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Wappen

Ritterturnier am Anfang des 14. Jahrhunderts. Miniatur aus der Manessischen Liederhandschrift (Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, Fol. 52r).
Ritterturnier am Anfang des 14. Jahrhunderts. Miniatur aus der Manessischen Liederhandschrift (Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, Fol. 52r). […]

Wappen sind beständige, schildförmige und farbige Repräsentationszeichen einer Person, Familie, Körperschaft oder Institution. Sie sind im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts als Unterscheidungsmerkmale der durch ihre Rüstung unkenntlich gewordenen Ritter entstanden und wurden allgemein verbreitet durch die Kreuzzüge, wo sie als Ordnungs- und Erkennungszeichen notwendig waren und nach arabischen Vorbildern weiterentwickelt wurden. Darum wurde Grün als Farbe des Propheten Mohammed in den abendländischen Wappen vermieden, ausser für die Darstellung von Pflanzen und der ländlichen Dreiberge. Als vornehmste Wappenfarben gelten die Metalle Gold und Silber (gelb und weiss), welche nicht aufeinanderliegen dürfen. Die übrigen sind Rot (häufigste), Blau und Schwarz. Inhaltlich ergeben sich die sogenannten Heroldsbilder aus den Teilungen des Schildes ― zum Beispiel senkrecht (gespalten) wie beim Luzerner, waagrecht (geteilt) wie beim Freiburger, schräg geteilt wie beim Zürcher Wappen ― oder Figuren wie Himmelskörper, Tiere, Pflanzen, Fabelwesen und Artefakte.

Unter den Tieren galt der Adler als das älteste und vornehmste, weil einzig er gegen die Sonne fliegen könne. Darum wurde er für das Römische Reich übernommen. Häufigstes Wappenzeichen war der Löwe. Unter den Pflanzen waren Lilie und Rose, beide stilisiert, am beliebtesten. Ursprünglich auf dem Schild, von dem sie die Form behielten (weshalb die Wappenseite aus Träger- und nicht aus Betrachtersicht bezeichnet wird), wurden die Wappen bald auch auf dem Waffenkleid und auf Fahnen angebracht.

Urner Banner. Ausschnitt aus der Schweizer Chronik von Christoph Silberysen, 1576 (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 1, S. 230; e-codices).
Urner Banner. Ausschnitt aus der Schweizer Chronik von Christoph Silberysen, 1576 (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 1, S. 230; e-codices).

Wie in den umgebenden Ländern wählte auch im Gebiet der Schweiz der Adlige sein Wappen selbst. Vom 12. Jahrhundert an wurden Wappen auch auf Siegeln als Beglaubigungszeichen angebracht. So nahmen sich ausser dem Adel kirchliche Institutionen (Bistümer, Klöster, Stifte usw.) Wappen, ferner nach Autonomie strebende Körperschaften wie Zünfte, Städte und Länderorte. Diese übernahmen oft Wappen ihrer Herrschaft, so den Stab des Bischofs von Basel (z.B. die Stadt Basel, später die Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Jura), die Löwen der Kyburger (z.B. Thurgau, Winterthur, Diessenhofen) oder den österreichischen Bindenschild (z.B. Zug). Andere sind von Kirchenpatronen herzuleiten (Fridolin für Glarus, Schlüssel Petri für Ob- und Nidwalden). Wieder andere wählten sich redende Wappen zum Namen wie Bern (Bär), Schaffhausen (Schafbock) oder das Kloster Muri (Mauer). Die Zünfte nahmen mit Vorliebe Gegenstände oder Tiere aus ihren Handwerken in ihre Wappen. Vom Ende des 12. Jahrhunderts an setzten Adlige und Fürsten Diener ein, welche beim Turnier ordnend einzugreifen hatten, deshalb die Wappen kennen mussten und Wappenregister anlegten. Vom 14. Jahrhundert an wurden diese Amtsträger Herolde genannt. Aus ihrem Amtsnamen entwickelte sich die Bezeichnung Heraldik für die wissenschaftliche Wappenkunde.

Ausser dem Schild wurde im 13. Jahrhundert der Helm in seinen zeitlichen Erscheinungsformen mit Helmdecke und Helmzier (Zimier) zum Bestandteil des Vollwappens. Geistliche Personen und Institutionen verwendeten statt des Helms die Kopfbedeckung (Mitra, Quastenhut) und den Stab ihres Rangs im Oberwappen. Die Verbindung von Familien oder Herrschaften drückte man aus, indem man die betreffenden Wappeninhalte in einem Schild vereinigte bzw. quadrierte.

1260-1264 verfasste der Zürcher Kantor Konrad von Mure mit dem «Clipearius Teutonicorum» die älteste Wappenbeschreibung im deutschsprachigen Raum (73 Wappen des deutschen Hochadels). Aus der Übung, bei festlichen Anlässen die Wappenschilde der Gäste aufzuhängen, wurden Wappen dekorativ an Decken und Wände gemalt. Erhalten sind zum Beispiel die Wappen an den Balken über dem Kaminhut im Caminata-Haus auf Valeria bei Sitten (wohl 1224), die Balkendecken mit Adelswappen aus der jeweiligen Region im Schönen Haus zu Basel (letztes Drittel des 13. Jahrhunderts) sowie in Zürich Wappenbalken aus dem Haus zum Loch (1306) und Wappenfriese im Haus zum langen Keller (um 1300). Einzigartig ist der Fries von ursprünglich 80 hochadligen Wappen, hauptsächlich aus dem süddeutschen-schweizerischen Raum, mit hebräischer Beschriftung im Haus Brunngasse 8 in Zürich (erste Hälfte 14. Jahrhundert). Aus derselben Zeit stammen die bedeutendsten mittelalterlichen Wappensammlungen: Die Wappenrolle von Zürich ist um 1340 wohl in Konstanz, St. Gallen oder Pfäfers entstanden. Diese wichtigste Wappensammlung des Mittelalters enthält auf einem 4 m langen (aus 13 Stücken zusammengenähten) und ca. 12,5 cm breiten Pergamentstreifen 559 Wappen des hohen und niederen Adels, besonders aus dem Süden des Reichs, sowie 28 Banner deutscher Bistümer. Ebenfalls zahlreiche Wappen enthalten die Manessische Handschrift und die Weingartner Liederhandschrift. Zahlreiche jüngere Wappenbücher finden sich in kantonalen und städtischen Archiven, Bibliotheken und Museen.

Im Zug der Autonomiebestrebungen versahen sich in der alten Eidgenossenschaft schon im Spätmittelalter auch Bürger und Bauern mit Wappen. Sie übernahmen selbst den Helm, wählten aber für den Inhalt häufig Haus- und Handwerkszeichen oder Gebrauchsgegenstände. Als älteste Sammlung schweizerischer Bürgerwappen gilt das «Wappenbüchlein der Pfisterzunft zu Luzern» (1408). Bald wurden die Wappen in der Schweiz zum Hauptelement der kommunalen, korporativen und privaten Selbstdarstellung, wobei oft eine Mauerkrone die Städtewappen zierte. Die italienischen Republiken nachahmend, führte Bern zudem den Herzogshut im Oberwappen. Die Wappen der erworbenen Gebiete schmücken seit dem 15. Jahrhundert das Deckengewölbe der kleinen Ratsstube (heute Regierungsratssaal) im Berner Rathaus, während im Basler Rathaus die Wappen der eidgenössischen Bundesgenossen aussen und innen mehrmals angebracht wurden.

Mit der Verbreitung der Fensterverglasung im 15. Jahrhundert kamen die Wappenscheiben (Kabinettscheiben) auf. Auf diesen wurden den Stifterwappen mit ihren Wappenhaltern oft religiöse, mythologische oder historische Szenen beigegeben. Die Wappen der eidgenössischen Orte wurden gewöhnlich doppelt (gegengleich) unter dem Reichsadler als Wappenpyramide gruppiert. Nach der Loslösung vom Reich 1648 verschwand der Reichsadler allmählich, zum Teil erst im 18. Jahrhundert.

Zunftscheibe mit dem Monatsbild März der Zürcher Zunft zur Schmiden, angefertigt von Josias Murer, 1605 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich).
Zunftscheibe mit dem Monatsbild März der Zürcher Zunft zur Schmiden, angefertigt von Josias Murer, 1605 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich). […]

Schon im 15. Jahrhundert wurde es in der Schweiz Sitte, dass Städte, Klöster, Zünfte, Schützengesellschaften und Private Fenster mit Wappenscheiben zur Ausstattung neu errichteter Rat-, Zunft- und Schützenhäuser, Kirchen, Kapellen, Klöster und Schlösser schenkten. Diese Sitte bewirkte eine besondere Blüte der schweizerischen Glasmalerei. Im Basler Rathaus oder im ehemaligen Kloster Wettingen sind solche Fensterreihen noch in ursprünglicher Lage erhalten. In Anlehnung an die grossen Münzen liessen sich die regierenden eidgenössischen Orte sogenannte Ämterscheiben anfertigen, auf denen die Wappen ihrer Vogteien und Ämter meist kreisförmig um die Wappenpyramide herum angeordnet wurden. Ebenfalls kreisförmig sind die sogenannten Wappenrosen; jene von Hans Bildstein von 1651 hängt noch im grossen Appenzeller Ratssaal. Um eine Gerichtsszene angeordnet sind die Fahnen der Rhoden und die Wappen der damals regierenden Ratsherren. Eine ganze Reihe solcher Wappenrosen der Solothurner Zünfte vom 16. bis 19. Jahrhundert hütet das Historische Museum Blumenstein in Solothurn.

Die ausnehmende Beliebtheit der Wappen in der Schweiz zeigt sich auch in den Schilten, d.h. den Wappen als Farbzeichen auf den deutschschweizerischen Spielkarten. Diese Kartenbilder entstanden um die Mitte des 15. Jahrhunderts in Basel und waren einst in der gesamten Eidgenossenschaft verbreitet, ehe sie im 18. Jahrhundert durch die französischen Farbzeichen nach Osten zurückgedrängt wurden. Obschon in der alten Eidgenossenschaft stets Wappenfreiheit herrschte, liessen sich Jungadlige gerne durch ausländische Monarchen gegen teures Geld Wappen verleihen, bestätigen oder aufbessern.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts nahm die Wappenfreudigkeit allmählich etwas ab, doch behielten die Wappen ihren Stellenwert auch während der Revolutionszeit. Das vorher verpönte Grün wurde nun als Farbe der Freiheit bevorzugt und in die Wappen der neuen Kantone Waadt, Neuenburg, St. Gallen und Thurgau aufgenommen (im Letzteren kombiniert mit den kyburgischen Löwen, jedoch heraldisch unkorrekt Gold auf Silber). Die alten Kantone mit gleichnamigem Hauptort (sowie Obwalden und Sarnen) teilen das Wappen mit diesem, mit Ausnahme von Freiburg und Schaffhausen. In den übrigen alten und in allen neuen Kantonen, ausser Genf, führen der Hauptort und der Stand verschiedene Wappen. Im 19. und 20. Jahrhundert versahen sich die bisher wappenlosen alten und die zahlreichen neu entstandenen Gemeinden mit Wappen, sodass 1939 jede Schweizer Gemeinde mit ihrem Wappen an der Landi vertreten war. Die alte Eidgenossenschaft besass kein gemeinsames Wappen, da jeder Kanton souverän war. Das Schweizerkreuz wurde erst 1815 zum Schweizer Wappen.

Stammbaum der Familie Effinger, 1816 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich).
Stammbaum der Familie Effinger, 1816 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich). […]

Heraldik wird in Europa, ausgehend von Frankreich und insbesondere geprägt durch die grundlegenden Arbeiten von Philipp Jacob Spener in Strassburg, seit dem 17. Jahrhundert als Lehrfach unterrichtet. Gefördert durch die Mittelalterbegeisterung der Romantik wurde sie in der Schweiz im 19. Jahrhundert zur Wissenschaft ausgebaut. Ihre besondere Pflege begann 1860 mit der Faksimile-Publikation der Zürcher Wappenrolle durch die Antiquarische Gesellschaft Zürich. 1887 begründete der Neuenburger Maurice Tripet die Zeitschrift «Archives héraldiques et sigillographiques Suisses» (später «Archives héraldiques suisses»), die zum Keim der 1891 gegründeten Schweizerischen Heraldischen Gesellschaft und 1892 zu deren Organ wurde, seit 1897 mit dem deutschen Paralleltitel «Schweizer Archiv für Heraldik». 1954-1987 publizierte die Schweizerische Heraldische Gesellschaft zudem vierteljährlich das internationale Bulletin «Archivum heraldicum». Die Heraldik befasst sich mit der Blasonierung, d.h. der fachsprachlichen Beschreibung der Wappen, mit der Geschichte und den Regeln ihres Gebrauchs, mit Entwurf und Darstellung des Wappens sowie mit dem Wappenrecht. Nach wie vor darf in der Schweiz jede Person ein Wappen führen und muss es nicht registrieren lassen. Jedoch geniesst das Wappen wie der Name den Schutz der Persönlichkeitsrechte nach Artikel 28 und 29 des Zivilgesetzbuchs (ZGB). Wappen erloschener Familien anzunehmen, ist nicht gern gesehen. An den Schweizer Universitäten wird Heraldik im Rahmen der historischen Hilfswissenschaften gelehrt.

Quellen und Literatur

  • SAHer, 1887-
  • P. Ganz, Gesch. der herald. Kunst in der Schweiz im 12. und 13. Jh., 1899
  • Die Wappenrolle von Zürich, hg. von W. Merz, F. Hegi, 1930
  • H. Hablützel, H. Hess, Monumenta heraldica Helvetiae, 1944
  • L. Mühlemann, Wappen und Fahnen der Schweiz, 1977
  • D.L. Galbreath, L. Jéquier, Hb. der Heraldik, 1989 (franz. 1942)
Weblinks

Zitiervorschlag

Peter F. Kopp: "Wappen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.12.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012809/2014-12-27/, konsultiert am 28.03.2024.