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Freischarenzüge

Als Freischarenzüge werden die zwei antiklerikalen Umsturzversuche von 1844 und 1845 gegen die Regierung des Kantons Luzern bezeichnet. Wichtigster Anlass war die von der Luzerner Regierung vorgenommene, von liberaler und radikaler Seite massiv bekämpfte Berufung der Jesuiten an die höheren Schulen. Obschon beide Umsturzversuche von den liberalen Kantonen gefördert wurden, war die «Freiwilligkeit» ein wesentliches Kennzeichen der Freischarenzüge. Als Reaktion auf diese schlossen sich die katholisch-konservativen Kantone im Sonderbund zusammen. Die Freischarenzüge markierten damit einen entscheidenden Punkt in den gesamtschweizerischen, bürgerkriegsähnlichen und von zunehmendem Konfessionalismus geprägten Auseinandersetzungen, die schliesslich zum Sonderbundskrieg und zur Gründung des Bundesstaats führten. Luzern handelte dabei rechtmässig, die Tagsatzung hielt sich zurück und trat für die Respektierung des Rechts ein.

Der erste Freischarenzug vom 8. Dezember 1844 war militärisch schlecht vorbereitet: Die etwa 100 Versammelten, die in der Stadt Luzern den Umsturzversuch begannen, wurden von Regierungssoldaten auseinander getrieben. Die ca. 1000 Freischärler aus der Luzerner Landschaft und den Kantonen Aargau, Solothurn und Baselland konnten die Regierungstruppen bei Emmenbrücke zwar zurückschlagen, zogen sich aus Unsicherheit über die eigene Lage aber zurück. Der anfänglich hilflosen Luzerner Regierung gelang es dadurch, stärkere Miliztruppen zusammenzuziehen. Die Luzerner Behörden reagierten mit zahlreichen Verhaftungen sowie politischen und wirtschaftlichen Repressionen, die auch Unbeteiligte trafen. Zahlreiche Luzerner flüchteten in benachbarte Kantone, wo die radikale Agitation gegen die Jesuiten mit Volksversammlungen, Pressekampagnen, Massenpetitionen und der Bildung von Anti-Jesuitenvereinen einen neuen Höhepunkt erreichte. Die einberufene Tagsatzung erwies sich als handlungsunfähig.

Gefangene in der Luzerner Jesuitenkirche im April 1845. Lithografie von Joachim Senn (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Gefangene in der Luzerner Jesuitenkirche im April 1845. Lithografie von Joachim Senn (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Im zweiten Freischarenzug übernahm Ulrich Ochsenbein, Hauptmann im eidgenössischen Generalstab, das Oberkommando und entwarf den Angriffsplan. In der Nacht vom 30. auf den 31. März 1845 marschierten ca. 3500 Freischärler von Huttwil und Zofingen aus in den Kanton Luzern ein. Bei Emmenbrücke wurde die kleinere Abteilung von Regierungstruppen in die Flucht geschlagen. Die Hauptmacht dagegen rückte bis am Abend unmittelbar vor Luzern vor. Die einbrechende Dunkelheit, der erschöpfte Zustand seiner stark dezimierten Mannschaft, aber auch moralische Bedenken hielten Ochsenbein vor einer Beschiessung der Stadt ab. Sie wäre den Freischärlern wohl rasch in die Hand gefallen. Der Luzerner Oberkommandierende, General Ludwig von Sonnenberg, und die Regierung wähnten sich bereits verloren. Unter den Freischärlern waren Unordnung und Verunsicherung inzwischen so gross geworden, dass ein in der Nacht versehentlich abgefeuerter Schuss eine panikartige Flucht auslöste. Dabei gerieten grössere Abteilungen bei Malters in einen Hinterhalt und wurden völlig aufgerieben. Die am folgenden Morgen ausrückenden Regierungstruppen stiessen nur noch auf kleine Gruppen. An die 2000 Freischärler gerieten in Gefangenschaft. Die Kämpfe hatten über 120 Todesopfer gefordert, mehr als 100 davon unter den Freischärlern. Während mehr als 700 Luzerner Bürger zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, liess man die Gefangenen aus anderen Kantonen gegen ein hohes Lösegeld frei. Die Fronten verhärteten sich durch die Gräuelpropaganda der enttäuschten Verlierer, wonach die Gefangenen misshandelt worden seien.

Quellen und Literatur

  • O. Marchi, Der erste Freischarenzug, 1971
  • K. Bühlmann, Der zweite Freischarenzug, 1985
Weblinks

Zitiervorschlag

Kurt Münger: "Freischarenzüge", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.03.2005. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008682/2005-03-11/, konsultiert am 29.03.2024.