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PascalCouchepin

5.4.1942 Martigny, katholisch, von Martigny. Rechtsanwalt, Notar, Gemeindepräsident von Martigny, Walliser Nationalrat und freisinniger Bundesrat.

Porträt von Pascal Couchepin während seiner Amtszeit als Nationalrat. Fotografie von Walter Rutishauser vom 18. Dezember 1987 (Bibliothek am Guisanplatz, Bern, Portraitsammlung Rutishauser).
Porträt von Pascal Couchepin während seiner Amtszeit als Nationalrat. Fotografie von Walter Rutishauser vom 18. Dezember 1987 (Bibliothek am Guisanplatz, Bern, Portraitsammlung Rutishauser).

Pascal Couchepin ist das dritte von vier Kindern des Henri Couchepin und der Andrée geborene Spagnoli und wuchs in einem stark von der Politik geprägten Umfeld auf. Die ursprünglich aus Delle stammende Familie Couchepin hatte sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts im Wallis, zunächst in Saint-Maurice und später in Martigny, niedergelassen. Nach dem Erwerb des Bürgerrechts 1817 bekleideten Familienmitglieder im konservativ dominierten Kanton wiederholt für den radikalen Flügel der Freisinnigen öffentliche Ämter, so Pascal Couchepins Urgrossvater Joseph Couchepin (1833-1899), Walliser Grossrat und Richter am Appellationsgericht, sein Grossvater Jules Couchepin, sein Grossonkel Arthur Couchepin, sein Onkel Louis Couchepin und sein Cousin François Couchepin. Sein Vater, Rechtsanwalt und Notar sowie Major im Generalstab, war Grossrat und Sekretär des Verbands der Walliser Industriellen; sein Bruder Jean-Jules Couchepin, ebenfalls Rechtsanwalt, war Divisionär, Waffenchef der Artillerie und Militärattaché in Paris. 1968 heiratete Pascal Couchepin Brigitte Rendu, Krankenschwester und Tochter des Pariser Arztes Charles Rendu und der Thérèse geborene Granier. Das Paar hat drei Kinder, darunter Anne-Laure Couchepin Vouilloz, die 2016 zur Stadtpräsidentin von Martigny gewählt wurde.

Couchepin besuchte die Primarschule in Martigny und machte 1962 die klassische Matura am Gymnasium in Saint-Maurice. 1966 schloss er sein Studium in Rechtswissenschaften an der Universität Lausanne mit dem Lizenziat ab und erwarb 1967 das Notariatspatent sowie 1968 das Anwaltspatent des Kantons Wallis. Nach kurzer Tätigkeit bei einer Versicherungsgesellschaft eröffnete er eine Anwaltskanzlei in Martigny, die er bis zu seiner Wahl in den Bundesrat leitete. Er war Mitglied mehrerer Verwaltungsräte, unter anderem der Caves Orsat SA, der TSA Telecom SA und der Elektrowatt Holding, und 1982-1998 Sekretär des Verbands der Walliser Industriellen. 1975-1998 präsidierte er die Walliser Vereinigung für körperlich und geistig Behinderte sowie 1995-1998 die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft.

Als Mitglied der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) wurde Couchepin 1968 im Alter von 26 Jahren in den Gemeinderat (Exekutive) von Martigny gewählt, wo er 1976-1983 das Vizepräsidium und 1984-1998 das Stadtpräsidium innehatte. Er setzte sich 1991 für die Niederlassung des auf künstliche Intelligenz spezialisierten Forschungsinstituts Idiap sowie 1993 der Groupe Mutuel Versicherungsgesellschaft ein und trug damit zur wirtschaftlichen Entwicklung Martignys bei. Im Nationalrat, dem er 1979-1998 angehörte, nahm er 1989-1996 Einsitz in der Kommission für Wissenschaft und Forschung (ab 1991 Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur; 1992-1996 Präsidium) und 1992-1998 in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben. 1989-1996 präsidierte er die freisinnig-demokratische Fraktion der Bundesversammlung. Nach der Rücktrittserklärung von Jean-Pascal Delamuraz stellte die FDP mit Pascal Couchepin und der Waadtländer Nationalrätin Christiane Langenberger zwei offizielle Kandidierende für die Nachfolge auf. Im Rennen waren ausserdem die Freisinnigen Claude Frey, Nationalrat aus Neuenburg, und Gilles Petitpierre, ehemaliger Genfer Ständerat. Am 11. März 1998 gelang Couchepin die Wahl in den Bundesrat. Er setzte sich im fünften Wahlgang mit 146 zu 92 Stimmen (absolutes Mehr 120 Stimmen) gegen Langenberger durch.

Bundesrat Pascal Couchepin auf seinem jährlichen Ausflug mit den Medien auf die St. Petersinsel. Fotografie vom 31. August 2004 (KEYSTONE / Sandro Campardo, Bild 19283920).
Bundesrat Pascal Couchepin auf seinem jährlichen Ausflug mit den Medien auf die St. Petersinsel. Fotografie vom 31. August 2004 (KEYSTONE / Sandro Campardo, Bild 19283920). […]

Während seiner Amtszeit als Vorsteher des  Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) 1998-2002 brachte Couchepin mit der AP 2007 trotz Widerstand eines Teils der Bauernschaft eine wichtige Reform der Agrarpolitik durchs Parlament, die nicht zuletzt die schrittweise Abschaffung der Milchkontingentierung und die Neuregelung der Fleischimporte zur Folge hatte. Er unterzeichnete unter anderem mit Mexiko, Jordanien und Singapur Freihandelsabkommen und führte 2000 erfolgreich eine Abstimmungskampagne zugunsten des ersten Pakets bilateraler Verträge mit der Europäischen Gemeinschaft (EG; Europäische Union, EU). 2001 leitete er die Schweizer Delegation an der vierten Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Katar, an welcher die Gespräche im Rahmen der Doha-Runde aufgenommen wurden. 1999 gründete er das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Nach dem Rücktritt von Ruth Dreifuss übernahm Couchepin 2003 die Leitung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) und reformierte in der Folge das Krankenversicherungsgesetz (KVG; Krankenversicherung), indem er ein neues Spitalfinanzierungssystem einführte, die Franchisen liberalisierte, die Kostenbeteiligung der Versicherten erhöhte und den Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Gesundheitsinstitutionen intensivierte. 2007 stellte er sich erfolgreich gegen die Annahme der Volksinitiative zur Einführung einer Einheitskrankenkasse. Er erwirkte zudem eine Revision der Invalidenversicherung (IV), welche die Anzahl Rentenkategorien reduzierte und die Wiedereingliederung ins Berufsleben förderte. Mit seinen Plänen zur Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre stiess er auf öffentlichen Widerstand. 2004 scheiterte die 11. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), die das Frauenrentenalter auf 65 Jahre festlegen und die Mehrwertsteuer erhöhen sollte, an der Urne. Im Bildungsbereich schuf Couchepin 2005 durch den Zusammenschluss zweier Verwaltungseinheiten das Staatssekretariat für Bildung und Forschung; im Bereich Kulturpolitik lancierte er 1998 den Schweizer Filmpreis und setzte sich für das 2003 erlassene Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer ein. 2003 und 2008 amtierte Couchepin als Bundespräsident. In seiner zweiten Amtszeit koordinerte er die Rettungsmassnahmen zugunsten der konkursgefährdeten UBS.

Bundesrat Pascal Couchepins erste Reaktionen auf die Ergebnisse der Volksinitiative «Für eine soziale Einheitskrankenkasse» in der Hauptausgabe der Tagesschau 19:30 des Fernsehens der französischen Schweiz vom 11. März 2007 (Radio Télévision Suisse, Genf, Play RTS).
Bundesrat Pascal Couchepins erste Reaktionen auf die Ergebnisse der Volksinitiative «Für eine soziale Einheitskrankenkasse» in der Hauptausgabe der Tagesschau 19:30 des Fernsehens der französischen Schweiz vom 11. März 2007 (Radio Télévision Suisse, Genf, Play RTS). […]

Im Juni 2009 kündigte Couchepin seinen Rücktritt aus dem Bundesrat an. Er engagierte sich fortan in verschiedenen gemeinnützigen Organisationen und präsidierte 2009-2022 die Stiftung der Schweizerischen Archäologischen Schule in Griechenland sowie 2011-2018 die Stiftung der päpstlichen Schweizergarde im Vatikan. Als Delegierter der Organisation internationale de la Francophonie (Frankofonie) reiste er 2010 an die Olympischen Spiele in Vancouver und war als deren Sonderbeauftragter für die Region der Grossen Seen in Afrika 2016 Berichterstatter vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UNO). In der Armee erreichte er den Grad eines Hauptmanns der Gebirgsinfanterie. Er erhielt zwei Ehrendoktorate, 2009 von der Holy Spirit University in Kaslik im Libanon und 2010 von der Fu Jen Catholic University in Taipeh. Frankreich ernannte ihn 2011 zum Offizier der Ehrenlegion.

Quellen und Literatur

  • Couchepin, Pascal: «L’État et son rôle, entre contraintes économiques et nécessités politiques», in: Die Schweiz unter Globalisierungsdruck. Staatliches Handeln mit und gegen wirtschaftliche Logik, 1999, S. 166-173 (Jahrbuch der Neuen Helvetischen Gesellschaft, 1999/2000).
  • Couchepin, Pascal: Ich glaube an die Politik. Gespräche mit Jean Romain, 2002 (französisch 2002).
  • Couchepin, Pascal; Nantermod, Philippe: La suite des idées, 2019.
Weblinks
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GND
VIAF

Zitiervorschlag

Robert Giroud: "Couchepin, Pascal", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.04.2023, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/033757/2023-04-19/, konsultiert am 28.03.2024.