwohner. Er war während der Mediation einer der sechs Vorortskantone, obwohl er nicht zu den sechs bevölkerungsreichsten Ständen gehörte. Damals lebten hier 4% der Schweizer Bevölkerung, doch verringerte sich dieser Anteil: 1850 waren es 4,17%, 1900 3,86%, 1950 3,36% und 2000 3,33%. Auch in der kantonalen Rangordnung bezüglich Einwohner fiel Freiburg lange Zeit zurück (1836 8., 1960 13., 1970 14. Platz), verbesserte sich aber im ausgehenden 20. Jahrhundert (2000 12. Platz). 1811-1910 wuchs die Bevölkerung des Kantons um den Faktor 1,88 und lag damit unter dem Landesdurchschnitt (Faktor 2,13). Die hohe Geburtenrate, die erst ab 1910 zu sinken begann (33,6‰), und die seit 1850 rückläufige Sterberate (1910 20,5‰) führten ab 1880 zu einem erheblichen Geburtenüberschuss.

«Ehrwürdige Himmelskönigin, wir verneigen uns vor Dir und flehen Dich an, den unglücklichen und hilflosen brasilianischen Kolonisten zu helfen. Jungfrau der Jungfrauen, gewähre ihnen Deinen Schutz und führe sie heil an ihr Ziel.» Votivbild, das den Schutz der Jungfrau für die Auswanderer erfleht, die am 4. Juli 1819 von Estavayer aufgebrochen sind, um ihr Glück in Brasilien zu versuchen. Aquarell eines unbekannten Künstlers © Museum für Kunst und Geschichte Freiburg.
«Ehrwürdige Himmelskönigin, wir verneigen uns vor Dir und flehen Dich an, den unglücklichen und hilflosen brasilianischen Kolonisten zu helfen. Jungfrau der Jungfrauen, gewähre ihnen Deinen Schutz und führe sie heil an ihr Ziel.» Votivbild, das den Schutz der Jungfrau für die Auswanderer erfleht, die am 4. Juli 1819 von Estavayer aufgebrochen sind, um ihr Glück in Brasilien zu versuchen. Aquarell eines unbekannten Künstlers © Museum für Kunst und Geschichte Freiburg.
Erste Seite der Totenliste mit den Namen von 292 Emigranten, die am 4. Juli 1819 aufgebrochen waren, Nova Friburgo zu gründen, angefertigt im Oktober 1821 von Jacob Joye aus Villaz-Saint-Pierre, dem ersten Pfarrer der Kolonie in Brasilien (Archiv der katholischen Pfarrei St. Martin, Freiburg; Fotografie Tilman Kehren).
Erste Seite der Totenliste mit den Namen von 292 Emigranten, die am 4. Juli 1819 aufgebrochen waren, Nova Friburgo zu gründen, angefertigt im Oktober 1821 von Jacob Joye aus Villaz-Saint-Pierre, dem ersten Pfarrer der Kolonie in Brasilien (Archiv der katholischen Pfarrei St. Martin, Freiburg; Fotografie Tilman Kehren). […]

Trotz dieses natürlichen Wachstums nahm die Bevölkerung nur langsam zu. Grund dafür war die Abwanderung, die mit den (1848 abgeschafften) fremden Diensten zusammenhing. Die Auswanderung nach Nova Friburgo in Brasilien war ein Kapitel für sich: Die Emigranten, die dem Elend der Hungerjahre 1816-1817 entfliehen wollten, fanden in den Tropen Armut. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkte sich die Abwanderung und erreichte 1900-1910 beträchtliche Ausmasse. Viele Freiburger zogen nach Genf. Die Schwierigkeiten in der Landwirtschaft und die verzögerte industrielle Entwicklung erklären diese massive Abwanderung, die durch das neue Eisenbahnnetz erleichtert wurde. 1910 war die Bevölkerung noch überwiegend ländlich. Von den Städten hatte nur die Kantonshauptstadt über 10'000 Einwohner: Sie zählte damals 20'993 Personen (1798 5117 Einwohner), was 15% der Kantonsbevölkerung entsprach (1798 8%), und lag damit deutlich vor Bulle (4035 Einwohner) und Düdingen (3956 Einwohner). Die Abwanderung, die zwischen einem Drittel und der Hälfte des natürlichen Zuwachses ausmachte, wurde bis 1910 durch die Wirtschaftspolitik unter Staatsrat Georges Python gebremst; danach beschleunigte sie sich infolge der Bevölkerungsumwälzungen, die durch Mobilmachung und Krieg verursacht wurden.

In der Zeitspanne 1910-1960 gab es insgesamt ein schwaches Bevölkerungswachstum, unterbrochen durch die 1920er und 1950er Jahre, in denen die Einwohnerzahl beinahe stagnierte. Der Kanton vollzog seine demografische Transition unter Beibehaltung eines jährlichen Geburtenüberschusses von 1%. Die Abwanderung nahm weiter zu, und die Zusammensetzung der Bevölkerung veränderte sich: 1910-1960 sank der Anteil der Freiburgerinnen und Freiburger von 86% auf 77%, während der Anteil der auswärtigen Schweizerinnen und Schweizer von 10% auf 19% stieg und der Ausländeranteil konstant bei 4% blieb. Immer mehr Freiburgerinnen und Freiburger wohnten ausserhalb ihres Kantons: 1910 23'714, 1941 52'489 und 1960 88'892. Angesichts dieses Substanzverlusts leiteten die Behörden in den 1950er Jahren eine intensive Industrialisierungspolitik ein. Deren Wirkung war in der Volkszählung von 1960 noch kaum wahrnehmbar, zeigte sich aber danach: Die Bevölkerung wuchs viel rascher, und die Wanderungsbilanz war, abgesehen von der Rezession in den 1970er Jahren, positiv, wozu vorwiegend die ausländischen Arbeitskräfte beitrugen. Der Bevölkerungszuwachs kam, im Rahmen der «konzentrierten Dezentralisierung», vor allem den Städten zugute. Der Grossraum Freiburg mit Villars-sur-Glâne, Marly und 23 weiteren Gemeinden umfasste im Jahr 2000 95'000 Einwohner, 40% der Kantonsbevölkerung. Die Agglomeration Bulle zählte 14'552 Einwohner (6% der Kantonsbevölkerung). Weit dahinter folgten Murten (5578 Einwohner), Estavayer-le-Lac (4437), Châtel-Saint-Denis (4389) und Romont (3964). Die Gemeinden im Nordosten wie Schmitten (3280 Einwohner) und Bösingen (3117 Einwohner) sind nach Bern ausgerichtet. Die Bundesstadt zieht auch Pendler aus Gross-Freiburg an; Wünnewil und Flamatt (zusammen 4916 Einwohner) gehören zur Agglomeration Bern.

Der Geburtenüberschuss ist seit 1970 deutlich zurückgegangen, und nur die positive Wanderungsbilanz erklärt den Wachstumsschub der Jahre 1970-2000. Von 1980 bis 2000 war eine Zuwanderung von 32'738 Personen zu verzeichnen, davon 56% Ausländerinnen und Ausländer. Die ausländische Bevölkerung ist von 4168 (1950) auf 32'938 Personen (2000) gestiegen, wobei ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung im Verhältnis zu anderen Kantonen eher niedrig ausfällt (1950 2,6%, 2000 13,6%) und unter dem Landesmittel liegt. Ihre Zusammensetzung hat sich verändert: Der Anteil der Europäer ist von 93% (1950) auf 86% (2000) gesunken. Während 1950 noch die Italiener (39%), Franzosen (23%) und Deutschen (15%) überwogen, stammten 2000 die grössten Gruppen aus Portugal (25%), dem ehemaligen Jugoslawien (19%), Italien (11%), Frankreich (9%) und Spanien (7%). Die Afrikanerinnen und Afrikaner machten 2000 6% der ausländischen Bevölkerung aus, die Asiatinnen und Asiaten sowie die Amerikanerinnen und Amerikaner je 4%.

Bevölkerungsentwicklung des Kantons Freiburg 1836-2000

JahrEinwohnerAusländerKatholikenFranzösischsprachigeAltersstruktur (Anteil >59)
183691 1452,1%   
184295 611    
185099 8911,3%87,8%  
1860105 5231,8%85,3% 7,6%
1870110 409b2,2%84,8% 8,6%
1880114 994b1,9%84,2%68,7%9,4%
1888119 4551,9%84,3%68,5%9,7%
1900127 9513,4%84,8%68,3%9,6%
1910139 6545,2%86,1%67,7%9,1%
1920143 0553,8%86,2%67,6%8,8%
1930143 2303,0%86,4%66,7%9,9%
1941152 0531,9%86,3%66,8%11,0%
1950158 6952,6%86,4%65,7%11,8%
1960159 1944,0%86,3%63,4%13,5%
1970180 3099,3%85,8%60,3%15,0%
1980185 2467,7%83,2%61,4%17,1%
1990213 57112,6%79,3%61,0%17,1%
2000241 70615,3%70,4%63,2%17,0%
ZeitraumGesamtzunahmeaGeburtenüberschussaWanderungssaldoa  
1842-1850  -1,8‰  
1850-18604,3‰3,4‰0,9‰  
1860-18704,4‰6,5‰-2,1‰  
1870-18804,0‰6,6‰-2,6‰  
1880-18884,5‰9,3‰-4,8‰  
1888-19006,0‰9,8‰-3,8‰  
1900-19098,8‰13,1‰-4,3‰  
1910-19202,4‰10,4‰-8,0‰  
1920-19300,1‰12,1‰-12,0‰  
1930-19415,4‰9,1‰-3,7‰  
1941-19504,8‰11,8‰-7,0‰  
1950-19600,3‰9,2‰-8,9‰  
1960-197012,4‰9,7‰2,7‰  
1970-19802,7‰5,0‰-2,3‰  
1980-199014,2‰3,7‰10,5‰  
1990-200013,0‰5,2‰7,8‰  
      

a mittlere jährliche Zuwachsrate

b ortsanwesende Bevölkerung

Bevölkerungsentwicklung des Kantons Freiburg 1836-2000 -  Historische Statistik der Schweiz; eidgenössische Volkszählungen; Bundesamt für Statistik

Wirtschaft

1803 waren rund drei Viertel der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigt und ein Fünftel übte ein Handwerk aus. Der Kanton konnte sich selbst mit Getreide versorgen und gleichzeitig Käse und Vieh exportieren. Die Blütezeit dieser Agrarwirtschaft fiel in die Jahre 1850-1870, in der Wirtschaftskrise 1873-1895 zeigte sich ihre Anfälligkeit. 1910 beschäftigte die Landwirtschaft noch 53% der Erwerbstätigen, Handwerk und Industrie 27% und der Dienstleistungssektor 20%. Mitte des 20. Jahrhunderts war der Anteil der Bauern in Freiburg immer noch doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt und hatte der Kanton eines der niedrigsten Pro-Kopf-Einkommen. 2000 arbeitete ein Zehntel der Erwerbstätigen im primären, ein Viertel im sekundären und etwa zwei Drittel im tertiären Sektor. Im selben Jahr betrug das Einkommen des Kantons 2,5% des schweizerischen Volkseinkommens bei einem Anteil von 3,3% an der Bevölkerung des Landes. Zurückzuführen ist dies auf den Mangel an hoch qualifizierten Arbeitsplätzen und an Unternehmen mit hoher Wertschöpfung sowie auf eine junge Bevölkerung mit einem erheblichen Anteil an Auszubildenden.

Verkehr

Die Saaneschlucht mit dem Grandfey-Viadukt auf der Eisenbahnstrecke Freiburg-Bern. Fotografie der Baustelle, 26. Oktober 1925 (Amt für Kulturgüter, Freiburg).
Die Saaneschlucht mit dem Grandfey-Viadukt auf der Eisenbahnstrecke Freiburg-Bern. Fotografie der Baustelle, 26. Oktober 1925 (Amt für Kulturgüter, Freiburg). […]

Der Kanton sorgte trotz seiner beschränkten Mittel für ein gutes und immer dichteres Strassennetz. 1830 wurde der Makadam-Strassenbelag eingeführt, 1910 das Walzen und 1918 das Teeren. Die wichtigsten Kunstbauten waren oft Hängebrücken wie die im Hauptort (die Grosse Hängebrücke 1832-1834 und die Galternbrücke 1839-1840), die später durch Brücken aus armiertem Beton ersetzt wurden. Der Kanton schaltete sich 1856 in die Debatte um die Eisenbahnlinie Bern-Lausanne ein und erreichte, dass das Trassee nicht durch das Broyetal, sondern über die Stadt Freiburg geführt wurde. Er investierte in den Bau dieser Linie und der Anschlussstrecken (Bulle-Romont, Palézieux-Lyss, Freiburg-Yverdon) über 45 Mio. Franken. Für die Realisierung der ab 1890 elektrifizierten Nebenlinien (Freiburg-Murten-Ins, Châtel-Bulle-Montbovon, Bulle-Broc und die Freiburger Tramlinien) brauchte es erneut öffentliche Zuschüsse. Der Kanton unterstützte 1942 die Zusammenlegung dreier Regionallinien und des ab 1914 ausgebauten Autobusnetzes zur Gesellschaft Greyerz-Freiburg-Murten (GFM), deren Kapital er beinahe vollständig kontrollierte. Die GFM fusionierte 2000 mit den städtischen Verkehrsbetrieben Freiburg zu den Freiburgischen Verkehrsbetrieben (TPF). Der Kanton überzeugte die Bundesbehörden, dass die Autobahn A12 (1981) über die Stadt Freiburg und die für den Westen des Kantons nützliche A1 (2001) über Murten als gleichrangig zu behandeln seien. Die Siedlungsweise und die Entstehung grosser Einkaufszentren haben massgeblich zum steigenden Bedarf an privaten und öffentlichen Transportmitteln beigetragen.

Landwirtschaft

Um 1810 lebten rund drei Viertel der Bevölkerung von der Land- und Forstwirtschaft. In den Voralpen wurden Viehzucht und Käserei, in der Hügelzone Acker- und Wiesenbau und in den tiefer gelegenen Gebieten am Neuenburger- und Murtensee Getreide- und Gemüsebau betrieben. Der Export von Vieh, Käse und Holz glich die Importe aus. In rechtlicher Hinsicht erfuhr die Landwirtschaft tiefgreifende Veränderungen. Zunächst setzte eine langsame Befreiung von den Feudallasten ein, die 1803 und 1804 für ablösbar erklärt wurden, doch waren die Loskaufsummen sehr hoch. Erst 1838 und 1844 wurde die Ablösung zur Pflicht, was eine Verschuldung der Bauern während vier Jahrzehnten zur Folge hatte. 1833 wurde das Gesetz über die Ablösung der Zehnten erlassen. Die Einhegungsfreiheit (1808), die Aufhebung des allgemeinen Weidgangs (1809), der Rückgang anderer Nutzungsrechte und die Allmendteilungen waren Zeichen des neuen Individualismus in der Landwirtschaft.

Um der Bevölkerungszunahme zu begegnen, steigerten die Bauern die Produktion, indem sie die Anbauflächen vergrösserten und zusätzliches Land urbar machten. Die Brachflächen wurden aufgehoben, die Fruchtfolgen diversifiziert und auf sechs bis neun Jahre verlängert sowie neue Kulturen (Kartoffeln, Raps) eingeführt. Auch die Ausrüstung verbesserte sich allmählich. Ein Netz von städtischen Sparkassen, später die Hypothekarkasse des Kantons Freiburg (1853) gewährten Kredite. Der Ausbau der kantonalen Strassen und die aufkommende Eisenbahn förderten die Verbreitung der Freiburger Produkte. 1848 gründeten reiche Gutsbesitzer und Agronomen den Freiburgischen landwirtschaftlichen Verein. Dieses extensive Wachstum brachte in den Jahren 1850-1870 einen gewissen Wohlstand mit sich.

Das regionale Gleichgewicht veränderte sich zum Nachteil der Berggebiete, weil die Käseherstellung sich zunehmend in tiefere Regionen verlagerte. Die günstige Konjunktur endete nach 1870 mit der weltweiten Wirtschaftskrise und dem Zustrom ausländischer Landwirtschaftsprodukte. Der Fall der Getreidepreise bewirkte eine starke Schrumpfung der Ackerflächen (1907 20% der landwirtschaftlichen Nutzfläche). Der Kartoffel- und Zuckerrübenanbau festigte sich. Am wichtigsten war jedoch der Vormarsch der Viehzucht, der mit dem Fortschritt im Futterbau, bedingt durch den Einsatz von Mineraldünger, zusammenhing. Die Fleischausfuhr und die Milchproduktion (1880 33 Mio. kg, 1910 111 Mio. kg) nahmen zu. Die Milchindustrie fand in den Kondensmilch- und Schokoladenfabriken wichtige Abnehmer.

Dieser erneute Aufschwung veranlasste die Bauern 1894 zur Gründung des Verbands der freiburgischen landwirtschaftlichen Vereine, der dem 1897 entstandenen Schweizerischen Bauernverband beitrat. Ein heftiger Kampf für einen höheren Milchpreis setzte ein. Allmählich wurden die Betriebe grösser: 1900 bewirtschafteten sie im Durchschnitt 9,7 ha, doch 50% verfügten über weniger als 5 ha und nur 10% über mehr als 20 ha. Die kantonalen Behörden reagierten auf die Krise von 1873 und begannen den Landwirten Subventionen zu zahlen. Sie schufen 1888 eine Käsereischule (Grangeneuve) und eine milchwirtschaftliche Station und führten 1891 landwirtschaftliche Ausbildungskurse ein. Der Erste Weltkrieg brachte den ländlichen Gebieten einen künstlichen und nur kurz anhaltenden Wohlstand.

Bauer mit einer getrockneten Kalbshaut auf dem Weg zur Gerberei in der Stadt Freiburg. Fotografie von Jacques Thévoz, 1951 © Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, Fonds Jacques Thévoz.
Bauer mit einer getrockneten Kalbshaut auf dem Weg zur Gerberei in der Stadt Freiburg. Fotografie von Jacques Thévoz, 1951 © Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, Fonds Jacques Thévoz. […]

Das Wiedererstarken der ausländischen Konkurrenz, die übermässige Spezialisierung auf schlecht vermarktete Milchprodukte sowie die Maul- und Klauenseuche (1919-1920) führten eine dauerhafte Flaute herbei, die sich mit der Wirtschaftskrise von 1929 noch verstärkte. Die kantonalen Behörden wandelten Grangeneuve in ein Forschungs- und Ausbildungszentrum um (1919 und 1922) und unterstützten die Mechanisierung der Betriebe. In den 1930er Jahren setzte der Staat immer noch auf eine autarke Landwirtschaft, indem er vor allem die «Binnenkolonisation» förderte; durch den landwirtschaftlichen Kraftakt während des Zweiten Weltkriegs (Plan Wahlen) sah er sich in seiner Haltung bestärkt. Die im Freiburgischen Bauernverband (1929) zusammengeschlossenen Bauern erfuhren von Seiten des Kantons und des Bundes deutliche Wertschätzung (Landwirtschaftsgesetz von 1952). Das Bundesgesetz von 1974 über Investitionshilfe für Berggebiete und die Milchkontingentierung bestätigten die zunehmende Bedeutung der öffentlichen Hand für die Landwirtschaft. Die Landwirte modernisierten ihre Betriebe, deren Zahl ständig abnahm (1939 12'664, 1985 5436, 1996 4493, 2001 3763). In den 1990er Jahren wurden die Bauern durch den Rückgang der Subventionen und die Öffnung der Grenzen zu unternehmerischem Handeln gezwungen. Die Landwirtschaft hat auch heute noch einiges Gewicht: Der Kanton, dessen Bevölkerung 3,3% der schweizerischen Gesamtbevölkerung ausmacht, umfasst 5,5% der landwirtschaftlichen Betriebe, 7,2% der landwirtschaftlichen Nutzfläche und 7,9% des Rindviehbestandes der Schweiz; von den Direktzahlungen bezieht er 6,7%.

Gewerbe und Industrie

Werbeplakat für die Maschinenfabrik Gottfried Frey, die auf die Installation von Zentralheizungen spezialisiert war. Lithografie von A. Thellung, Zürich, um 1900 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Plakatsammlung).
Werbeplakat für die Maschinenfabrik Gottfried Frey, die auf die Installation von Zentralheizungen spezialisiert war. Lithografie von A. Thellung, Zürich, um 1900 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Plakatsammlung).

Die einzigen Industriebetriebe zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Glaserei in Semsales (bis 1915) und die Papierfabrik Marly, die in den 1920er Jahren schloss. Die Strohflechterei befand sich noch im protoindustriellen Stadium (Protoindustrialisierung), und die Industrie galt primär als Mittel zur Armutsbekämpfung. Die Handels- und Gewerbefreiheit, 1798 auf schweizerischer Ebene eingeführt, stiess nach 1803 auf heftigen Widerstand. Die aufeinander folgenden politischen Führungsgremien hielten sich von 1803 bis 1881 mit staatlichen Interventionen sehr zurück und konzentrierten sich auf den Ausbau des Strassen- und Eisenbahnnetzes. Dennoch entstanden einige neue Betriebe wie die Uhrenfabrik in Muntelier, eine Düngerfabrik und Druckereien in Freiburg sowie die Kondensmilchfabrik Nestlé & Anglo-Swiss in Düdingen. Auf Initiative des Neuenburgers Guillaume Ritter wurde ein Staudamm über die Saane errichtet, um die städtischen Haushalte mit fliessendem Wasser und neu errichtete Industriebetriebe (Kartonage, Giesserei) auf der Pérolles-Kuppe mit mechanischer Energie zu versorgen; der dazu 1869 gegründete Regiebetrieb geriet aber 1875 in Konkurs.

Der Wiederaufschwung von 1895 brachte zahlreiche Unternehmen im Lebensmittelsektor (Schokoladen-, Kondensmilch- und Milchpulverfabriken, Brauereien), im Holzgewerbe sowie im Bereich der Herstellung elektrischer Kondensatoren (Elektroindustrie) hervor. Diese in Freiburg, Bulle-Broc und Murten ansässigen Betriebe waren, mit Ausnahme der Schokoladenfabrik Cailler in Broc, mittelgross. Die Zahl der Fabriken (im Sinne des eidgenössischen Fabrikgesetzes von 1877) stieg 1878-1911 von 23 auf 112, die der Arbeiterinnen und Arbeiter von 700 auf 4176, doch blieb das Schwergewicht der Freiburger Industrie weitgehend auf der Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte. Die Unternehmer organisierten sich im kantonalen Gewerbeverband (1906) und im kantonalen Handels- und Industrieverein (1909).

Der Erste Weltkrieg und der Landesstreik von 1918 unterbrachen die industrielle Entwicklung des Kantons. Die Behörden reagierten auf diese Krisen mit Investitionen im Bausektor, unterliessen aber eine direkte Unterstützung der Industrie. In den 1940er Jahren wurde die Notwendigkeit der Industrialisierung erkannt, und ab den 1950er Jahren folgten konkrete Förderungsmassnahmen. Steuererleichterungen, der Bau von Autobahnen und neuen Staumauern (1963 Schiffenen) sowie die Institutionalisierung der Wirtschaftsförderung zeugen vom neuen Bewusstsein. Freiburg hatte Land und günstige Arbeitskräfte anzubieten und zog damit Industrie (1960 Ciba für den Bereich der Fotochemie) und Niederlassungen grosser Schweizer Banken an. Metall- und Maschinenindustrie traten in Konkurrenz zur Nahrungsmittelindustrie, zum Holz- und Baugewerbe. Die Wirtschaftskrise von 1973 offenbarte jedoch die Anfälligkeit der Industrie. In den 1980er und 1990er Jahren bestätigte sich, dass Letztere nicht länger als Freiburgs Wachstumsmotor taugte. Mit nur mehr einem Viertel der Beschäftigten (2000 26,9%) hat der Sekundärsektor diese Rolle an den dynamischen Dienstleistungsbereich abgetreten. Der Staat ist bestrebt, wachstumsträchtige Branchen wie die Elektronik auszubauen.

Erwerbsstruktur des Kantons Freiburg 1860-2000a

Jahr1. Sektor2. Sektor3. SektorbTotal
186034 80456,2%12 58620,3%14 54523,5%61 935
1870c32 44466,4%11 70623,9%4 7289,7%48 878
1880c31 92061,2%13 98126,8%6 27212,0%52 173
188829 26857,0%12 78424,9%9 27318,1%51 325
190029 54051,8%16 19428,4%11 26819,8%57 002
191028 76648,8%16 22427,5%13 98323,7%58 973
192028 38546,6%17 22228,2%15 40025,2%61 007
193026 23444,6%17 05629,0%15 51226,4%58 802
194127 28443,1%17 97728,4%18 04728,5%63 308
195022 94835,4%22 36334,6%19 41930,0%64 730
196017 48227,2%26 31040,9%20 54731,9%64 339
197014 06517,9%35 42545,1%28 98837,0%78 478
198010 75513,0%31 55238,3%40 15748,7%82 464
19907 5167,1%34 51332,8%63 33560,1%105 364
2000d7 1075,8%28 19422,9%87 69071,3%122 991

a bis 1960 ohne Teilzeitangestellte

b Residualgrösse einschliesslich "unbekannt"

c ortsanwesende Bevölkerung

d Die Beschäftigtenzahlen der Volkszählung 2000 sind wegen der grossen Zahl "ohne Angabe" (18 174) nur begrenzt vergleichbar mit den vorhergehenden Daten.

Erwerbsstruktur des Kantons Freiburg 1860-2000 -  Historische Statistik der Schweiz; eidgenössische Volkszählungen

Dienstleistungen

1811 arbeiteten 9% der Erwerbstätigen im tertiären Sektor, 1870 12% und 1970 36%. Dieser Anteil blieb unter dem Landesmittel, um sich gegen das Jahr 2000 dem schweizerischen Durchschnitt anzunähern (Freiburg 66,3%, Schweiz 67,5%). Erst in den 1970er Jahren wurde die Industrie von den Dienstleistungen überholt. 2000 verteilten sich die im 3. Sektor Beschäftigten wie folgt: Handel 26%, Sozial- und Gesundheitswesen 14,7%, Unterrichtswesen 9,7%, Immobilien und andere Dienstleistungen 12,3%, Gastgewerbe 6,9%, öffentliche Verwaltung 8,8%, Verkehr und Nachrichtenübermittlung 8,3% usw.

Der Tourismus spielte stets eine untergeordnete Rolle. In der Romantik interessierten sich Besucher vor allem für die Hauptstadt mit der grossen Hängebrücke und den Orgeln der Stiftskirche St. Niklaus. Ende des 19. Jahrhunderts zogen Bäder und die voralpine Landschaft ausländische Gäste an. Das Aufkommen des Wintersports nach 1945 brachte Charmey, dem Moléson, Les Paccots und dem Schwarzsee einen Entwicklungsschub.

Der Bankensektor trat im 19. Jahrhundert mit Sparkassen in den Städten (1824 Murten, 1829 Freiburg) auf den Plan. Nach dem Scheitern der Freiburger Kantonalbank (1850), die auf Initiative der Radikalen entstanden war, gründeten die Konservativen 1892 die Freiburger Staatsbank. Die grossen Schweizer Banken liessen sich erst nach 1945 im Kanton Freiburg nieder. 1808 wurde die Viehversicherungskasse gegründet, 1812 die Brandversicherungsanstalt.

Gesellschaft

1798 und 1803 wurde der Grundsatz der Rechtsgleichheit eingeführt. Während der Mediation (1803-1813) und vor allem während der Restauration (1814-1830) gelangte die ehemals aus Patriziat und Adel stammende Führungsschicht wieder an die Macht. Das Zensuswahlrecht und die geburtsständischen Vorrechte wurden 1831 abgeschafft. Während der Regeneration (1831-1847) weiteten die Machthaber sowohl der Liberalen als auch der Konservativen ihre Rekrutierungsbasis aus (auf Juristen, Unternehmer, reiche Bauern), ohne jedoch die breite Bevölkerung einzubeziehen. Daran änderte sich auch mit der Regierung der Radikalen (1848-1856) und der Liberal-Konservativen (1857-1881) nichts, obwohl die Bürger über die neue Verfassung von 1857 abstimmen konnten und diese ihnen eine geringfügige Rolle zumass. In der «christlichen Republik» (1881-1921) verstand es die Regierung, die ländliche Bevölkerung zu mobilisieren, die Städte zu kontrollieren und dabei das gemeine Volk vom Zentrum der Macht, das einer gut gebildeten, treuen Elite vorbehalten war, fern zu halten.

Grosse Vermögen waren selten und stammten aus Grund- und Immobilienbesitz. Daneben gab es viele kleine Landwirtschaftsbetriebe. Im Kanton Freiburg herrschte lange Zeit grosse Armut, die sich nicht auf Hungerperioden wie die von 1816-1817 beschränkte. Mitte des 19. Jahrhunderts waren 7% der Freiburger mittellos. Diese Situation hielt bis etwa 1950 an, und die Not zwang viele zum Auswandern. Der Gesetzgeber führte 1811 zunächst eine gesetzliche Armenpflege zu Lasten der Pfarreien ein, 1850 übertrug er sie den Gemeinden. Aufgrund der bescheidenen staatlichen Mittel und der herrschenden Mentalität führte der Grosse Rat 1869 per Gesetz die private Armenfürsorge ein. Mit dem Gesetz von 1928 musste die eigene Familie für die Armen aufkommen, danach der Heimatort. 1951 wies ein neues Gesetz diese Pflicht dem Wohnort zu. Die Behörden gingen aktiv gegen das Betteln und Vagabundieren vor und hielten auch die Heimatlosen unter strenger Kontrolle.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich ein reges Vereinsleben mit Schützen-, Musik-, Gesangs- und Turnvereinen. In den Städten entstanden sogenannte Nachbarschaftsvereine. Nach 1850 bildeten sich katholische Vereinigungen und Arbeitervereine; die Gewerkschaften der christlichsozialen Bewegung kämpften gegen jene, die dem Sozialismus verpflichtet waren. Im 20. Jahrhundert wurden zahlreiche neue Vereine gegründet, wobei sich das Angebot auffächerte: Sportvereine (Fussball, Leichtathletik), Jugendvereine, Bauernvereine, Theatervereine usw.

In der Freiburger Gesellschaft begrenzte sich die Rolle der Frau lange auf die Familie. Von grosser Bedeutung waren die Frauen in der Landwirtschaft, was sich während der beiden Weltkriege bestätigte. Georges Python setzte sich für die Ausbildung der Mädchen auf Sekundar- und Universitätsstufe ein. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung nach 1950 fassten die Frauen auch im Erwerbsleben Fuss. In der Politik machten die Männer einen Gesinnungswandel durch: Nachdem sie 1952 den Frauen den Zugang zu bestimmten öffentlichen Ämtern verwehrt und 1959 das Frauenstimmrecht auf Bundesebene abgelehnt hatten, hiessen sie 1971 dieses in Kanton und Bund mit 71% der Stimmen gut. 1969 hatte sich schon der Grosse Rat für den Grundsatz der politischen Gleichberechtigung der Geschlechter auf kantonaler Ebene ausgesprochen.

Sprache und Religion im Kanton Freiburg im Jahr 2000
Sprache und Religion im Kanton Freiburg im Jahr 2000 […]

Der sprachliche Dualismus wurde nach 1950 zu einem Problem. Die Einwohner des Kantons sprechen seit langem französische Mundarten und die schweizerdeutschen Dialekte des Senselandes, Murtenbiets und der Gegend von Jaun. Mit dem Franzoseneinfall 1798 erhielt das Französische erstmals eine beherrschende Stellung, was bei den Deutschfreiburgern das Gefühl auslöste, wirtschaftlich und sozial zurückgesetzt zu sein. Zwar gelangten im 19. Jahrhundert auch Murtner in den Staatsrat, doch wurde erst 1946 ein Sensler in die Regierung gewählt. Die wirtschaftliche Entwicklung und die Durchmischung der Bevölkerung hatten paradoxerweise zur Folge, dass der Anteil der Deutschsprachigen in ihrem Stammgebiet, der Kantonshauptstadt, zurückging (1900 35%, 2002 23%), in den Agglomerationsgemeinden dagegen zunahm. 1888-2000 sank der Prozentsatz der Französischsprachigen um 11%, derjenige der Deutschsprachigen um 4%. Gleichzeitig stieg der Bevölkerungsanteil, der keine Landessprache als Erstsprache angab. Die Gründung der Deutschfreiburgischen Arbeitsgemeinschaft (1959) und deren Wirken trugen dazu bei, dass die deutsche der französischen Sprache auf Verfassungsstufe gleichgestellt wurde, und riefen die Bildung der Communauté romande du Pays de Fribourg (1985) hervor. Die beiden Vereinigungen vertreten unterschiedliche Standpunkte in Bezug auf das Territorialitätsprinzip, den sprachlichen Status der Gemeinden und den Schulort von Kindern, die einer lokalen Sprachminderheit angehören.

Religiöses Leben, Bildung und Kultur

Konfessionen und Religionen

Die konfessionelle Einheit endete 1803 mit der Eingliederung des reformierten Murtenbiets (Protestantismus), das im katholischen Kanton eine kleine Minderheit bildete (1911 9%). Die Anfechtungen, die der Katholizismus in der Helvetischen Republik, zu Beginn der liberalen (1830-1834) und während der radikalen Regierung (1848-1856) erfuhr, konnten der tiefen Religiosität der Freiburger nichts anhaben. Mit dem Zuzug zahlreicher vor der Französischen Revolution aus Frankreich geflohener Priester und französischer Ordensleute (Emigrés), die wegen der Laiengesetze der Regierung Combes 1903 das Land verlassen mussten, wurden Klerus und einheimische Kongregationen in ihrem Wirken gestärkt. Die Bevölkerung, die lange Zeit einer barocken Volksfrömmigkeit anhing, war fest in Pfarreistrukturen und Einrichtungen eingebunden, die alle Bereiche des Alltags abdeckten: Andacht, Jugendarbeit, Wohltätigkeit, Gewerkschaften, Banken, Kultur und Presse. Der Chorherr Joseph Schorderet war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Inbegriff dieses ultramontanen Katholizismus, der die Politik durchdrang. Die konservative Elite übte einen enormen Einfluss auf die Kultur aus und brachte Regierungen hervor, die sich auf das katholische Christentum beriefen: die Regierung von Louis Fournier (1840-1847), die dem Sonderbund beitrat, und die «christliche Republik» von Georges Python. Letzterer verband Vereinstätigkeit und katholische Presse, um die Wählerschaft zu mobilisieren, und baute auf die Eliten, die aus der streng katholischen Universität Freiburg (1889) hervorgingen. Die dem Korporativismus verpflichtete Regierung von Joseph Piller (1933-1946) trat für einen christlichen Staat, eine Demokratie autoritären Zuschnitts und einen lebendigen Föderalismus auf schweizerischer Ebene ein. Nach 1945 haben die religiösen Kräfte im Kanton infolge des Zweiten Vatikanischen Konzils, der sozioökonomischen Veränderungen und der Verweltlichung der Gesellschaft deutlich an Einfluss eingebüsst. Praktizierende Katholiken sind seitdem im gesamten politischen Spektrum zu finden. Das Zweite Vatikanum brachte eine stärkere Beteiligung der Katholiken am kirchlichen Leben, insbesondere durch die Schaffung eines Priesterrats (Bischof und Priester), eines diözesanen Seelsorgerats, dem auch Laien angehören, und die bald darauffolgende Diözesansynode (1972-1975). Zudem wurde ein grosser Schritt in Richtung Ökumene getan.

Weder Trennung noch Einheit – diese Formel beschreibt die Beziehungen zwischen dem freiburgischen Staat und der katholischen Kirche. Die Verfassung von 1857 anerkannte die Gewissens- und Glaubensfreiheit, wobei der Katholizismus das Bekenntnis der grossen Mehrheit der freiburgischen Bevölkerung blieb. Diese unterstand zunächst der Diözese Lausanne, die 1819 zur Diözese Lausanne und Genf wurde, 1924 zur Diözese Lausanne, Genf und Freiburg. Verschiedene Vereinbarungen regelten das Verhältnis zwischen Kirche und Staat (1858, 1867 und 1924). Mit der Verfassungsrevision von 1982 erhielten die katholische und die reformierte Konfession einen öffentlich-rechtlichen, die anderen Konfessionen und Religionen einen privatrechtlichen Status. In der Folge wurde 1990 ein Gesetz über die Beziehungen zwischen den Kirchen und dem Staat erlassen und 1997 ein Kirchenstatut geschaffen.

Plakat für den 20. internationalen Kongress der Pax romana 1946, gestaltet von Oscar Cattani (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat für den 20. internationalen Kongress der Pax romana 1946, gestaltet von Oscar Cattani (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

Die reformierte Minderheit war zunächst auf das Murtenbiet begrenzt (1803-1847), wo sie sich 1804 in einem Kirchenrat organisierte. Sie wuchs dank der Einwanderung von Berner Bauern in das Sensegebiet und von Arbeitern und Handwerkern in die Kantonshauptstadt. 1880 gehörten dieser Konfession 16% der Freiburgerinnen und Freiburger an; seither schwankt der Anteil zwischen etwa 13 und 15% (2000 15,2%). Mit dem Gesetz von 1854, das 1874, 1966 und 1979 geändert wurde, entstanden eine Synode und ein Synodalrat. 1997 wurde eine Kirchenverfassung angenommen. Ab den 1830er Jahren kamen auch ausserhalb des Murtenbiets reformierte Schulen auf. Die 1895 gegründete israelitische Gemeinde (Judentum), die über eine Synagoge in der Stadt Freiburg verfügt, schrumpfte im 20. Jahrhundert. Infolge der Einwanderung ausländischer Arbeiterinnen und Arbeiter erweitern Orthodoxe (2000 0,8% der Bevölkerung) und Musliminnen und Muslime (3%) das religiöse Spektrum.

Bildung

Das Schulwesen wurde im 19. Jahrhundert zu einem Zankapfel zwischen der Kirche und den liberalen Kräften. Abgesehen von der antiklerikalen Phase der radikalen Vorherrschaft 1848-1856 obsiegte die Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche. Pater Gregor Girard hatte bis 1823 starken Einfluss auf die Schulen in der Hauptstadt. Die Wiederberufung der Jesuiten 1818 und Girards Demission bedeuteten einen Sieg der konservativen Kräfte. Nach der Ausweisung der Jesuiten 1848 übernahmen die Diözesanpriester die Verantwortung für das Kollegium St. Michael. Die einzelnen Regierungen versuchten durch Schulgesetze (1834, 1848, 1874 und 1884) den Primarschulen Auftrieb zu geben. Die Eröffnung eines Lehrerseminars 1859 im ehemaligen Kloster Hauterive war ein wichtiger Fortschritt. Ab 1825 entstanden in den Städten Sekundarschulen, die auf die technischen Berufslehren vorbereiten sollten. Der Berufsschulunterricht hielt Einzug mit der Käsereischule 1888, der milchwirtschaftlichen Anstalt 1889 und der Gewerbeschule 1896. 1889 öffnete die Universität Freiburg ihre Tore. Nach 1950 wandelte sich das freiburgische Schulwesen: durch die Schaffung von einjährigen Kindergärten, die Einführung dreijähriger Orientierungsschulen auf der Mittelstufe (die auch das Untergymnasium als eigenen Bildungsgang ersetzen), die Eröffnung eines Gymnasiums in Bulle und zweier Mädchengymnasien in Freiburg (Kollegien Heilig Kreuz und Gambach, seit den 1970er Jahren beide koedukativ), die Einführung der Koedukation sowie einer kantonalen Diplommittelschule zur Vorbereitung auf paramedizinische Berufe und schliesslich die Reorganisation des Fachhochschulbereichs.

Kultur

Bedeutende kulturelle Institutionen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren das Staatsarchiv, das Naturhistorische Museum (1838) und die Kantonsbibliothek (1848), alle im Kantonshauptort angesiedelt. 1883 kam das Gewerbemuseum, 1922 das Museum für Kunst und Geschichte hinzu. Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts entstanden weitere Kultureinrichtungen auch ausserhalb Freiburgs: das Greyerzer Museum in Bulle (1923, seit 1978 in einem neuen Gebäude), das Museum für Glasmalerei in Romont (1981) und das Römermuseum in Vallon (2000).

Murist, das Café de l'Union. Öl auf Holz des aus Bulle stammenden Malers Jean-Louis Tinguely, 1973 © Museum für Kunst und Geschichte Freiburg.
Murist, das Café de l'Union. Öl auf Holz des aus Bulle stammenden Malers Jean-Louis Tinguely, 1973 © Museum für Kunst und Geschichte Freiburg. […]

Die sprachliche Vielfalt und die regionale Mannigfaltigkeit des Kantons standen der Ausbildung einer homogenen freiburgischen Kultur entgegen. Der Katholizismus und der ländliche Charakter prägten lange Zeit die traditionelle Lebensart der Bevölkerung, die bei behördlich überwachten Festen wie Kirchweih (französisch bénichon) und Fasnacht den Alltagssorgen zu entfliehen suchte. Trotz materieller Schwierigkeiten entstand 1867 eine Freiburger Sektion des Schweizerischen Kunstvereins, die gemeinsam mit dem Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein und mit Hilfe des Buchhändlers Hubert François Xavier Labastrou die Zeitschrift Fribourg artistique à travers les âges (1890-1914) herausgab. Anfang des 20. Jahrhunderts erregten die vom Polen Józef Mehoffer geschaffenen Glasfenster in der Stiftskirche St. Niklaus in Freiburg einiges Aufsehen. Nach 1918 gab die Schweizerische St. Lukasgesellschaft Impulse zur Erneuerung von Architektur und Ausstattung der Kirchen, besonders auch für die Glasmalerei. Die Freiburger Malerei gelangte im 20. Jahrhundert zu neuer Blüte mit mehreren Künstlergenerationen, zu deren hervorragendsten Vertretern Joseph Reichlen, Oswald Pilloud, Jean Crotti und Yoki Aebischer zählen. Neben der klassisch orientierten Musikgesellschaft (1813) entstanden die beiden Harmoniemusiken Landwehr (1804) und Concordia (1882). Für die Verbreitung der freiburgischen Musik sorgten der Orgelbauer Aloys Mooser, der Organist Jacques Vogt und der Komponist Joseph Bovet. Wegen des mitunter provinziellen Charakters von Freiburg fanden die berühmtesten Künstler im Ausland mehr Beachtung, so die namhafte Bildhauerin Marcello im 19. Jahrhundert oder der Plastiker Jean Tinguely und der Musiker Norbert Moret im 20. Jahrhundert. Auch die traditionelle Kunst überdauerte, insbesondere die Poya-Malerei (Darstellung von Alpaufzügen), die einen neuen Aufschwung erlebte.

Plakat für die 5. Internationale Triennale der Fotografie 1988, gestaltet vom Grafiker Pierre Neumann nach einer Fotografie von Carl de Keyser, Delhi, Serigrafie von Albin Uldry (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Plakat für die 5. Internationale Triennale der Fotografie 1988, gestaltet vom Grafiker Pierre Neumann nach einer Fotografie von Carl de Keyser, Delhi, Serigrafie von Albin Uldry (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Kulturelle Aktivitäten und Erhaltung der Kulturgüter bleiben zwar in erster Linie Privaten überlassen, doch spielen Kanton und Gemeinden eine immer wichtigere Rolle, indem sie durch ihre Unterstützung und Initiative sowie durch Kulturförderung einen wesentlichen Beitrag leisten. Den Rahmen dazu bildet das Gesetz über die kulturellen Angelegenheiten von 1991. Der Staat ist an interkantonalen Projekten von Musik- und Theaterhochschulen beteiligt. Religions-, Schul- und Kulturpolitik waren geprägt von den Veränderungen, die der Kanton zunächst passiv über sich ergehen liess, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aber zunehmend bewusst anstrebte. Der früher oft wegen seiner angeblichen Rückständigkeit belächelte Kanton begann in mehreren Bereichen neue Wege auszuprobieren und förderte damit eine Dynamik, die von den jüngsten Bevölkerungsprognosen (2004) bestätigt wird.

Quellen und Literatur

  • Staatsarchiv Freiburg, Freiburg.
  • Stadtarchiv Freiburg, Freiburg.
  • Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, Freiburg.
  • Morard, Nicolas; Foerster, Hubert: Das Staatsarchiv Freiburg. Führer durch die Bestände, 1986.
  • La visite des églises du diocèse de Lausanne en 1416-1417, 1921.
  • Die Rechtsquellen des Kantons Freiburg, 1925-.
  • Ruser, Konrad: Die Urkunden und Akten der oberdeutschen Städtebünde vom 13. Jahrhundert bis 1549, 2 Bde., 1979-1988.
  • Tremp, Ernst (Hg.): Liber donationum Altaeripae. Cartulaire de l'Abbaye cistercienne d'Hauterive (XIIe-XIIIe siècles), 1984.
  • Wildermann, Ansgar (Hg.): La visite des églises du diocèse de Lausanne en 1453, 2 Bde., 1993.
  • Utz Tremp, Kathrin (Hg.): Quellen zur Geschichte der Waldenser von Freiburg im Üchtland (1399-1439), 2000.
Historiografie
  • Die erste (anonyme) Freiburger Chronik datiert von ca. 1400 und handelt von Freiburg während des Sempacherkriegs. Hans Fries und Peter von Molsheim berichteten in ihren Chroniken neben diesem Krieg auch über die Burgunderkriege. Der Chenaux-Handel von 1781 liess François de Diesbach de Torny und Marie-François d'Alt zur Feder greifen, doch wurden deren Chroniken erst im 19. bzw. 20. Jahrhundert veröffentlicht. Das erste umfassende Werk über den Kanton war der vom Magistraten Franz Kuenlin verfasste Dictionnaire géographique, statistique et historique du canton de Fribourg, der 1832 erschien und 1884 vom Kapuzinerpater Apollinaire Dellion in seinem Dictionnaire historique et statistique des paroisses catholiques du canton de Fribourg ergänzt wurde. Der radikale Arzt Jean Nicolas Elisabeth Berchtold schrieb die erste, allerdings tendenziöse Kantonsgeschichte (3 Bde., 1841-1852). Gaston Castella legte 1922 ein Werk vor, das die Geschichte des Kantons bis 1857 darstellt, Jeanne Niquille 1941 eine Abhandlung über das 19. Jahrhundert. Roland Ruffieux leitete die Publikation der Encyclopédie du canton de Fribourg (2 Bde., 1977) und der Geschichte des Kantons Freiburg (2 Bde., 1981, deutsch und französisch). Das 1991 ebenfalls in zwei Sprachen erschienene Buch Freiburg, ein Kanton und seine Geschichte von Anton Bertschy und Michel Charrière richtet sich an ein breites Publikum. Zahlreiche Autoren veröffentlichten ihre Arbeiten entweder in den Annales fribourgeoises (1913-) und in der Sammlung Archives de la société d'histoire du canton de Fribourg, beide von der 1840 entstandenen Société d'histoire du canton de Fribourg herausgegeben, oder in den Freiburger Geschichtsblättern (1894-) des 1893 gegründeten Deutschen Geschichtsforschenden Vereins des Kantons Freiburg. Roland Ruffieux initiierte 1971 die Reihe Etudes et recherches d'histoire contemporaine.
Reihen und BibliografienAllgemeines
  • Castella, Gaston: Histoire du canton de Fribourg depuis les origines jusqu'en 1857, 1922.
  • Vevey, Hubert de: Armorial du canton de Fribourg, 3 Bde., 1935-1943.
  • Vevey, Hubert de: Armorial des communes et des districts du canton de Fribourg, 1943.
  • Gross, François: Freiburg, 1977.
  • Ruffieux, Roland (Hg.): Encyclopédie du canton de Fribourg, 2 Bde., 1977.
  • Anderegg, Jean-Pierre: Die Bauernhäuser des Kantons Freiburg, 2 Bde., 1979-1987.
  • Ruffieux, Roland (Hg.): Geschichte des Kantons Freiburg, 2 Bde., 1981.
  • Charrière, Michel; Bertschy, Anton: Freiburg, ein Kanton und seine Geschichte, 1991.
  • Anderegg, Jean-Pierre: Die Alphütten des Kantons Freiburg, 1996.
  • Fedrigo, Claudio; Buchillier, Carmen; Foerster, Hubert (Hg.): Freiburg auf den Wegen Europas, 2000.
  • Chardonnens, Alain: Du missel à l'ordinateur. Le canton de Fribourg d'après les récits de voyageurs. De Machiavel à Emile Gardaz, 2001.
  • Dousse, Michel; Fedrigo, Claudio (Hg.): Fribourg vu par les écrivains. Anthologie (XVIIIe-XXe siècles), 2001.
  • Anderegg, Jean-Pierre: Freiburger Kulturlandschaften. Materialien zur Geschichte der ländlichen Siedlung, 2002.
Von der Urzeit bis ins Hochmittelalter
  • Freiburger Archäologie, Archäologische Fundberichte, 1980-1997.
  • Amt für Archäologie des Kantons Freiburg: Vergangen und doch nahe. Archäologie im Kanton Freiburg, 1992 (Ausstellungskatalog).
  • Freiburger Hefte für Archäologie, 1999-.
Politische Geschichte vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
  • Zollet, Joseph: Die Entwicklung des Patriziates von Freiburg i. Ue., 1926.
  • Maillard, André: La politique fribourgeoise à l'époque de la Réforme catholique (1564-1588), 1954.
  • Bugnon, Jean: Le canton de Fribourg dans la seconde moitié du XVIIIe siècle d'après des récits de voyageurs, Lizentiatsarbeit, Universität Freiburg, 1955.
  • Joho, Jean-Jacques: Histoire des relations entre Berne et Fribourg et entre leurs seigneurs depuis les origines jusqu'en 1308, 1955.
  • Deutscher Geschichtsforschender Verein des Kantons Freiburg; Société d'histoire du canton de Fribourg (Hg.): Fribourg = Freiburg. 1157-1481, 1957.
  • Brunko-Méautis, Ariane: Le Club helvétique de Paris (1790-1791) et la diffusion des idées révolutionnaires en Suisse, 1969.
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Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur im MittelalterGesellschaft, Wirtschaft und Kultur im Ancien RégimeDer Kanton im 19. und 20. Jahrhundert
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Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

HLS DHS DSS; Denis Ramseyer; Pierre-Alain Vauthey; François Guex; Kathrin Utz Tremp; Georges Andrey; Jean-Pierre Dorand: "Freiburg (Kanton)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.03.2023, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007379/2023-03-09/, konsultiert am 29.03.2024.