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Bolligen

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Bern. Die Agglomerationsgemeinde Berns umfasst das Dorf Bolligen (1180 Bollingin) und die Weiler Bantigen, Ferenberg, Flugbrunnen, Geristein und Habstetten. Sie entstand 1980-1983 nach der Verselbstständigung der kleinflächigen, aber bevölkerungsreichen Viertelsgemeinden Ittigen und Ostermundigen. 1850 3277; 1900 5104; 1910 1709 Einwohner; 1950 1959; 1990 6340; 2000 5893 (inklusive Ittigen und Ostermundigen 1910 6115 Einwohner; 1950 9841; 1980 32'312).

Ansicht der Umgebung von Bolligen. Aquarell von Albrecht Kauw, 1671 (Bernisches Historisches Museum) © Fotografie Stefan Rebsamen.
Ansicht der Umgebung von Bolligen. Aquarell von Albrecht Kauw, 1671 (Bernisches Historisches Museum) © Fotografie Stefan Rebsamen. […]

Neolithische Siedlungsspuren wurden im Burech, Erdwerke ob Flugbrunnen entdeckt, mittelalterliche Erdwerke im Grauholz und auf dem Bantiger. Bolligen, Habstetten, Ferenberg, Bantigen und Flugbrunnen waren Zelgdörfer. Der Hof Geristein unterhalb der Burg Gerenstein wuchs im 17. Jahrhundert durch Rodung zum Weiler. Bolligen gehörte mit Muri bei Bern, Stettlen und Vechigen zum frühesten Einflussbereich Berns ausserhalb des Stadtgebiets. Im Dorf Bolligen, das an der Strasse nach Burgdorf lag, fanden im 13. und 14. Jahrhundert Verhandlungen zwischen Bern und den Grafen von Kyburg statt. Nach dem Aussterben der Ritter von Gerenstein gelangte ihr Grundbesitz an verschiedene Herren- und Stadtberner Burgergeschlechter (u.a. von Affoltern, vom Stein, Belp-Montenach) sowie an Klöster (u.a. Interlaken, Thorberg). Bern erwarb sukzessive Rechte, so 1345 Habstetten von Berchtold von Thorberg, im Gefolge der Reformation (1528) das Niedergericht Bolligen aus dem Besitz der aufgehobenen Kartause Thorberg und die Kirche Bolligen vom Kloster Interlaken. Bolligen wurde als Teil des Stadtgerichts von Bern aus vom Venner zu Metzgern verwaltet, dem ein einheimischer Ammann unterstand.

Die 1180 erwähnte Kirche Bolligen (Niklauspatrozinium, Bau des 12.-13. und 15. Jh., Umbau 1792-1795) war vermutlich Eigenkirche der Gerenstein. 1274 schenkte Ulrich vom Stein den Kirchensatz dem Kloster Interlaken. Nach dessen Säkularisation (1528) fiel er an Bern, das nun den Ort Habstetten der Kirche Bolligen zuteilte. Das Dorf Bolligen war während Jahrhunderten Zentrum eines grossen Kirchspiels mit an die 30 Dörfern, Weilern und Hofgruppen (1764 1771 Einwohner). Die Kirchgemeinde Bolligen ist in diesem Umfang bis heute erhalten geblieben. Die Gemeindebildung begann zwar in den selbstständigen Gütergemeinden der Zelgdörfer, doch entschieden nach der Reformation die Kirchgemeinde bzw. ihre Viertel über Armen-, Niederlassungs- und Schulwesen. Aus der umfangreichen Kirchgemeinde entstand 1834 die Einwohnergemeinde Bolligen mit den vier, ab 1937 (Integration der Viertelsgemeinde Ferenberg in Bolligen) drei Viertelsgemeinden Bolligen, Ittigen und Ostermundigen. Ihr oblagen Aufgaben wie Finanz-, Steuerwesen und höhere Schulen, alles andere den einzelnen Viertelsgemeinden. Langjährige Diskussionen um Zentralisation (1930, 1945, 1963), Eingemeindung in Bern (1913, 1919) oder Dezentralisation (1956, 1962, 1972) endeten 1978 mit der Zustimmung der Einwohner zur Dezentralisation.

Neben den vorherrschenden Kornbau trat im 18. Jahrhundert Grasbau, da sich Heu winters an Küher verkaufen liess. Zum Handwerk kam im 18. Jahrhundert Grossgewerbe: die Steinbrüche in Stockeren (1708-1918/1949), 1787 die Papiermühle in der Wegmühle, 1855 zur Getreidemühle umgebaut. Das grosse Waldgebiet Grauholz-Sädelbach gehörte ab 1345 der Stadt Bern und fiel 1799 ihrer Burgergemeinde zu. Im 17. und 18. Jahrhundert entstanden Sommersitze des Berner Patriziates: um 1600/1669 die Wegmühle, um 1670 das Hubelgut in Habstetten, um 1720 die Lindenburg. Der bäuerliche Siedlungscharakter erhielt sich in Ferenberg, Bantigen und Flugbrunnen. Die Entwicklung zur Agglomerationsgemeinde seit den 1950er Jahren ging in der übrigen Gemeinde auf Kosten der Landwirtschaft. Sie brachte ein grosses Dienstleistungsangebot (1990 65% in Bolligen Erwerbstätige), jedoch wenig Industrie. Der Wegpendleranteil war 1990 mit 78% hoch. Der Bau neuer Wohnquartiere, vor allem im Raum der Dörfer Bolligen und Habstetten, sowie der Ausbau der Infrastruktur (u.a. Einkaufszentrum) führten teilweise zur Verstädterung. Primarschulen befinden sich in Bolligen, Ferenberg und Geristein, in Bolligen auch eine Sekundarschule und ein Untergymnasium. Seit 1913 hat Bolligen Anschluss an die Worblental-Bahn.

Quellen und Literatur

  • M. Beusch, Die Infrastrukturausrüstung in der Gemeindegruppe Bolligen, 1974
  • K.L. Schmalz, Bolligen, 1982
  • K.L. Schmalz, Heimatkundl. Führer Bolligen, 1985
  • K.L. Schmalz, Unser Bolligen, 1989
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Bolligen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.06.2004. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000210/2004-06-07/, konsultiert am 29.03.2024.