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Mörigen

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Nidau. Dorf am rechten Bielerseeufer. 1196 Moringen. 1764 121 Einwohner; 1850 203; 1900 191; 1950 201; 1970 418; 2000 705.

Die bronzezeitliche Fundstelle

Schmuck, Alltagsgeräte und Waffen aus bronzezeitlichen Fundschichten (Bernisches Historisches Museum).
Schmuck, Alltagsgeräte und Waffen aus bronzezeitlichen Fundschichten (Bernisches Historisches Museum).

Die sogenannte Bronzestation vor dem Strandboden von Mörigen ist die reichste und forschungsgeschichtlich wichtigste bronzezeitliche Fundstelle am Bielersee. Sie wurde bereits 1843, also elf Jahre vor Beginn der eigentlichen "Pfahlbauforschung", von Albert Jahn entdeckt und als Pfahlwerk einer bedeutenden Siedlung beschrieben. Das ehemalige Siedlungsgebiet lag im Uferbereich im Wasser; die Absenkung des Seespiegels anlässlich der Ersten Juragewässerkorrektion erleichterte die Bergung der Funde durch dazu angeworbene Fischer. Die Antiquitäten gingen in die umfangreichen Privatsammlungen von Emanuel Müller, Friedrich Schwab, Edouard Desor und Victor Gross ein; diese bildeten den Grundstock des Museums Schwab in Biel, des Laténium in Hauterive und des Schweizerischen Landesmuseums. 1873 verbot die Berner Regierung Privatgrabungen und beauftragte Eduard von Jenner und Edmund von Fellenberg mit der Sicherstellung von Altertümern für das Bernische Antiquarium, dem Vorläufer des 1894 eröffneten Bernischen Historischen Museums. 1873-1874 folgten ausgedehnte Grabungen auf trockener Erde und im niedrigen Wasser mit einem ausgeklügelten Kastensystem aus hölzernen Spundwänden. Die fundreiche Kulturschicht und das relativ locker stehende Pfahlfeld wiesen eine ellipsenförmigen Ausdehnung von ca. 190 x 120 m auf und befanden sich in einer Senke, die durch eine dünenartige Erhebung vom See abgeschirmt wurde. Gemäss den Sondierbohrungen von 1985 ist die ganze archäologische Fundstelle heute vollständig erodiert.

An organischem, weitgehend verlorenem Material wurden gezimmerte Holzbauteile, Flechtwände, Brücken, Korbgeflechte aus Weide und Stroh sowie Getreide- und Pflanzenreste entdeckt. Auffällig ist die hohe Zahl der ca. 1400 bis heute bekannten Bronzeartefakte aus Mörigen in Schweizer Museen. Ein bedeutender Teil soll zudem ins Ausland verkauft worden sein. Zu den jüngsten Funden aus schweizerischen Seeufersiedlungen überhaupt, vornehmlich aus der spätesten Urnenfelderzeit (9. Jh. v.Chr.), gehören exklusive Stücke wie Raupenfibeln, zweiteilige Pferdetrensen und ein für diese Gegend untypisches halbmondförmiges Rasiermesser mit Vorbildern in Ober- und Mittelitalien. Daneben wurden Waffen (13 Schwerter und Fragmente), Werkzeuge (u.a. Messer, Beile, Sicheln) sowie Armringe mit Einlagen aus Eisen gefunden, die zu den frühesten Belegen für Eisenverarbeitung gehören. Die Bronzen sind zum Teil verbrannt und angeschmolzen. Von den opaken Glasperlen und der selektiv geborgenen Keramik befindet sich heute nur noch eine Auswahl besonderer Stücke in den Museen. Mehrere Gussformen aus Sandstein und gebranntem Ton bezeugen die Bronzeverarbeitung. Ein zeitlich breiteres Band umfassen die überproportional vertretenen bronzenen Gewandnadeln, die eventuell als Votive dem Wasser übergeben worden sind.

Umfangreichere jung- bis endneolithische Fundbestände (4./3. Jt. v.Chr.) und verschiedene frühbronzezeitliche Objekte stammen teils aus der Bronzestation, teils aus drei benachbarten Arealen, deren Abgrenzungen unsicher und deren archäologische Spuren heute weitgehend verschwunden sind. Sie vervollständigen das Bild einer langen Siedlungstradition in der Bucht von Mörigen.

Von der römischen Zeit bis in die Gegenwart

In römischer Zeit bestand eine Siedlung im Grens und eventuell eine Villa im Eyacker. Frühmittelalterliche Gräber, teilweise mit Beigaben, wurden im Uferbereich gefunden. Im Mittelalter gehörte Mörigen mit Gütern und Gerichten zur Herrschaft Nidau, die ihre Ministerialen von Mörigen (vermutete Burgstellen Brüel und Ausserfeld) mit Gütern und Zehnt belehnte. Weitere ritterliche Grundbesitzer wurden ab dem 15. Jahrhundert von Bürgern von Bern und Nidau abgelöst. Mit dem Inselgau kam Mörigen 1398 an Bern bzw. zum Viertel Lattrigen der Landvogtei Nidau. 1497 versah der Priester der Kirche Täuffelen die Kapelle in Ober-Mörigen. Seit der Reformation (1528) ist Mörigen Teil der Kirchgemeinde Täuffelen. Erwerbszweige waren Getreide-, etwas Weinbau und Fischerei. Ab 1960 wuchs die Gemeinde, erschlossen durch die Seestrasse und die Biel-Täuffelen-Ins-Bahn (1916), im Sog der Stadt Biel mit Bautätigkeit auf dem ganzen Dorfgebiet. Apparate- und Werkzeugbau, Kleingewerbe und Landwirtschaft boten einige Arbeitsplätze; insgesamt aber ist Mörigen mit einem Pendleranteil von rund 80% (2000) in die Regionen Biel und Bern vor allem Wohngemeinde. Die Ortsvereinigung Mörigen wurde 1967 gegründet, seit 1979 gehört das Dorf zum Gemeindeverband Täuffelen.

Quellen und Literatur

Die bronzezeitliche Fundstelle
  • H.-M. von Kaenel, «Frühe Pfahlbauforschung am Bielersee», in ArS 2, 1979, 20-27
  • M. Bernatzky-Goetze, Mörigen, 1987
  • J. Winiger, Bestandesaufnahme der Bielerseestationen als Grundlage demograph. Theoriebildung, 1989, 88-102
  • F. Müller, «Argumente zu einer Deutung von "Pfahlbaubronzen"», in JbSGUF 76, 1993, 71-92
Von der römischen Zeit bis in die Gegenwart
  • P. Aeschbacher, Stadt und Landvogtei Nidau, 1929
  • Mörigen einst und heute, 1992
  • Z. Caviezel, Bauinventar der Gem. Mörigen, 2005
Von der Redaktion ergänzt
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Felix Müller (Bern); Anne-Marie Dubler: "Mörigen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.01.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000445/2009-01-05/, konsultiert am 28.03.2024.