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Bewässerung

Bewässerung bedeutet die künstliche Zuführung und Verteilung von Wasser auf landwirtschaftliche oder gartenbauliche Kulturflächen. Nachrichten von Bewässerung reichen in der Schweiz ins Frühmittelalter zurück. Die Zwecke der Bewässerung waren vielfältig: Düngung mit den im Wasser enthaltenen mineralischen Substanzen und den aus Siedlungen und Ställen herrührenden Dungstoffen, Anfeuchtung in der Trockenzeit, Bekämpfung von Schädlingen, Frostschutz im Vorwinter und Erwärmung des Bodens im Frühling zur Verlängerung der Vegetationsdauer.

Verbreitung

Private Bewässerungsanlagen mit Eigenwasser fanden sich vor allem in bach- und quellenreichen Hanglagen auf Einzelhöfen. Genossenschaftliche oder gemeindliche Bewässerungen entstanden in den Talsohlen, wo das Wasser des Hauptgewässers benutzt oder von weit hergeleitet wurde. Die Wasserkorporationen erliessen Satzungen und bestimmten Beamte (Wasservögte). Die private Bewässerung dürfte trotz spärlichen Zeugnissen weit verbreitet gewesen sein. Auch die korporativ organisierte Bewässerung wurde in ganz unterschiedlichen Gegenden praktiziert.

In den niederschlagsarmen inneralpinen Tälern bezweckte die Bewässerung vor allem die Anfeuchtung der Kulturen. Am bekanntesten sind die Wasserfuhren des Wallis, Suonen (französisch bisses) genannt. Seit Anfang des 11. Jahrhunderts belegt, häufen sich die Zeugnisse im Spätmittelalter. Die Technik veränderte sich über Jahrhunderte nur wenig. Nach 1900 sind 206 Suonen in einer Gesamtlänge von ca. 1750 km gezählt worden. Sie führten, teils von den Gletschern her, das Wasser hauptsächlich auf Wiesen und Rebberge. Durch den 1898 erschienenen Roman «An heiligen Wassern» von Jakob Christoph Heer hat die Walliser Bewässerung Eingang in Literatur und Film (Erich Waschneck, 1932) gefunden. Auch in Graubünden war die Bewässerung verbreitet: Sie ist im Val Müstair (1211), am Heinzenberg und in Trin (im Spätmittelalter), in Tamins, Latsch, Davos-Dorf, in der Surselva und im Domleschg bezeugt. Im Tessin sind Bewässerungsanlagen in Giornico (1296 erwähnt) überliefert. Zahlreiche weitere Nachrichten belegen, dass praktisch in allen inneralpinen Tälern gewässert wurde. Im nördlichen Alpenraum sind die Bewässerungskanäle für die Allmendingen- und Schoren-Allmend bei Thun bekannt (1589 erwähnt). Im Mittelland ist die Bewässerung unter anderem im solothurnischen Wasseramt, im bernischen Oberaargau entlang den Gewässern Önz, Langeten, Rot, im nördlichen Teil des Luzernerlandes, vorzüglich im mittleren Wiggertal, im zürcherischen Marthalen sowie im Durach- und unteren Glatttal belegt. Auch in der Juraregion lässt sie sich nachweisen, etwa an der Ergolz in Baselland und bei Rheinfelden.

Hauptzweck der Bewässerung in den relativ niederschlagsreichen Gegenden des Mittellands und Juras war die Düngung. Im oberaargauischen Langetental reicht die Bewässerung bis ins 9. Jahrhundert zurück. Im 13. Jahrhundert schuf dort das Zisterzienserkloster St. Urban mit der Kanalisierung der Langeten die Voraussetzung für die grossflächige Ausdehnung des Wässerlandes. Im Wiggertal wurden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts viele eingehegte Zelgen- und Allmendflächen in Wässermatten umgewandelt und wechselweise als Heuwiesen und Getreideäcker bewirtschaftet. Ihres hohen Ertrags wegen waren die bewässerten Flächen begehrt und teuer. Die Ausdehnung der Bewässerung war eine wichtige landwirtschaftliche Innovation um 1600, die der Viehwirtschaft und gleichermassen dem Getreidebau zugute kam.

Niedergang und Landschaftsschutz im 20. Jahrhundert

Suone (Wasserleite) in Ried-Mörel. Fotografie von Ernst Brunner, 1941 (Schweizerisches Institut für Volkskunde, Basel).
Suone (Wasserleite) in Ried-Mörel. Fotografie von Ernst Brunner, 1941 (Schweizerisches Institut für Volkskunde, Basel). […]

Die Modernisierung der Landwirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert, besonders der starke Kunstdüngereinsatz seit 1950, verminderte die Bedeutung der Bewässerung. Während in den inneralpinen Tälern, vor allem im Wallis, die Bewässerungsanlagen noch rege im Gebrauch sind, gingen die Wässermatten im Mittelland stark zurück, im Langetental 1914-1984 von 677 auf 80 ha. Dort setzt sich die 1992 gegründete Wässermatten-Stiftung für deren Erhaltung ein: Bauern, die wässern, erhalten Flächenbeiträge. Neue Bedeutung erhielt die Bewässerung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf geänderter, technischer Basis (z.B. Sprinkleranlagen) in Gärtnereien, Park- und Sportanlagen.

Quellen und Literatur

  • F. Calame, Bewässerung im Gemüsebau, 1987
  • J. Mathieu, Eine Agrargesch. der inneren Alpen, 1992, v.a. 174 f., 186 f.
  • N. Schnitter, Die Gesch. des Wasserbaus in der Schweiz, 1992, 86-93
  • G. Bratt, The bisses of Valais, 1995, (mit Lit.)
  • A. Ineichen, Innovative Bauern, 1996, 95-121
  • V. Binggeli, Die Wässermatten des Oberaargaus, 1999
  • M. Bundi, Zur Gesch. der Flurbewässerung im rät. Alpengebiet, 2000
  • D. Reynard, Histoires d'eau: bisses et irrigation en Valais au XVe siècle, 2002
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans Stadler: "Bewässerung", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.10.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007955/2006-10-02/, konsultiert am 19.03.2024.