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EngelbergKloster

Benediktinerabtei in der Gemeinde Engelberg (OW), bis 1814 im Bistum Konstanz, 1815-1819 unter apostolischer Administratur, seither im Bistum Chur. 1120 setzte (so der Eintrag in den Annalen) das monastische Leben in dem vom Edlen Konrad von Sellenbüren gestifteten Kloster ein. Hauptpatrozinien: Maria (15. August) und Nikolaus von Myra (6. Dezember).

"Incipiunt Cantica Canticorum". Anfang des Hohelieds in der Bibel von Frowin mit Miniaturen aus dem Engelberger Scriptorium, entstanden zwischen 1147 und 1178 (Stiftsbibliothek Engelberg, Cod. 4, Fol. 69v und 70r; e-codices).
"Incipiunt Cantica Canticorum". Anfang des Hohelieds in der Bibel von Frowin mit Miniaturen aus dem Engelberger Scriptorium, entstanden zwischen 1147 und 1178 (Stiftsbibliothek Engelberg, Cod. 4, Fol. 69v und 70r; e-codices). […]

Die gütermässige Ausstattung, die freie Abt- und Vogtwahl und den Namen Mons Angelorum bzw. Engilberc liess sich Konrad 1124 von Papst Calixt II. und Kaiser Heinrich V. bestätigen. Die ersten Mönche berief Konrad aus dem Kloster Muri. 1124-1126 wurde aus ihrer Reihe Adelhelm zum ersten Abt gewählt. Der unter seinen Nachfolgern, den drei in der Reihe der Äbte nicht mitgezählten Ababbates, eingetretenen Krise setzte der aus dem Reformkloster St. Blasien (Schwarzwald) berufene Abt Frowin (1143/1147-1178) ein Ende. Unter ihm und seinen Nachfolgern, den Äbten Berchtold (1178-1197) und Heinrich (1197-1223) erfolgte ein kultureller Aufschwung, der sichtbar wurde in Frowins eigener schriftstellerischer Tätigkeit ("Lob des freien Willens"; Kommentar zum Vaterunser) und im gemeinsam mit dem Mönch Richene unternommenen Aufbau eines Skriptoriums. Das Skriptorium erlebte seinen Höhepunkt in der Person des sogenannten Engelberger Meisters, eines um 1200 tätigen anonymen Künstlers. Wie bei anderen süddeutschen Reformklöstern bestand spätestens unter Frowin in der Nähe des Männerklosters ein Frauenkloster, das 1615 nach Sarnen verlegt wurde. Von einer Magistra geleitet, bildete es zusammen mit dem Männerkonvent ein unter der Oberhoheit des Abts stehendes Doppelkloster.

Der Ausbau der in der nächsten Umgebung gelegenen Güter zum geschlossenen Territorium von Grafenort bis zur Blackenalp unterhalb des Surenenpasses wurde zur Hauptsache im 13. Jahrhundert abgeschlossen. Die Pfarrei Engelberg dürfte aufgrund der Mitbegründung der Klosterkirche als zehntberechtigte Taufkirche von Anfang an mit der Abtei verbunden gewesen sein. Die pfarrrechtliche Selbstständigkeit wurde Abt Frowin vom Konstanzer Bischof 1148 bestätigt. Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert erhob Uri Anspruch auf die Alpweiden jenseits des Surenenpasses. Der sich daraus entwickelnde Grenzstreit dauerte bis zur Regelung von 1513, als zum Nachteil des Klosters wenig oberhalb der Herrenrüti der neue Grenzverlauf festgelegt wurde. In der klösterlichen Talherrschaft beanspruchte der Abt die niedere und hohe Gerichtsbarkeit. Das Diplom Heinrichs V. von 1124 sicherte dem Kloster die freie Vogtwahl. Der erste namentlich bekannte Klostervogt ist 1199 Otto, Sohn Friedrich I. Barbarossas und Pfalzgraf von Burgund. Mit Philipp von Schwaben 1199, Otto IV. 1208 und Friedrich II. 1213 wurde die Vogtei deutschen Königen übergeben. Ohne sich selbst als Vogt zu bezeichnen, nahm König Rudolf I. von Habsburg 1274 das Kloster in seinen Schutz. Nach dem politischen Ausscheiden der Habsburger aus der Innerschweiz 1386 übernahmen die vier Orte Luzern, Schwyz, Ob- und Nidwalden als Schirmorte abwechselnd den Schutz des Klosters. Die älteste Erfassung des Rechtsstatus der Talleute findet sich in der sogenannten Bibly überliefert, als Anhang einer in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstandenen Bibelhandschrift. Im Zusammenhang mit den innerschweizerischen Freiheitsbestrebungen bewarben sich die Talleute gegen den Willen des Abts um das Nidwaldner Landrecht, was 1408 zu einem kleinen "Bauernkrieg" im Engelbergertal führte. In der Folge verbesserten die Talleute ihre Rechtslage, indem ihnen vom Kloster eine beschränkte Mitwirkung bei der Besetzung des Talgerichts zugestanden wurde. Mit dem Verkauf des Erbrechts an die Talleute (1422) wurde eine Lockerung der Leibherrschaft bewirkt.

Ausserhalb der Talherrschaft verfügte Engelberg hauptsächlich über Besitzungen in Nidwalden, im Luzernischen, im Aargau und im Zürichgau, wo sich der Güterbesitz des Stifters konzentrierte. Hofrechte regelten die Verwaltung in diesen Besitzungen. Die bedeutendsten Verwaltungszentren lagen in Buochs und Oberurdorf. Ihre Hofrechte geben Einblick in die innere Organisation der Höfe, die im 14. Jahrhundert immer mehr dem wachsenden politisch-emanzipatorischen Druck der jungen Eidgenossenschaft ausgesetzt waren. Diese Entwicklung spiegelt sich in der Buochser Hofrechtsänderung um 1400, als die Hofgenossenschaft das Recht, den Hofammann selbst zu wählen und gemeinsam mit dem Kloster die Festsetzung der Gerichtsbestimmungen vorzunehmen, durchsetzen konnte. Wie die meisten Klöster vermochte auch Engelberg im 13. und 14. Jahrhundert durch Kauf oder Schenkung erworbene Patronatsrechte über verschiedene Pfarreien mittels gezielter Inkorporationspolitik auszubauen. Auf diese Weise waren fast alle Nidwaldner Pfarreien, in Obwalden Lungern (1305) und Kerns (1367), das bernische Brienz (1309), das schwyzerische Küssnacht (1362) sowie die Pfarrei Sins im Aargau (1422) – bis 1849 Engelbergs wichtigste Korn- und Früchtelieferantin – dem Kloster inkorporiert. Ab den 1370er Jahren ist innerhalb der eidgenössischen Orte wegen des sich durchsetzenden Verbots der Veräusserung von Grund und Boden an Auswärtige und Klöster keine territoriale Vergrösserung mehr festzustellen. Spirituell war das Klosterleben im 14. Jahrhundert jedoch auf hohem Stand. Engelberg unterhielt Beziehungen zu oberrheinischen Mystikerkreisen, die im sogenannten Engelberger Prediger, einem qualitativ hochstehenden Predigtkorpus (1350-1370 als Vorlesebuch für die Frauenkommunität geschrieben), ihren Niederschlag fanden.

Wirtschaftliche, personelle und finanzielle Krisen zeichneten das Kloster im Spätmittelalter. 1330-1331 mussten die Klosterfinanzen vom Abt von Einsiedeln verwaltet werden, und 1361 wurden 13 Höfe im Aargau und im Zürcherischen an die Abtei St. Blasien verpfändet, ohne dass sie je wieder ausgelöst werden konnten. Die Gründe lagen in der Verschuldung im Zusammenhang mit dem Brand von 1306 (erster Brand um 1200), in der grossen Pest von 1349 und langfristig im politischen Prozess kommunaler Selbstbestimmung, der sich in vielen inkorporierten Pfarreien bemerkbar machte und auch pfarrrechtliche Belange miteinbezog, so zum Beispiel die freie Pfarrerwahl oder den Abkauf von Zehnten oder Zehntanteilen.

Das Kloster Engelberg Ende des 17. Jahrhunderts, von Süden aus betrachtet. Detail einer Tafel aus Moritz Müllers Werk Idea sacrae congregationis Helveto-Benedictinae [...], das 1702 in St. Gallen erschienen ist (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Das Kloster Engelberg Ende des 17. Jahrhunderts, von Süden aus betrachtet. Detail einer Tafel aus Moritz Müllers Werk Idea sacrae congregationis Helveto-Benedictinae [...], das 1702 in St. Gallen erschienen ist (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Das Zeitalter der Reformation ist geprägt von Abt Barnabas Bürki (1505-1546). Zusammen mit dem Klosterökonomen Heinrich Stulz, dem Jerusalemfahrer von 1519, kompensierte er die Schrumpfung der auswärtigen Ressourcen durch intensivierte Nutzung der klösterlichen Eigenbetriebe im Tal. Die Pestzüge von 1548 und 1565, die das Kloster jeweils bis auf einen Mönch dezimierten, und die starke Bevormundung (bei Abtwahlen und in ökonomischen Belangen) durch die Schirmorte waren verantwortlich für die Krise in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Der 1604 unter Abt Jakob Benedikt Sigrist (1603-1619) vollzogene Beitritt zur Schweizerischen Benediktinerkongregation steht am Anfang einer neuen Phase der Klostergeschichte. Der 1622 von Papst Gregor XV. gewährten Exemtion der schweizerischen Benediktinerklöster von der bischöflichen Jurisdiktion und Visitation folgte der systematische Ausbau der Unabhängigkeit vom Diözesanbischof. Die bischöfliche Mitwirkung bei der Abtwahl wurde 1630 ausgeschaltet. Auch für die Pfarrei Engelberg beanspruchten die Äbte die Exemtion, wodurch sie innerhalb der Klosterherrschaft ein ius quasi-episcopale (Ildephons Straumeyer) ausübten. 1774 musste das Kloster bezüglich der Pfarrei die Wiederherstellung des Rechtszustands vor 1622 hinnehmen. Mit der Herrschaftsintensivierung im Klosterstaat ging die von Abt Joachim Albini (1694-1724) und seinen Nachfolgern geförderte Steigerung des Käse- und Grossviehexports in die Lombardei und die ennetbirgischen Vogteien einher. Die Optimierung der landwirtschaftlichen Betriebe im Tal war das Anliegen von Abt Emanuel Crivelli (1731-1749), dessen grösste Leistung in der Leitung und Koordinierung des Wiederaufbaus des Klosters lag. 1729 hatte ein dritter Klosterbrand den gesamten Konvent mit Ausnahme der Ökonomiegebäude (erbaut 1716-1725) vernichtet. Kirchenschatz, Archiv und Bibliothek konnten durch den Einsatz Ildephons Straumeyers, des bedeutenden Klosterhistorikers, zum grössten Teil gerettet werden. Der Neubau im Régence-Stil ist das erste selbstständige Werk des Vorarlbergers Johannes Rueff. 1737 konnte das Kloster bezogen, 1745 die neue Kirche eingeweiht werden. Der Neubau führte zu einer hohen Verschuldung und belastete den klösterlichen Finanzhaushalt bis Ende des 19. Jahrhunderts. 1744 musste die Abtei zum Abbau der Schulden die Küsnachter Weingüter und 1763 einen Teil seiner Talgüter verkaufen. Wegen der um 1750 einsetzenden Rezession im Grossviehexport führte 1761 der spätere Abt Leodegar Salzmann (1769-1798) die Seidenkämmelei ein (Trocknen, Fäulen und Kämmeln von jährlich ca. 200 Ballen Seide). Neben dem weiter forcierten Käsehandel bildete die Seidenkämmelei für gut hundert Jahre einen vor allem im Winter wichtigen Erwerbszweig für das Tal. 1744 beschädigte ein Erdbeben das Kloster.

Auf Druck der Talschaft verzichtete das Kloster 1798, kurz vor dem Einmarsch französischer Truppen, auf seine Herrschaftsrechte. Nach dem Tod Abt Leodegars blieb das Kloster bis 1803 ohne Abt. Ausserdem war es ihm zur Zeit der Helvetischen Republik untersagt, Novizen aufzunehmen. Ab 1803 gehörte Engelberg zu Nidwalden, das aber 1814-1815 im Zusammenhang mit seiner ausgesprochen restaurativen Politik Ersterem die vollen politischen Rechte verweigerte. 1815 schloss sich das Kloster zusammen mit dem Tal Engelberg als territoriale Exklave Obwalden an.

Die Verschlechterung des Verhältnisses von Kirche und Staat im Aargau führten 1849 zur Sequestrierung der Klostergüter in Sins und zur Ausweisung des vom Kloster gestellten Pfarrers. Mit Abt Plazidus Tanner (1851-1866) setzte im Kloster eine die folgenden Jahrzehnte bestimmende Neuorientierung und Dynamik ein, die sich unter anderem in den Klostergründungen und in der Klosterschule manifestierte. So wirkte Engelberg 1857 bei der Gründung des Frauenklosters Maria-Rickenbach und 1866 bei der Transferierung der Luzerner Benediktinerinnen nach Melchtal mit. Als Präventionsmassnahme für den Fall einer Aufhebung des Klosters während des Kulturkampfs und zur seelsorgerischen Betreuung der Auswanderer wurden 1873 und 1882 Tochterklöster in den Vereinigten Staaten (Conception, Missouri und Mount Angel, Oregon) gegründet. Seit 1932 übt Engelberg seine Missionstätigkeit in Kamerun aus; zunächst mit der Leitung des dortigen Priesterseminars, 1964 durch die Gründung eines Priorats in der Nähe von Yaoundé.

1877 wurde die Klosterkirche im Zeitgeschmack renoviert und von der Firma Goll die grosse Orgel erbaut (durch Erweiterung seit 1926 die grösste Orgel der Schweiz). Der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts stetig wachsenden Zahl von Konventualen, die sich während der Barockzeit zwischen 20 und 30 bewegt hatte, wurde mit der Klostererweiterung 1926-1927 Rechnung getragen. 1951 erlebte Engelberg den personellen Höchststand mit 129 Priester- und Laienmönchen. 2003 betrug die Mitgliederzahl 37.

Genauere Kenntnisse über die wohl seit Abt Frowin bestehende Klosterschule erhält man erst mit den Schulordnungen von 1735 und 1792, die die Anpassung des Schulbetriebs an die monastische Tagesordnung regelten. Mit der Mediation 1803 begann auch für die Schule eine neue Phase. Nidwalden wurden sechs Stipendienplätze zugestanden. 1815 kamen drei davon an Obwalden. Vor dem Hintergrund des Kulturkampfs richtete 1851 Abt Plazidus Tanner ein zeitgemässes, sechs Klassen umfassendes Gymnasium ein, als Beitrag zum apostolischen Auftrag der Kirche und zur Nachwuchsförderung der eigenen Abtei. Seit 1909 wird an der Schule die eidgenössische Matura abgenommen. In die Jahre 1914-1918 fällt das bildungspolitische Engagement des Rektors Frowin Durrer, der sich als Mitinitiant eines schweizerischen Kartells der katholischen Schulverbände exponierte. Die steigenden Schülerzahlen bedingten 1927-1928 den Bau des Lyzeums. 1970-1987 wurde die Schule erweitert und das alte Kollegium zeitgemäss renoviert.

Quellen und Literatur

  • Kdm Unterwalden, 21971, 102-230
  • HS III/1, 595-657 (mit Bibl.)
  • Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft, 2 Bde., 1990
  • R. De Kegel, «Das Doppelkloster Engelberg – eine vergessene Form monastischen Zusammenlebens», in Studien und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens und seiner Zweige 11, 2000, 347-380
Weblinks
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GND

Zitiervorschlag

Urban Hodel; Rolf De Kegel: "Engelberg (Kloster)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 31.03.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008557/2011-03-31/, konsultiert am 28.03.2024.