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Bundeskanzler

Die Bundesverfassung von 1848 übertrug dem «eidgenössischen Kanzler» die Leitung der Kanzlei des Bundesrats und des Zweikammerparlaments. Wie die Bundesräte wird der Bundeskanzler von der Vereinigten Bundesversammlung – im Unterschied zu den vom Bundesrat gewählten ein bis zwei Vizekanzlern – für eine vierjährige Amtszeit gewählt. Der Bundeskanzler führte bis 1926 die Protokolle der Sitzungen von Nationalrat und Vereinigter Bundesversammlung und besorgte die Herausgabe der «Amtlichen Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen der schweizerischen Eidgenossenschaft» sowie des «Bundesblattes», das Gesetzesmaterialien und weitere Beschlüsse der eidgenössischen Behörden enthält. Er unterstützt den Bundespräsidenten bei der Vorbereitung und dem Vollzug der Bundesratssitzungen und leitet die Generalsekretärenkonferenz. Während 1848-1918 dem Amt ein erhebliches politisches Gewicht zukam, krönte es 1918-1967 bei zunehmender Beschränkung auf Kanzleiarbeiten eher Verwaltungskarrieren. Erst nach der Mirageaffäre wurde der Bundeskanzler 1967 wieder zum eigentlichen Stabschef des Bundesrats mit eigenem Antragsrecht und beratender Stimme in den Bundesratssitzungen, was auch das freilich verfehlte Schlagwort vom «achten Bundesrat» dokumentiert. Wegen der hohen Bedeutung, die man dem Amt zumisst, wird der Bundeskanzler in der Regel in Kampfwahlen ermittelt. Nur gerade 1909 und 1925 stellte sich bloss je ein Bewerber zur Wahl. 1919 kandidierte erstmals ein Katholisch-Konservativer, 1943 erstmals ein Sozialdemokrat. Bis zur Wahl eines Katholisch-Konservativen 1943 blieb das Amt aber in freisinniger Hand. Der erste sozialdemokratische Bundeskanzler wurde gar erst 1981 gewählt. Im Jahr 2000 wurde die erste Frau mit dieser Position betraut. 1848-1934 besetzten immer Deutschschweizer den Posten. Die meisten Bundeskanzler waren ausgebildete Juristen. 1851 trat der Vizekanzler an die Stelle des eidgenössischen Staatsschreibers. Er führte im Ständerat und im Bundesrat Protokoll und vertrat den Bundeskanzler bei Abwesenheit. 1895-1951 wurde, wenn der Bundeskanzler deutscher Muttersprache war, der Bundeskanzlei ein zweiter Vizekanzler beigegeben, der die französischen Erlasse und Schreiben überwachte. Ab 1967 hatte die Bundeskanzlei wieder offiziell zwei Vizekanzler, denen neben Führungsaufgaben insbesondere die Protokollführung im Bundesrat und die Information der Öffentlichkeit oblagen.

Bundeskanzler und Bundeskanzlerinnen seit 1848

Amtsjahre ParteiHeimatkantonMuttersprache
1848-1881Johann Ulrich SchiessLiberaleARdeutsch
1882-1909Gottlieb RingierLiberal-Konservative/FDPAGdeutsch
1909-1918Hans SchatzmannFDPAGdeutsch
1919-1925Adolf von SteigerFDPBEdeutsch
1925-1934Robert KäslinFDPNW/AGdeutsch
1934-1943George BovetFDPNEfranzösisch
1943-1951Oskar LeimgruberKatholisch-KonservativeFR/AGdeutsch
1951-1967Charles OserFDPBSfranzösisch
1968-1981Karl HuberCVPSGdeutsch
1981-1991Walter BuserSPSOdeutsch
1991-1999François CouchepinFDPVSfranzösisch
2000-2007Annemarie Huber-HotzFDPZGdeutsch
2008-2015Corina CasanovaCVPGRromanisch
2016-2023Walter ThurnherrCVPSGdeutsch
2024-Viktor RossiGLPBEdeutsch, italienisch
Bundeskanzler und Bundeskanzlerinnen seit 1848 -  Autor

Quellen und Literatur

  • NZZ 25.6.1981; 21.10.1999
  • Quelle chance pour nos institutions, Fs. für F. Couchepin, hg. von M. Klaus, 1995, 197-203
  • R. Aebischer et al., Jubiläumsschr.: Staatskanzlei ― Stabsstelle im Zentrum der Entscheidungsprozesse, 2000
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans-Urs Wili: "Bundeskanzler", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.12.2023. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010087/2023-12-13/, konsultiert am 28.03.2024.