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Bäckerei

Als Bäckerei gilt ein Betrieb zur Herstellung von Broten, Klein- und Feingebäck; der ehemalige Handwerksbetrieb arbeitet heute wie die Brotfabrik weitgehend maschinell. Die Bäckerei (Pfisterei) gehörte bis ins 19. Jahrhundert zu den Ehaften. Da Brotbacken im hofeigenen oder kommunalen Backhaus (Ofenhaus) einst Sache des bäuerlichen Haushalts war, gab es Bäckereien lange nur in Städten, Flecken oder Klöstern. In den Städten der Deutschschweiz, nicht aber in der West- und Südschweiz, waren die Bäcker vom Spätmittelalter an in Zünften organisiert und Bäckerei daher wie andere Handwerke zünftischen Norm unterworfen, so in der Ausbildung mit zweijähriger Lehre, Gesellenwanderung und Meisterzwang. Ähnliche Normen begannen 1628 in Genf zu gelten, als sich die städtischen Bäcker auf obrigkeitliches Diktat zu einer Zunft zusammenschlossen. Wie die Lebensmittelbranche allgemein unterstand die Bäckerei der Aufsicht und Gesetzgebung des städtischen Rats bzw. auf dem Land des Grundherrn, ab dem 16. Jahrhundert zusehends jener des Landesherrn. Als Ehafte hatte die Bäckerei ihr rechtlich gesichertes Absatzgebiet mit Alleinverkauf und Konkurrenzschutz. Das Bäckereirecht lag stets auf einem Haus und konnte auf diesem selbst nach Betriebsaufgabe noch längere Zeit bestehen bleiben. In den deutschschweizerischen Städten waren Produktions- und Verkaufsstätten getrennt: Gebacken wurde im eigenen Haus, verkauft aber auf der Brotbank der öffentlichen Markthalle (Brotschal, Brotlaube). Mit der Privilegierung verband sich die Pflicht zum Dienst an der Öffentlichkeit: Bäcker waren nach geltender Ordnung verpflichtet, wöchentlich drei- bis fünfmal Weiss- und Schwarzbrot zu backen. Bei fehlendem Angebot wurde das ganze Handwerk bestraft. Brotschauer kontrollierten die Qualität, büssten und konfiszierten bei Mängeln. Die Obrigkeit bestimmte das Brotgewicht, das bei festen Preisen mit dem Getreidepreis zu- oder abnahm. Das regional unterschiedliche Angebot umfasste Brote aus verschiedenen Mehlsorten und von unterschiedlicher Form (Laibe, Ringe) sowie Kleingebäck (Weggen, Züpfen, Bretzeln, Mütschli).

In den Städten war die Brotversorgung überschau- und regulierbar. Auf dem Land dagegen mit vorwiegender Selbstversorgung gab es nur in grösseren Orten Bäckereien, die ihr Monopol in weitem Umkreis gegen unerlaubt backende Wirte und Müller, vom ausgehenden 16. Jahrhundert an auch gegen wilde Bäckereien verteidigen mussten, die für die wachsende Gruppe der Tauner, Handwerker und Heimarbeiter ohne eigenes Getreide grosse Brotlaibe billiger backten. Die "Taunerbäcker" trugen ihre Brote selbst zu den Kunden oder übergaben sie Brothändlern, die sie sogar an Orten mit Bäckereien verkauften. Die Obrigkeiten des 17. und 18. Jahrhunderts schützten die ehaften Bäckereien insofern, als sie neue Bäckereirechte nur sparsam gewährten und etwa vom Einkauf in die Stadtzunft abhängig machten (Zürich), im Übrigen aber Brotbacken ohne Privileg zur Versorgung der armen Landbevölkerung duldeten. In der Stadt unterschied man zwischen "Feilbäckern", die für den Markt produzierten, und "Hausbäckern", die mit Mehl oder Teig der Kunden um Lohn backten. Im 16. und 17. Jahrhundert verselbstständigten sich Berufszweige wie Pasteten-, Lebkuchen-, Hüp(p)en- und Tirggelbäcker, teils mit eigenen Meisterschaften. Im 18. Jahrhundert fand man diese Spezialisten ohne obrigkeitliche Erlaubnis auch auf dem Land.

Der Dorfofen von Kippel im Lötschental. Fotografie von Emile Dunand, August 1906 (Mediathek Wallis, Martigny).
Der Dorfofen von Kippel im Lötschental. Fotografie von Emile Dunand, August 1906 (Mediathek Wallis, Martigny). […]

Im 19. Jahrhundert wurde die Bäckerei der Lebensmittelinspektion der Kantone unterstellt. Bei allgemeiner Brottaxierung bestanden Ehaften in einzelnen Kantonen noch bis zur Verfassungsrevision von 1874, als infolge der allgemeinen Gewerbefreiheit die Oberaufsicht an den Bund überging (Lebensmittelgesetz von 1906). Während beider Weltkriege war die Bäckerei kriegswirtschaftlicher Brotrationierung unterworfen. Seit dem Wegfall der Brotgetreidesubventionen (Teilrevision des Getreidegesetzes 1980) gelten zwar Höchstpreise für Normalbrot, sonst aber werden die Preise und die Vielfalt an Broten durch den Wettbewerb diktiert.

In der lange Zeit handwerklich-kleinbetrieblichen Bäckerei lösten nach 1850 aussenbeheizte Backöfen allmählich die mit Holz innenbeheizten Steinöfen ab. Um 1900 lief die maschinelle Brotherstellung an (u.a. Knet-, Teigteilmaschinen); Brotfabriken entstanden. Neben dem Bäcker etablierte sich der Konditor. Mit der Abnahme privaten Backens nach 1900 stieg die Zahl der Bäckereien und vor allem der gemischtbetrieblichen Bäckerei-Konditoreien, teils mit Nebenbetrieben (Café, Tea Room, Lebensmittelgeschäft). Mit dem Wachstum der Grossverteiler sank nach 1950 die Zahl der Bäckereibetriebe markant (1955 8553 Betriebe; 1965 6800; 1975 5007; 1985 4458; 1995 3955; 2005 2425). Noch überwiegt der Klein- oder Mittelbetrieb mit 1-9 Beschäftigten (1955 98%; 1975 89%; 1995 88%; 2005 72% der Betriebe). Die schweizerisch reglementierte Berufslehre dauert für Bäcker zwei, für Bäckerei-Konditoren drei Jahre. Der 1885 gegründete Schweizerische Bäcker-Konditorenmeister-Verband vertritt die Interessen von 75 Sektionen und Kantonalverbänden sowie 3000 Mitgliedern (2008).

Quellen und Literatur

  • HSVw
  • Das Gewerbe in der Schweiz, 1979, 134 f.
  • A.-M. Dubler, Handwerk, Gewerbe und Zunft in Stadt und Landschaft Luzern, 1982, 300-304
  • Schweizer B., 1983
  • L. Wiedmer, Pain quotidien et pain de disette, 1993
  • Panissimo, 1997-
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Bäckerei", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 16.04.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013994/2009-04-16/, konsultiert am 17.04.2024.