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AvenchesGemeinde

Ansicht der Stadt Avenches von Osten. Aquarell von Joseph-Emanuel Curty aus dem von Charles-Aloyse Fontaine zusammengestellten Recueil des antiquités trouvées à Avenches en 1783-86 (Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, Ms. L 428, Fol. 20).
Ansicht der Stadt Avenches von Osten. Aquarell von Joseph-Emanuel Curty aus dem von Charles-Aloyse Fontaine zusammengestellten Recueil des antiquités trouvées à Avenches en 1783-86 (Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, Ms. L 428, Fol. 20).

Politische Gemeinde des Kantons Waadt, Bezirk Broye-Vully, seit 2006 mit Donatyre und seit 2011 mit Oleyres. In der Anlage an zähringische Muster erinnernde, auf einer Anhöhe westlich des römischen Aventicum gelegene Stadt. Seit den 1940er Jahren dehnte sich das Siedlungsgebiet allmählich über die Hänge bis hin zu den Stätten der Antike aus. 1518 Avenche, deutsch früher Wiflisburg. Marktort, Hauptort der Vogtei und später des Bezirks Avenches, mit Vogtei- bzw. Bezirksgericht und Zehntenscheune. 1336 120 Bürger; 1416 70 Haushaltungen; 1764 825 Einwohner; 1798 1002; 1850 1637; 1900 1952; 1941 1565; 1950 1717; 2000 2544 (französisch 74%, deutsch 13%).

Mit dem Niedergang der römischen Macht zu Beginn des 5. Jahrhunderts verlor Aventicum viel von seinem einstigen Glanz, wurde aber nicht völlig aufgegeben. Vorerst fanden seine Einwohner wohl Zuflucht auf der erwähnten Anhöhe, dann entstand vom 5. Jahrhundert an südöstlich davon eine ummauerte Siedlung. In dieser sind zwei Kirchen aus der Merowingerzeit (Saint-Martin, Saint-Symphorien) bezeugt, zwei weitere (Saint-Antoine, Saint-Etienne) werden vermutet. Sie sind Zeugnisse der Bedeutung von Avenches, das bis zum Ende des 6. Jahrhunderts Bischofssitz war. 1074 verlegte der Bischof von Lausanne, Burkhard von Oltigen, die Stadt an ihren heutigen Standort und liess eine Ringmauer errichten. Diese wurde bis ins 14. Jahrhundert mehrmals umgebaut. Von ihren Türmen stehen heute nur noch der Benneville- und der Vullyturm; die Mauer selbst wurde im 19. Jahrhundert zum grossen Teil geschleift.

Die wüst gefallene frühmittelalterliche Siedlung war Ende des 15. Jahrhunderts in Vergessenheit geraten. Nur die beiden Kirchen Saint-Martin und Saint-Symphorien standen noch. Dem Zerfall preisgegeben, wurden sie um die Mitte des 17. Jahrhunderts abgetragen. Drei Bauten prägten die mittelalterliche Stadt: der 1336 und 1481 als Bischofsturm bezeichnete Wehrturm über dem Haupteingang zum Amphitheater, die vom Bischof im ausgehenden 13. Jahrhundert in Erweiterung eines Bergfrieds errichtete und zwei Jahrhunderte später gründlich umgebaute Burg, schliesslich die Ende des 11. Jahrhunderts wohl als Ersatz für die ausserhalb der Stadtmauern stehenden merowingischen Kirchen errichtete, im 14. Jahrhundert erweiterte und im gotischen Stil umgebaute Kirche Sainte-Madeleine. Avenches gehörte zum frühesten weltlichen Herrschaftsbereich des Bischofs von Lausanne. Schon bald erwarben die Stadtbürger gewisse Freiheiten. Die älteste bekannte Fassung des Stadtrechts datiert von 1259, geht jedoch vermutlich auf Vorgänger aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts zurück. Die Bürger von Avenches besassen unter anderem das Recht der freien Bündniswahl. Das erste Bündnis wurde 1239 mit Freiburg abgeschlossen, 1537 aber aufgekündigt, denn der neue Landesherr Bern verlangte von den Waadtländer Gemeinden, alle Abkommen mit Katholiken aufzugeben. Ein weiteres Bündnis wurde 1353 mit Murten geschlossen. Die weltliche Macht des Bischofs in Avenches vertraten der Meier, der Kastlan, der Weibel und der Amtmann. Die beiden letztgenannten Ämter wurden vom 14. Jahrhundert an nicht mehr besetzt. Das zuvor erblich gewordene Meieramt löste der Bischof nach und nach wieder ab; die letzten Rechte erwarb er 1497. Danach verblieb der Kastlan alleiniger Vertreter des Bischofs. Er sass unter anderem dem vom Bischof 1363 geschaffenen örtlichen Rat mit seinen 14 Mitgliedern vor. Im März 1536 eroberte Bern das weltliche Herrschaftsgebiet des Bischofs von Lausanne. Avenches wurde Hauptort der gleichnamigen Landvogtei und erlangte 1539 einen Teil der alten Herrschaft zurück. Die Burg wurde zum Sitz des Landvogts, der sich darin beengt fühlte und sie 1565-1568 zum heutigen Renaissancebau umbauen und erweitern liess. Die Kirche, seit 1536 reformiert, wurde 1709-1711 umgebaut. Das bestehende Rathaus wurde 1753-1754 errichtet, das Pfarrhaus 1756. Avenches bildete mit Donatyre eine Gemeinde, der ein Rat von 24 Mitgliedern vorstand. Die Stadt gehörte zur Zeit der Helvetik vorübergehend zum Kanton Freiburg. 1798-2006 war sie Distrikts- bzw. Bezirkshauptort.

Ab 1826 siedelten sich elsässische Juden in Avenches an und wuchsen sehr bald zu einer bedeutenden Gemeinschaft. 1870 betrug ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung 14%. Meist als Pferdehändler tätig, lebten sie in einem gewissen Wohlstand und vermochten 1863-1865 eine Synagoge mit 120 Plätzen zu errichten, eine der ersten in der neuzeitlichen Schweiz. In den 1870er Jahren verliessen sie jedoch Avenches infolge der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage auf dem Land und zogen in bedeutendere Städte. Die Gemeinschaft erlosch, und die aufgegebene Synagoge wurde 1957-1958 abgerissen.

Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebte Avenches vor allem vom Ackerbau (Tabak, Zuckerrüben). 1898-1899 erwarb der Bund ein umfangreiches Gelände im Norden der Gemeinde und errichtete darauf das Eidgenössische Hengsten- und Fohlendepot, das 1901 betriebsbereit war (1927 Eidgenössisches Gestüt, seit 1998 Schweizer Nationalgestüt). Im 19. Jahrhundert siedelten sich nur zwei Industriebetriebe in der Gemeinde an. Um 1900 zählte man in Avenches fünf Pensionate für Knaben und Mädchen. Das erste war 1860 eröffnet worden. Während oder nach dem Ersten Weltkrieg gingen jedoch alle ein. 1910 startete in Avenches das erste Flugzeug schweizerischer Konstruktion, gesteuert von Ernest Failloubaz. 1911 wurde eine Flugschule gegründet, deren Gelände während des Ersten Weltkriegs von der Armee benutzt wurde. Ein Militärflugplatz, ursprünglich für Avenches geplant, wurde schliesslich 1921 in Payerne erbaut. Nach 1945 wandelte sich die wirtschaftliche Struktur von Avenches: Fabriken entstanden (Beton, Biscuits), der Dienstleistungssektor und insbesondere der Kultur- (Musée romain) und der Freizeittourismus entwickelten sich. Vor allem in den 1960er und 1980er Jahren entstanden neue Wohnquartiere. Die Autobahn A1 hat Pendler angezogen, die mehrheitlich nach Bern oder Freiburg zur Arbeit fahren.

Quellen und Literatur

  • M. Grandjean, Les temples vaudois, 1988, 162-166
  • M. Maire, Avenches et son district au début du siècle, 1988
  • C. Lauener, La communauté juive d'Avenches, 1993
  • M. Grandjean, Avenches, 2 Bde., 2007
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Christine Lauener: "Avenches (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.01.2017, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002308/2017-01-04/, konsultiert am 28.03.2024.