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Ermatingen

Politische Gemeinde des Kantons Thurgau, Bezirk Kreuzlingen. Die am Untersee gegenüber der Insel Reichenau gelegene Gemeinde entstand 1975 durch Vereinigung der ehemaligen Munizipalgemeinde Ermatingen mit deren ehemaligen Ortsgemeinden Ermatingen und Triboltingen. 724 Erfmotingas. Ehemalige Munizipalgemeinde Ermatingen: 1850 1708 Einw.; 1900 1728; 1970 2089. Ehemalige Ortsgemeinde Ermatingen: 1850 1363 Einwohner; 1900 1414; 1970 1787. Politische Gemeinde Ermatingen: 1980 1992; 2000 2427.

Die steinzeitlichen Ufersiedlungen Westerfeld und Büge wurden 1861 erstmals und 1981-1983 umfassend untersucht, wobei Funde aus der Pfyner-, Horgener- und Schnurkeramik-Kultur (4000-2500 v.Chr.) zum Vorschein kamen. Die frühmittelalterliche Besiedlung ist durch ein alemannisches Gräberfeld belegt. Ermatingen gehörte zur Grundausstattung des Klosters Reichenau, dessen Abt Kollator, Grundherr und Gerichtsherr war. Zur Ausübung der Niedergerichtsbarkeit wurde ein Klostermeier (später Ammann) eingesetzt. Das Meieramt (Vogtei) war oft verpfändet, unter anderem bis 1446 den Herren von Klingenberg. Im 13. Jahrhundert sowie 1518 sind Offnungen belegt. Im Schwabenkrieg 1499 wurde das Dorf zerstört. Spätestens seit dem 16. Jahrhundert hatte Ermatingen nach städtischem Vorbild einen Kleinen und Grossen Rat, ein eigenes Gericht (jeweils unter dem Vorsitz des Ammanns) und verschiedene Privilegien. 1660 erhielt der Ort das Marktrecht. Nach der Inkorporation der Abtei Reichenau ins Hochstift Konstanz 1540 gehörte das Niedergericht Ermatingen bis 1798 als sogenannte neustiftische Herrschaft dem Bischof (Obervogtei Reichenau). Die Pfarrei Ermatingen reichte ursprünglich vom See bis über den Seerücken, im Hochmittelalter entstanden die Kaplaneien Mannenbach und Triboltingen. 1359 wurde die Kirche Ermatingen der Abtei Reichenau inkorporiert. Um 1528 wandte sich Ermatingen der Reformation zu, wobei die Abtei (ab 1540 der Bischof von Konstanz) in der mehrheitlich reformierten Pfarrei bis 1804 die Kollatur behielt. Seit 1546 herrscht das Simultanverhältnis. 1723/1724 trennte sich Wäldi von der reformierten Kirchgemeinde Ermatingen ab, 1949 gingen auch Gunterswil und Hohrain an Wäldi über.

1756 erwarb die Gemeinde sämtliche Ehaften, abgesehen von Mühlen und Wasserrechten, 1763 entstand die Meisterzunft der Schuster. Ende 18. Jahrhundert besass Ermatingen unter anderem Zölle und Schifffahrtsrechte. Im 19. Jahrhundert bildeten Fischerei (Gangfischerei), Getreide-, Obst-, Hanf- und Rebbau (Weinhandel) die Grundlage der dörflichen Wirtschaft. Mit dem Ausbau der Seestrasse (1823), dem Dampfschifffahrtsbetrieb auf dem Untersee (ab 1825) und dem Bahnanschluss (1875) verbesserte sich die verkehrstechnische Lage, worauf nach 1870 der Fremdenverkehr einsetzte. Am Ende des 19. Jahrhunderts fassten in Ermatingen mechanische Stickereien und Schifflistickereien Fuss. 1848 liessen sich mit einer Schreinerei (ab 1936 Jacques Goldinger AG) und 1875 mit der nachmaligen Blechdosen- und Aluminiumwarenfabrik (Louis Sauter AG) weitere Firmen in Ermatingen nieder, die im 20. Jahrhundert die Landwirtschaft zunehmend verdrängten. Obwohl eine Fischbrutanstalt und die traditionelle "Groppenfasnacht" an die gewerbliche Fischerei erinnern, ist Ermatingen heute mit dem UBS-Ausbildungszentrum Schloss Wolfsberg (seit 1975) und dem Unternehmerforum Lilienberg (seit 1989) vor allem als Ausbildungsort bekannt (2000 fast zwei Drittel der Arbeitsplätze im 3. Sektor).

Quellen und Literatur

  • A. Mayer, «Gesch. von Ermatingen», in ThBeitr. 26, 1886, 1-43; 31, 1891, 4-28; 38, 1898, 5-71
  • O. Feger, Die reichenau. Herrschaft im Thurgau, 1956
  • A. Bosshard et al., Ermatingen und Triboltingen, 1988
Von der Redaktion ergänzt
  • Abegg, Regine; Erni, Peter; Raimann, Alfons: Rund um Kreuzlingen, 2014, S. 66-173 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, 8).
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Verena Rothenbühler: "Ermatingen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.10.2004. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001926/2004-10-29/, konsultiert am 28.03.2024.