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LausanneFürstbistum

Als geistliches Oberhaupt seiner Diözese war der Bischof von Lausanne bis zum 16. Jahrhundert auch Herr über ein kleines Fürstentum, das Fürstbistum Lausanne. Obwohl es nicht aus einem zusammenhängenden Gebiet bestand, bildete sich eine weltliche Herrschaft heraus. Davon zeugen von der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an die militärische Organisation (Errichtung von Kastellen), die allmählich zentralisierte Verwaltung, das Wappen und ab Ende des 15. Jahrhunderts die beratende Ständeversammlung. Das Fürstentum umfasste Lausanne mit seinem Umland, das Lavaux, Avenches, Lucens, Bulle, Riaz und La Roche. Der Bischof herrschte demnach nur über einen kleinen Teil seiner weitläufigen Diözese, aber es gelang ihm, einige seiner weltlichen Rechte über einen grösseren Raum geltend zu machen, vor allem das Münzrecht. Seine Territorien bestanden im Wesentlichen aus jenen Gebieten, die er im 10. Jahrhundert bei der Aufteilung des Lausanner Kirchenguts zwischen ihm und dem Domkapitel für sich behalten hatte. Zum bereits bestehenden bischöflichen Mensalgut kamen 1079 das Lavaux, ein Geschenk Kaiser Heinrichs IV., und die im 14. Jahrhundert erworbene Herrschaft La Roche hinzu. Das Fürstbistum hielt sich an das in der Coutume von Lausanne gesetzte Recht. Es lebte von seinem Marienbildnis in der Kathedrale, das zahlreiche Pilger anzog. Die Gottesmutter war die Patronin der Lausanner Kathedrale, der Diözese und des Fürstbistums.

Über die weltlichen Rechte der Bischöfe von Lausanne bis zur Gründung des Zweiten Königreichs Burgund 888 ist nichts bekannt. Am Ende des 9. Jahrhunderts erhielt der Bischof von den Rudolfingern die Grafschaftsrechte über die Stadt Lausanne, 1011 jene über die umliegende Region (Grafschaft Waadt). Die Bischöfe des 12. und 13. Jahrhunderts nutzten die Regalien (Teil der Herrschaftsrechte, den ein Kaiser einem Bischof abtritt), um ihre Rechte gegenüber den Grafen von Genf, den Herzögen von Zähringen, die sich der Kastvogteien bemächtigten, und den Grafen von Savoyen zu wahren. Letztere machten aus der Waadt eine savoyische Provinz, welche die bischöflichen Besitzungen vollständig umschloss. Mit Gewalt oder durch Verhandlungen brachten die Grafen von Savoyen die Bischöfe dazu, einen Teil ihres weltlichen Besitzes abzutreten, etwa die Lehen Moudon und Romont (VD), verschiedene Abkommen zur Aufteilung der Gerichtsbarkeit (in Kraft 1260-1268, 1316-1329 und 1344-1349) zu unterzeichnen und Sonderregelungen für die Bürger von Lausanne zu vereinbaren. 1275-1308 profitierten die Bischöfe davon, dass die Habsburger ihnen Schutz vor den Grafen von Savoyen und der Bevölkerung Lausannes gewährten. Ausserdem nutzten sie die Teilung Savoyens 1286, indem sie Graf Amadeus V. und seinen Bruder Ludwig I., Herr der Waadt, als Rivalen gegeneinander ausspielten.

Vorder- und Rückseite eines Golddukaten mit dem Kopfbild von Bischof Aymon de Montfalcon und seinem Wappen, zwischen 1491 und 1517 (Musée monétaire cantonal, Lausanne).
Vorder- und Rückseite eines Golddukaten mit dem Kopfbild von Bischof Aymon de Montfalcon und seinem Wappen, zwischen 1491 und 1517 (Musée monétaire cantonal, Lausanne).

Im 14. Jahrhundert stabilisierte sich die rechtliche und territoriale Situation des Fürstbistums: Von den 1320er Jahren an gab es keine Kriege mehr. Der savoyische Zugriff auf das Fürstbistum reduzierte sich auf das Appellationsrecht, das Savoyen 1356 von Kaiser Karl IV. erhalten hatte und durch einen savoyischen Richter in Lausanne (Juge de Billens) wahrnehmen liess. Um 1336 gestanden die Bischöfe der Stadt Lausanne eine kommunale Selbstverwaltung zu. Um ihre Stellung als Landesherren gegenüber der Lausanner Bürgerschaft und den anderen Untertanen zu behaupten, aber auch um die rechtlichen Ansprüche der Savoyer zurückzudrängen, traten sie vom 15. Jahrhundert an als Fürsten auf. Eine Woche nach der Erhebung Savoyens zum Herzogtum 1416 legten sie sich den Grafen- und den Reichsfürstentitel zu und liessen Münzen mit ihren Porträts prägen. 1481 mussten sie den Zusammenschluss der bischöflichen Cité mit der Unterstadt von Lausanne hinnehmen, ebenso wie 1525 die Burgrechtsverträge der Stadt mit Bern und Freiburg. Es gelang ihnen jedoch, sich als Fürsten zu halten und bis 1536, als das Fürstbistum gleichzeitig mit dem savoyischen Waadtland von Bern und Freiburg erobert wurde, in ihrer Stadt zu residieren. Bern bemächtigte sich des Broyegebiets (Avenches, Lucens), des Lavaux und der Stadt Lausanne, Freiburg riss Bulle, Riaz und La Roche an sich. Während die Diözese die Reformation überdauerte, verschwand die weltliche Herrschaft der Lausanner Bischöfe sogar in den katholisch gebliebenen Regionen. Freiburg gestattete den Bischöfen die Ausübung ihrer geistlichen Rechte nur im Tausch gegen den Verzicht auf ihre weltlichen Rechte; dennoch trugen die Bischöfe bis 1803 den Reichsfürstentitel.

Quellen und Literatur

  • SSRQ VD, B/I, 1977
  • HS I/4
  • D. Tappy, «Les institutions délibérantes lausannoises au Moyen Age», in RHV, 1989, 1-20
  • J.-F. Poudret, «La conjuration des habitants d'Avenches en 1350 et l'apparition du pouvoir législatif des sujets de l'évêque de Lausanne», in RHV, 1995, 369-388
  • J.-D. Morerod, Genèse d'une principauté épiscopale, 2000

Zitiervorschlag

Jean-Daniel Morerod: "Lausanne (Fürstbistum)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.08.2007, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008559/2007-08-23/, konsultiert am 28.03.2024.