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Septimerpass

Panorama der Bündner Alpen von Süden nach Norden. Postkarte der Basler Kunstverlags-Anstalt Gebr. Metz, um 1913 (Fundaziun Capauliana, Chur).
Panorama der Bündner Alpen von Süden nach Norden. Postkarte der Basler Kunstverlags-Anstalt Gebr. Metz, um 1913 (Fundaziun Capauliana, Chur). […]

Bündner Alpenübergang auf 2310 m zwischen Bivio im Oberhalbstein und Casaccia im Bergell, romanisch Pass dal Set, italienisch Passo del Settimo. Anfang 13. Jahrhundert Setmunt. Schon für die Bronzezeit lässt sich im Oberhalbstein Handel über die Alpenpässe nachweisen. Das «Itinerarium Antonini», ein im späten 3. Jahrhundert n.Chr. unter Beizug älterer Unterlagen erstelltes Strassenverzeichnis, gibt zwischen den Stationen Tinnetione (Tinizong im Oberhalbstein) und Muro (wohl Müraia bei Promontogno) einen Strassenzug wieder, der nur der Septimer- bzw. der Julierroute entsprechen kann. Dass der Septimerpass in römischer Zeit begangen wurde, beweist eine Kulturschicht mit frührömischen Funden, auf die man auf der Passhöhe stiess. Aufgrund der am Südabhang des Passes nachgewiesenen Radspuren und des dort gefundenen Felseinschnitts schloss Armon Planta sogar, dass der Septimerpass in römischer Zeit bereits befahren wurde. Da die Annahme, dass die Karrgeleise generell auf die römische Zeit zurückgehen, aber inzwischen widerlegt wurde und auch die Spuren am Septimerpass – vor allem im Vergleich mit denen auf dem Julier – nur wenig überzeugen, hat sich die neueste Forschung von dieser Hypothese distanziert.

Das Churrätische Reichsgutsurbar (um 840) nennt an der Route über den Septimerpass eine Herberge in Marmorera, einen Stall mit Heuspeicher an der Weggabelung in Bivio und die Zollstelle in Castelmur. Ob das in der gleichen Quelle erwähnte Xenodochium sancti Petri dem Passhospiz entspricht, ist unsicher. Überliefert ist ein Neubau des Hospizes und der Kapelle um 1100. Der Bischof von Chur kontrollierte von 960 an – damals hatte ihm König Otto I. das Bergell samt dem dortigen Zoll überlassen – den Pass und die Anfahrtswege auf der Nord- wie auf der Südseite. Die Befreiung der Dienst- und Eigenleute des Hospizes von der Steuer- und Herbergspflicht 1209 durch König Otto IV. unterstreicht die Bedeutung des Septimers, der vom Hochmittelalter bis in die 1470er Jahre der wichtigste Bündner Pass war. Ab dem 12. Jahrhundert stiessen die Bergeller auf der Suche nach neuem Siedlungsland über den Septimerpass in die oberste Talstufe des Oberhalbsteins vor. Zum wohl bis ins 16. Jahrhundert bestehenden Hospiz auf dem Septimer führte auch der Weg über die 2672 m hohe Forcellina aus dem Avers, das bis Ende 19. Jahrhundert für den Viehhandel nach Süden orientiert war. 1359 erwirkte Bischof Peter Gelyto von Kaiser Karl IV. ein Mandat, das den Reichsstädten verbot, andere Pässe als den Septimerpass zu benützen. Nachdem Mailänder Kaufleute 1386 nach einer Ausweichroute für den Gotthard gesucht hatten, der wegen der Sempacherkriege als unsicher galt, verpflichtete Bischof Johannes Ministri 1387 Jacob von Castelmur zum Bau einer gepflasterten Landstrasse von Tinizong bis Plurs (Piuro), auf der Wagen bis zu 36 Rupp Ladung (ca. 300 kg oder 2 1/2 Saumladungen) verkehren konnten. Dafür wurde Castelmur die Erhebung eines Weggeldes gestattet. Das Strässchen über den Septimerpass scheint allerdings bald wieder zum Saumweg geworden zu sein. Der Ausbau der Viamala-Schlucht 1473 zog den Transitverkehr von der Oberen Strasse – diese Bezeichnung hatte sich für die Route über den Septimerpass bzw. über den Julier und Maloja eingebürgert – auf die Untere Strasse, die über den Splügen bzw. den San Bernardino führte, weshalb der Septimerpass an Bedeutung verlor. Vor allem auf seiner Südseite beeinträchtigten Felsstürze, Rüfen und Lawinen die Passage. Den Warenverkehr beherrschten die Porten, Transportgenossenschaften der einheimischen Bauern. Am Septimerpass waren dies die Port Stalla (Bivio und Marmorera) und die Bergell-Ob Porta. In der Neuzeit war aber das Transitvolumen auf der Unteren Strasse immer grösser als dasjenige über Septimerpass und Julier. Die neue Fahrstrasse, die nach 1820 angelegt wurde, führte nicht über den Septimerpass, sondern über Julier und Maloja, denn sie diente vor allem der Erschliessung des Engadins. Projekte für eine Strasse und eine Bahn über den Septimerpass wurden nie realisiert. Ein letzter Siedlungsschub von Bergeller Bauern über den Septimerpass ins offiziell italienischsprachige Bivio erfolgte im Ersten Weltkrieg.

Quellen und Literatur

  • A. Planta, Verkehrswege im alten Rätien 2, 1986, 67-93
  • J. Rageth, «Röm. Verkehrswege und ländl. Siedlungen in Graubünden», in Bündner Jb., 1986, 46-55
  • HbGR 1, 142-144, 239-241; 2, 63-67; 3, 63-65
  • J. Rageth, «Röm. Strassen- und Wegreste im bündner. Alpenraum», in Über die Alpen, 2002, 59-65
  • I.H. Ringel, Der Septimer, 2011
Weblinks
Weitere Links
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Kurzinformationen
Endonyme/Exonyme
Col du Septimer (Französisch)
Septimerpass (Deutsch)
Pass dal Set (Rätoromanisch)
Passo del Settimo (Italienisch)

Zitiervorschlag

Jürg Simonett: "Septimerpass", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.12.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008815/2016-12-09/, konsultiert am 17.04.2024.