de fr it

Hauterive (NE)

Politische Gemeinde des Kantons Neuenburg, Bezirk Neuenburg. Am Fuss des Chaumont am Hang errichtetes Haufendorf. Um 1148 arta ripa. Die Lage des Dorfes steht offenbar in Zusammenhang mit der Ausbeutung der nahe gelegenen Steinbrüche: Von der Antike bis in die jüngste Zeit wurde aus einer nach dem Ort benannten geologischen Schicht des Neokom, dem Hauterivien, ein gelber Kalkstein gewonnen, der sogenannte Stein von Hauterive. Die Bauten der Stadt Neuenburg wurden oftmals aus diesem Stein errichtet. 1375 zählte der Ort 35 Haushalte; 1750 262 Einwohner; 1850 345; 1900 654; 1950 745; 1960 1097; 1970 2213; 2000 2637.

Urgeschichte

Bereits 1858 machte Ferdinand Keller auf eine Ufersiedlung in Hauterive aufmerksam, aber erst die Absenkung des Seespiegels im Zusammenhang mit der ersten Juragewässerkorrektion offenbarte 1880 das Ausmass der Besiedlung des Seeufers durch die Menschen des Neolithikums und der Bronzezeit. Archäologische Fundgegenstände wurden bei diesen Ausgrabungen in grosser Zahl zusammengetragen, der Geländbefund wurde aber nur oberflächlich dokumentiert. Beim Bau der Autobahn A5 1983-1986 förderten geplante Rettungsgrabungen auf dem Gebiet von Champréveyres zwei altsteinzeitliche Siedlungen aus dem Magdalénien und dem Azilien, zwei jungsteinzeitliche Siedlungen der Cortaillodkultur und der Horgener Kultur sowie ein Dorf aus der Spätbronzezeit zutage.

Der bedeutendste aus dem Magdalénien stammende Sektor (ca. 400 m2) konnte auf etwa 13'500 v.Chr. datiert werden. Es handelt sich um einen saisonalen Lagerplatz von Jägern mit Feuerstellen im Freien. Die Erkenntnisse der Palynologie lassen auf eine fast baumlose Landschaft schliessen, während die Artenvielfalt der bejagten Tiere gross war (Pferd, Hase, Murmeltier, Rentier, Steinbock). Die Skelette von Hunden zeugen von der frühesten Domestikation des Wolfs in Europa. Bei den gefundenen Gerätschaften handelt es sich um Klingen, Stichel, Kratzer und Bohrer. Diese Werkzeuge aus Silex, deren Rohmaterial aus der Region Olten und aus der Region Genf stammt, finden sich gehäuft in der Nähe von etwa zehn Feuerstellen, in deren Umkreis unterschiedliche Tätigkeiten ausgeübt wurden. So wurden hier Gerippe bearbeitet, Jagdwaffen unterhalten, Häute und Felle behandelt und Gegenstände hergestellt. Auf das Magdalénien folgt ein auf etwa 10'300 v.Chr. datierter Horizont aus dem Azilien mit einer Feuerstelle und einigen Werkzeugen aus Silex. Unter den Tierarten war damals der Hirsch vorherrschend, während das Rentier bereits nicht mehr vorkam.

Das älteste jungsteinzeitliche Dorf von Champréveyres entstand ab 3810 v.Chr. (dendrochronologische Datierung) und war während 25 Jahren bewohnt; der aussergewöhnliche Komplex ist ein Musterbeispiel der klassischen Cortaillodkultur. Eine parallel zum See errichtete Palisade begrenzte eine Fläche von 2400 m2, auf der sich rechtwinklig zum Ufer acht längliche Bauten mit zentralem Dachfirst erstreckten, deren Böden mit Kieselsteinen und Platten bedeckt waren. Fast 1800 Werkzeuge belegen, dass die Silexbearbeitung vor Ort stattfand und dabei vorzugsweise Klingen hergestellt wurden.

Die Horgener Kultur (Jungneolithikum) ist durch schlecht erhaltene, etwas vom Ufer zurückversetzte Bauten und durch ein zwischen 3242 und 3236 v.Chr. datiertes Dorf auf dem Gebiet von Rouges-Terres bezeugt. Letzteres wurde bei einer Unterwassergrabung untersucht, die ein Gebiet von 500 m2 abdeckte.

Ein zwischen 1050 und 860 v.Chr. bewohntes Dorf aus der Spätbronzezeit nahm eine Fläche von 8700 m2 ein. Die 7500 Pfähle erlauben sowohl die Rekonstruktion der verschiedenen Erweiterungsphasen des Dorfes als auch die Nachbildung der rechteckigen dreischiffigen Häuser. Diese waren durchschnittlich 85 m2 gross und in Reihen parallel zum Ufer gebaut. An diesem Ort wurden nahezu 6000 Bronzegegenstände (Äxte, Messer, Nadeln, Ringe und Angelhaken) sowie zahlreiche Erzeugnisse aus Knochen und Hirschgeweih gefunden. Die Verwendung von Zinn, Blei und Gold ist ebenfalls nachgewiesen, desgleichen die Korberei (aufgefundenes Flechtwerk und Überreste von Körben) und die Bearbeitung von Textilien. Bernsteinperlen aus dem Baltikum zeugen vom Tauschhandel über weite Distanzen hinweg. Eine zweite spätbronzezeitliche Siedlung wurde 1992 auf dem Gebiet von Aux Jardillets erforscht. Von drei Einbäumen aus der Bucht von Champréveyres stammt einer aus dem Neolithikum (um 4200 v.Chr.), die beiden anderen aus der Spätbronzezeit (um 1000 v.Chr.).

1921 wurde in Au Teyeret das spätlatènezeitliche Körpergrab einer Frau mit einem Armband aus blauem Glas entdeckt. 1993 trat in Aux Jardillets bei der Ausgrabung eines Kalksteinbruchs, in dem in gallorömischer Zeit vermutlich Baumaterial für die Bauwerke in Aventicum abgetragen worden war, ein Bestand an Keramikwaren aus dem 1.-3. Jahrhundert n.Chr. zutage.

Die Gemeinde

Das Schloss von Hauterive von Osten. Aquarell von Caspar Wyss, 1791 (Musée d'art et d'histoire Neuchâtel).
Das Schloss von Hauterive von Osten. Aquarell von Caspar Wyss, 1791 (Musée d'art et d'histoire Neuchâtel). […]

Der obere, zwischen Dorf und Waldrand gelegene Teil von Hauterive gehörte ab 1143 zum Besitz der Prämonstratenserabtei Fontaine-André, ebenso das Gebiet von Champréveyres (campus presbyteri), das eine Schenkung der Herren von Neuenburg war. Die Abtei Hauterive (ab 1158), das Kloster La Maigrauge und das Kapitel von Neuenburg (ab 1180) besassen Reben in Champréveyres. Im 14. Jahrhundert erwarb die Familie de Colombier ein Lehen – das sogenannte Pressoir (Kelterei) –, das 1516 an die von Wattenwyl gelangte. Vom Mittelalter bis 1848 war Hauterive Teil der Kastlanei Thielle und wurde dann in den Bezirk Neuenburg integriert. Vom 14. Jahrhundert an waren seine Bewohner mehrheitlich Ausbürger von Neuenburg. Die 1527 urkundlich erwähnte Dorfgemeinschaft verwaltete das Dorf, in dem vor allem Rebbauern und Steinbrucharbeiter lebten, weitgehend unabhängig. Kirchlich gehörte Hauterive seit jeher zur Pfarrei Saint-Blaise. 1661 löste sich die lokale Schule von der Pfarrei. Die heutige Kantonsstrasse wurde 1870 gebaut, vorher führte die Strasse über Champréveyres. Die 1894 eingeweihte Strassenbahnlinie gab der Entwicklung der Gemeinde den entscheidenden Impuls. Hauterive wuchs zunehmend in das Stadtgebiet von Neuenburg hinein. Sein Charakter, geprägt von Steinhäusern aus dem 16. Jahrhundert, blieb ebenso erhalten wie das grosse Weinbaugebiet, zu dem auch die renommierte Domaine de Champréveyres gehört. 2001 wurde auf dem Ausgrabungsgelände von Champréveyres das Laténium (Neuenburger Archäologiepark und Museum) eingeweiht.

Quellen und Literatur

Ur- und Frühgeschichte
  • SPM 1, 258 f.; 2, 311; 3, 379
  • D. Leesch, Un campement magdalénien au bord du lac de Neuchâtel, 1997
  • A. Rychner-Faraggi, «Hauterive-Champréveyres : organisation spatiale d'un village du Cortaillod classique au bord du lac de Neuchâtel (Suisse)», in Espaces physiques, espaces sociaux dans l'analyse interne des sites du Néolithique à l'Age du Fer, 1997, 263-273
  • P. Hofmann Rognon, «Une carrière romaine de pierre jaune à Hauterive NE», in JbSGUF 88, 2005, 201-205
Gemeinde
  • J. Courvoisier et al., Hauterive, 1992
  • L. Chenu et al., Laténium pour l'archéologie, 2001
Von der Redaktion ergänzt
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Hervé Miéville; Germain Hausmann: "Hauterive (NE)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.05.2008, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002850/2008-05-20/, konsultiert am 28.03.2024.