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Todesstrafe

Der Luzerner Schultheiss Lux Ritter begleitet einen zum Tod Verurteilten 1559 zur Richtstätte. Darstellung aus der Chronik des Chorherrn Johann Jakob Wick (Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Wickiana, Ms. F 12, Fol. 21r).
Der Luzerner Schultheiss Lux Ritter begleitet einen zum Tod Verurteilten 1559 zur Richtstätte. Darstellung aus der Chronik des Chorherrn Johann Jakob Wick (Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Wickiana, Ms. F 12, Fol. 21r). […]

Die Todesstrafe ist die durch den Staat oder vorstaatliche Herrschaftsträger hoheitlich angeordnete Tötung eines Menschen im Sinne einer institutionalisierten Reaktion auf dessen als schwerwiegende Verletzung des Friedens bzw. der Rechtsordnung bewertetes Verhalten. Seit der Landfriedensbewegung des 12. Jahrhunderts und der Ausbildung der landesherrlichen Gewalten sowie des Städtewesens verdrängten obrigkeitlich verhängte peinliche Strafen zunehmend die aus fränkischer Zeit stammenden Kompositionsordnungen – Strafensysteme, die auf Wergeld und Busse basierten – sowie die Blutrache. Die vom Kaiser verliehene Blutgerichtsbarkeit wurde zum zentralen Herrschaftsrecht über die jeweilige Rechtsgemeinschaft (Gerichtswesen). Die Todesstrafe diente im Mittelalter gleichermassen der Sühne wie auch der Abschreckung. Todeswürdige Verbrechen waren die Tötung eines Menschen, Strassenraub, Diebstahl, Notzucht und Ehebruch sowie Brandstiftung, seit dem 13. Jahrhundert zunehmend auch Ketzerei und Zauberei. Die Todesstrafe wurde vor allem an Dieben durch das entehrende Hängen, an Mördern durch Rädern und an Brandstiftern, Ketzern und Zauberern durch Verbrennen vom Scharfrichter vollstreckt, ab dem Spätmittelalter gewöhnlich auf festen Richtstätten. Insbesondere bei weiblichen Verurteilten waren das Lebendig-Begraben und das Ertränken (Säcken) verbreitet. Als privilegierte Todesstrafe, da nicht entehrend, galt die Enthauptung durch das Schwert. Bei mehreren todeswürdigen Verbrechen war eine symbolische Kumulation des Vollzugs ebenso wie eine Strafschärfung durch die vorgängige Zufügung von Qualen (z.B. Zangenreissen) möglich.

Ab dem 16. Jahrhundert erfolgte, nicht zuletzt unter dem Einfluss der Carolina, eine rudimentäre Strukturierung der Verfahren, was tendenziell eine gewisse Zurückhaltung in der Anwendung der Todesstrafe nach sich zog. Die frühmodernen Staatswesen der alten Eidgenossenschaft setzten die Todesstrafe aber vorwiegend zur Abschreckung und Untermauerung ihres Herrschaftsanspruchs ein. Das Richten nach Gnade wurde zurückgedrängt. Vor allem in den reformierten Gebieten wurde die Todesstrafe im Sinn der alttestamentarischen Talion – der Vergeltung von Gleichem mit Gleichem – erklärt. Im 17. Jahrhundert nahmen die Hinrichtungen (u.a. viele Hexenverbrennungen) zu. Nach 1715 wurde die Todesstrafe in der Regel durch Enthauptung mit dem Schwert vollstreckt. Unterschiede bezüglich Art und Häufigkeit der Todesstrafe sind für die verschiedene Gebiete der alten Eidgenossenschaft bis ins 18. Jahrhundert kaum feststellbar.

Das «Peinliche Gesetzbuch der helvetischen Republik» von 1799 kannte die Todesstrafe einzig als Hinrichtung durch Enthauptung und ohne Verschärfungsmöglichkeit vor allem bei Mord, schwerer Körperverletzung, Brandstiftung sowie bei Verbrechen gegen die Staatsverfassung. Nach 1805 wurde in den meisten Kantonen das Strafrecht kodifiziert, wodurch die Todesstrafe ihre rechtsstaatliche Grundlage erhielt (Kodifikation). Zum Kernbestand der mit der Todesstrafe bedrohten Delikte gehörten Mord, schwerer Raub, schwere Verbrechen gegen den Staat sowie Brandstiftung. Die Hinrichtung fand durch Enthauptung statt. Beeinflusst durch Voltaires und Cesare Beccarias Schriften forderte 1816 Jean-Jacques de Sellon vor dem Genfer Grossen Rat die Abschaffung der Todesstrafe mit der Begründung, die Würde des menschlichen Lebens sei unantastbar.

Die Strafgesetzbücher der Regeneration zogen den Kreis der mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechen, insbesondere in Bezug auf politische Delikte, enger. Die Bundesverfassung von 1848 untersagte die Anwendung der Todesstrafe für politische Vergehen. Einzelne Kantone schafften daraufhin die Todesstrafe gänzlich ab, so Freiburg 1848 (wiedereingeführt 1868), Neuenburg 1854, Zürich 1869, Tessin und Genf 1871, Basel-Stadt 1872, Basel-Land 1873 und Solothurn 1874. Die Bundesverfassung von 1874 verbot die Todesstrafe vorübergehend für die ganze Schweiz, aber schon 1879 erhielten die Kantone das Gesetzgebungsrecht für die Todesstrafe vom Bund zurück. Davon machten 1880 Appenzell Innerrhoden, Obwalden und Uri, 1881 Schwyz, 1882 Zug und St. Gallen, 1883 Luzern und das Wallis, 1893 Schaffhausen und 1894 Freiburg Gebrauch. Die Todesstrafe war in diesen Kantonen für Mord und gemeingefährliche Delikte mit Todesfolge vorgesehen. Ab 1848 wurde die Todesstrafe nur noch selten vollstreckt; meistens erfolgte eine Begnadigung. Die letzte Hinrichtung fand 1940 in Sarnen statt. Erst das 1942 in Kraft getretene Schweizerische Strafgesetzbuch verbannte die Todesstrafe bundesweit aus dem zivilen Strafrecht. Das Militärstrafrecht behielt die Todesstrafe bis 1992 bei. Während des Zweiten Weltkriegs wurden in der Schweiz 17 durch Militärgerichte wegen Landesverrats zum Tod verurteilte Angehörige der Schweizer Armee hingerichtet. Die Schweiz ratifizierte 2002 das Zusatzprotokoll Nr. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention «Zur Abschaffung der Todesstrafe unter allen Umständen» und engagierte sich auch im Rahmen der UNO für dieses Anliegen.

Quellen und Literatur

  • H. Pfenninger, Das Strafrecht der Schweiz, 1890
  • C. Stooss, Die Grundzüge des schweiz. Strafrechts 1, 1892
  • P. Logoz, La peine de mort et l'unification du droit pénal en Suisse, 1912
  • S. Suter, Guillotine oder Zuchthaus? Die Abschaffung der Todesstrafe in der Schweiz, 1997
Weblinks

Zitiervorschlag

Lukas Gschwend: "Todesstrafe", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.09.2022. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009617/2022-09-29/, konsultiert am 19.03.2024.