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LugnezGR

Talschaft des Kantons Graubünden, romanisch Lumnezia, Kreis Lumnezia/Lugnez, Bezirk Surselva (bis 2000 Bezirk Glenner), umfasst als grösstes Seitental des Vorderrheins das Einzugsgebiet des Glenners bis zu dessen Austritt ins Vorderrheintal. Surcuolm, auf der Obersaxer Seite im Vorderrheintal gelegen, gehört zum Kreis, nicht aber die untersten rechts des Glenners situierten Orte Riein und Pitasch. Der 1851/1854 geschaffene Kreis Lugnez entspricht territorial dem alten Hochgericht. Das deutschsprachige Vals ist historisch kein Bestandteil des alten Gerichts Lugnez. Um 840 Leugunutia, Leunizze, Leunicia.

Aus der frühen bis mittleren Bronzezeit datiert die Siedlung Crestaulta bei Surin (Lumbrein), deren Fundinventar auf eine sesshafte Bauern- und Hirtenkultur schliessen lässt. Für die späte Bronzezeit ist in Vella eine Siedlung nachgewiesen, während für Uors und Surcasti Einzelfunde bezeugt sind. Römische Münzen wurden in Vella, Lumbrein und Degen gefunden. Das wohl zwischen dem 6. und 7. Jahrhundert erbaute Gotteshaus St. Vinzenz in Pleif bei Vella ist eine klassische Talkirche. Die grosse Pfarrei umfasste bis zu Beginn des 14. Jahrhunderts neben der Talschaft Lugnez auch das Valsertal. Vals bildete ab ca. 1300, Fraissen (Degen) ab 1345 eine eigene Pfarrei. Der Ablösungsprozess der übrigen Pfarreien dauerte vom 16. bis ins 20. Jahrhundert. 1910 wurde er mit Peiden abgeschlossen. Als einzige Gemeinde im Lugnez trat Duvin 1526 zur Reformation über.

Das im Reichsgutsurbar genannte Königsgut wurde bereits im 9. Jahrhundert unter einer grossen Zahl von Lehensträgern aufgeteilt. Der bedeutendste war der Bischof von Chur. Im 13. und 14. Jahrhundert gelang es den Freiherren von Belmont, verschiedene kleinere Herrschaften zusammenzufassen. Mit Hilfe der Lugnezer setzten sie sich 1352 in einer Fehde gegen die Grafen von Werdenberg-Sargans durch. Nach einer Ende des 18. Jahrhunderts aufgezeichneten Sage sollen die Lugnezerinnen bei Porclas den Kampf entschieden haben. Nach dem Tod des letzten Belmont 1371 ging die Vogtei an die Freiherren von Sax-Misox über, die als Untervögte Einheimische einsetzten. 1395 traten die Lugnezer gleichberechtigt mit den Herren von Sax-Misox dem Landfriedensbündnis von Ilanz bei, einem Vorläufer des Grauen Bundes. 1457 erliessen die in Lugnez wohnhaften Romanen ein Abwehrgesetz gegen fremde Einwanderer, das sich nicht nur gegen die Walser, sondern auch gegen die Leute von Blenio richtete, die immer mehr Alpen auf Lugnezer Territorium aufkauften. 1483 veräusserte Johann Peter von Sax-Misox seinen Besitz im Lugnez an den Bischof von Chur. 1538 erfolgte der Auskauf der bischöflichen Rechte. Innerhalb des Oberen Bundes bildeten die beiden Gerichtsgemeinden Vals und Lugnez das Hochgericht Lugnez. Die niedere Gerichtsbarkeit übte dabei ein Mistral bzw. ein Ammann aus.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erlebte Lugnez eine Hochblüte der rätoromanischen geistlichen Literatur und eine rege Bautätigkeit (Kirchen). Der romanische Teil des Lugnez gehörte seit jeher zur Zone der inneralpinen Autarkiewirtschaft. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte eine starke Auswanderungsbewegung in die USA und nach Frankreich ein. Die Rationalisierungsmassnahmen nach dem Zweiten Weltkrieg führten zu einer deutlichen Reduktion der landwirtschaftlichen Betriebe. Die starke Abwanderung konnte erst durch den beginnenden touristischen Aufschwung gestoppt werden. Ab den 1870er Jahren erfolgte die schrittweise Erschliessung des Tales durch den Bau von Strassen von Ilanz aus. Dadurch entwickelte sich Ilanz zum wichtigsten Umschlagsplatz für die Talschaft. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts sind erste Ansätze eines Lugnezer Fremdenverkehrs (v.a. Kurbetrieb) festzustellen. Seit etwa 1900 bieten die aufstrebenden Fremdenkurorte Graubündens der Bevölkerung im Lugnez im Winter Beschäftigungsmöglichkeiten. Durch die Volksabstimmung von 1988 wurde Vals neben Vella, Lumbrein und Uors vierter Landsgemeindeort des Kreises.

Quellen und Literatur

  • R. Projer, «Das Lugnez», in JHGG 115, 1986, 177-184
  • D. Capaul et al., Lumnezia und Valsertal, 1988
  • D. Blumenthal et al., Kulturführer Val Lumnezia und Vals, 2000
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Zitiervorschlag

Duri Blumenthal: "Lugnez (GR)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.12.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008072/2016-12-07/, konsultiert am 29.03.2024.