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Bäretswil

Politische Gemeinde des Kantons Zürich, Bezirk Hinwil. Im Übergang zwischen oberem Glatt- und Tösstal gelegen, umfasst die Gemeinde nebst den ehemaligen Zivilgemeinden Bäretswil und Adetswil die Weiler Bettswil, Wappenswil, Hof-Neuthal, Tanne und Klein Bäretswil sowie Einzelsiedlungen und Einzelhöfe in voralpinem Hügelgebiet. 741 Berofovilare, 745 Perolfeswilari. 1470 45 Haushalte; 1629 1244/494 Einwohner (vor/nach Pest); 1723 1216; 1771 2698; 1810 3549; 1850 3237; 1900 2698; 1950 2506; 1970 2733; 2000 4172.

Horte mit römischen Silbermünzen des 1. bis 3. Jahrhunderts wurden 1880 (verschollen) und 1993 am Pultenberg entdeckt. Die Nähe zur Römerstrasse im Glatttal sowie Flurnamen lassen eine voralemannische Besiedlung vermuten. Ein frühmittelalterliches Gräberfeld wurde 1836 bei Adetswil gefunden. Gehäufte -wil-Namen weisen auf eine alemannische Besiedlung vom 7. bis 9. Jahrhundert hin. Bereits im 8. Jahrhundert verfügte das Kloster St. Gallen in Bäretswil über Grundbesitz. Das Niedergericht und die damit verbundene Burg Greifenberg befanden sich im 13. Jahrhundert als St. Galler Lehen im Besitz der Grafen von Rapperswil, 1321-1507 als habsburgischer Pfandbesitz in Händen der Herren von Hinwil. Die Grenze der Herrschaften und späteren Zürcher Landvogteien Grüningen und Kyburg verlief durch das Gemeindegebiet (bis um 1460 Aabach, danach Staldenbach). Die 1275 erwähnte Kirche mit frühem Dionys-Patrozinium erhielt nach dem Umbau 1504 den Kirchenpatron Michael. Die Kollatur besassen 1279-1541 die Hohenlandenberger als St. Galler Lehen. In Wappenswil standen im Spätmittelalter eine Kapelle mit Friedhof sowie ein Beginenhaus (1321 erwähnt); beide gerieten nach der Reformation in Abgang. Das Kirchspiel Bäretswil reichte im Spätmittelalter von Adetswil über die Töss bis an die Flanken des Hörnli. Während der Reformation trat die Gemeinde gegen den Widerstand des Priesters zum neuen Glauben über. Von 1525 an waren in Bäretswil die Täufer relativ stark präsent (Johann Grebel, Marx Bosshart). Sie blieben bis ins 17. Jahrhundert wirksam: Am Allmen befindet sich die im 16. und 17. Jahrhundert zeitweise bewohnte sogenannte Täuferhöhle. Als 1651 Bauma kirchlich von Bäretswil abgetrennt wurde, galt dieses als «gottlob gesägnet und rych». 1827 erfolgte der klassizistische Neubau der Kirche (1968-1969 Innenrenovation), 1990 der Bau einer katholischen Kirche (23% katholische Einwohner).

Die vom Beginn des 16. Jahrhundert an günstige Agrarkonjunktur förderte die Zunahme der Viehwirtschaft und die Güterzersplitterung hin zu bäuerlichen Kleinstellen. Trotz Einzugsbriefen (ab 1558) wuchs und verarmte zugleich die Bevölkerung vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Weiler ohne Zelgenstruktur im Hügelgebiet standen dem Zustrom der Armen ungeschützt offen. In Wappenswil und Tannen lebten 1771 je fast 500 Einwohner, viele in den für die textile Heimindustrie typischen Flarzbauten. Die Bevölkerungszunahme und das gleichzeitige Anwachsen der zusehends lebensnotwendigeren Textilverarbeitung in Hausarbeit bewirkten eine doppelte Krisenanfälligkeit: Ca. 75% der Bevölkerung ernährten sich als Kleinstbauern im Nebenerwerb oder als Landlose durch Arbeit am Spinnrad. Der wirtschaftlich-technische Strukturwandel (Mechanisierung der Garnproduktion) zwang 1814-1816 die Heimarbeiter zur Verlagerung von der Spinnerei auf die Handweberei. Schwer getroffen wurde Bäretswil zudem von der Hungersnot 1817. Als «Haupturheber» des Usterbrandes (1832) wurde Hans Felix Egli (genannt Rellsten-Felix) verurteilt, eine hohe Zahl von Bäretswiler Teilnehmern verhaftet. Um 1850 hatte Bäretswil den höchsten Weberanteil im Zürcher Oberland (52%). Zur Heimarbeiterkultur dieser Zeit gehörten eine (religiös)-konservative Mentalität (Herrnhuter Brüdergemeine) sowie ein fröhlicher Hang zu sorgenlosem Festen. Die erste mechanische Spinnerei im Neuthal 1827 wurde zum Sammelbecken eines frühen Industrieproletariats. Webfabriken am Aabach brachten ab 1858 Verdienst. 1880 lebten 35% der Einwohner von der Landwirtschaft, 55% von der Textilindustrie. Vieh- und Kälberhandel blühten, der Ackerbau blieb nach 1850 marginal. 1901 erhielt Bäretswil Anschluss an die Uerikon-Bauma-Bahn (1947 SBB, 1969 durch Busbetrieb Wetzikon-Bauma ersetzt). 1850-1940 entvölkerte sich die Gemeinde aufgrund ihrer Lage abseits der Verkehrsachsen spürbar. Die letzte Weberei schloss 1982. In nebelfreier Lage, wurde Bäretswil seit 1960 als Wohngemeinde wieder begehrt. 1990 waren 63% der Erwerbstätigen Wegpendler, vor allem nach Wetzikon, Uster und Zürich. Gewerbe und Kleinindustrie prägten das Dorf.

Quellen und Literatur

  • J. Studer, Die Gesch. der Kirchgem. Bäretswil, 1870
  • A. Sierszyn, Unser Bäretswil, 1983
  • A. Sierszyn, 1250 Jahre Bäretswil, 1991
Von der Redaktion ergänzt

Zitiervorschlag

Armin Sierszyn: "Bäretswil", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.09.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000083/2009-09-15/, konsultiert am 29.03.2024.