de fr it

Reisläufer

Söldner

Als Reisläufer werden diejenigen Männer, die in den Krieg ziehen (mittelhochdeutsch die reis louffen), und damit allgemein die in fremden Diensten stehenden Söldner (französisch mercenaires, italienisch mercenari) bezeichnet. Der Begriff Reisläufer, der im Mittelalter noch neutral war, bekam im Lauf der frühen Neuzeit eine zunehmend negative Bedeutung.

Der Neuenburger Emer de Vattel unterschied Mitte des 18. Jahrhunderts zwischen dem Reisläufer und dem Söldner. Der Söldner verpflichtete sich zu einem obrigkeitlich bewilligten Solddienst, während der individuelle militärische Einsatz der Reisläufer von der Obrigkeit nicht gewollt war. Das Reislaufen war im Gegensatz zum Solddienst durch keine offiziellen Verträge oder Kapitulationen reglementiert. Reisläufer konnten sich als Einzelpersonen oder in Gruppen, sogenannten Freikompanien, engagieren. Sie stellten sich freiwillig und mittels Privatvertrag unter die Autorität und Rechtshoheit eines fremden Herrschers oder waren einem selbstständigen Hauptmann unterstellt, der mit einem fremden Herrscher eine Privatkapitulation abgeschlossen hatte.

Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert

Kampf zwischen einem eidgenössischen Reisläufer (links) und einem Landsknecht. Zeichnung aus der handschriftlichen Chronik (1560-1587) des Zürcher Chorherrn Johann Jakob Wick (Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Wickiana, Ms. F 15, Fol. 61r).
Kampf zwischen einem eidgenössischen Reisläufer (links) und einem Landsknecht. Zeichnung aus der handschriftlichen Chronik (1560-1587) des Zürcher Chorherrn Johann Jakob Wick (Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Wickiana, Ms. F 15, Fol. 61r). […]

Die Reisläufer standen anfänglich im Dienst des Kaisers und der italienischen Städte, zum Beispiel von Mailand um 1372-1373. Die Reisläuferei entwickelte sich relativ unkontrolliert. Ab 1474 erhob Niklaus von Flüe wiederholt seine Stimme gegen das Reislaufen und den Einfluss ausländischer Gelder. Ab 1477 war es Privaten verboten, sich auf eigene Rechnung in fremde Dienste zu begeben. Doch die Mandate und angedrohten Strafen vermochten die Auswanderung von Reisläufern nicht aufzuhalten. Bis 1515, dem Regierungsantritt von König Franz I., florierte das freie Kriegertum und zahlreiche Reisläufer zeichneten sich in den Mailänder Kriegen aus. Dem Reformator Huldrych Zwingli gelang es 1520 in Zürich, Kriegsdienste für fremde Mächte zu unterbinden. Danach versuchten die eidgenössischen Orte, die Anwerbung unter ihre Kontrolle zu bringen. Das freie Reislaufen, das für die eidgenössischen und zugewandten Orte ertraglos war, wurde in ein politisches Instrument zum vermeintlich allgemeinen Nutzen, in der Praxis zum Nutzen der führenden Oberschicht (Pensionen), umgewandelt.

Obwohl 1671 für den Solddienst in Frankreich stehende und kapitulierte Regimenter geschaffen wurden, bestanden weiterhin auch ausserhalb der Schweiz rekrutierte Freikompanien, was gegen die Regeln der Kapitulationen verstiess. Reisläufer und Söldner bzw. Soldaten in bewilligten Diensten kamen folglich miteinander in Kontakt. Nach 1763 versuchte der französische König, die Zahl der Freikompanien in französischen Diensten zu begrenzen, um die Schlagkraft der durch Kapitulationen verpflichteten Regimenter zu stärken.

Ganze Regimenter von Reisläufern wurden bis ins 18. Jahrhundert in der Zentralschweiz für Spanien und in den reformierten Gebieten für England ausgehoben. Die Privatkapitulation, die Oberst Karl Ignaz von Nideröst mit dem Kriegsminister im November 1724 in Madrid abschloss, diente als Vorlage für die Privatkapitulationen von 1734. Sie barg aber wegen des fehlenden obrigkeitlichen Einsichtsrechts verschiedene Nachteile. Die einzelnen eidgenössischen Orte konnten zum Beispiel Schweizer Reisläufern keine Sicherheiten gewähren und nicht verhindern, dass diese zu Zwecken eingesetzt wurden, die den eidgenössischen Interessen zuwiderliefen. Im September 1793 beabsichtigte Spanien, acht zusätzliche, aus Freikompanien bestehende Regimenter anzuwerben. Dies hätte die Hauptleute zu Freischarenführern, sogenannten condottieri, degradiert und die fremden Dienste auf den Stand des 15. und 16. Jahrhunderts zurückgeworfen. Vereinzelt fand sich diese Art von Dienst in Frankreich wieder, so im Fall des Marineinfanterieregiments von Franz Adam Karrer, das 1719 durch eine Privatkapitulation geschaffen, 1752 von Franz Josef von Hallwyl übernommen und 1763 aufgelöst wurde. Es kam in Übersee, vor allem auf den Antillen, zum Einsatz. In diesem Regiment diente auch der Neuenburger Charles-Daniel de Meuron, der 1781 der Niederländischen Ostindien-Kompanie ein eigenes Regiment stellte.

Die Grenzen zwischen Reislaufen und obrigkeitlich bewilligtem Solddienst waren gelegentlich fliessend. Privatkapitulationen wurden im Nachhinein genehmigt; so anerkannte zum Beispiel Bern 1700 seine Reisläufer in holländischen Diensten als rechtmässige Söldner. Das 1701-1796 in holländischen Diensten stehende Zürcher Regiment Werdmüller bzw. Hirzel beruhte auf keiner Kapitulation, wurde aber in den 1720er Jahren von der Obrigkeit gebilligt. Ebenso bewilligte Bern 1761 die Söldnerwerbung für die Schweizergarden, die 1748 für den Dienst in Holland geschaffen worden waren. Das 1730 für den sardinisch-piemontesischen Dienst ausgehobene Berner Regiment wurde 1737 durch eine offizielle Kapitulation legalisiert und bestand bis zum Franzoseneinfall. Dagegen anerkannte der Graue Bund das in französischen Diensten stehende, 1734 unter dem Namen Travers aufgestellte Regiment Salis-Marschlins nie offiziell.

1848 wurde der Abschluss neuer Militärkapitulationen verboten und 1859 ein Gesetz gegen die Anwerbung von Söldnern erlassen. Doch weiterhin verpflichteten sich Freiwillige für militärische Einsätze im Ausland, obwohl diese im 20. Jahrhundert immer härter bestraft wurden.

Zur Verwendung des Begriffs Reisläufer

Soldaten, die sich aufgrund einer Kapitulation in fremde Dienste begaben, als Reisläufer zu bezeichnen, ist rechtlich gesehen falsch. Sobald die institutionellen Rahmenbedingungen der fremden Dienste und vor allem deren diplomatische Bedeutung, zum Beispiel im System der Allianzen berücksichtigt werden, erscheint der Ausdruck Reisläuferei inadäquat. In der Historiografie wurde die Abhängigkeit der Eidgenossenschaft von Frankreich kaum thematisiert, weil dies dem aufkeimenden Nationalstolz des 19. Jahrhunderts zuwiderlief. Der auf Kapitulationen beruhende Solddienst wurde zum Reislaufen herabgemindert, als er in der Restauration und vor allem der Regeneration den schweizerischen Interessen nicht mehr direkt diente. In der Folge übernahmen die meisten Historiker den praktischen, aber unscharfen Begriff des Reislaufens, um damit die Solddienstauswanderung vor 1848 zu bezeichnen.

Quellen und Literatur

  • A.-J. Czouz-Tornare, Les troupes suisses capitulées et les relations franco-helvétiques à la fin du XVIIIe siècle, 2 Bde., 1996
  • Gente ferocissima, hg. von N. Furrer et al., 1997
  • A. Esch, Alltag der Entscheidung, 1998
Weblinks

Zitiervorschlag

Alain-Jacques Czouz-Tornare: "Reisläufer", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.05.2011, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008607/2011-05-19/, konsultiert am 29.03.2024.