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Folter

Die Folter, die auch Tortur oder peinliche Befragung genannt wird, stellt ein institutionelles Mittel dar, mit welchem der Gefolterte durch Zufügung von Schmerzen zu einer Aussage, in der Regel einem Geständnis, gebracht werden soll (Strafrecht). Im weiteren Sinne findet Folter auch als allgemeines Terrormittel Verwendung.

Ein Dominikaner wird während der Untersuchung zum Jetzerhandel befragt. Holzstich von Urs Graf, 1509 (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett).
Ein Dominikaner wird während der Untersuchung zum Jetzerhandel befragt. Holzstich von Urs Graf, 1509 (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett).

In der Antike wurden vorwiegend Sklaven gefoltert. Mit dem Aufkommen des strafrechtlichen, ursprünglich kanonisch-rechtlichen Inquisitionsprozesses im 13. Jahrhundert und der allmählichen Zurückdrängung der früh- und hochmittelalterlichen Beweismittel (Gottesurteile wie die Bahrprobe, d.h. der Glaube, dass die Wunden der Leiche bei Anwesenheit des Mörders wieder zu bluten beginnen) rückte das Geständnis in den Vordergrund prozessualer Überführung (confessio regina probationum). Mittels Folter sollten verdächtige Angeschuldigte zu einem Geständnis bewegt werden, das die notwendige Grundlage einer Verurteilung bildete. Ab dem 15. Jahrhundert ist von häufiger und missbräuchlicher Anwendung auszugehen. Insbesondere bei Hexenprozessen (Hexenwesen) wurde mangels Sachbeweisen regelmässig und exzessiv gefoltert, um die hauptsächlich weiblichen Angeschuldigten zu einem Geständnis zu bewegen. Während der Tod eines Folteropfers grundsätzlich dem folternden Scharfrichter als berufliches Versagen angelastet wurde, galt der Tod einer Hexe während der Folter als Beweis für deren Bündnis mit dem Teufel, der diese zu ewigem Schweigen bringen wollte. Mit Einführung der 1532 erlassenen Carolina erfuhr der Inquisitionsprozess eine klarere Strukturierung. Die Folter durfte erst im Rahmen der Spezialinquisition angewandt werden, also wenn deutliche Indizien für und keine überwiegenden Entlastungsmomente gegen die Täterschaft des Angeschuldigten sprachen. In einem ersten Schritt zeigte der Scharfrichter den Inquisiten die Folterinstrumente und drohte mit deren Anwendung (Verbalterrition). Wenn darauf kein Geständnis erfolgte, begann die körperliche Folter (Realterrition). In der Eidgenossenschaft war insbesondere das Aufziehen an den auf den Rücken gebundenen Händen als Foltermethode weit verbreitet. Die Folterung des Zürcher Bürgermeisters Hans Waldmann 1489 in Zürich weist darauf hin, dass Angehörige aller sozialen Schichten der Folter zugeführt werden konnten. Bis ins 18. Jahrhundert sind zahlreiche willkürliche Missbräuche zu beobachten, zumal die einschlägigen Bestimmungen der Carolina oft ignoriert wurden.

Dem Vernunftrecht verpflichtete und aufgeklärte Autoren erkannten das irrationale und unmenschliche Wesen der Folter und forderten deren Abschaffung. Christian Thomasius wandte sich 1705 in einer Dissertation gegen die Folter, da diese nutzlos und unmenschlich sei. 1764 forderte Cesare Beccaria in seinem Werk "Dei delitti e delle pene" die Abschaffung der Folter In Schweden wurde die Folter bereits 1734, in Preussen 1754 abgeschafft. Unter dem Einfluss des Aufklärers Joseph von Sonnenfels wurde die Folter 1775 auch in den deutsch-österreichischen Erblanden abgeschafft.

Ein Verdächtiger wird gefoltert. Illustration aus der Luzerner Chronik von Diebold Schilling, 1513 (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung, Eigentum Korporation Luzern).
Ein Verdächtiger wird gefoltert. Illustration aus der Luzerner Chronik von Diebold Schilling, 1513 (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung, Eigentum Korporation Luzern). […]

In der Eidgenossenschaft blieb die Folter bis zum Ende des Ancien Régime im Strafprozess verankert. 1710 empfahl der Basler Professor Johann Rudolf von Waldkirch in seiner Schrift "Gerechte Folterbank oder Anweisung für Richter und Examinatoren in peinlichen Fällen" die Folter als geeignetes Wahrheitsfindungsmittel. 1768 verlangte in Lausanne Gabriel Seigneux de Correvon in seinem "Essai sur l'usage, l'abus et les inconvénients de la torture dans la procédure criminelle" dagegen die vollständige Abschaffung der Folter. Das Zürcher Malefizbuch erwähnte 1770 die Folter zum letzten Mal. In Bern fand zwischen 1783 und 1798 eine intensive Kontroverse über die Abschaffung bzw. Einschränkung der Folter statt. Mit der Errichtung der helvetischen Verfassung 1798 wurde in der Schweiz die Folter offiziell abgeschafft, allerdings bereitete die Durchsetzung des Verbots den helvetischen Behörden Schwierigkeiten.

Nach 1803 wurde die Folter in verschiedenen Kantonen wieder eingeführt. Insbesondere in den Innerschweizer Kantonen, aber auch in Zürich, in den beiden Appenzell, in Freiburg und im Thurgau wurde bei Vorliegen besonders schwerwiegender Verdachtsmomente wieder gefoltert. Aus dem Kanton Zug ist noch 1869 ein Fall von Folterung durch Anlegen von Daumenschrauben und Aufziehen überliefert. Daneben existierten in verschiedenen Kantonen torturähnliche Zwangsmittel (Lügen- und Ungehorsamsstrafen), um verstockte Angeschuldigte zum Reden zu bringen. Die Bundesverfassung von 1874 verbot körperliche Strafen, was auch als Verbot der Folter interpretiert wurde. Trotz Folterverbot kam es auch im demokratischen Rechtsstaat zu vereinzelten Vorfällen, die als Folter kritisiert wurden (z.B. Isolationshaft). 1974 trat die Schweiz der Europäischen Menschenrechtskonvention (Menschenrechte), 1986 dem UNO-Übereinkommen gegen die Folter bei. Die 1971 gegründete Schweizer Sektion von Amnesty International und die Vereinigung für die Verhütung der Folter, die Nachfolgeorganisation des 1977 ins Leben gerufenen Schweizer Komitees gegen die Folter, setzen sich für die weltweite Abschaffung der Folter ein.

Quellen und Literatur

  • H. von Grebel, Die Aufhebung des Geständniszwanges in der Schweiz, 1899
  • F. Helbing, Die Tortur, 1910 (Neudr. 2004)
  • H. von Erlach, Der Folterprozess im alten Staate Bern, 1948
  • M. Raess, Der Schutz vor Folter im Völkerrecht, 1989
  • Beccaria et la culture juridique des Lumières, hg. von M. Porret, 1997
  • M. Schmoeckel, Humanität und Staatsraison, 2000
  • L. Richter, Die Gesch. der Folter und Hinrichtung, 2001
  • O.F. Dubuis, M. Ostorero, «La torture en Suisse occidentale», in La torture judiciaire, hg. von B. Durand, L. Otis-Cour, 2002, 539-598
  • E. Peters, Geschichte der peinl. Befragung, 22003 (engl. 1985, 21996)
  • L. Gschwend, M. Winiger, Die Abschaffung der Folter in der Schweiz, 2008
Weblinks

Zitiervorschlag

Lukas Gschwend: "Folter", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.03.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009598/2015-03-05/, konsultiert am 28.03.2024.