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Voralpen

Als Voralpen oder auch Alpenvorland wird die den Alpen vorgelagerte hügelige bis gebirgige Zone in der Schweiz, in Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich bezeichnet. In der Schweiz liegen die Voralpen zwischen den Alpen und den Molassehügeln des Mittellands und bestehen aus Kalkmassiven mit Gipfeln bis zu 2500 m. Die Geografen unterscheiden die Westschweizer Voralpen von den Zentralschweizer und den Ostschweizer Voralpen. Diese Alpenrandzone, die vom Genfersee bis zum Bodensee rund 12% der Fläche der Schweiz ausmacht, umfasst Thuner-, Brienzer-, Vierwaldstätter-, Zuger-, Ägeri- und Walensee und reicht bis an den östlichen Teil des Zürichsees. Die nach Nordwesten hin offenen Täler begünstigten die Verbindung zum Mittelland. Im Westen berühren die Voralpen das Wallis zwischen dem Val d'Illiez und dem Genfersee und schliessen das Pays-d'Enhaut im Kanton Waadt und das Greyerzerland im Kanton Freiburg ein. Von dort ziehen sie sich weiter über das Simmental und das Berner Oberland, einen Teil des Luzerner Entlebuchs sowie die Kantone Ob- und Nidwalden hin. Von Schwyz und Zug aus erstrecken sich die Voralpen ostwärts über das Zürcher Oberland und das Toggenburg nach Appenzell, wo sie am Säntis enden. Neben dem Säntis sind der Moléson, die Tour d'Aï, der Niesen, der Napf, der Pilatus, die Rigi und die Mythen die höchsten Gipfel. Auf der Alpensüdseite ist die Begrenzung der Voralpen umstritten. Das Sottoceneri und das Luganese gehören zum System der lombardischen, Vareser und Comer Voralpen. Die höchsten Gipfel sind dort der Camoghè, der Monte Tamaro, der Monte Lema und der Monte Generoso.

Der landschaftliche Ansatz ist weniger starr als die geologische Definitionen. Die Voralpen bilden eine vielfältige Landschaft: Verstreut über die Hänge, an deren Fuss Dörfer und einige Flecken liegen, befinden sich Einzelhofsiedlungen, die für die mehrstufige Landwirtschaft und die saisonale Transhumanz charakteristisch sind. Das eher feuchte Klima und der Flysch begünstigten die Weiden und damit die Entwicklung der Viehwirtschaft. Die im 14.-15. Jahrhundert verbreiteten Schafe wichen im 16. Jahrhundert dem Grossvieh und der Ackerbau der Heugewinnung. Auf den Alpweiden, die teilweise notablen Familien gehörten, wurden grosse Herden gesömmert und Hartkäse hergestellt (Käse, Küherwesen). Ab dem 17. und 18. Jahrhundert wurde Greyerzer, Emmentaler und Appenzeller Käse sowie Käse aus den zentralen Voralpen auf städtischen Märkten und ins Ausland vertrieben. Ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand die Milchwirtschaft der Voralpen in Konkurrenz mit dem Obstbau im Mittelland. Durch die Alpwirtschaft unterscheiden sich die Voralpen von den steilen und stärker abgeschlossenen Alpentälern, wo die Bewirtschaftung der Alpweiden durch bäuerliche Korporationen mit gemischter Landwirtschaft der lokalen Versorgung und dem Export von Schlachtvieh diente, wie im Wallis bis Mitte des 20. Jahrhunderts.

Ende des 18. Jahrhunderts kamen die ersten Touristen in die Voralpen. Die Gipfel im Hintergrund der sanften Seeufer regten die Entdeckung und Idealisierung der Sennen und des Hirtenvolks an. Die Existenzbedingungen blieben aber prekär: Viele mussten auswandern oder das Einkommen aus der Viehwirtschaft mit Heimarbeit aufbessern, vor allem in der Ostschweiz, etwa mit Weben oder Sticken im Appenzellerland. Die Industrie drang kaum in die Voralpen vor. Das für den Alltag notwendige Handwerk, die Waldwirtschaft und die Arbeitsplätze im Tourismus fügten sich ins bäuerliche Leben ein. Seit Ende des 20. Jahrhunderts arbeiten immer mehr Bewohner der Voralpen im Mittelland. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts zeichnet sich die Tendenz zum Familientourismus (1999 Voralpen-Express Luzern-Romanshorn) und zur Aufwertung der heimischen Produkte ab. Dadurch werden das Landschaftskapital und die Traditionen der Voralpen bewahrt, die die Voralpen international bekannt und zu einem Symbol der Schweiz machten.

Quellen und Literatur

  • W. Bodmer, «L'évolution de l'économie alpestre et du commerce du fromage du XVIe siècle à 1871 en Gruyère et au Pays-d'Enhaut», in Ann. frib. 48, 1967, 5-162
  • Atlas der Schweiz, 1972, Taf. 5
  • F. Marti, W. Trüb, Bahnen der Voralpen, 1975
  • A. Werthemann, A. Imboden, Die Alp- und Weidewirtschaft in der Schweiz, 1982
  • A.-L. Head, «L'évolution de la typologie des zones agricoles en pays de montagne du XVIIe au XIXe siècle», in Itinera 10, 1989, 82-94
  • M. Brandt, G. Brenna, Vom Passo S. Jorio zum Monte Generoso, 2000 (ital. 1997)
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Denyse Raymond: "Voralpen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.04.2015, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008564/2015-04-22/, konsultiert am 28.03.2024.