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Niederbipp

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Verwaltungskreis Oberaargau, am Südfuss des Juras. Niederbipp umfasst das gleichnamige Dorf, die Weiler Walde, Holzhäusern, Lehn, mehrere Aussenhöfe und seit 2020 auch Wolfisberg. 968 Pippa, 1302 Nider-Bippe. 1764 1041 Einwohner; 1850 2337; 1900 2245; 1950 3050; 2000 3930; 2010 4058.

Niederbipp: Situationskarte 2020 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.
Niederbipp: Situationskarte 2020 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.

Im Oberfeld wurden neolithische Objekte, im Längwald ein Grabhügel aus der Hallstattzeit entdeckt. Im Komplex der Erlinsburg auf der Lehnfluh bestand Siedlungskontinuität von der Bronzezeit bis ins Mittelalter. Aus der Römerzeit stammen Überreste einer Villa im Anterentälchen (Keramik aus dem 2./3. Jahrhundert), Gebäudereste im Gebiet der Kirche und Relikte einer Strasse im Niederfeld. Bei der Kirche kamen beigabenlose Gräber aus dem Frühmittelalter und im Buchli ein Münzdepot aus der Zeit um 1200 zum Vorschein. Niederbipp gehörte zur frohburgischen Adelsherrschaft Bipp. Um 1300 wurde die Erlinsburg (Reste von vier mittelalterlichen Burgen, im 15. Jahrhundert zerfallen) Zentrum des Amts Erlinsburg, das 1332 an die Grafen von Neuenburg-Nidau kam. Von da an teilte Niederbipp das Schicksal der Herrschaft Bipp. Zum Niedergericht Niederbipp, dem der Landvogt oder der Weibel vorstand, gehörten auch Wolfisberg, Walliswil bei Niederbipp und der Weiler Rufshausen bei Schwarzhäusern. Im Lehn lag die einstige Richtstätte der Landvogtei mit dem Galgen. Niederbipp wurde 1798 dem Distrikt Wangen und 1803 dem gleichnamigen Oberamt zugeteilt, 1831-2009 war es Teil des Amtsbezirks Wangen. Die 1263 erwähnte Kirche, ein mittelalterlicher Bau, der im 17. und 18. Jahrhundert umgebaut wurde, war eine Eigenkirche der Grafen von Frohburg im Bistum Basel, die sie 1322 dem Kloster St. Urban schenkten. 1324 wurde sie der Abtei inkorporiert; 1579 erwarb Bern den Kirchensatz. Zur Pfarrei bzw. Kirchgemeinde Niederbipp zählte auch Walliswil bei Niederbipp. Das Ackerbauerndorf Niederbipp teilte mit anderen Gemeinden Weide- und Holzrechte im obrigkeitlichen Längwald. Seit 1852/1863 besitzt die Burgergemeinde einen Teil dieses Waldes. Die kleine Siedlung Waldkirch südöstlich des Dorfs war schon im 16. Jahrhundert eine Wüstung.

Zusatzverdienste in der landwirtschaftlich geprägten Gemeinde bot etwas Heimarbeit, im 18. Jahrhundert zum Beispiel Stricken. Im 19. Jahrhundert erfolgte der Übergang zur Milchwirtschaft. 1848 wurde eine Käserei, 1892 die landwirtschaftliche Genossenschaft eingerichtet. Die Ziegelhütte bestand 1833-1974. Eine wirtschaftliche Neuausrichtung setzte mit dem Anschluss an die Bahnlinien Olten-Solothurn (1870), Langenthal-Niederbipp (1907) und Solothurn-Niederbipp (1918) ein, welche einerseits die Arbeitssuche ausserhalb (v.a. Eisenwerke in der Klus) erleichterten und andererseits Gewerbe und industrielle Betriebe (1890 Uhrenfabrik, 1927 Lampenfabrik) stimulierten. Die Ersparniskasse des Amtsbezirks Wangen wurde 1824, die Spar- und Leihkasse 1874 gegründet. Die Bautätigkeit nahm nach 1950 zu, vor allem nach der Eröffnung der Autobahn 1967. Trotz erweiterten Arbeitsplatzangebots (u.a. Papierfabrik, Kieswerke) ist der Anteil an Wegpendlern vor allem in die Region Solothurn gross, 2000 lag er bei über 60% der in der Gemeinde wohnhaften Berufstätigen. In Niederbipp wurde 1838 das erste Lehrerinnenseminar im Kanton (später nach Hindelbank verlegt) und 1899 die Sekundarschule eröffnet. Verschiedene Aufgaben erfüllt Niederbipp mit anderen Kommunen in Gemeindeverbänden, so die Forstverwaltung Bipperamt (1906), das Bezirkspital (Bau 1923 und 1964, später Teil der Spitalregion Oberaargau) und das Altersheim (1989). Das Räberhus und das Räberstöckli dienen als kulturelle Begegnungsstätten.

Quellen und Literatur

  • Freudiger, Hans: Die politisch wirtschaftliche Entwicklung des Amtes Bipp, 1912.
  • Haudenschild, Werner et al.: Niederbipp und seine Bewohner – was und wer ist das? Rückblick in die Vergangenheit, Blick in die Gegenwart, Ausblick in die Zukunft. Ein dorfgeschichtlicher Beitrag zum 700-jährigen Bestehen der Eidgenossenschaft und zur Gründung des Dorfmuseums, 1991.
  • Steger, Stephan; Walker, Robert; Ryser, Hans-Peter: Bauinventar der Gemeinde Niederbipp, 2004.
  • Obrecht, Jakob; Glutz, Rudolf; Reding, Christoph: «Frühe Siedlungen, vier Burgen und ein spektakulärer Burgweg», in: Jahrbuch des Oberaargaus, 50, 2007, S. 123-143.
Von der Redaktion ergänzt
Kurzinformationen
Ersterwähnung(en)
968: Pippa
1302: Nider-Bippe

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Niederbipp", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.05.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000567/2020-05-04/, konsultiert am 29.03.2024.