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TheodosiusFlorentini

Porträt von Theodosius Florentini. Lithografie von Friedrich Hasler für die Gallerie berühmter Schweizer der Neuzeit, erschienen zwischen 1863 und 1871 (Historisches Lexikon der Schweiz, Bern).
Porträt von Theodosius Florentini. Lithografie von Friedrich Hasler für die Gallerie berühmter Schweizer der Neuzeit, erschienen zwischen 1863 und 1871 (Historisches Lexikon der Schweiz, Bern).

23.5.1808 Müstair, 15.2.1865 Heiden, katholisch, von Müstair. Sohn des Paul Florintöni und der Maria Anna geborene Fallet. Theodosius Florentini erhielt seine Grundschulausbildung bei den in der Pfarrseelsorge des Val Müstair tätigen Kapuzinern. Sie schickten ihn zur Weiterbildung nach Bozen, Stans, Baden und Chur. In Sitten trat er 1825 ins Noviziat der Kapuziner ein, legte 1826 die Profess ab, absolvierte sein philosophisch-theologisches Studium und erhielt 1830 die Priesterweihe. Früh wurden ihm wichtige Ordensämter anvertraut: 1831 Novizenmeister in Solothurn, 1832-1838 Novizenmeister und Lektor der Philosophie und Theologie in Baden, 1838-1841 Guardian in Baden, wo er das Programm einer Frauenkongregation für Schule und Karitas (Wohltätigkeit) entwickelte. 1841 als «Aufwiegler» bei der Volkserhebung im Aargau in Abwesenheit verurteilt und ausgewiesen, hielt er sich einige Monate in Ribeauvillé im Elsass auf, widmete sich dann als Laufpater in Altdorf (UR) der Schularbeit und der aszetischen Schriftstellerei. 1845-1858 wirkte er als Hofpfarrer in Chur und entfaltete ab 1854 vermehrt Tätigkeit in Volksmissionen, Exerzitien, Predigten und Vorträgen. 1857-1860 war er Definitor der Schweizerischen Kapuzinerprovinz in Chur, 1860 Generalvikar des Churer Bischofs, seines Cousins Nikolaus Franz Florentini. Seine zunächst von Nuntius Giuseppe Maria Bovieri und von der Bündner Regierung betriebene Kandidatur zum Bischof scheiterte am Einspruch des Domkapitels, das ihm sein Finanzgebaren anlastete und vor persönlichen Anschuldigungen nicht zurückschreckte.

Der Persönlichkeit des vielseitigen und rastlos tätigen Kapuziners verdankt der Schweizer Katholizismus bedeutende Initiativen: 1856 Neueröffnung des Kollegiums Schwyz, 1859 Gründung eines Büchervereins, 1863 Einberufung der ersten Schweizer Bischofskonferenz. Von bleibender Bedeutung über den schweizerischen Raum und über seine Zeit hinaus sind seine Bemühungen, den Bildungsnotstand im Schulwesen zu beheben, Frauen in sozialkaritativen Aufgaben zu unterstützen und die sozialen Probleme des aufkommenden Industriezeitalters aufzugreifen. Florentini regte 1844 die Gründung einer Frauengemeinschaft an, die sich besonders der Mädchen- und Töchterausbildung annahm; daraus ging die Kongregation der Lehrschwestern von Menzingen hervor. Die Vielfalt der Aufgaben (Krankenpflege, Waisenhäuser, Altersheime, Kinderarbeit usw.) bewegten Florentini dazu, sich 1856 von Menzingen zu lösen und die neue, selbstständige Kongregation der Ingenbohler Schwestern zu gründen. Kein Erfolg war Florentinis industriellen Unternehmungen (Papierfabrik im sankt-gallischen Thal, Textilfabrik in Oberleutensdorf in Böhmen) beschieden, die er auf nicht-profitorientierter Basis mit Spendengeldern gründete, nach dem auf dem Frankfurter Katholikentag von 1863 entwickelten Motto: «Macht die Fabriken zu Klöstern». Zu den Geldgebern gehörten österreichische Adelige, aber auch Schweizer Reformierte, die das wache Zeitbewusstsein des Kapuziners schätzten. Als rastlos tätiger, intuitiv planender Organisator überforderte Florentini vielfach sich selbst und seine Mitarbeiterinnen, deren Belastbarkeit er härtesten Proben aussetzte. Das Schwesterninstitut Ingenbohl unter Maria Theresia Scherer übernahm die riesige Schuldenlast, die der Konkurs seiner industriellen Unternehmungen hinterliess. Florentini war Mitglied und gern gehörter Redner der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft.

Quellen und Literatur

  • Leben der Heiligen Gottes, 4 Bde., 1860-1864
  • Provinzarchiv Schweizer Kapuziner, Luzern
  • Lexikon für Theologie und Kirche 3, 1959, 1324
  • A. Bünter, Die industriellen Unternehmungen von P. Theodosius Florentini 1808-1865, 1962
  • F.W. Bautz, Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 2, 1990, 62-63
  • C. Göcking, «Theodosius Florentini und die Coadjutorfrage im Bistum Chur», in Helvetia Franciscana 21, 1992, 49-64
  • L. Samson, «Theodosius Florentini und das Kollegium Schwyz», in Helvetia Franciscana 34, 2005, 9-90
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Zitiervorschlag

Victor Conzemius: "Florentini, Theodosius", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.04.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009021/2020-04-07/, konsultiert am 29.03.2024.