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Abschiede

Als Abschiede bezeichnet werden Protokolle oder Memoranden von Tagungen der Reichsstände (Reichstag), der Eidgenossenschaft (Tagsatzung) oder von Staatenbünden wie den Drei Bünden und den Walliser Zenden. Sie wurden den Abgeordneten beim Verlassen der Tagung ausgehändigt: daher ihr Name (französisch recès, départ). Die Abschiede der Alten Eidgenossenschaft hatten keine Gesetzeskraft oder Zwangsgewalt. Sie dienten den Abgeordneten dazu, ihren Regierungen den Inhalt der Beratungen zu übermitteln. Andere Repräsentativversammlungen wie das englische Parlament, die spanische Cortes oder die General- und Provinzialstände in Frankreich kannten ähnliche Regelungen.

Die eidgenössischen Abschiede sind ebenso alt wie die Tagsatzungen selbst und gehen auf das erste Viertel des 14. Jahrhunderts zurück. Ihre ursprünglich sehr einfache Ausgestaltung wurde im Laufe der Zeit vervollkommnet. Förmliche Abschiede waren auch üblich während der Mediation (1803-1813) sowie zwischen Bundesvertrag und Bundesverfassung (1815-1848), als sie gedruckt wurden. In der Alten Eidgenossenschaft hatte die Tagsatzung keine ständige Kanzlei, sondern bediente sich zur Abfassung und Verteilung der Abschiede der Kanzleien der verschiedenen Tagsatzungsorte. Diese Kanzleien erstellten Listen der Abgeordneten und chronologische Register, archivierten Beilagen wie Verträge, politische Briefwechsel sowie Jahresrechnungen, namentlich der gemeinen Herrschaften. Wichtigster Tagsatzungsort war bis 1712 Baden, danach Frauenfeld.

Ab 1852 wurden die Regesten der Abschiede der Alten Eidgenossenschaft unter der Leitung des Bundesarchivs ediert. Sie beruhen auf den jeweils vollständigen Ausfertigungen der Abschiede und Jahresrechnungen, die in den Staatsarchiven der Kantone Bern, Zürich und Luzern liegen. Das Archiv der Tagsatzungen von 1803-1813 befindet sich im Bundesarchiv; Abschriften werden auch in den Archiven der 19 damals zur Schweiz gehörenden Kantone aufbewahrt. Schliesslich bilden die Protokolle der Tagsatzungen von 1814-1848, redigiert vom eidgenössischen Kanzler und vom eidgenössischen Staatsschreiber, die authentische Grundlage des damaligen eidgenössischen Rechts und – im Zweifelsfall – seiner Interpretation. Jeder Kanton besitzt davon eine vollständige Sammlung in französischer und deutscher Sprache. Die Sammlung des Bundesarchivs enthält ausserdem die Berichte der Kommission, die Akkreditierungen der Abgeordneten, die Instruktionen der Kantone und die allgemeine Korrespondenz.

Auch im Wallis erliess der Landrat Abschiede, deren ältester von 1491 datiert. Auf der Grundlage der vollständigen Sammlung im Burgerarchiv Sitten wurden sie ab 1916 von der Kantonsregierung herausgegeben. Der älteste bekannte Abschied des Bundstags der Drei Bünde geht auf 1477 zurück. Die vollständigste Reihe dieser Abschiede, diejenige der Stadt Chur, befindet sich im Staatsarchiv des Kantons Graubünden.

Quellen und Literatur

  • Repertorium des Aarg. Staatsarchivs 1, bearb. von W. Merz, 1935
  • EA
  • Materialien zur Standes- und Landesgesch. Gemeiner III Bünde (Graubünden) 1464-1803, hg. von F. Jecklin, 2 Bde., 1907-09
  • WLA
  • A. Häberle, «Die amtl. Slg. der älteren eidg. Abschiede», in Gfr. 113, 1960, 5-80
  • R. Jenny, Das Staatsarchiv Graubünden in landesgeschichtl. Schau, 21974
  • D. Bourgeois, «Les archives de la Diète sous le régime de l'Acte de Médiation (1803-1813)», in SQ 2, 1976, 33-112
  • Das Archiv der Tagsatzungsperiode 1814-1848, bearb. von G. Hunziker, 1980
  • B. Truffer, «Les recès de la Diète valaisanne, source primordiale de l'histoire de notre pays du 16e au 18e siècle», in Ann. val., 1982, 145-155
Weblinks

Zitiervorschlag

Catherine Santschi: "Abschiede", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.05.2012, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008955/2012-05-03/, konsultiert am 17.04.2024.