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SeftigenGericht, Amtsbezirk

1388-1798 Berner Landgericht, ab 1803 Oberamt und 1831-2009 Amtsbezirk des Kantons Bern, seit 2010 aufgeteilt auf die Verwaltungskreise Bern-Mittelland und Thun. Ab Anfang des 13. Jahrhunderts diente das Landgrafenamt Burgundia circa Ararim (Burgund jenseits der Aare), das sich links der Aare vom Jura bis zur Stockhornkette erstreckte, der Landfriedenssicherung und als Standesgericht, ab 1276 unter den Grafen von Neuenburg, ab 1375 unter denjenigen von Kyburg. Bern annektierte es nach der Einnahme von Nidau 1388 und richtete im oberen Teil das Landgericht Seftigen ein. Im Umfang dieses Landgerichts setzte Bern seine Landesherrschaft mit Mannschafts- und Steuerpflicht sowie der Kriminalgerichtsbarkeit über die zahlreichen weltlichen und geistlichen Privatherrschaften. Als wichtigstes der vier bernischen Landgerichte unterstand Seftigen ab 1388 dem Venner zu Pfistern, dem ein einheimischer Freiweibel je im unteren, mittleren und oberen Landgerichtsbezirk zur Seite stand. Der Venner war oberster Zivilrichter und Führer des militärischen Aufgebots, der stadtbernische Grossweibel Kriminalrichter. Ab dem 16. und 17. Jahrhundert sass der Venner auch den vier bernischen Vennergerichten (Niedergerichten) vor. Am Versammlungsort (Dingstätte) unter der Linde im Dorf Seftigen waren Landstuhl, Bänke und Archivgewölbe installiert, daneben stand der 1612 errichtete, heute noch erhaltene Käfigturm, dessen Obergeschoss ab 1718 das Archiv beherbergte. Das Amtsrecht wurde 1420 und 1459 kodifiziert sowie 1524 bestätigt. Das Landgericht Seftigen reichte von Kehrsatz im Norden bis Reutigen im Süden und umfasste 20 Gerichtsbezirke, darunter bis ins 17. Jahrhundert 16 Niedergerichte, nämlich das Stadtgericht Bern (u.a. mit Selhofen, Niedermuhlern, Zimmerwald) und die Herrschaftsgerichte Englisberg, Kehrsatz, Toffen, Burgistein, Rümligen, Gerzensee, Seftigen, Gurzelen und Uetendorf, ferner die Vennergerichte Wattenwil, Mühleturnen, Mühledorf und Kirchdorf sowie die Gerichte Thierachern-Blumenstein und Reutigen. Dazu kamen vier exemte Hochgerichtsbezirke der Herrschaften Belp, Riggisberg, Rüeggisberg und Amsoldingen. Kriminalrichter über die südlichen Gerichtsbezirke waren im 17. und 18. Jahrhundert der Schultheiss von Thun bzw. der Landvogt von Wimmis.

1803 schuf der Kanton Bern das Oberamt Seftigen (ab 1831 Amtsbezirk) ohne Blumenstein, Thierachern und Uetendorf (Amt Thun) und Reutigen (Amt Niedersimmental). Den Amtssitz (Statthalter-, Richteramt) verlegte er ins Schloss Belp, womit das Dorf Seftigen seine 400-jährige Zentrumsfunktion einbüsste. Mit der Verwaltungsreform wurde der Amtsbezirk 2010 aufgeteilt: Burgistein, Gurzelen, Kienersrüti, Seftigen, Uttigen und Wattenwil kamen zum Verwaltungskreis Thun, die anderen 19 Gemeinden zu Bern-Mittelland.

Quellen und Literatur

  • R. von Stürler, Die vier Berner Landgerichte Seftigen, Sternenberg, Konolfingen und Zollikofen, 1920.
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Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Seftigen (Gericht, Amtsbezirk)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.08.2019. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008483/2019-08-13/, konsultiert am 29.03.2024.