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Sempacherkrieg

Der Sempacherkrieg war die entscheidende militärische Auseinandersetzung zwischen der Herrschaft Österreich und der Eidgenossenschaft im Streit um den Ausbau der jeweiligen Territorialherrschaft im Raum zwischen den habsburgischen Vorlanden und den Alpen. Der Sieg der Eidgenossen in der Schlacht bei Sempach am 9. Juli 1386 schwächte Habsburg-Österreich so sehr, dass es seine Herrschaftspositionen in den Gebieten südlich des Hochrheins langfristig nicht halten konnte.

Schlacht bei Sempach. Illustration aus der Berner Chronik von Benedikt Tschachtlan, 1470 (Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Ms. A 120, S. 328).
Schlacht bei Sempach. Illustration aus der Berner Chronik von Benedikt Tschachtlan, 1470 (Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Ms. A 120, S. 328). […]

Nach der Übernahme Tirols 1363 und der habsburgischen Güterteilung von 1379 bemühte sich Herzog Leopold III. von Habsburg, im Raum zwischen dem Tirol und den habsburgischen Vorlanden durch eine intensive Erwerbspolitik eine durchgehende Verbindung herzustellen; dazu gehörten die Pfandschaft über Nidau, Büren und Altreu als Verbindung zu Freiburg im Üechtland und der Griff nach den Hauensteinpässen, die den Anschluss ans Elsass gewährleisteten. Dieses Vorgehen kollidierte jedoch mit den territorialen Interessen der eidgenössischen Städte in diesem Raum, also vor allem Berns, das sich bereits im Burgdorferkrieg 1383-1384 durchsetzen konnte, und Luzerns sowie Basels und Solothurns. Die städtische Territorialpolitik bestand bis dahin vorwiegend im Erwerb durch Kauf, Pfandschaften oder Lehen und vermehrt durch Burgrechtsverleihungen und die – durch die Reichsgesetzgebung eigentlich verbotene – Aufnahme von Ausburgern. Dies führte zu einer Aushöhlung der Adelsherrschaften, was den Interessenkonflikt auf eine Auseinandersetzung zwischen Adel und Städten zuspitzte. Es bildeten sich verschiedene Städtebünde mit ausgeprägt antihabsburgischer Ausrichtung; am weitesten reichte der Konstanzer Bund von 1385, in dem sich Zürich, Zug, Solothurn, Bern und indirekt Luzern mit 51 anderen Städten aus dem süddeutschen Raum verbündeten. Für Herzog Leopold III. wirkte sich erschwerend aus, dass er nicht auf die Unterstützung des Königs zählen konnte und im Grossen Schisma der avignonesischen Obödienz folgte, während der oberdeutsche Raum zu Papst Urban VI. in Rom tendierte. Daher war Leopold zunächst nicht an einem offenen Konflikt interessiert und versuchte, zu einem friedlichen Ausgleich zu kommen. Die eidgenössischen Städte dagegen dehnten ihren Einflussbereich mehr und mehr aus und gerieten damit in Konflikt mit den lokalen österreichischen Amtsträgern und Pfandherren. Insbesondere das de jure immer noch österreichische Luzern emanzipierte sich zunehmend von der Herrschaft und betrieb in seinem Umland eine aggressive Ausburgerpolitik.

Ende 1385 erfolgten ohne formelle Kriegserklärung erste, nicht obrigkeitlich organisierte kriegerische Übergriffe von Zürchern, Zugern und Luzernern gegen die österreichischen Stützpunkte Rapperswil, St. Andreas bei Cham, Rothenburg und Wolhusen; zahlreiche Burgen des Österreich verpflichteten Adels wurden zerstört. Im Januar 1386 nahm Luzern zuerst das Entlebuch und die Kleinstadt Sempach in sein Burgrecht auf, danach die Städtchen Meienberg, Richensee und Willisau. Die österreichischen Amtleute reagierten darauf mit Gewalt; ihr Landesaufgebot brachte einer eidgenössischen Besatzung bei Meienberg eine Niederlage bei. Am 14. Januar mahnte Luzern Zürich und die Waldstätte zur Hilfeleistung. Ein Waffenstillstand beendete diese Aktionen am 21. Februar 1386. Hauptsächlich im Mai und Juni wurden in Zürich Friedensverhandlungen geführt unter Vermittlung der schwäbischen Städte, die sich aus vorwiegend wirtschaftlichen Überlegungen aus dem Krieg heraushielten, doch wurde der Waffenstillstand nicht verlängert. Der Kriegswille der eidgenössischen Verbündeten, gestützt auf ein neues Gemeinschaftsbewusstsein, liess aus dem anfänglichen Fehdekrieg eine offene militärische Auseinandersetzung entstehen: Der Konflikt war zur entscheidenden ständischen Auseinandersetzung zwischen den eidgenössischen Stadt- und Talgemeinden einerseits und dem südeutschen Adel andererseits geworden.

Herzog Leopold III. nahm die Herausforderung an und bereitete einen Gegenschlag vor. Er sammelte seine Truppen, bestehend aus Angehörigen der Rittergesellschaften aus Schwaben, dem Elsass, dem Aargau, dem Thurgau und Tirol, italienischen, französischen und deutschen Söldnern sowie städtischen Oberschichtsvertretern aus dem oberdeutschen Raum, bei Brugg. Dies liess auf einen Angriff gegen Zürich schliessen; der eidgenössische Auszug galt deshalb dem Schutz dieser Stadt. Das österreichische Ritterheer zog dann jedoch Ende Juni, wohl in der Absicht eines gegen Luzern und dessen Landschaft gerichteten Schädigungskriegs, über Zofingen und Willisau, das gebrandschatzt wurde, sowie Sursee in Richtung Sempach. Am 9. Juli 1386 traf es oberhalb von Sempach unverhofft auf die von Zürich abgezogenen Truppen der Orte Luzern, Uri, Schwyz und Unterwalden – Bern hatte der Mahnung keine Folge geleistet – und es kam zur offenen Feldschlacht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es den zahlenmässig unterlegenen und in unvorteilhafter Stellung überraschten Eidgenossen unter dem Oberbefehl Petermanns von Gundoldingen, das habsburgisch-österreichische Heer vernichtend zu schlagen.

Der genaue Ablauf der Schlacht ist unklar; die Winkelriedstat ist erst später als Erklärungsmotiv für die Wende in die Überlieferung eingeflossen (Arnold Winkelried). Mit Herzog Leopold III. fiel eine grosse Zahl regionaler Adliger, so jeweils mehrere Mitglieder der Familien von Aarberg, Baldegg, Bechburg, Büttikon, Eptingen, Falkenstein, Hallwil, Reinach und Rotberg. Die habsburgische Niederlage erregte weit herum Aufsehen. In der österreichischen Geschichtsschreibung galt sie als Untat rebellischer Untertanen gegen ihren rechtmässigen Herrn; nach eidgenössischer Ansicht wurde der Sieg dank der Hilfe Gottes errungen. Für das Haus Österreich waren die Folgen der Niederlage gravierend: Sie führte zu einem Machtzusammenbruch in den österreichischen Vorlanden und leitete das Ausscheiden aus den nachmals eidgenössischen Gebieten ein. Die mit Österreich verbündete Ritterschaft und städtische Oberschicht hatte einen enormen Aderlass erlitten. Für die eidgenössischen Städteorte Luzern und Bern sowie für Solothurn eröffneten sich jetzt dagegen Möglichkeiten für eine ungehinderte Expansion in die schutzlosen österreichischen Herrschaften. Bern, das bisher nicht am Krieg teilgenommen hatte, griff in verschiedenen Beutezügen in den Jura (Val-de-Ruz), ins Oberland, ins Emmental, an die Aare und in den Aargau aus. Luzern konnte die eroberten Territorien behalten und diese ab 1389 zu einer dauerhaften Herrschaft ausbauen. Glarus befreite sich dank des Siegs in der Schlacht bei Näfels am 9. April 1388 von der österreichischen Herrschaft. Am 12. Oktober 1386 vereinbarten Luzern, Zug und Zürich sowie die drei Waldstätte mit den Herzögen von Österreich einen Waffenstillstand, dem am 14. Januar 1387 ein einjähriger Friede folgte; diesem schlossen sich Bern und Solothurn an. Kriegerische Aktionen erfolgten noch bis zum Siebenjährigen Frieden vom 1. April 1389; schliesslich einigten sich die Kriegsparteien am 16. Juli 1394 auf einen Friedensvertrag für 20 Jahre.

In der luzernischen und eidgenössischen Gedächniskultur, Historio- und Ikonografie nimmt die Schlacht bei Sempach bis in die Gegenwart eine wichtige Stellung ein. Die Schlachtkapelle St. Jakob wurde bereits 1387 geweiht, das Schlachtjahrzeit wird als Gedenkfeier noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts begangen. Während die zeitgenössischen Quellen über die Schlacht spärlich sind, werden die Ereignisse in der späteren Chronistik (Luzerner Schilling, Aegidius Tschudi) breit dargestellt. Vor allem in der geistigen Landesverteidigung des 20. Jahrhunderts wurde Sempach für politische Zwecke instrumentalisiert.

Quellen und Literatur

  • W. Schaufelberger, Der Alte Schweizer und sein Krieg, 1952 (31987)
  • Kdm LU 4, 1956, 396-401
  • HbSG 1, 258-261
  • Gesch. der Schweiz und der Schweizer 1, 1982, 202-205
  • Die Schlacht von Sempach im Bild der Nachwelt, Ausstellungskat. Sempach, 1986
  • G.P. Marchal, Sempach 1386, 1986
  • G.P. Marchal, «Zum Verlauf der Schlacht bei Sempach», in SZG 37, 1987, 428-436
  • G.P. Marchal, Schweizer Gebrauchsgesch., 2006
Weblinks

Zitiervorschlag

Stefan Jäggi: "Sempacherkrieg", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 18.12.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008871/2012-12-18/, konsultiert am 28.03.2024.