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Elgg

Politische Gemeinde des Kantons Zürich, Bezirk Winterthur, mittelalterliche Stadt am Oberlauf der Eulach und bis 1798 Gerichtsherrschaft. Elgg umfasst das gleichnamige Städtchen und seit 2018 auch Hofstetten (ZH). 760/763 Ailaghoga, 1166 Elgoue, 1370 Elggaw. 1467 ca. 440 Einwohner (damalige Kirchgemeinde); 1634 1018; 1792 2103; 1836 1038 Einwohner (politische Gemeinde); 1850 1182; 1900 1420; 1950 2184; 2000 3593; 2010 3937; 2018 4903.

Elgg: Situationskarte 2019 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2019 HLS.
Elgg: Situationskarte 2019 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2019 HLS.

Einzelne Gräberfunde aus der späteren Bronze- und Eisenzeit deuten auf eine Besiedlung der Talfläche im 1. Jahrtausend v.Chr. Im nordöstlichen Teil des Städtchens bestand eine römische Siedlung. Im Ettenbühl wurde eine frühmittelalterliche Nekropole mit rund 330 Gräbern entdeckt, die eine Siedlungskontinuität von der Spätantike bis ins Frühmittelalter nahelegt. Das Gräberfeld umfasst romanisch und fränkisch geprägte Bestattungen der gewöhnlichen Bevölkerung (ca. 530-700) sowie Gräber der merowingischen Oberschicht (ca. 550-600).

Durch Schenkungen und Käufe kam das Kloster St. Gallen von 760 bis ins 10. Jahrhundert zu einem umfangreichen Güterkomplex, zu dem neben dem Siedlungsmittelpunkt Elgg auch die Höfe in Guwil, Hofstetten (ZH), Dickbuch, Schottikon und Schneit gehörten. Als sankt-gallische Dienstleute sind 1166-1287 die Herren von Elgg belegt, deren Burg über dem Steilhang südlich des Städtchens stand. 1289 gab Abt Konrad von Gundelfingen die Herrschaft Elgg den Habsburgern zu Lehen. 1370 verliehen die Herzöge Albrecht und Leopold dem Ort das Markt-, 1371 das Stadtrecht. 1379 erhielt Elgg von König Wenzel einen Freiheitsbrief. Die Stadt musste ihre Rechte gegen die Besitzer des Niedergerichts auf der Burg wiederholt verteidigen, bis die Gerichtsordnung in der Offnung von 1532 und im Herrschaftsrecht von 1535 festgeschrieben wurde. Elgg erhielt eine städtische Verwaltung mit Grossem und Kleinem Rat; die Privilegien auf Markt, Zoll, Handwerk und Gewerbe wurden bestätigt.

«Marktflecken Elgg samt dem Schloss, St. Notkers Geburtshaus im Zürichgebiet». Federzeichnung von Jacques Keller, Sekundarschüler, 26. Juni 1891 (Heimatmuseum Elgg).
«Marktflecken Elgg samt dem Schloss, St. Notkers Geburtshaus im Zürichgebiet». Federzeichnung von Jacques Keller, Sekundarschüler, 26. Juni 1891 (Heimatmuseum Elgg). […]

Nach der Stadtrechtsverleihung 1371 entstand eine durch Graben und Palisaden gesicherte quadratische Anlage mit geschlossenen Häuserzeilen und Stadttoren. Einschränkende Bestimmungen verhinderten eine Ausdehnung; 1382 zählte das Städtchen 130, 1532 119 und 1804 133 Hofstätten. Das Hochgericht gelangte mit der Grafschaft Kyburg 1424 vorläufig und 1452 definitiv an Zürich, das Elgg bis 1798 dem Enneramt der Landvogtei Kyburg anschloss. Burg und Niedergericht kamen 1442 von den Habsburgern an die Herren von Hinwil; 1576 kaufte sie der Zürcher Hans Heinrich Lochmann, der die Burg zum Schloss ausbauen liess. 1712 erwarb Hans Felix Werdmüller die Herrschaft. 1798 verzichtete die Familie Werdmüller auf die Ausübung des Niedergerichts; das Schloss und das darin aufbewahrte Familienerbe blieben dank des 1715 gegründeten Fideikommisses erhalten. 1798 entstanden im Pfarreigebiet die politischen Gemeinden Elgg und Hofstetten. Teile des alten Pfarrsprengels wurden damals auch Hagenbuch und Bertschikon zugewiesen. In der Helvetik wurde Elgg Distriktshauptort, seit 1803 gehört es zum Bezirk und Oberamt Winterthur. 1829 und 1832 bildeten sich die Zivilgemeinden Elgg und Heurüti; Letztere wurde 1886 aufgelöst.

Luftaufnahme von Elgg von Süden, 1972 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Eidgenössisches Archiv für Denkmalpflege, Archiv Stuart Morgan).
Luftaufnahme von Elgg von Süden, 1972 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Eidgenössisches Archiv für Denkmalpflege, Archiv Stuart Morgan). […]

Die St. Georgskirche, die heutige reformierte Pfarrkirche, steht über spätrömischen Mauerresten. Die archäologischen Untersuchungen ergaben mindestens drei Vorgängerbauten, die in das 8. Jahrhundert, in die Zeit um 1000 und nach 1370 zu datieren sind. Die 1508-1516 neu erstellte Anlage war der bedeutendste spätgotische Sakralbau der Zürcher Landschaft; die Wandmalereien im Chor wurden mit Ausnahme derjenigen an der Nordwand, die auf die Bauphase nach 1370 zurückgehen, 1512-1514 geschaffen. Den Kirchensatz besass das Kloster St. Gallen, das ihn 1346 an die Freiherren von Bonstetten verkaufte. 1409 ging er an die Stadt Rapperswil, 1537 an Zürich. Der umfangreiche Pfarrsprengel umfasste ursprünglich ausser Elgg auch Hofstetten und Schottikon, Teile von Bertschikon und Hagenbuch sowie die thurgauischen Dörfer Ettenhausen, Guntershausen, Iltishausen und Tänikon. 1257 löste sich die Filialkapelle Tänikon von Elgg. Nach der 1524 von Zürich gegen erhebliche Widerstände durchgesetzten Reformation trennten sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts die rekatholisierten Thurgauer Dörfer von Elgg. 1889 und 1974 wechselten die bisher zur reformierten Kirchgemeinde Aadorf-Aawangen gehörenden Teile von Hagenbuch zur Kirchgemeinde Elgg, während Schottikon 1922 Elsau zugeteilt wurde. 1982 wurde die neue katholische Kirche St. Georg errichtet.

Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit entwickelte sich Elgg zu einem kleinen Markt- und Gewerbezentrum mit städtischem Handwerk, auch wenn eine Zunftordnung nur ansatzweise feststellbar ist. Von Wochen- und Jahrmarkt sowie der günstigen Verkehrslage an der Landstrasse Winterthur-Wil profitierten seit dem Mittelalter drei Tavernen. Im 15. und 16. Jahrhundert blühten Leinenfabrikation und Leinenhandel. Neben Bauhandwerkern, Goldschmieden und Uhrmachern traten im 17. und 18. Jahrhundert die Hafner (v.a. die Dynastie Spiller), im 18. Jahrhundert die Kammmacher und Zinngiesser hervor. Bis 1798 sank der Anteil der reinen Bauernhaushalte im Städtchen auf unter 30%. Von ca. 1763 bis 1837 wurde am Schneitberg Braunkohle abgebaut, die der Stahl- und Steingutfabrikation sowie dem Betrieb einer Glashütte diente. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts siedelten sich zögerlich einige industrielle Unternehmen an, so 1826 eine mechanische Werkstätte und 1840 eine Kartonfabrik. 1872 wurde eine Grossstickerei eröffnet, die später in eine Schuhfabrik umgewandelt wurde; 1899 und 1919 folgten zwei kleinere Stickereien. Drei Brandkatastrophen, eine 1870 und zwei 1876, zerstörten nahezu die Hälfte des Städtchens. Der Wiederaufbau respektierte die ringartige Bebauungsstruktur, brach jedoch mit der geschlossenen Bauweise. Nach dem Anschluss an die Bahnstrecke Winterthur-Wil (1855), der Kanalisation der Eulach (1877-1914) und der neuen Führung der Hauptstrasse (1912) verlagerte sich die Siedlungsentwicklung in die flache Talsohle. 1907 erfolgte der Bau einer Grossweberei in der neuen Industriezone beim Bahnhof. Aufgrund des kontinuierlichen Bevölkerungswachstums nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden nördlich der Bahn und südwestlich des Stadtkerns neue Einfamilienhaus-Quartiere. Ab den 1960er Jahren baute Paul Weier, Champion im Springreiten, in Elgg ein Reitsportzentrum auf. Die Schliessungen der Ofenbaufabrik Mantel und der Metallbaufirma Geilinger führten in den 1990er Jahren zu bedeutenden Arbeitsplatzverlusten. 2000 bestanden in Elgg 1249 Arbeitsplätze, davon ein Drittel im 2. Sektor und die Hälfte im 3. Sektor. 2002 verlagerte die Schuhfabrik Elgg ihre Produktion ins Ausland.

Quellen und Literatur

  • K. Hauser, Geschichte der Stadt, Herrschaft und Gemeinde Elgg, 1895
  • K. Mietlich, Geschichte der Herrschaft, Stadt und Gemeinde Elgg, 1946
  • H.-M. Gubler, Der Bezirk Winterthur. Südlicher Teil, 1986, S. 282-416 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, 7)
  • R. Windler, Das Gräberfeld von Elgg und die Besiedlung der Nordostschweiz im 5.-7. Jahrhundert, 1994
Weblinks
Normdateien
GND
Kurzinformationen
Ersterwähnung(en)
760/763: Ailaghoga
1166: Elgoue
1370: Elggaw

Zitiervorschlag

Ueli Müller: "Elgg", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.10.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000144/2020-10-05/, konsultiert am 29.03.2024.