de fr it

Zweisimmen

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Obersimmental, Verwaltungskreis Obersimmental-Saanen. Mit 72 km² weitläufige Gemeinde, bis 2009 Bezirkshauptort, Marktflecken, gelegen am Zusammenfluss von Grosser und Kleiner Simme, bestehend aus den Bäuerten Zweisimmen (Dorf, Gemeindezentrum), Betelried (mit Dorf und Schloss Blankenburg), Grubenwald, Mannried, Mosenried, Reichenstein-Oeschseite. 1228 Duessimenes, 1257 Zweinlixhenun. 1764 1207 Einwohner; 1850 2128; 1900 2072; 1950 2599; 2000 2970.

Mesolithische Einzelfunde auf Mannenberg-Riedli, eventuell römische Siedlungsreste in Mannried. An der Gabelung der Saumwege ins Wallis und an den Genfersee liegend, war der Raum von Zweisimmen im Mittelalter von den Burgen Mannenberg, Reichenstein-Terenstein, Blankenburg und Steinegg bewacht. Erstere bildete bis Mitte des 14. Jahrhunderts das Obersimmentaler Zentrum der Herrschaft Mannenberg (Richtstätte auf dem Galgenbühl), die im 13. Jahrhundert bei den Walliser Freiherren von Raron lag. Von diesen ging sie nach 1300 an die Freiherren von Strättligen, dann an die Grafen von Greyerz und an die Herren von Düdingen über; Letztere verkauften 1378 die Herrschaft nach einem Aufstand der Talleute an die Stadt Freiburg. Im Sempacherkrieg 1386 eroberte Bern das Simmental und stoppte Freiburgs Expansionspläne; Zweisimmen wurde der Kastlanei Obersimmental mit Sitz in der Blankenburg unterstellt. Reichenstein-Terenstein, ab 1456 im Besitz der Herren von Bubenberg, kam 1493 an Bern.

Die 1228 erstmals erwähnte Marienkirche mit früh- oder hochmittelalterlichem Baukern, Glas- und Wandmalereien sowie einer Schnitzdecke (ca. 1456) wurde zwischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert mehrfach umgebaut. Das Beinhaus unterhalb der Kirche wurde 1481 (Dendrodatum) erstellt, 1528 profaniert und umgenutzt. Ab 1866 beherbergte es die 1859 in Blankenburg gegründete Sekundarschule. Vom grossen Kirchspiel Zweisimmen spalteten sich 1513 Lenk und 1525 St. Stephan als selbstständige Pfarreien ab. Der Kirchensatz gehörte zur Herrschaft Mannenberg; 1335 verkauften ihn die Freiherren von Strättligen dem Augustinerkloster Interlaken, 1528 kam er an Bern. Die Reformation fand nach anfänglichem Widerstand 1528 Eingang.

Tourismusplakat für den Wintersportort, 1926 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Tourismusplakat für den Wintersportort, 1926 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

Im Zentrum von Zweisimmen fand jährlich unter der Gerichtslinde an der Weggabel der Landtag der Obersimmentaler Landsgemeinde und das Gericht des Kastlans im Namen von Bern statt. Die Bäuerten – Gütergemeinden mit Allmenden, Wäldern und Alpen – gingen im 16. Jahrhundert dank gesicherter Kornzufuhr aus dem Unterland zur Viehwirtschaft im Tal-, Vorsass- und Alpbetrieb über. 1644 wurden die Jahrmärkte für Vieheinkäufer von Lenk und Boltigen nach Zweisimmen-Dorf und Blankenburg verlegt. Käse- und Viehexporte vor allem nach Italien und Deutschland brachten Wohlstand. Mit dem Bevölkerungswachstum ab dem 17. Jahrhundert kamen der Holzbau mit Schnitzerei sowie Intarsienkunst und die Töpferei in Blankenburg als Zusatzverdienste auf. Um 1750 wurde der Saumweg der Transitroute Thun-Montreux zwischen Zweisimmen und Saanenmöser ausgebaut; der Abschnitt Riedli-Reichenstein ist erhalten. Parallel zur Verkehrserschliessung des 19. und 20. Jahrhunderts mit der Simmentalstrasse bis Saanen 1816-1845, der Spiez-Zweisimmen-Montreux-Bahn 1897-1905 und der Zweigbahn in die Lenk 1912 wandelte sich Zweisimmen zum Kurort (ab 1881 Hotelbau, ab 1920 Aufbau des Wintertourismus u.a. am Rinderberg, 1927 Schwimmbad). 1902 wurde die Obersimmentaler Volksbank gegründet.

Nach krisenhaften Einbrüchen des Tourismus in den Weltkriegen und den 1930er Jahren setzte nach 1950 eine neue Blüte vor allem in der Parahotellerie ein. Zweisimmen baute eine vielfältige touristische Infrastruktur auf, unter anderem mit Sportbahnen und Skiliften im Verbund mit den Skiregionen Gstaad, Lenk und Adelboden sowie mit dem Flugplatz Zweisimmen für Zivilaviatik, Segelflug und Heliflügen und als Basis der Rettungsflugwacht. Mit Gewerbeschauen fördert Zweisimmen seit 1926 das vielfältige Gewerbe vor allem im Sektor Bau. Am stärksten vertreten ist der Dienstleistungssektor, unter anderem mit Arbeitsstätten im 1908 gegründeten Spital und bis 2002 auch im Eidgenössischen Zeughaus. Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe siedelten sich vor allem im Zentrum Zweisimmen an, das nach dem Brand von 1862 neu erbaut wurde, ferner in Mosenried und Blankenburg. Ein wichtiger Arbeitgeber ist auch das Center Air Defence der Ruag Aviation, das für den Unterhalt und die technische Weiterentwicklung der Fliegerabwehrsysteme der schweizerischen Armee verantwortlich zeichnet. Die äusseren Bäuerten treiben Vieh-, Alp- und Forstwirtschaft. Das Schulwesen war bis zum Übergang an die Gemeinde 1946 Sache der Bäuerten mit Schulhäusern im Dorf Zweisimmen, Blankenburg, Mannried und Reichenstein; sinkende Schülerzahlen führten ab 2006 zur Zentralisation des Schulbetriebs im Dorf Zweisimmen, in dem sich auch die Sekundar- und die Gewerbeschule befinden.

Quellen und Literatur

  • A. Moser et al., Kirche Zweisimmen, 1959 (31987)
  • B. Ryser, Zweisimmen, 1972
  • I. Meili-Rigert, Bauinventar der Gem. Zweisimmen, 2009

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Zweisimmen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 18.11.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000476/2014-11-18/, konsultiert am 28.03.2024.