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Johannes vonMüller

Porträt Johannes von Müller. Öl auf Leinwand von Felix Maria Diogg, 1797 (Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen; Fotografie Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich).
Porträt Johannes von Müller. Öl auf Leinwand von Felix Maria Diogg, 1797 (Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen; Fotografie Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich).

3.1.1752 Schaffhausen, 29.5.1809 Kassel (Hessen), reformiert, von Schaffhausen. Sohn des Johann Georg Müller, Pfarrers, Lehrers an der Lateinischen Schule und Professors am Collegium humanitatis in Schaffhausen, und der Anna Maria Schoop. Bruder des Johann Georg Müller. Ledig. 1769-1771 studierte Johannes Müller Theologie in Göttingen. Gegen Ende seiner Studienzeit wandte er sich, beeinflusst vom Historiker August Ludwig Schlözer, der allgemeinen Geschichte zu. Nach Schaffhausen zurückgekehrt, wurde Müller 1772 Professor für griechische Sprache am Collegium humanitatis. 1773 trat er der Helvetischen Gesellschaft bei, wo er Karl Viktor von Bonstetten kennenlernte. Dieser vermittelte ihm 1774 eine Stelle bei Jacob Tronchin in Genf. Dort wirkte Müller als Privatgelehrter unter anderem bei Jean Robert Tronchin und verkehrte im Kreis um Charles Bonnet. 1779-1780 hielt er universalgeschichtliche Vorlesungen. Die erste Fassung des ersten Bands seines Hauptwerks Die Geschichten der Schweizer erschien 1780 mit dem fingierten Druckort Boston in Bern. Müller reiste 1780-1781 nach Berlin. In Kassel war er 1781-1782 als Professor der Geschichte und Statistik am Collegium Carolinum tätig, 1782-1783 als Unterbibliothekar mit dem Titel eines Rats. Ab 1782 kehrte sich Müller unter dem Einfluss Johann Gottfried Herders von der rationalistischen Aufklärung ab und entwickelte ein providenziell-teleologisches Geschichtsbild. Er wurde Mitglied der Kasseler Société des antiquités und der Erfurter Akademie gemeinnütziger Wissenschaften. Für kurze Zeit gehörte er den Illuminaten und Rosenkreuzern an. 1783 nahm er eine Stelle als Hofmeister in Genf an und lebte 1784-1785 als Privatgelehrter in Valeyres-sous-Rances auf dem Landgut Karl Viktor von Bonstettens. Nachdem er 1785-1786 in Bern an der Akademie Vorlesungen gehalten hatte, bekam er mit Hilfe Christian Gottlob Heynes 1786 in Mainz eine Stelle als erster Bibliothekar, wurde zum Hofrat ernannt und fungierte ab 1788 als Wirklicher Geheimer Legationsrat und enger Mitarbeiter des Kurfürsten und Erzbischofs Friedrich Karl Joseph von Erthal. 1787 wurde Müller zuerst nach Rom gesandt, um die päpstliche Zustimmung zur Koadjutorwahl des Freiherrn Karl Theodor von Dalberg zu erlangen, dann in die Schweiz, um die eidgenössischen Orte für den Fürstenbund zu gewinnen. 1788-1798 trug er den Titel eines Schaffhauser Ratsherrn. 1791 wurde er von Kaiser Leopold II. geadelt. Nach dem Fall von Mainz zog Müller 1792 nach Wien, wo er 1793 zum Wirklichen Hofrat bei der Geheimen Hof- und Staatskanzlei und 1800 zum ersten Kustos der Hofbibliothek ernannt wurde. Seine diplomatische Tätigkeit führte ihn 1797 erneut in die Schweiz. 1804 siedelte er als Hofhistoriograf des Hauses Brandenburg nach Berlin über. Er fand Aufnahme in der Berliner Akademie der Wissenschaften und beteiligte sich an der Herausgabe der Werke Johann Gottfried Herders. 1807 wurde er von Napoleon I., dessen Gegner er bis 1806 gewesen war, zum Minister-Staatssekretär des Königreichs Westfalen in Kassel ernannt. Von 1808 bis zu seinem Tod versah er dort das Amt des Generaldirektors des öffentlichen Unterrichts.

1810 erschien Müllers unvollendete Universalgeschichte Vier und zwanzig Bücher Allgemeiner Geschichten besonders der Europäischen Menschheit. Als Universalhistoriker wirkte er wenig auf die Nachwelt, während seine farbige Schilderung der mittelalterlichen Geschichte der Eidgenossenschaft (5 Teile, 1786-1808, ins Französische übersetzt von Charles Monnard) und sein Festhalten an der Befreiungstradition die historische Forschung im 19. Jahrhundert und die populäre Wahrnehmung der Schweizer Geschichte stark beeinflussten. Als Staatsmann und produktiver Publizist bemühte er sich um die Gleichgewichtsidee und den Föderalismus in der Schweiz, im Reich und in Europa. Johannes von Müller war ein Förderer junger Wissenschaftler sowie ein bedeutender Briefschreiber und Rezensent mit einem weltweiten Freundeskreis. Als Intellektueller, Kosmopolit und sprachmächtiger homme de lettres faszinierte er Historiker, Literaturwissenschaftler und Künstler des 19. und 20. Jahrhunderts.

Quellen und Literatur

  • Müller, Johann Georg (Hg.): Johannes von Müller. Sämmtliche Werke, 27 Bde., 1810-1819 (21831-1835).
  • Haug, Eduard (Hg.): Der Briefwechsel der Brüder Johann Georg Müller und Johannes von Müller 1789-1809, 1893.
  • Walser-Wilhelm, Doris; Walser-Wilhelm, Peter (Hg.): Bonstettiana. Briefkorrespondenzen Karl Viktor von Bonstettens und seines Kreises 1753-1832. Historisch-kritische Ausgabe, 14 Bde., 1996-2011.
  • Weibel, André (Hg.): Johannes von Müller, Johann Georg Müller. Briefwechsel und Familienbriefe 1766-1789, 6 Bde., 2009-2011.
  • Stadtbibliothek Schaffhausen, Schaffhausen, Nachlass Johannes von Müller (Verzeichnis von Karl Henking, 1903).
  • Henking, Karl: Johannes von Müller, 1752-1809, 2 Bde., 1909-1928.
  • Schaffhauser Beiträge zur vaterländischen Geschichte, 29, 1952. Online: e-periodica, konsultiert am 21.1.2020 (Themenheft zu Johannes von Müller).
  • Schib, Karl: Johannes von Müller, 1752-1809, 1967.
  • Pape, Matthias: Johannes von Müller. Seine geistige und politische Umwelt in Wien und Berlin, 1793-1806, 1989.
  • Berlinger Konqui, Marianne; Walser-Wilhelm, Doris; Walser-Wilhelm, Peter (Hg.): Geschichtsschreibung zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Umkreis Johannes von Müllers und des Groupe de Coppet, 2004.
Weblinks
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Kurzinformationen
Variante(n)
Jean de Müller
Jean de Muller
Johannes Müller
Lebensdaten ∗︎ 3.1.1752 ✝︎ 29.5.1809

Zitiervorschlag

André Weibel: "Müller, Johannes von", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.03.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016568/2020-03-09/, konsultiert am 28.03.2024.