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BadenD

Markgrafschaft (12. Jh.-1803), Kürfürstentum (1803-1806), Grossherzogtum (1806-1918), Republik (1919-1933), unter nationalsozialistischer Reichsstatthalterschaft (1933-1945), unter französischer bzw. amerikanischer Besatzung (1945-1952), Teil des Landes Baden-Württemberg (seit 1952). Der Name des Landes am Ober- und Hochrhein geht auf die Römerzeit zurück. Beim heutigen Ort Baden-Baden fanden Römer heisse Quellen und gründeten die Civitas Aurelia Aquensis (Bäderstadt). Die historischen Wurzeln an Bodensee und Hochrhein reichen auf badischer und schweizerischer Seite zu den gleichen Ursprüngen zurück: Beidseits finden sich reiche keltische und römiche Überlieferungen. Im Frühmittelalter wurde der Raum ethnisch, sprachlich und sozio-kulturell von den Alemannen geprägt. Die Christianisierung begann rechts des Rheins gegen 600. Um diese Zeit wurde Konstanz zum Sitz eines für den Hauptteil Alemanniens zuständigen Bistums.

Als erster Markgraf von Baden ist Hermann II. aus dem Geschlecht der Zähringer belegt, der sich von 1112 an nach der Burg oberhalb der Stadt "von Baden" nannte. Neben dem Kernland im Ufgau und Kraichgau gehörten die Herrschaften Hachberg (im nördlichen Breisgau) und Sausenberg-Rötteln (bei Lörrach) ab 1419 bzw. ab 1503 den Markgrafen. Nach Süden reichten die territorialen Verflechtungen der badischen Markgrafschaft nicht über den Hochrhein: Einzig die Grafschaft Neuenburg gehörte im 15. und 16. Jahrhundert zu Hachberg (Hochberg). Das Hochstift Basel reichte mit seiner Herrschaft Schliengen bis 1803 tief ins Markgräflerland hinein. Enge personelle, wirtschaftliche und rechtliche Verbindungen bestanden zu den Klöstern der Nord- und Ostschweiz. Keine Grenzen gab es für die Kunst (z.B. Münsterbauten), die Frömmigkeit (Mystik Heinrich Seuses, Wallfahrten nach Einsiedeln), in der Literatur (z.B. Minnesang) oder in der Wissenschaft (insbesondere zur Zeit des Humanismus). In die politischen Konflikte zwischen Habsburg, Burgund und den Eidgenossen verstrickten sich auch badische Markgrafen: Philipp von Hachberg als Marschall Karls des Kühnen, Karl I. (1453-1475) als Schwiegersohn Kaiser Friedrichs III. und Christoph I. (1475-1527) als Mitglied im Schwäbischen Bund (u.a. im Schwabenkrieg von 1499).

In der Reformationszeit trat der badische Markgraf nach dem Wormser Edikt (1521) an der Seite Habsburgs entschieden gegen die Lutheraner auf. Der Bauernkrieg (1525) erfasste den ganzen südwestdeutschen Raum. Die Nähe zur Eidgenossenschaft hatte bäuerliche Einigungs- und Freiheitsideen gefördert. Nach der Niederlage der Bauern vermittelte Basel den dort am 12. September 1525 geschlossenen Vertrag zwischen Markgraf Ernst und den Markgräfler Untertanen. Infolge der Einführung der Reformation in Basel 1529 suchten dann das Basler Domkapitel wie auch Erasmus von Rotterdam Zuflucht in Freiburg im Breisgau.

1535-1771 war das Haus Baden in zwei Linien geteilt: Die Markgrafschaft Baden-Durlach umfasste Durlach-Pforzheim und das "Markgräflerland" am südlichen Oberrhein bis zur Schweizer Grenze. Die Markgrafschaft Baden-Baden behielt den Ufgau mit dem mittleren Schwarzwald. 1556 wurde die Markgrafschaft Baden-Durlach evangelisch, während die Baden-Badener Linie katholisch blieb. Die Lehre Zwinglis wurde 1556 zwar abgewehrt, im 19. Jahrhundert aber im Grossherzogtum Baden bei der Union der badischen Lutheraner mit den Pfälzer Reformierten 1821 in der Evangelischen Landeskirche Baden integriert. Die konfessionelle Spaltung vertiefte den Graben zwischen den beiden Markgrafschaften. Die Konfessions- und Koalitionskriege des 17. und 18. Jahrhunderts fanden die badischen Markgrafschaften in entgegengesetzten Lagern. 1612 schloss Baden-Durlach mit Zürich und Bern ein "reformatorisches Bündnis" auf zwölf Jahre, das aber im Dreissigjährigen Krieg nicht erneuert wurde. Vor feindlichen Truppen flohen markgräfliche Untertanen oft in die Schweiz. In Basel besass der markgräfliche Hof eine Nebenresidenz. Hier hielt sich die Regentenfamilie, zum Teil samt Verwaltung, in Kriegszeiten (so 1674, 1732) für lange Zeit auf. Nach dem Brand des "Markgräfler Hofs" entstand 1705 ein barocker Neubau; er wurde 1808 verkauft und bildet heute einen Teil des Kantonsspitals. In den Kriegen gegen Frankreich unter Ludwig XIV., in denen der Baden-Badische Markgraf Ludwig Wilhelm, genannt "Türkenlouis", das Reich verteidigte, erlitten die Markgrafschaften Bevölkerungsverluste bis zu 50% und schwerste Zerstörungen. Beim Wiederaufbau im frühen 18. Jahrhundert wirkten Zuwanderer aus der Schweiz mit. Zur "Peuplierung" kamen neben Wallonen und Savoyarden auch viele Einwanderer aus der reformierten Schweiz. Wirtschaftsbeziehungen verbanden Südbaden traditionell besonders mit Basel, das Holz und Wein ein- sowie Seidenbänder ausführte, und dem vorderösterreichischen Fricktal, das Bohnerze für Eisenwerke im Badischen lieferte. Im 18. Jahrhundert drang von der Schweiz her das Verlagssystem insbesondere in den Hotzenwald und ins Wiesental vor: Vor allem Basler Unternehmer beschäftigten hier Hunderte von Heimarbeitern und förderten die Protoindustrialisierung. Das 18. Jahrhundert brachte in Baden unter Karl Friedrich (1738/1746-1811) mit der beginnenden Transformation der Gesellschaft auch eine Modernisierung des Staates (Steigerung der Wirtschaftskraft, Einführung der Schulpflicht, Professionalisierung der Verwaltung usw.). Karlsruhe, 1715 als neue Residenz gegründet, zog bedeutende Kräfte der Aufklärung an; aus der Schweiz kam Johann Kaspar Lavater an den kunstsinnigen badischen Hof.

Die Französische Revolution führte zur territorialen Umgestaltung im deutschen Südwesten. Der badische Obervogt in Rötteln, Sigismund von Reitzenstein, trat mit dem französischen Botschafter in Basel, François de Barthélemy, in Verhandlung und schloss einen Sonderfrieden Badens mit Frankreich, der Baden weitgehende Gebietsgewinne zusicherte und am 5. November 1797 ratifiziert wurde. Propagandistisch von Basel aus gesteuerte jakobinische Bewegungen mit dem Ziel, eine Badische Republik zu proklamieren, blieben erfolglos.

Durch den Reichsdeputationshauptschluss, den Frieden von Pressburg (1805) und letztlich nach dem Willen Napoleons I. wurde Baden 1806 zum Grossherzogtum erhöht und auf ein Gebiet von ca. 15'000 km² erweitert. Die rechtsrheinische Pfalz, Vorderösterreich (ohne das aargauisch gewordene Fricktal), die rechtsrheinischen geistlichen Territorien von Basel und Konstanz, die Reichsritterschaften am Oberrhein sowie die Reichsstädte wurden Baden zugesprochen. Die linksrheinischen Besitzungen und Rechte der säkularisierten Fürstbistümer Konstanz und Basel kamen 1803 an die Eidgenossenschaft. Das Grossherzogtum Baden reichte nun vom Bodensee bis ins Taubertal, vom Schwarzwald bis zum Hoch- und Oberrhein. Es zählte 1810 etwa 1 Mio. Einwohner. Am Ende seiner Herrschaft regierte Karl Friedrich als Grossherzog somit über ein Land, das die ehemalige Markgrafschaft Baden-Durlach an Fläche und Bevölkerung um das Zehnfache übertraf. Vergeblich bemühte sich Reitzenstein in Paris, auch Teile der Schweiz für Baden zu bekommen. Schliesslich wurde der badische Staat im Wiener Kongress völkerrechtlich bestätigt. Ein Hausgesetz garantierte 1817 seine Unteilbarkeit und eine verlässliche Erbfolge.

Eine 1818 um badische Ansprüche im Fricktal ausgebrochene Auseinandersetzung mit der Eidgenossenschaft wurde nach längeren Verhandlungen Ende 1820 abgeschlossen. 1818 erliess Grossherzog Karl eine Verfassung nach französischem Vorbild, die modernste im damaligen Deutschland. Der badische Landtag gewann internationales Ansehen. Indes dämpften ab 1832 Repressionen der Obrigkeit den bürgerlichen Frühliberalismus. Fortschrittliche Köpfe wie Karl Mathy wichen dem Druck und emigrierten für einige Jahre in die Schweiz. Sie kehrten aber zurück, als in den 1840er Jahren die Liberalen in Baden erstarkten. Inzwischen waren Wirtschaft und Gesellschaft Badens auf dem Weg in die Moderne, nicht ohne Impulse aus der Schweiz: Schweizer Kapital hatte die Frühindustrialisierung, vor allem im Raum Lörrach, vorangebracht. Technische Innovationen verdankte man unter anderem dem genialen Johann Georg Bodmer (badische Eisenwerke), der zuvor bei Hans Kaspar Escher in Zürich gearbeitet hatte. Wichtige Impulse erfuhr das Schulwesen in Baden durch Johann Heinrich Pestalozzi, dessen Pädagogik die Lehrerbildung des Landes prägte. Das Leben der katholischen Kirche stand unter dem Einfluss Ignaz Heinrich von Wessenbergs; 1839 sollte mit dem "Schaffhauser Verein" eine aufgeklärte ökumenische Bewegung eine freisinnige Religiosität in ganz Deutschland und in der Schweiz verbreiten.

Liberale und demokratische Kräfte in Baden haben im März 1848 die Revolution in Deutschland ausgelöst und ihren Fortgang massgeblich bestimmt. Als die gewaltsame Erhebung Friedrich Heckers am 20. April 1848 bei Kandern scheiterte, fanden die flüchtigen Freischärler in der Schweiz Zuflucht. Im September 1848 verliess Gustav Struve sein Schweizer Exil und proklamierte in Lörrach die Deutsche Republik. Doch auch er wurde rasch geschlagen. Im Frühsommer 1849 gelang es den revolutionären Demokraten Badens, die regulären Truppen des Landes auf ihre Seite zu bringen. Den Krieg, von dem Gottfried Keller als Augenzeuge berichtete, verloren sie gegen die militärische Übermacht der preussischen Truppen. Tausende badische Soldaten retteten sich in die Schweiz. Von dort emigrierten viele über Frankreich nach England und Übersee. Andere machten ihr Glück in der Schweiz: Amand Goegg, der Organisator der Badischen Revolution, wurde Ehrenbürger der Stadt Genf, und Georg Herwegh fand in Zürich seine neue Heimat sowie in Gottfried Keller einen Freund. Eine politische und ökonomische erfolgreiche Zeit erlebte Baden unter Grossherzog Friedrich I. (1856-1907). Sein wichtigster Berater war der Schweizer Johann Heinrich Gelzer. Die Liberalen setzten fortschrittliche Gesetze durch (u.a. Judenemanzipation, allgemeines Wahlrecht, Gewerbefreiheit, Aufhebung der Konfessionsschule). Die Industrialisierung kam rasch voran. Die Technische Hochschule in Karlsruhe förderte viele Talente (u.a. Robert Gerwig, den Planer der Gotthardbahn). Der Ausbau der Eisenbahn, der Bodensee- und der Rheinschifffahrt wurde beschleunigt. Basel erhielt 1855 Anschluss an die Badische Bahn. Die von Johann Gottfried Tulla initiierte Rheinregulierung hatte den Strom 1876 von Basel bis Mannheim "rektifiziert". Die Rheinschifffahrtsakte sicherte Zollfreiheit für den Wasserweg. Baden gewann als Transitland für die Wirtschaft ganz Europas und nicht zuletzt der Schweiz an Bedeutung.

Mit der Novemberrevolution endete 1918 die Monarchie in Baden. Die Badische Republik der Weimarer Zeit litt unter der Grenzlage, die von den Nationalsozialisten geschickt zur Propaganda genutzt wurde. Im Dritten Reich verlor das Land seine politische Autonomie völlig. Widerstandskräfte konnten zum Teil die Grenzen des Landes, insbesondere die zur Schweiz, zu konspirativen Aktivitäten nutzen. Von den Nazis verfolgte Politiker wie der badische Zentrumsführer Joseph Wirth fanden in der Schweiz Asyl. Zahlreiche Juden konnten sich über die "grüne Grenze" in die Schweiz retten, soweit sie nicht dem organisierten Massenmord zum Opfer fielen. Bei Kriegsende fanden Tausende von Flüchtlingen aller Art (aus den Lagern entkommene Zwangsarbeiter, desertierte Soldaten usw.) beim Grenzübertritt in der Schweiz zumindest vorübergehenden Schutz. Bei der Linderung der täglichen Not in den Nachkriegsjahren leisteten Schweizer Hilfsorganisationen und Privatleute ihren badischen Nachbarn Hilfe und Beistand.

Die Alliierten teilten 1945 das alte Land Baden auf und gliederten Südbaden in die französische, Nordbaden in die amerikanische Besatzungszone ein. Eine Volksabstimmung führte 1952 zur Gründung des Bundeslandes Baden-Württemberg.

Quellen und Literatur

  • Hist. Atlas von Baden-Württemberg, 1972-
  • K. Stiefel, Baden 1648-1952, 2 Bde., 1977-78 (21979)
  • J. Becker et al., Bad. Gesch., 1979 (21987)
  • Hb. der baden-württemberg. Gesch., hg. von H. Schwarzmaier, 6 Bde. 1992-2007
  • Südbaden, hg. von A. Schweikert, 1992
  • W. Hug, Gesch. Badens, 1992

Zitiervorschlag

Wolfgang Hug: "Baden (D)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.11.2002. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/006618/2002-11-27/, konsultiert am 29.03.2024.