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Grimselpass

Der alte Saumpfad zwischen Handegg und Räterichsbodensee, auf der Berner Seite des Passes (Fotografie ViaStoria, Stiftung für Verkehrsgeschichte).
Der alte Saumpfad zwischen Handegg und Räterichsbodensee, auf der Berner Seite des Passes (Fotografie ViaStoria, Stiftung für Verkehrsgeschichte). […]

Der Grimselpass gehörte bis ins 19. Jahrhundert zu den wichtigeren Alpenpässen im Gebiet der Schweiz, obwohl er nie die Bedeutung des Gotthards, der Bündner Pässe oder des Grossen St. Bernhards erlangte. Zusammen mit dem Brünigpass und dem Griespass verband er die Landschaften des östlichen Oberlands und der Innerschweiz mit den Märkten der Lombardei und des Piemonts.

Die römerzeitliche Benutzung des Grimselpasses bleibt hypothetisch, da sich entsprechende Argumentationen im Wesentlichen nur auf vereinzelte Münzfunde sowie auf die Existenz einer römischen Villa in Alpnach und einer Ansiedlung (mansio?) in Wiler ob Innertkirchen stützen. Die in der älteren Literatur oft behauptete Überquerung des Passes im Jahre 1211 durch Truppen des Herzogs von Zähringen ist nicht erwiesen, da für die chronikalische Ortsnennung Gestinun, wo der Zusammenstoss mit den Wallisern erfolgte, eher Niedergesteln im Mittelwallis als Obergesteln im Goms in Frage kommt. Die ersten sicheren Nachrichten über den Grimselpass stammen aus dem 14. Jahrhundert. Zu dieser Zeit gab es bereits das Grimselspittel, das Hospiz, welches im Besitz der Landschaft Hasli stand. 1397 vereinbarten die Landschaften Pomat (Val Formazza) im Val d'Ossola, Goms und Hasli sowie die Städte Unterseen, Thun und Bern, für den freien und sicheren Handelsverkehr zu sorgen sowie den Saumweg und die Susten zu unterhalten. Inwieweit die Kaufleute von Mailand, die an sicheren Passrouten zur Erschliessung des Alpennordhangs als Produktions- und Absatzgebiet für die lombardischen Städte interessiert waren, am Zustandekommen des Vertrags im Hintergrund mitwirkten, ist nicht geklärt. Trotz dieses Abkommens entwickelte sich der Grimselpass nicht zu einer grossen Alpentransitroute. Die politischen Konflikte des 15. Jahrhunderts im Wallis und die militärischen Interventionen der eidgenössischen Orte im Eschental hemmten den Handelsverkehr. Nach der Reformation beeinträchtigten die konfessionellen Spannungen die nachbarschaftlichen Beziehungen über den Grimselpass, und Grenzsperren zu Pestzeiten brachten den Verkehr zeitweilig ganz zum Erliegen. Dennoch hatte ein beachtlicher Warenhandel im regionalen Rahmen jahrhundertelang Bestand; vor allem als Exportroute für Käse spielte der Grimselpass für die stark kommerzialisierte Landwirtschaft am nördlichen Alpenhang eine überaus wichtige Rolle. Vom Meiringer Landhaus aus wurden Käse und Vieh auf den Markt von Domodossola, teils auch nach Bellinzona und Lugano gebracht. Aus dem Süden gelangten Wein, Reis, Mais, Öl und Gerätschaften ins Haslital. In der frühen Neuzeit war der Grimselpass die wichtigste Exportroute für den Sbrinz, den Vollfetthartkäse, der auf den Alpen des östlichen Oberlandes, Unterwaldens und des Entlebuches hergestellt wurde und über die Grimsel den Weg zu den oberitalienischen Konsumenten fand.

Ein Postauto auf der Fahrt zum alten Grimselhospiz, um 1925 (Museum für Kommunikation, Bern).
Ein Postauto auf der Fahrt zum alten Grimselhospiz, um 1925 (Museum für Kommunikation, Bern).

In älterer Zeit brachten Hasler Säumer das Transportgut bis zum Grimselhospiz. Die Walliser führten es von dort zur Sust im Loch bei Obergesteln. Pomater Säumer transportierten die Waren schliesslich über den Griespass bis Domodossola. Im 19. Jahrhundert erhielten die Pomater allein den Verkehr über die ganze Strecke vom Juni bis in den Oktober aufrecht. Sie zogen alle zwei Wochen freitags mit ihrer Maultierkolonne hinunter nach Domodossola, kauften Wein und andere Waren auf dem samstäglichen Markt ein und kehrten in ihre Dörfer im obersten Eschental zurück. Am Dienstag überquerten sie, jedes Tier mit zwei Lägeln Wein und einem Sack Mais oder Reis beladen, den Griespass und nächtigten im Goms. Am Mittwoch erreichten sie mittags das Grimselspittel und abends langten sie im Wirtshaus von Guttannen an. Am Donnerstag verkauften sie ihren Wein im Landhaus zu Meiringen und stiegen noch gleichentags vollbeladen mit Käse nach Guttannen zurück. Dann kehrten sie über die beiden Pässe heim ins Pomat.

Mit der Eröffnung der Gotthardbahn im Jahre 1882 kam der Saumverkehr zum Erliegen und die Grimsel-Gries-Route als Alpen querende Handelsstrecke ausser Gebrauch. Mittlerweile hatte das Gebiet der Grimsel längst das Interesse der frühen Touristen gefunden. Bereits unter den Reisenden des 18. Jahrhunderts hatte die Wanderung durch die wilde Alpinlandschaft der Grimsel häufig zum Programm einer klassischen Schweizerreise gehört. Im 19. Jahrhundert erlebte der Pass zeitweise beträchtliche Frequenzen.

Später als die andern Alpenpässe erhielt der Grimselpass eine Fahrstrasse. Im Laufe des 19. Jahrhunderts hatte die Berner Regierung kontinuierlich in die Verbesserung des Saumweges investiert. Ein Kunststrassenbau stand aber erst im letzten Viertel ernsthaft zur Diskussion. Zunächst war mit viel Aufwand 1847-1867 die Fahrstrasse bis Innertkirchen-Hof neu angelegt worden. Die Erschliessung Guttannens liess bis 1886 auf sich warten. Die eigentliche Passstrasse Guttannen-Gletsch wurde 1894 eröffnet. Die Eidgenossenschaft beteiligte sich zu zwei Dritteln an den Baukosten, weil der Verbindung auch eine militärisch-strategische Bedeutung zukam.

Die neue Grimselstrasse, die sich in Gletsch in das inneralpine Passstrassennetz einfügte, wurde umgehend zur touristischen Attraktion. Mit dem Kraftwerkbau zwischen 1920 und 1950 erfuhr die Strasse einen Ausbau. Verschiedenenorts wurde sie zerstört oder, wie auch das alte Spittel, überflutet. In den 1980er Jahren wurde die attraktive Alpenpassstrecke zur unfallträchtigen Schnellstrasse ausgebaut.

Quellen und Literatur

  • IVS-Dok. BE 17
Systematik
Verkehr / Pass

Zitiervorschlag

Hans von Rütte: "Grimselpass", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.01.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008851/2006-01-30/, konsultiert am 29.03.2024.