Wirtschaftsgeschichte als wissenschaftliche Disziplin bildete sich um 1900 an der Schnittstelle von Wirtschaftswissenschaften und Geschichte. An den Universitäten, an denen sich Wirtschaftsgeschichte als eigenes Fach etablieren konnte, blieb ihre Zuordnung schwankend: Teilweise gehörte sie zur wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät, teilweise zur philosophisch-historischen. Indes war Wirtschaftsgeschichte schon vor ihrer Institutionalisierung ein Thema. Adam Smith und Karl Marx, die Gründerväter der modernen Ökonomie, holten sich aus der Wirtschaftsgeschichte das Anschauungsmaterial, mit dessen Hilfe sie ihre theoretischen Einsichten gewannen. Ein erster Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte entstand 1892 in Harvard. 1902 folgte die Universität Genf, mehrere Jahre vor der Einführung des Fachs in Deutschland (1909) und Frankreich (1927). Die Wirtschaftsgeschichte antwortete auf Deutungsbedürfnisse, die der rasche sozioökonomische Wandel jener Zeit mit sich brachte. Sie war auch eine Folge des Ausbaus der Universitäten und der Ausdifferenzierung des Wissenschaftssystems. Überdies füllte sie jene Lücke, welche das Verschwinden der historischen Schule der Nationalökonomie, wie sie unter anderem von Gustav Schmoller gepflegt wurde, und die fortschreitende Mathematisierung der Wirtschaftswissenschaften hinterliessen.
Der Lehrstuhl in Genf, den ab 1913 William Emmanuel Rappard innehatte, blieb in der Schweiz lange Zeit der einzige. Einzelne Historiker beschäftigten sich zwar mit Wirtschaftsgeschichte, doch blieben sie am Rande der Zunft (wie der Aargauer Kantonsarchivar Hektor Ammann) oder das Interesse an ihrer Forschung verschwand mit ihrer Emeritierung. Die Wirtschaftsgeschichte wurde damals durch eine konservative politische Geschichte marginalisiert, die sich als nationale Legitimationswissenschaft verstand. Von den 1960er bis in die 1980er Jahre erlebte die Wirtschaftsgeschichte einen Aufschwung. Gründe dafür waren die Zunahme der Studierendenzahlen, der soziale Aufbruch, neue technische Möglichkeiten (Computer) und der Einfluss ausländischer Vorbilder (Ernest Labrousse, Fernand Braudel, Walt Whitman Rostow). Die schweizerische Wirtschaftsgeschichte dieser Jahrzehnte konzentrierte sich unter anderem auf die Geschichte der Industrialisierung (Jean-François Bergier, Franklin F. Mendels, Hansjörg Siegenthaler), Landwirtschaft (Markus Mattmüller, Rudolf Braun), Städte (Paul Bairoch, Anne-Marie Piuz, Bruno Fritzsche) und Umwelt (Christian Pfister). Die Institutionalisierung des Fachs blieb bescheiden. Der Lehrstuhl in Genf entwickelte sich zu einem Institut; an der Universität Zürich kooperieren seit 1971 drei Professuren in einer Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. An der Universität Bern wurde 1997 die Abteilung für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte geschaffen. Die 1974 gegründete Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte führt jährlich Tagungen durch. Ausseruniversitäre Forschung blieb selten, das Interesse der Wirtschaft war gering: Das 1910 in Basel eingerichtete Wirtschaftsarchiv beschränkt sich auf die Dokumentation; Jubiläumsschriften von Unternehmen richteten sich eher an ein Laien- als an ein fachwissenschaftliches Publikum; die von der Luzerner Kantonalbank getragene Stelle für Wirtschafts- und Sozialgeschichte bestand nur 1973-1982.
In den 1980er Jahren geriet die Wirtschaftsgeschichte in den Schatten neuer Disziplinen wie der Kulturgeschichte und der Geschlechtergeschichte. Durch die kulturalistische Wende der 1990er Jahre verlor sie an Bedeutung, quantitative Methoden traten in den Hintergrund. Zwar ist es mittlerweile für die Interpretation aller Epochen selbstverständlich, dass im Prozess historischen Wandels die Tatbestände der Wirtschaft, der sozialen Struktur, der politischen Institutionen und des kulturellen Lebens ineinandergreifen und auch moderne Lokal- und Kantonsgeschichten gehen von dieser Prämisse aus. Andererseits gibt es in der Schweiz keine kontinuierliche Grundlagenforschung in den verschiedenen Gebieten der Wirtschaftsgeschichte (Finanz-, Agrar-, Unternehmens-, Verkehrs-, Technik- und Handelsgeschichte). Daran änderte auch die von Bergier geleitete Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg nichts: Sie beschränkte sich vor allem auf die Untersuchung der Verflechtung der schweizerischen Volkswirtschaft mit Nazideutschland. Die Resultate der Schweizer Wirtschaftsgeschichte werden im Ausland wenig beachtet, weil selten international vergleichend oder im internationalen Verbund gearbeitet wird.