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BlaiseCendrars

Blaise Cendrars während einer Autogrammstunde in Lausanne im Oktober 1955. Fotografie von Roland Schlaefli (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Actualités suisses Lausanne).
Blaise Cendrars während einer Autogrammstunde in Lausanne im Oktober 1955. Fotografie von Roland Schlaefli (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Actualités suisses Lausanne).

1.9.1887 La Chaux-de-Fonds, 21.1.1961 Paris, von Sigriswil. Sohn des Georges Frédéric Sauser, Kaufmanns, und der Marie-Louise geborene Dorner. Bruder des Georges Sauser. 1) 1915 Félicie Poznanska (Scheidung 1937), 2) 1949 Raymone Duchâteau, Schauspielerin. Den Wohnortswechseln seiner Familie folgend, ging Frédéric Louis Sauser in Neapel, Basel und Neuenburg (Höhere Handelsschule) zur Schule. 1905-1907 arbeitete er in St. Petersburg als Handelskorrespondent bei einem Schweizer Juwelier. Bei seiner Rückkehr in die Schweiz schrieb er sich an der Universität Bern ein (medizinische, dann geisteswissenschaftliche Fakultät), ohne jedoch seine Studien abzuschliessen. Im Juni 1911 kehrte er nach Russland zurück, im November desselben Jahres überquerte er den Atlantik. Unter dem Pseudonym Blaise Cendrars schrieb er 1912 in New York sein erstes grosses Gedicht Les Pâques (im Jahr 1917 umbenannt in Les Pâques à New York; deutsch Poesie – Ostern in New York, 1962), dessen Avantgardismus Guillaume Apollinaire beeindruckte (Französischsprachige Literatur). Wieder in Paris, verfasste er mit Sonia Delaunay-Terk das «erste Simultanbuch» sowie Prosa vom Transsibirienexpress und von der kleinen Jehanne de France (deutsch 1962, 1998, französisch 1913). Cendrars schrieb Panama oder die Abenteuer meiner sieben Onkel und die meisten der Neunzehn elastischen Gedichte (deutsch beide 1962), bevor er als Freiwilliger gleich nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs an die Front eilte. Eine am 28. September 1915 bei der Ferme de Navarin erlittene Verletzung kostete ihn seinen rechten Arm. Es folgten Zeiten der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Im Sommer 1917 durchlief er wieder eine äusserst schöpferische Phase, die in einer Reihe schwer einzuordnender Texte ihren Ausdruck fand, unter anderen L'Eubage aux antipodes de l'unité, La Fin du monde filmée par l'Ange N.-D., Profond aujourd'hui.

Cendrars wurde so als «linkshändiger Schriftsteller» wiedergeboren. Er brach mit der offiziellen Dichtung und traf am 26. Oktober 1917 Raymone Duchâteau, mit der ihn zeitlebens eine mystische Liebe verbinden sollte. Seine Anthologie nègre (1921) ging in die Literaturgeschichte ein. Cendrars lichteste Schaffensphasen standen im Zeichen der Filmkunst: Er war Assistent von Abel Gance, dann drehte er in den Rinascimento-Studios in Rom. Während einer ersten Brasilienreise im Jahre 1924 schloss er Freundschaft mit den Modernisten, die er nachhaltig beeinflussen sollte. Gold. Die fabelhafte Geschichte des Generals Johann August Suter (John Sutter), 1925 publiziert (deutsch 1925), wurde ein grosser Publikumserfolg. Bereits im Jahr 1926 erschien der Roman in den Vereinigten Staaten und in der Sowjetunion in englischer resp. russischer Übersetzung. Moravagine (deutsch 1928, französisch 1926) sowie Dan Yack (deutsch 1963, französisch zweiteilig 1929), Werke, die in Cendrars lange heranreiften, festigten seinen Ruf als Romancier. Nach Une nuit dans la forêt (1929) war Gleitflug (deutsch 1976, französisch 1932) eine weitere Etappe des umfassenden Projekts einer nicht chronologischen Autobiografie. Grosse Reportagen und «wahre Geschichten», mit denen der Schriftsteller an seiner Legende vom gefahrvoll lebenden Mann der Tat strickte, hinderten ihn jedoch daran, dieses Vorhaben zu Ende zu bringen. Im Zweiten Weltkrieg trat Cendrars als Kriegskorrespondent in die Dienste des britischen Generalhauptquartiers in Frankreich. Nach der Niederlage Frankreichs zog er sich nach Aix-en-Provence zurück und brach sein Schweigen erst wieder 1943, ähnlich wie im Jahr 1917, um sein Meisterwerk Die Signatur des Feuers (deutsch 1964, 2000, französisch 1945) zu schreiben; es folgten die drei weiteren Bände seiner autobiografischen Tetralogie, Die rote Lilie (deutsch 2002, französisch 1946), Auf allen Meeren (deutsch 1964, 1998, französisch 1948) und Rhapsodie der Nacht (deutsch 1980, 1982, 2008, französisch 1949), die eine Gesamtschau seines geistigen Ringens und damit die Krönung von Cendrars Werk darstellt. In ihr fliessen alle Etappen und Irrfahrten eines aussergewöhnlichen Lebens zusammen; in ihr findet des Schriftstellers dichterisches Streben seine Vollendung. Dem Roman Madame Thérèse (deutsch 1968, französisch 1956) folgte 1957 eine letzte Anthologie mit dem Titel Trop c'est trop. Ende 1958 überreichte André Malraux Blaise Cendrars die Cravate de commandeur de la Légion d'honneur. Im Januar 1961 erhielt er den Grossen Literaturpreis der Stadt Paris.

Quellen und Literatur

  • Cendrars, Blaise: Profond aujourd'hui. Prose par M. Blaise Cendrars, et 5 dessins de M. A. Zarraga, 1917.
  • Cendrars, Blaise: La Fin du monde filmée par l'Ange N.-D. Roman, 1919.
  • Cendrars, Blaise: Anthologie nègre, 1921.
  • Cendrars, Blaise: Gold. Die fabelhafte Geschichte des Generals Johann August Suter, 1925 (französisch 1925).
  • Cendrars, Blaise: L'Eubage aux antipodes de l'unité, 1926.
  • Cendrars, Blaise: Moravagine, 1928 (französisch 1926).
  • Cendrars, Blaise: Une nuit dans la forêt. Premier fragment d'une autobiographie, 1929.
  • Cendrars, Blaise: Trop c'est trop, 1957.
  • Cendrars, Blaise: Œuvres complètes, 9 Bde., 1960-1991.
  • Cendrars, Blaise: Poesie – Ostern in New York, 1962 (französisch 1912).
  • Cendrars, Blaise: Prosa vom Transsibirienexpress und von der kleinen Jehanne de France, 1962, 1998 (französisch 1913).
  • Cendrars, Blaise: Panama oder die Abenteuer meiner sieben Onkel, 1962 (französisch 1918).
  • Cendrars, Blaise: Neunzehn elastische Gedichte, 1962 (französisch 1919).
  • Cendrars, Blaise: Dan Yack, 1963 (französisch zweiteilig 1929).
  • Cendrars, Blaise: Die Signatur des Feuers, 1964, 2000 (französisch 1945).
  • Cendrars, Blaise: Auf allen Meeren, 1964, 1998 (französisch 1948).
  • Cendrars, Blaise: Madame Thérèse, 1968 (französisch 1956).
  • Cendrars, Blaise: Œuvres complètes, 16 Bde., 1968-1971.
  • Cendrars, Blaise: Gleitflug, 1976 (französisch 1932).
  • Cendrars, Blaise: Rhapsodie der Nacht, 1980, 1982, 2008 (französisch 1949).
  • Cendrars, Blaise: Im Hinterland des Himmels. Zu den Antipoden der Einheit, 1987 (französisch 1926).
  • Cendrars, Blaise: Die rote Lilie, 2002 (französisch 1946).
  • Bozon-Scalzitti, Yvette: Blaise Cendrars ou la passion de l'écriture, 1977.
  • Flückiger, Jean-Carlo: Au cœur du texte. Essai sur Blaise Cendrars, 1977.
  • Michaud, Marius: Catalogue du Fonds Blaise Cendrars, 1989.
  • Jaton, Anne-Marie: Blaise Cendrars, 1991.
  • Leroy, Claude: «L'or» de Blaise Cendrars, 1991.
  • Cendrars, Miriam: Blaise Cendrars, 1993.
  • Leroy, Claude: La main de Cendrars, 1996.
  • Francillon, Roger (Hg.): Histoire de la littérature en Suisse romande, Bd. 2, 1997, S. 491-511.
Weblinks
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Kurzinformationen
Variante(n)
Frédéric Louis Sauser (Geburtsname)
Lebensdaten ∗︎ 1.9.1887 ✝︎ 21.1.1961

Zitiervorschlag

Jean-Carlo Flückiger: "Cendrars, Blaise", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.07.2022, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016055/2022-07-12/, konsultiert am 28.03.2024.