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Pratteln

Politische Gemeinde des Kantons Basel-Landschaft, Bezirk Liestal. Die Gemeinde umfasst den sternförmigen alten Dorfkern am Fuss des Adlerbergs, die in die Ebene hinauswachsenden neuen Siedlungsgebiete sowie das Industriegebiet in der Rheinebene. 1102-1103 Bratello. 1585 ca. 240 Einwohner; 1770 699; 1850 1371; 1900 2425; 1950 6863; 1980 15'751; 2000 14'904.

Der 1974 in der Hohli Gass gefundene altpaläolithische Faustkeil aus dem Früh- oder Mittel-Acheuléen (nach 450'000 v.Chr.) ist möglicherweise das älteste menschliche Artefakt in der Schweiz. Auf Blözen liess sich eine mesolithische und neolithische Freilandsiedlung nachweisen; die Vermutung einer prähistorischen Siedlung auf der Hexmatt konnte bis heute nicht bestätigt werden. Zahlreiche Funde von römischer Besiedlung im Kästeli, Rumpel und in der Stockmatt zeugen von der Nähe Augusta Rauricas, im Gebiet der Oberematt auch von der Siedlungskontinuität bis ins Mittelalter.

Blick vom Erli nach Westen zum Dorf und Schloss Pratteln. Gouache von Emanuel Büchel, 1735 (Staatsarchiv Basel-Landschaft, Liestal).
Blick vom Erli nach Westen zum Dorf und Schloss Pratteln. Gouache von Emanuel Büchel, 1735 (Staatsarchiv Basel-Landschaft, Liestal). […]

1102-1103 erscheint Pratteln als Dinghof des Klosters St. Alban in Basel; früherer Besitzer war vermutlich das Kloster Murbach, von dem die Habsburger wahrscheinlich im 13. Jahrhundert die niedere Gerichtsbarkeit und den Kirchensatz übernahmen. Die hohe Gerichtsbarkeit blieb in den Händen der Landgrafen des Sisgaus. Die Habsburger belehnten die Herren von Eptingen, welche im 14. Jahrhundert eine eigene Herrschaft aufbauen konnten. Die Burg Madeln wurde um 1270/1280 von einem Prattler Zweig der Herren von Eptingen vermutlich auf gerodetem Eigengut angelegt und beim Erdbeben von 1356 zerstört. Das ehemalige Weiherhaus (heute Schloss) wurde ebenfalls durch die Herren von Eptingen im späteren 13. Jahrhundert erbaut und nach 1356 wieder aufgebaut. 1476 bewilligte der Kaiser Hans Bernhard von Eptingen ein Marktrecht für Pratteln und damit verbunden eine Fähre über den Rhein. Um die Herrschaft der verarmten Eptinger stritten sich Solothurn und Basel. 1521-1525 erwarb Basel Schloss und Herrschaft Pratteln und schlug diese dem Amt Münchenstein zu. In der Helvetik kam Pratteln zum Distrikt Basel, 1814 zum untern Bezirk; 1832 trat das Dorf dem Kanton Basel-Landschaft bei und gehörte nun zum Bezirk Liestal.

Da Pratteln zu den sogenannten sieben freien Dörfern (Vagantes extra civitatem Basiliensem) gehörte, war es für Taufe und Hauptfeste in die St. Johannkapelle beim Basler Münster kirchgenössig. Der Pfarrei Pratteln mit der 1281 erwähnten und um 1475 erweiterten Kirche St. Leodegar wurde nach der Reformation 1534 Augst angegliedert. Im 17. und 18. Jahrhundert liessen sich verschiedene Basler Herren Landsitze und Höfe in Pratteln erbauen, unter anderem das Joeringut (heute Restaurant zum Park), Maienfels (heute Rudolf-Steiner-Schule), Hoher Rain und Talhof.

Im Bauerndorf Pratteln war der Rebbau sehr verbreitet; bereits der Bau der Bözbergbahn beanspruchte indes Rebland, 1877 verschwand die Gemeindetrotte und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde weiteres Rebareal überbaut. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde im Adler ein Steinbruch ausgebeutet (1893 Sandsteinfabrik Brodtbeck). Die Entdeckung von Salzvorkommen 1836 beim Rothaus durch Carl Christian Friederich Glenck leitete die Industrialisierung der Region ein. Die Salzfunde lieferten zudem willkommene Beiträge in die Staatskasse des jungen Kantons. 1850 wurde in Schweizerhalle ein Kurhaus mit Solbad eröffnet, das ab 1873 einen direkten Bahnanschluss erhielt; nach der Jahrhundertwende erlag das Solbad der Konkurrenz in Rheinfelden. Die Eröffnung der Linie Basel-Liestal der Schweizerischen Centralbahn 1854 und der Bözberglinie 1875, die Pratteln zu einem regionalen Bahnknotenpunkt machten, förderten die Ansiedlung weiterer Industrie- und Gewerbebetriebe. Vorherrschend war in der ersten Phase der Prattler Industrialisierung die chemische Industrie, die sich im Gebiet von Schweizerhalle ansiedelte. 1844 entstand auf dem Gelände der Saline eine chemische Fabrik, die 1862 zum Teil vom Pionier der schweizerischen Farbstoffindustrie, Ernst Karl Ferdinand Petersen, gemietet und 1868 übernommen wurde. Daraus entstand 1890 die Aktiengesellschaft Chemische Fabrik Schweizerhall, die 1987 in eine Holdinggesellschaft umgewandelt wurde. 1874 gründete Eduard Siegwart eine chemische Fabrik, die sich ab 1932 Dr. Finckh & Cie. AG nannte. 1888 wurde eine Zichorienfabrik, 1897 eine Verzinkerei, 1906 die Rohner AG (chemische Erzeugnisse) und 1907 eine Kohlensäurefabrik gegründet; 1917 entstand die Säurefabrik Schweizerhall (heute CABB). 1899 wurde der Gewerbeverein Pratteln-Schweizerhalle-Augst ins Leben gerufen. Später zogen auch Industrieunternehmen der Metallbranche und des Maschinenbaus nach Pratteln. Die Schicksale der Pneufabrik Firestone AG (1934-1978), der Henkel-Fabrik (1912-1997) sowie der Schindler Waggon AG (1945-1997, bis 2001 Adtranz, bis 2005 Bombardier) belegen die Deindustrialisierung, die von einem Ausbau des 3. Sektors (u.a. Logistik, Möbelhäuser) begleitet wurde.

1922 wurde Pratteln an das Tramnetz von Basel angeschlossen. Infolge des grossen Bevölkerungswachstums seit den 1950er Jahren entstanden in der Gemeinde verschiedene Gesamtüberbauungen, 1960 Gehrenacker Ost, 1964 Längi und Buholz. 1987 wurde der Dorfkern saniert, 1967 entstand ein Ortsmuseum. Mit dem kantonalen Spezialrichtplan Salina Raurica für die Nutzung der Rheinebene wurde Anfang des 21. Jahrhunderts ein neuer Entwicklungsschritt eingeleitet. Überwogen in den 1980er Jahren noch die Arbeitsplätze im 2. Sektor, kehrte sich das Verhältnis Anfang der 1990er Jahre um. 2008 gehörten bei insgesamt 10'495 Arbeitsplätzen in Pratteln mehr als zwei Drittel dem 3. Sektor an.

Quellen und Literatur

  • Kdm BL 2, 1974, 323-393
  • E. Honegger et al., Heimatkunde Pratteln 2003, 2003
  • J. Tauber, 2000 Jahre Pratteln, 2009
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Brigitta Strub: "Pratteln", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 01.03.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001213/2017-03-01/, konsultiert am 16.04.2024.