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Restauration

Mit Restauration wird im Allgemeinen die Wiederherstellung eines politischen Zustands bezeichnet, im Besonderen die Zeit des Metternich'schen Systems nach dem Ende der Revolutionszeit und der napoleonischen Hegemonie.

Titelblatt des zweiten Bands der deutschen Originalausgabe von Karl Ludwig von Hallers Werk Restauration der Staatswissenschaft, in dem der Begriff Restauration erstmals vorkommt (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Titelblatt des zweiten Bands der deutschen Originalausgabe von Karl Ludwig von Hallers Werk Restauration der Staatswissenschaft, in dem der Begriff Restauration erstmals vorkommt (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Titelblatt des zweiten Bands der französischen Übersetzung von Karl Ludwig von Hallers Werk Restauration der Staatswissenschaft (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Titelblatt des zweiten Bands der französischen Übersetzung von Karl Ludwig von Hallers Werk Restauration der Staatswissenschaft (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).

Der Begriff geht auf das Werk «Restauration der Staatswissenschaft» (6 Bde., 1816-1825) des Berner Staatsrechtlers Karl Ludwig von Haller zurück, für den der Staat – im Gegensatz zu Jean-Jacques Rousseaus Gesellschaftsvertrag – nicht eine von Menschen geschaffene Institution darstellte, sondern Ausdruck einer ewigen göttlichen Ordnung war. In der Schweiz dauerte die Restauration vom Ende der Mediation 1813 bis zum Beginn der Regeneration 1830-1831. Sie war geprägt von konservativen politischen Ordnungen in einigen Kantonen, einem schwachen Bund, wirtschaftlicher Modernisierung und der Herausbildung einer gegen die alten Eliten opponierenden liberalen bürgerlichen Öffentlichkeit.

Politische Entwicklung

Nach der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 und dem Beginn des Durchmarschs der Alliierten durch die Schweiz im Dezember 1813 erhielten die restaurativen Kräfte in verschiedenen Kantonen Auftrieb. Am 23. Dezember 1813 übernahm in Bern das Patriziat wieder die Regierung und forderte die Kantone Waadt und Aargau zur Rückkehr unter die bernische Herrschaft auf. Anfang 1814 ergriff das Patriziat auch in Solothurn, Freiburg und Luzern wieder die Macht und Graubünden drohte, sich von der Schweiz zu trennen. Die Landsgemeindekantone stellten die alten Rechtsungleichheiten und die Zunftstädte die Vorherrschaft über die Landschaft wieder her. Auch die Verfassungen der neuen Kantone erhielten einen restaurativen Anstrich, etwa mit einem strengen Zensus und dem Übergewicht der Exekutive. Die vorrevolutionären Zustände wurden aber nicht mehr vollständig hergestellt.

Gleichzeitig mit den innerkantonalen Umwälzungen entbrannte der Streit um einen neuen Bundesvertrag. Dabei stand einer gemässigten Partei, welche die Mediationsverfassung reformieren wollte und eine Bundeslösung anstrebte, eine restaurative Partei gegenüber, die vor allem die Machtverhältnisse der vorhelvetischen Ordnung wieder einführen wollte. Am 29. Dezember 1813 setzten zehn alte Orte die Mediationsakte ausser Kraft und forderten eine neue Verfassung ohne Untertanengebiete. Eine Sondertagsatzung der restaurativen Kantone sprach sich am 17. März 1814 für die Rückkehr zur dreizehnörtigen Eidgenossenschaft und zu den Untertanenverhältnissen aus. Die alliierten Mächte beharrten auf dem Bund der 19 Orte, drohten mit einer Intervention und forderten die Auflösung der Sondertagsatzung, die am 25. März 1814 endete. Von April bis August tagte in Zürich mit Unterbrechungen die sogenannte Lange Tagsatzung, in welche die Gesandten der Grossmächte lenkend eingriffen.

Am 9. September 1814 verabschiedete die Tagsatzung den Bundesvertrag und am 12. September 1814 wurden Neuenburg, Genf und das Wallis als neue Kantone aufgenommen. Der Vertrag regelte die interkantonalen Entschädigungsforderungen und Grenzstreitigkeiten nicht. Die Tagsatzung als Zentralgewalt war schwächer als in der Mediation und wurde im Zweijahresturnus durch die Vororte Zürich, Bern und Luzern eher administrativ als exekutiv präsidiert. Die Kantone erhielten eine beinahe vollständige Selbstständigkeit, was eine gemeinsame Aussen- und Wirtschaftspolitik stark erschwerte. Der Bundesvertrag enthielt eine Garantie der Klöster und Kapitel, aber kein schweizerisches Bürgerrecht und keine Verankerung der Niederlassungs-, Gewerbe- und Glaubensfreiheit. Dagegen versuchte er, die Schwächen der Militärorganisation zu beheben. Mit dem Militärreglement von 1817 wurde ein Bundesheer aus kantonalen Kontingenten unter Leitung eines eidgenössischen Kriegsrats geschaffen und 1819 in Thun eine Militärschule für Kader gegründet (Armee).

Der Wiener Kongress regelte am 20. März 1815 die Abfindungen und die Landesgrenzen und anerkannte die 22 Kantone. Im zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815 wurde die immerwährende Neutralität als im Interesse aller europäischen Staaten – vor allem der Grossmächte, die eine neutrale Zone begrüssten – festgeschrieben. 1817 trat die Schweiz der konservativen Heiligen Allianz bei.

Das Löwendenkmal in Luzern. Aquatinta von Heinrich Siegfried, nach einem Original von Johann Rudolf Dikenmann, um 1840 (Bernisches Historisches Museum).
Das Löwendenkmal in Luzern. Aquatinta von Heinrich Siegfried, nach einem Original von Johann Rudolf Dikenmann, um 1840 (Bernisches Historisches Museum). […]

Da die Kantone im Vergleich zu den Grossmächten gegen innen ein schwaches Repressionspotenzial aufwiesen, suchten viele politisch Verfolgte in der Schweiz Zuflucht. 1823 wurde nach Drohungen der konservativen Mächte das Presse- und Fremdenkonklusum verabschiedet, das eine Kontrolle der Auslandsberichterstattung und eine stärkere Aufsicht über Exilanten ermöglichte, 1829 aber wieder aufgehoben wurde. Die in Opposition zur restaurativen Ordnung stehenden liberalen und nationalen Ideen in Europa erhielten nicht zuletzt unter dem Einfluss der Exilanten auch in der Schweiz eine wachsende Bedeutung (Liberalismus). In der Schweiz wurde die liberale Bewegung sowohl von der ländlichen Oberschicht als auch vom aufstrebenden Wirtschafts- und Bildungsbürgertum getragen, das sowohl den Freiheitsideen der Helvetik als auch den wirtschaftlichen Strukturanpassungen zum Durchbruch verhelfen wollte. Eine wichtige Rolle spielte das Vereinswesen, das eine politisch bedeutsame Öffentlichkeit konstituierte. Trotz des verfassungsmässigen Partikularismus wurden zahlreiche eidgenössische Gesellschaften und Vereine gegründet, welche die Bildung des Nationalbewusstseins förderten. Unter dem Eindruck der französischen Julirevolution führten 1830-1831 in verschiedenen Kantonen Petitionen und Volkstage zu liberalen Verfassungsänderungen und zur Entmachtung der alten Eliten, was das Ende der Restauration und den Beginn der Regeneration bedeutete. Gleichzeitig setzten Bestrebungen zur Revision des Bundesvertrags ein.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung

Die Zeit nach der europäischen Neuordnung war von der letzten schweren Hungersnot der Schweizer Geschichte gekennzeichnet, die 1816-1817 vor allem die Ostschweiz traf. Die ab 1800 aus der vorrevolutionären Protoindustrialisierung hervorgehende Industrialisierung verdichtete sich in der Restauration zu einem gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess: Die jährliche Spinnwarenproduktion stieg 1814-1827 von 680 auf 2800 t und die Anzahl Spindeln wuchs von 152'000 auf 407'000. 1815 erliess Zürich sein erstes Fabrikgesetz. 1825 öffnete in Rheineck die erste mechanische Weberei ihre Pforten. In den 1820er Jahren begann die industrielle Schokoladeproduktion. Um 1830 war die Schweiz das europäische Land, das wertmässig pro Kopf am meisten Waren exportierte. Auch andere Wirtschaftssektoren gerieten in den Sog der Modernisierung. Parallel zur Industrialisierung expandierte das bislang schwach entwickelte Bankenwesen. Gab es 1815 in der ganzen Schweiz erst zehn Banken, so waren es 1830 bereits 74. 1825 wurde in Bern die erste Banknote ausgegeben. Das Verkehrswesen erlebte mit dem Ausbau wichtiger Passstrassen eine Modernisierung (1818-1823 San Bernardino und Splügenpass, 1820-1826 Julierpass, 1827-1828 Malojapass, 1820-1830 Gotthardpass). 1823 nahm auf dem Genfersee das erste Dampfschiff seinen Betrieb auf und die Linthkorrektion wurde vollendet. Der Tourismus erfuhr mit der Eröffnung des ersten Gasthauses auf Rigi-Kulm 1816 einen Aufschwung.

Die wirtschaftliche Modernisierung untergrub die Fundamente der restaurativen politischen Ordnung. Wie in anderen europäischen Regionen stärkte sie gesellschaftliche Schichten, die liberalen Ideen offen waren, und zeigte die Grenzen eines politisch und wirtschaftlich wenig integrierten Bundes auf. Auch war sie von einem raschen Bevölkerungswachstum begleitet: 1810 zählte die Schweiz 1,8 Mio. Einwohner, 1837 waren es trotz beträchtlicher ziviler und militärischer Emigration fast 2,2 Mio. Weder Landwirtschaft noch Industrie konnten diese Arbeitskräfte vollständig absorbieren, weshalb sich die traditionelle ländliche Armut zum Pauperismus als Massenphänomen ausweitete.

Quellen und Literatur

  • BAR, Hauptabt. D
  • EA Rep.
  • Das Archiv der Tagsatzungsperiode 1814-1848, bearb. von G. Hunziker, 1980
  • M. Gregori et al., La double naissance de la Suisse moderne, 1998
  • R. Roggen, "Restauration", 1999
  • U. Meyerhofer, Von Vaterland, Bürgerrepublik und Nation, 2000
  • K. Münger, Militär, Staat und Nation in der Schweiz 1798-1874, 2002
  • K. Ferrari, «La Svizzera tra il 1815 e il 1848», in Arte e storia 4, 2003, 30-33
  • G. Andrey, «Auf der Suche nach dem neuen Staat (1798-1848)», in Gesch. der Schweiz und der Schweizer, 32004, 527-637
Weblinks

Zitiervorschlag

Christian Koller: "Restauration", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.01.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009799/2012-01-12/, konsultiert am 19.03.2024.