de fr it

Erbrecht

Erbrecht umfasst sachlich (objektiv) alle Rechtsnormen, die den Übergang des Vermögens eines Verstorbenen (Erblasser) auf andere Personen (Erben) regeln. Subjektiv betrachtet, ist Erbrecht das Recht des Erben bzw. die Anwartschaft des künftigen Erben auf die Erbschaft.

Historisches Erbrecht

Die schriftliche Überlieferung des Erbrechts im Gebiet der heutigen Schweiz setzt im 12. Jahrhundert mit den städtischen Handfesten und Stadtrechten, später mit Landrechten, Hofrechten und Offnungen ein, in denen Erbrechtsartikel als wichtige Bestandteile integriert waren. Ein schweizerisches Erbrecht gab es vor 1912 nicht, dafür aber eine grosse Vielfalt von lokalen Erbrechten, in denen Erbrecht mittelalterlicher Rechtskreise – des burgundischen und savoyischen Rechtskreises in der Westschweiz, des lombardischen in der Süd- und des alemannisch-deutschen in der Deutschschweiz – mit autochthonem Recht verschmolzen war. Vom Spätmittelalter an beeinflusste das Kirchenrecht und insbesondere das nachklassische römische Recht die hergebrachten Erbrechte. Dies führte zumindest in den Stadtstaaten des Ancien Régime zu einer gewissen Rechtsvereinheitlichung und bereitete damit die kantonale Erbrechtsgesetzgebung des 19. Jahrhunderts vor.

Mittelalter

Bis zu Beginn des Spätmittelalters war die Erbfähigkeit auf Freie, Adel und Ministerialadel beschränkt, die ihr Eigen (Allod), Grundbesitz und Rechte, und zunehmend auch Lehen (Lehnswesen) an ihre Nachkommen vererbten. Dagegen war die unfreie bäuerliche Bevölkerung auf Leihegütern (Leihe) nicht erbfähig: Die Fahrnis (persönliche Habe, Möbel, Gerät, Vieh, Holzhaus), einziges Eigentum der Eigenleute, fiel bei deren Tod an den erbberechtigten Herrn (Leibeigenschaft). Vom 14. Jahrhundert an reduzierte sich dieser Erbanspruch auf eine feste Abgabe, den Fall oder Todfall; zudem konnten nun als Erblehen verliehene Höfe an Nachkommen vererbt werden.

Grundregeln des mittelalterlichen Erbrechts waren die Bindung des Erbguts an das Haus und an die Blutsverwandtschaft des Erblassers, wobei Männer- und Frauengut getrennt behandelt wurden, sowie der absolute Vorrang der Nachkommen (Deszendenten) in der Erbfolge. Nach dem Tod des Hausvaters erhielt die Witwe an dessen Hinterlassenschaft kein Eigentum, sondern bloss ein Nutzniessungsrecht (Leibgeding), solange sie Kinder erzog. Wenn sie nicht wieder heiratete, erhielt sie dies lebenslänglich. Zu Eigentum erhielt sie ihr zugebrachtes Gut, die Morgengabe sowie einen Viertel, Drittel oder die Hälfte der Fahrnis. Von dieser fiel Söhnen Wehr, Kleider und Reitpferd des Vaters zu (Heergewäte), Töchtern Schmuck und Kleider der Mutter (Gerade). Söhne wurden vor allem im ländlichen Erbrecht gegenüber Töchtern begünstigt, zum Beispiel im Sohnsvorteil oder im Erbrecht eines einzigen Sohnes. Das im Einzelhofgebiet verbreitete Jüngstenerbrecht (Minorat) diente der Bewahrung einer wirtschaftlichen Hofgrösse, das vor allem im Adel und ab dem 16. Jahrhundert im Patriziat praktizierte Ältestenerbrecht (Majorat; Fideikommiss) der Herrschafts- und Vermögenserhaltung. Vom Erbe ausgeschlossen waren Töchter in den Tessiner Erbrechten; ihnen kam eine vom Vater bzw. den Brüdern zubemessene Aussteuer (dote) zu, die einen Drittel des Sohnserbteils nicht überstieg. Vom Vater zu Lebzeiten ausgesteuerte Kinder mit eigenem Hausstand verloren ihr Erbrecht am Nachlass der Eltern (Neuenburg, Waadt) bzw. gewannen es nach Einwerfen ihres Vorbezugs zurück (Zürich, Bern).

Städtisches Erbrecht unterschied sich von jenem der Landgebiete durch eine freiere Erbpraxis. Bürger konnten ihre Häuser als Eigentümer von Anfang an vererben. Zähringische Stadtrechte des 12. Jahrhunderts gewährten – der allgemeinen Rechtsentwicklung voraus – Söhnen und Töchtern gleiches Erbrecht und kinderlosen Ehegatten ein gegenseitiges Erbrecht zu Eigentum (u.a. Bern). Das vom Stadtherrn verliehene ältere Erbrecht der Stadt St. Gallen begünstigte männliche gegenüber weiblichen Erben, doch die Stadt änderte dies im 15. Jahrhundert und stellte Söhne und Töchter gleich (so auch das Erbrecht in Basel). Ledige und Kinderlose wurden auf dem Land vom Grundherrn beerbt. Erbloses Vermögen fiel in der Stadt zum Beispiel je zu einem Drittel an den Stadtherrn, an die Armen und an den Stadtbau.

In der gesetzlichen Erbfolge kamen an erster Stelle die Deszendenten (Kinder, Enkel usw.). Fehlten diese, trat eine je nach Ort unterschiedliche Verwandtenerbfolge ein, mehrheitlich mit Vorrang der Aszendenten (Vater-Stamm); Graubünden, das unter Einfluss Vorarlbergs, Tirols und Österreichs stand, kannte zum Teil kein Aszendenten-Erbrecht. Waren Mutter und Mutterseite (Muttermagen) vom Erbe ausgeschlossen, lag dafür die Unterstützungspflicht für unmündige Kinder bei der Vaterseite (Zürich, Innerschweiz). Uneheliche waren ohne behördliche Legitimation von der Erbfolge ausgeschlossen, zum Teil konnten sie aber das Erbe ihrer Mutter antreten (Tessin).

Doppelseite mit vier Einträgen aus einem Zürcher Gemächtbuch, 15. Jahrhundert (Staatsarchiv Zürich, B VI 305, fol. 191v und 192r).
Doppelseite mit vier Einträgen aus einem Zürcher Gemächtbuch, 15. Jahrhundert (Staatsarchiv Zürich, B VI 305, fol. 191v und 192r). […]

Die mittelalterliche Erbgesetzgebung war lückenhaft und unsystematisch. Sie bestand in Stadt- wie in Landrechten in der Regel nur aus einzelnen erbrechtlichen Artikeln, die durch Ratsurteil fallweise ergänzt wurden. In Basel galt bis ins 16. Jahrhundert sogar weitgehend ungeschriebenes Gewohnheitsrecht. Im 13. und 14. Jahrhundert kam unter dem Einfluss des kanonischen Rechts das Testament (letztwillige Verfügung) auf, anfänglich vor allem Schenkungen und Jahrzeitstiftungen an die Kirche. Zum Schutz der gesetzlichen Erben vor der Toten Hand verfügten Stadtbehörden, dass Testamente vor dem weltlichen Gericht oder vor dem Rat zu fertigen seien, zum Teil auch im Einverständnis der gesetzlichen Erben (Basel, Zürich). In Bern waren Testamente von einer Ratsermächtigung (Freiung) abhängig. Noch vor der Reformation schränkten Behörden die Verfügungsfreiheit materiell ein (Basel, Zürich, Bern) oder liessen nur Kinderlose und Ledige letztwillig verfügen (Basel, St. Gallen). Da unter Ehegatten nur die güterrechtliche Aufteilung möglich war, mehrten sich vom 15. Jahrhundert an Verfügungen von Todes wegen unter Eheleuten zwecks gegenseitiger Zuwendungen (Eherecht). Dabei erhielt der Überlebende oft die Nutzniessung am gesamten Teilvermögen. Enterbung von gesetzlichen Erben war statthaft unter anderem bei Verbrechen gegen den Erblasser und bei Heirat ohne elterliche Einwilligung.

Frühe Neuzeit

Ab dem 14. (West- und Südschweiz) und 15. Jahrhundert (Deutschschweiz) floss römisch-gemeines Recht in die lokalen Erbrechte ein. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde das Erbrecht vor allem in der Deutschschweiz durch gelehrte Juristen sachlich weiterentwickelt, systematisiert und vervollständigt. Anstelle der älteren familienrechtlichen Erbfolge ("der nächste zum Blut, der nächste zum Gut") trat dort, wo nicht Gewohnheitsrecht dominierte wie zum Beispiel in Basel, die auf Einzelpersonen gerichtete erbrechtliche: Neben der gesetzlichen Erbfolge (Intestaterbfolge) wurde an diesen Orten die testamentarische Erbfolge (gewillkürte oder Testaterbfolge) immer wichtiger – das Testament (schriftlich, eigenhändig, Frauen vor dem Notar), das Kodizill (vor Zeugen) und das Legat, unter Ehegatten zusätzlich auch der vor der Ehe einzugehende Ehevertrag zu gegenseitiger Begünstigung beim Tod. Der Pflichtteil pendelte sich auf zwei Drittel des Männerguts ein. Testierfähig waren allgemein mündige Personen von körperlicher und geistiger Gesundheit, Ehefrauen mit einem Beistand. Stadtbürgern wurde Testieren erleichtert, Landleuten zumindest in Basel und Zürich in paternalistischer Absicht erschwert. Testamente waren einklagbar, wobei Blutsverwandte ein Nähererbrecht (Blutzug) hatten.

"Von letzten Willen und Testamenten". Holzschnitt zur Illustration eines der Kapitel von Christian Egenolffs Werk Rhetoric und Teutsch Notariat, das 1551 in Frankfurt am Main erschien (Zentralbibliothek Zürich).
"Von letzten Willen und Testamenten". Holzschnitt zur Illustration eines der Kapitel von Christian Egenolffs Werk Rhetoric und Teutsch Notariat, das 1551 in Frankfurt am Main erschien (Zentralbibliothek Zürich). […]

Bei gesetzlicher Erbfolge erbten neu Geschwisterkinder vorverstorbener Geschwister neben den Geschwistern, etwas später erstreckte sich dieses Repräsentations- oder Eintrittsrecht auch auf deren Enkel. Die weitere Verwandtschaft erbte nach römischer Zählart (nach Häuptern), zum Teil aber noch nach Parentelenordnung (nach Stämmen, wobei jeder Aszendent des Erblassers mit seiner gesamten Deszendenz eine Parentel oder Stammlinie bildet und die Verlassenschaft an eine vom Erblasser entferntere Parentel gelangt, wenn keine Glieder der näheren vorhanden sind; je nach Ort zum Beispiel halbbürtige Geschwister neben oder nach vollbürtigen). Erbloses Vermögen fiel ab dem 16. Jahrhundert nach Jahr und Tag an die Stadt, im 18. Jahrhundert beanspruchte es die Landesobrigkeit im ganzen Territorium.

Verschiedene Elemente des mittelalterlichen Erbrechts blieben erhalten, zum Beispiel der grundsätzliche Vorzug des Vaters vor der Mutter und ein Erbrecht des überlebenden Gatten, das mehrheitlich nur Anspruch auf Nutzniessung bedeutete. Söhne und Töchter erbten im städtischen Erbrecht gleich. Bevorzugt erbte, wer als Hausgenosse des Erblassers in die Gewere (tatsächlicher Besitz) hineinwuchs (so das Rechtssprichwort "der Tote erbt den Lebenden"). Im mittelalterlichen Erbrecht war die Haftung für Erbschaftsschulden nicht geregelt oder betraf nur Schulden auf der Erbsache, während für persönliche Schulden, zum Beispiel Bürgschaft, der Tote nominell weiter haftete. Ab dem 15. Jahrhundert setzte sich – allerdings nicht überall - die Schuldenhaftung der Erben durch sowie deren Recht, ein Erbe auszuschlagen. Im 18. Jahrhundert wurden Nachlass-Versiegelung und amtliche Inventarisierung üblich.

Erbteilung war zugelassen beim Eigentum und bei der Fahrnis, nicht aber bei (Mann-)Lehen, die den männlichen Erben gesamthaft verliehen wurden. Bei Bauernlehen liess sich lehenrechtlich eigentlich nur der Mehrwert (Besserung), nicht aber der Hof teilen. Im Weiler- und Einzelhofgebiet von der Nordostschweiz bis in die bernische Waadt hielt sich das Alleinerbrecht eines Sohnes am ungeteilten Hof, mehrheitlich als Minorat; Geschwister wurden nach der tiefen amtlichen Schätzung ausgesteuert. Im Dorfgebiet waren Erbengemeinschaften im 16. Jahrhundert zwar häufig, doch selten von langer Dauer. Dafür verbreitete sich die Realteilung unter Erben, bis sie im 18. Jahrhundert die Regel war. Die auf dem Land vielerorts erbrechtlich nach wie vor privilegierten Söhne genossen bei einer Erbteilung unter anderem ein Vorzugsrecht an der Fahrnis, meist einen günstigen Teilungsschlüssel (z.B. zwei Drittel am Nachlass) und immer das Vorrecht auf Liegenschaften. Als Vorauserbe für Töchter galt das Brautfuder (Zürich).

Die verstärkte Gesetzgebungstätigkeit der Stadtstaaten im Ancien Régime führte in deren Territorien zu einer gewissen Vereinheitlichung des Erbrechts. Bern, grösster eidgenössischer Staat, war mit seiner gedruckten Gerichtssatzung 1615 (Waadt 1616) bahnbrechend: Schon im 17. Jahrhundert errang stadtbernisches Erbrecht im altbernischen Territorium zum Teil subsidiäre Geltung, zum Teil ersetzte es lokales Erbrecht ganz; es beeinflusste das Erbrecht der Waadt (z.B. Jüngstenerbrecht) und des südlichen Fürstbistums Basel. Konsequenter ersetzte das Erbrecht der Stadt Luzern Landrechte im Obrigkeitsstaat. Während sich die städtischen Erbrechte von Zürich und Basel angesichts der dort spät einsetzenden Gesetzgebung auf deren Territorien mit selbstständigen Erbrechten nicht auswirkten, fand dagegen das Erbrecht der Stadt St. Gallen über Grenzen hinweg Aufnahme in Appenzell. Uneinheitlich war die Gesetzgebung in den eidgenössischen Untertanengebieten: So erhielt der Thurgau mit seinen zahlreichen lokalen Erbrechten 1542 ein einheitliches Erbrecht, wogegen die Vielfalt der lombardisch-römisch-rechtlich beeinflussten Erbrechte der Südschweiz in Kraft blieb und nur finanziell motivierte Bestimmungen wie etwa der Anspruch der Vogteiverwaltung auf die Hinterlassenschaft von Unehelichen (1684) hinzukam. In Graubünden hatte vor 1800 jede Gemeinde ein eigenes Erbrecht; noch 1831 existierten dort 18 unterschiedliche Erbrechte.

Die Entwicklung des modernen Erbrechts

Im 19. Jahrhundert kodifizierte die Mehrheit der Kantone das Privatrecht. Das Erbrecht wurde in diesen Kodifikationen zumeist in einem eigenen Abschnitt geregelt. Die Kantone ohne Kodifikation kannten einzelne Spezialgesetze über das Erbrecht oder Erbrechtsbestimmungen in umfassenderen Büchern, regelten aber zum Teil nur einzelne Fragen des Erbrechts in Gesetzen; der Hauptteil des Erbrechts beruhte hier weiterhin auf Gewohnheitsrecht oder Aufzeichnungen in Landbüchern und Statutarrechten. Ein für die ganze Schweiz geltendes Erbrecht entstand mit dem Zivilgesetzbuch (ZGB), das 1912 die kantonalen Privatrechte ablöste.

Das kantonale Erbrecht des 19. Jahrhunderts

Grundlage des Erbrechts in den Kantonen war beinahe ausnahmslos das gesetzliche Erbrecht; die gewillkürte Erbfolge bildete jeweils nur die Ausnahme von allerdings unterschiedlicher Bedeutung. Nach den kantonalen Rechten waren gesetzliche Erben zunächst die legitimen Blutsverwandten; wenn die Adoption bekannt war, die Adoptivverwandten, mindestens im Verhältnis des Adoptivkindes zu den Adoptiveltern; die ausserehelichen Blutsverwandten, wenn die Verwandtschaft durch ein familienrechtliches Band hergestellt wurde; der überlebende Ehegatte, in wenigen Kantonen auch der Verlobte; schliesslich der Staat hinter den erbberechtigten Verwandten und dem Ehegatten. Was die legitimen Blutsverwandten angeht, galt in den meisten Kantonen beim Fehlen von Nachkommen die Parentelenordnung; in einem Drittel der Kantone hingegen waren abgestufte "Klassen" nach den Nachkommen zum Erben berufen. Sehr unterschiedlich war das Erbrecht des überlebenden Ehegatten geregelt: vollständiges Intestaterbrecht an irgendeiner Stelle der Reihenfolge, Sondernachfolge in gewisse Vermögensteile, Nutzniessung am hinterlassenen Vermögen, Intestaterbrecht in Konkurrenz mit anderen Erben. Ein bedeutender Teil der Erbrechtsregelungen war dem Testament gewidmet. Hinsichtlich der Erbverträge standen die Verträge des Erblassers über seinen Nachlass im Vordergrund. Daneben gab es Verträge über eine Verlassenschaft ohne Mitwirkung des Erblassers, deren eine Art, der Vertrag über eine in Aussicht stehende Erbschaft, in vielen Kantonen verboten war.

Das Erbrecht im Schweizerischen Zivilgesetzbuch

Im 1907 verabschiedeten und 1912 in Kraft getretenen ZGB bildete das Erbrecht im Anschluss an das Familienrecht und vor dem Sachenrecht den dritten Teil (Artikel 457-640 ZGB). Vom bäuerlichen Erbrecht und von Folgerungen aus dem neuen Adoptionsrecht und dem neuen Kindesrecht abgesehen galt das Erbrecht unverändert bis 1988. Auf römisch-rechtlichen Prinzipien beruhte dabei die scharfe Trennung zwischen der eigentlichen Erbfolge und dem Vermächtnis, das Testament, die Rechtswohltat des öffentlichen Inventars und die Kollation oder Ausgleichung. Germanischem Recht entsprachen insbesondere die Regelung des gesetzlichen Erbrechts in der Form der Parentelenordnung (und gerade nicht der Klassenordnung gemäss römischem Recht) sowie der automatische Übergang der Erbschaft vom Erblasser auf die Erben beim Tode des Erblassers.

Gesetzliche Erben gemäss ZGB waren die Blutsverwandten (die Nachkommen, der elterliche und der grosselterliche Stamm; Urgrosseltern und deren Kinder waren bestenfalls nutzniessungsberechtigt) unter Zurücksetzung der Unehelichen in der väterlichen Verwandtschaft, je nachdem die angenommenen Kinder, insbesondere aber der überlebende Ehegatte (dem je nach Nähe der Verwandten zum Erblasser mehr oder weniger an Nutzniessung oder Eigentum zufiel). Verfügungen von Todes wegen waren Testament und Erbvertrag; sie fanden ihre Schranken am Pflichtteilsrecht der Nachkommen, der Eltern und der Geschwister sowie des Ehegatten. Dem kantonalen Privatrecht blieb es vorbehalten, das Pflichtteilsrecht der Geschwister auf deren Nachkommen auszudehnen oder aber zu streichen. Als Erbverträge im klassischen Sinn kannte das ZGB den Erbeinsetzungs- und Vermächtnisvertrag sowie den Erbverzichtvertrag; es gestattete aber auch Verträge über angefallene Erbanteile und über eine noch nicht angefallene Erbschaft.

Mit dem neuen Adoptionsrecht von 1971 verbunden war die Gleichstellung der Adoptiv- mit den Blutsverwandten mit der Bewandtnis, dass nur noch von Verwandten die Rede war. Gemäss dem neuen Kindesrecht von 1976 entfiel im Erbrecht der Unterschied zwischen ehelicher und ausserehelicher Abstammung.

Wenn es keinen Alleinerben gibt, gelangt der Nachlass an die Erbengemeinschaft. Diese ist nicht auf Dauer angelegt; sie wird durch die Erbteilung beendet. Damit entfällt grundsätzlich auch die persönliche und solidarische Haftung jedes Erben für die Schulden des Erblassers.

Das bäuerliche Erbrecht

Die Vermögensteilung ist vor allem dann problematisch, wenn dem Erblasser ein Betrieb gehört. Im bäuerlichen Erbrecht sah das ZGB von Anfang an Sonderregeln vor wie die Zuweisung des ganzen Gewerbes zum Ertragswert an einen Erben und den Anteil der Miterben am Gewinn bei der Veräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke durch den Übernehmer. Dieser Bereich des Erbrechts im ZGB wurde zunächst durch drei Novellen von 1940, 1965 und 1972 abgeändert und schliesslich mit der Schaffung des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) von 1991, in Kraft seit 1994, aus dem ZGB herausgenommen und in das BGBB integriert. Dessen Artikel 11 bis 35 sind der Erbteilung gewidmet.

Die Revision des ZGB

Mit der Revision der Wirkungen der Ehe im Allgemeinen und des Güterrechts der Ehegatten im ZGB vom 5. Oktober 1984, in Kraft seit 1. Januar 1988 (Eherecht), sind auch eine Reihe erbrechtlicher Bestimmungen neu gefasst worden. Ausgangspunkt war die Besserstellung des überlebenden Ehegatten; damit verbunden war eine Herabsetzung der Erbansprüche der übrigen Erben. Weggefallen sind alle Ansprüche des Ehegatten auf gesetzliche erbrechtliche Nutzniessung. Sein Anspruch auf Eigentum wurde gefestigt, gegenüber Nachkommen zum Beispiel von einem Viertel auf die Hälfte. Im Zusammenhang mit dieser Revision sind die gesetzlichen Nutzniessungsansprüche der Urgrosseltern oder deren Kinder gestrichen worden. Weggefallen ist auch das Pflichtteilsrecht der Geschwister und damit die Kompetenz des Kantons zur Ausweitung oder Einschränkung dieses Anspruchs.

Quellen und Literatur

Mittelalter und Frühe Neuzeit
  • E. Huber, Die schweiz. Erbrechte, 1872
  • C. Pometta, La successione legittima secondo gli statuti ed i codici ticinesi, 1921
  • P. Jansing, Erbrecht und Erbfolge des Jüngsten an Haus und Hof nach dt. Rechten, 1924
  • H. Rennefahrt, Grundzüge der bern. Rechtsgesch. 2, 1931, 207-237
  • J.-F. Poudret, La succession testamentaire dans le Pays de Vaud à l'époque savoyarde, XIIIe-XVIe siècles, 1955
  • HRG 1, 971-977
  • LexMA 3, 2102-2107
  • T. Weibel, Erbrecht, Gerichtswesen und Leibeigenschaft in der Landvogtei Grüningen, 1987
  • T. Weibel, Erbrecht und Fam., 1988
  • R. Bannwart, Das Erbrecht der Stadt St. Gallen von 1721, 1992
  • S. Suter, Das Basler Erbrecht, 1993
  • J.-F. Poudret, Coutumes et coutumiers, Bde. 3-4, 2002
19. und 20. Jahrhundert
  • E. Huber, System und Gesch. des Schweiz. Privatrechtes, 2, 1888; 4, 1893
  • E. Huber, Erläuterungen zum Vorentwurf eines schweiz. Zivilgesetzbuches 1, 21914
  • P. Tuor et al., Das Schweiz. Zivilgesetzbuch, 122002
  • J.N. Druey, Grundriss des E.s, 52002
  • B. Schnyder, «Die Entstehung des ZGB», in Zürcher Kommentar zu Art. 1-7 ZGB, 1998, 9-28
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler; Bernhard Schnyder: "Erbrecht", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.10.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009609/2006-10-23/, konsultiert am 12.04.2024.