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Landarbeit

Landarbeit (Landwirtschaft) trat im schweizerischen Raum in ganz unterschiedlicher Form auf, je nachdem, wie sich das zeitliche und räumliche Umfeld, die Agrarverfassung, das Bodennutzungssystem und die Sozialordnung (Ländliche Gesellschaft) gestalteten. In den traditionell vorherrschenden Familienbetrieben mit geringer Arbeitsteilung setzte sich die Landarbeit aus einer Reihe von verschiedenen Tätigkeiten zusammen, die an den jahreszeitlichen Rhythmus gebunden waren (Saisonarbeit), darunter das Pflügen und Eggen der Felder, die Frühjahrs- oder Herbstaussaat, die Ernte, das Dreschen, die Weinlese und die Obsternte, der Gartenbau und die Pflege und Nutzung der Wälder. Besonders in den Voralpen und Alpen – und ab dem 16. Jahrhundert auch im Mittelland – kam ein breites Spektrum von Tätigkeiten dazu, die mit der Viehwirtschaft, der Milchwirtschaft, der Heuernte und dem Küherwesen verbunden waren.

Von den Anfängen bis zum Hochmittelalter

Über die Anfänge der Landarbeit in der Schweiz ist nur wenig bekannt: Der Übergang zu einer auf sesshafter Landarbeit beruhenden Wirtschaft erfolgte stufenweise im Neolithikum (6500-2200 v.Chr.). Auf diese Zeit gehen die ersten Holzpflüge (Pflug) zurück. Zu einer Verbesserung der Anbaumethoden kam es in der Bronzezeit, als Bronzewerkzeuge die steinernen ersetzten, und während der Eisenzeit, in welcher der Gebrauch von Eisenwerkzeugen üblich wurde. Die Römerzeit brachte anscheinend keine substanziellen Neuerungen in der Agrartechnik; hingegen differenzierte sich die Arbeitstätigkeit durch die Verbreitung neuer Kulturen wie des Weinbaus. Im 9. und 10. Jahrhundert verbreiteten sich dagegen in Mittel- und Westeuropa zwei Neuerungen von grosser Tragweite: Der verbesserte Pflug und die Dreizelgenwirtschaft, welche allmählich die Zweizelgenwirtschaft (Zelgensysteme) ablöste, ermöglichten eine Verminderung der Brachzeiten und eine beträchtliche Erhöhung der Produktivität der Landarbeit.

Spätmittelalter und frühe Neuzeit

Miserikordie am Klappsitz eines Chorstuhls im Basler Münster, um 1580 (Historisches Museum Basel; Fotografie A. & G. Zimmermann, Genf).
Miserikordie am Klappsitz eines Chorstuhls im Basler Münster, um 1580 (Historisches Museum Basel; Fotografie A. & G. Zimmermann, Genf). […]

Vom Spätmittelalter bis ins 18. Jahrhundert wurden die Arbeitsgeräte und die Anbautechniken nicht grundlegend verbessert. Die Erhöhung der Arbeitsproduktivität war unerheblich. Die in verschiedenen Gebieten zu beobachtende Zunahme der Getreideproduktion ist im Wesentlichen auf die Ausdehnung der angebauten Fläche (Landesausbau) und die Zunahme der bäuerlichen Arbeit zurückzuführen, Entwicklungen, die ihrerseits vom Bevölkerungswachstum, von den steigenden Grundstückpreisen und der Tendenz zu einer stärkeren Kommerzialisierung der Produktion (Agrarmarkt) begünstigt wurden. In einigen Gegenden wurden jedoch Verbesserungen eingeführt. So legten die Bauern in den niederschlagsarmen Gebieten des Wallis und Graubündens in der frühen Neuzeit umfangreiche Kanalsysteme zur Bewässerung an, während sie im Kanton Luzern in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einen Teil der Zelgen, auf denen die Dreizelgenwirtschaft praktiziert wurde, einhegten und sie in Wässermatten auf der Grundlage der Feldgras- oder Wechselwirtschaft verwandelten.

Während der ganzen frühen Neuzeit – und zum Teil noch im 19. Jahrhundert – blieb die Landarbeit stark an kollektive Normen und Vorschriften gebunden (Nutzungsrechte), vor allem in den Gebieten mit Dreizelgenwirtschaft, wo gemeinschaftlich entschieden wurde, was auf den verschiedenen Teilen der Flur angebaut wurde. Auch in den Alpen- und Voralpengebieten, die die Dreizelgenwirtschaft nicht kannten, wurde der Zeitpunkt der Ernte, der Weinlese, der Alpauffahrt und Alpabfahrt usw. meist von der Gemeinschaft festgelegt.

Ab dem Spätmittelalter spezialisierten sich die Alpentäler, vor allem jene am Nordabhang, zunehmend auf die Viehwirtschaft, die eine besondere Arbeitsorganisation verlangte. Im Allgemeinen verteilte sich die Weidewirtschaft über weite Gebiete und verschiedene Höhenlagen, sodass Wiesen und Weiden in unterschiedlichen Mikroklimata genutzt werden konnten. Dem Transport vor allem des Heus für das Vieh kam daher eine entscheidende Bedeutung zu und er beanspruchte einen grossen Teil der Arbeitszeit. Gelöst wurde das Transportproblem auf verschiedene Arten: indem man das Heu im zentral gelegenen Dorf einlagerte und es dann auf dem Rücken von Maultieren und Pferden oder auch Schlitten transportierte, oder indem man das Heu zu Ställen brachte, die über das ganze Gebiet verstreut waren, und dann zum Teil das Vieh zirkulieren liess. In einem grossen Teil des Alpenraums (v.a. Graubünden, Tessin und Wallis) wurde neben der Viehwirtschaft auch Ackerbau für die Eigenversorgung (Subsistenzwirtschaft) praktiziert, die für geringe Erträge einen grossen Arbeitsanteil verlangte – so etwa für die Terrassierung der Hänge. Wegen der Hanglage und der Zerstückelung des Eigentums war es oft nicht möglich, die schweren Räderpflüge zu verwenden. An ihrer Stelle wurden, wie im Val d'Hérens, manchmal leichtere Holzpflüge eingesetzt, oft aber auch nur die Hacke oder der Spaten wie in den Tessiner Tälern und dem Berner Oberland.

Ausschnitt aus der Karte des Guts La Chablière bei Lausanne, das der Familie Constant de Rebecque gehörte. Aquarellierte Zeichnung, 1771 (Archives de la Ville de Lausanne, P 116/Rivier).
Ausschnitt aus der Karte des Guts La Chablière bei Lausanne, das der Familie Constant de Rebecque gehörte. Aquarellierte Zeichnung, 1771 (Archives de la Ville de Lausanne, P 116/Rivier). […]

In der Schweiz wurde die Landarbeit vorwiegend innerhalb von Familienbetrieben geleistet und bezog auch die Frauen und die Kinder ein. Die grösseren Betriebe verfügten auch über Gesinde. Oft gesellten sich zur Landarbeit Tätigkeiten aus anderen Sektoren wie der Bauwirtschaft, dem Handwerk, den Hausdiensten, der Säumerei, dem Solddienst und ab dem 16. Jahrhundert der Heimarbeit, die häufig ebenfalls saisonalen Schwankungen unterlagen. Die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern war von Fall zu Fall verschieden: In den Tessiner Tälern mit einer starken Auswanderung der Männer lastete die Landarbeit hauptsächlich auf den Frauen, während im Wallis und in der Innerschweiz die Männer den grössten Teil der Arbeiten in der Viehwirtschaft ausführten.

Schliesslich gab es eine grosse Anzahl von Klein- und Kleinsteigentümern, die über einen Grundbesitz verfügten, der zum Lebensunterhalt nicht ausreichte (Tauner). Dank der entlöhnten Landarbeit in den grösseren Betrieben, die sie vor allem in Zeiten grosser Nachfrage nach Arbeitskräften (Ernte, Weinlese, Dreschen usw.) leisteten, fanden sie ein Auskommen.

19. und 20. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert setzte sich die Agrarrevolution vollständig durch. Die wichtigsten Neuerungen waren die neuen Produktionstechniken (Fruchtwechselwirtschaft), die die Dreifelderwirtschaft und die Feldgraswirtschaft ersetzten, und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts der durch die Mechanisierung und die Verbreitung der Landmaschinen bewirkte Fortschritt vor allem im Mittelland.

Der Fruchtwechsel und der Gebrauch von Futterpflanzen wie dem Klee ermöglichten es, die Brachen abzuschaffen, mehr Vieh zu ernähren und dadurch mehr Naturdünger zu erhalten (Düngung), was seinerseits zu einer Erhöhung der landwirtschaftlichen Erträge führte. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts verbreiteten sich auch verschiedene Kunstdüngemittel (Knochenmehl, der aus Südamerika importierte Guano, Superphosphat). Die zunehmende Verfügbarkeit von Viehfutter erlaubte es zudem, grössere Viehbestände auch während des Winters zu halten, was auch die ganzjährige Stallhaltung begünstigte. Die Viehwirtschaft nahm daher weiter zu und ersetzte immer mehr den Getreidebau. In diesem Zusammenhang bekam der Transport von Heu und Mist eine noch grössere Bedeutung.

Die Einführung neuer Arbeitstechniken und Arbeitsgeräte erfolgte eher langsam. Erst in den 1860er Jahren ersetzte die Sense als Mähgerät die Sichel, was eine Steigerung der Arbeitsproduktivität bei der Ernte bis um das Fünffache brachte. Die Verbreitung neuer, industriell hergestellter Pflüge, die tiefere Furchen zogen, begann schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Dombaslepflug. Der eiserne Brabantpflug amerikanischer Herkunft setzte sich nicht vor den 1880er Jahren durch. Ungefähr in der gleichen Zeit erscheinen die ersten Sämaschinen sowie die mechanischen Mäh- und Dreschmaschinen, die ab den 1860er Jahren auch in der Schweiz hergestellt wurden. Am schnellsten verbreiteten sich die Dreschmaschinen; 1847 gab es im Kanton Waadt 285, 1865 bereits 925 Stück. Die Getreidemähmaschinen, die auf Landwirtschaftsausstellungen schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts präsentiert wurden, setzten sich jedoch erst im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts durch, als ihr Preis auch für die Klein- und Mittelbauern erschwinglich wurde. Noch später kamen die motorgetriebenen Landmaschinen auf: 1905 waren solche erst in 5000 schweizerischen Landwirtschaftsbetrieben im Einsatz, was 2% aller Betriebe entsprach. Gleichzeitig mit dem technischen Fortschritt erfuhr die Landarbeit einen Professionalisierungsschub vor allem dank der Gründung von landwirtschaftlichen Schulen und der Popularisierung landwirtschaftlichen Wissens durch Landwirtschaftsvereine.

Alle diese Faktoren trugen zu einer erheblichen Steigerung der Produktivität der Landarbeit bei: Zwischen 1800 und den 1980er Jahren verfünffachten sich die Flächenerträge des Weizens, die der Kartoffel vervierfachten sich. Dennoch setzten sich die neuen Agrartechniken nicht allgemein durch; das Vorherrschen kleiner und mittlerer Betriebe und die schlechte Erschliessung vieler Höfe hemmten deren Ausbreitung. Während sich die Neuerungen in den eher flachen Gebieten des Mittellandes, wo Grossbetriebe für den Markt produzierten, ziemlich rasch durchsetzten, blieben in den Alpengebieten die traditionellen Tätigkeiten und Techniken (Mähen mit der Sichel, Heutransport auf den Schultern) mancherorts bis in die 1950er Jahre üblich.

Mit einem Traktor wird in der Umgebung von Genf der Acker bestellt, Winter 1972-1973 (Fotografie A. & G. Zimmermann, Genf).
Mit einem Traktor wird in der Umgebung von Genf der Acker bestellt, Winter 1972-1973 (Fotografie A. & G. Zimmermann, Genf).

Die Zunahme der Produktivität ging einher mit einem ausgeprägten Rückgang der Beschäftigten im Primärsektor nach 1850, vor allem in relativen Zahlen (1850 ca. 50% aller Beschäftigten, 1900 31%, 1950 19,5%, 2000 4%). Diesbezüglich ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Landarbeit bis ins 20. Jahrhundert häufig eine zusätzliche Beschäftigung neben der Fabrikarbeit darstellte (Arbeiterbauern). In vielen Gegenden arbeiteten einige Familienangehörige in der Industrie, während die anderen einen kleinen Bauernbetrieb führten. In einigen Gebieten reicht diese Nebenerwerbslandwirtschaft weit zurück, während sie sich andernorts erst mit dem starken Wachstum der Reallöhne im Sekundär- und Tertiärsektor herausbildete. Heute macht sich die Tendenz bemerkbar, die Landarbeit mit Dienstleistungsangeboten im Tourismussektor zu kombinieren (Agrotourismus).

Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich auch die Zusammensetzung der im Primärsektor beschäftigten Arbeitskräfte. Die relative Bedeutung der Lohnarbeit, die vor allem von ausländischen Arbeitern, davon vielen Saisonniers, geleistet wurde, nahm zu. In absoluten Zahlen jedoch sank auch die Anzahl der angemeldeten ausländischen Arbeitskräfte (neben den Saisonniers auch die Jahresaufenthalter und Grenzgänger) nach den Höchstwerten kurz nach dem Zweiten Weltkrieg (1956 36'422, 1960 27'271, 1970 15'806). Die zunehmende Schwierigkeit, schweizerische Landarbeiter zu rekrutieren, hängt mit den tiefgreifenden Veränderungen zusammen, denen die Landarbeit in den letzten Jahrzehnten unterworfen war. Sie ist mehr auf die Beschränkung der Produktionsüberschüsse als auf die Deckung des Lebensmittelbedarfs ausgerichtet. Daher ist das Lohnniveau tendenziell gesunken und hat sich heute auf einem wesentlich tieferen Durchschnitt als im Industrie- und Dienstleistungssektor eingependelt.

Quellen und Literatur

  • P. Scheuermeier, Bauernwerk in Italien, der ital. und rätorom. Schweiz, 1943-56
  • G.-A. Chevallaz, Aspects de l'agriculture vaudoise à la fin de l' Ancien Régime, 1949
  • H. Brugger, Die Schweiz. Landwirtschaft in der ersten Hälfte des 19. Jh., 1956
  • A. Hauser, Wald und Feld in der alten Schweiz, 1972
  • H. Brugger, Die schweiz. Landwirtschaft 1850 bis 1914, 1978
  • J.-F. Bergier, Schweiz. Wirtschaftsgesch., 1983, 70-119
  • H. Moser, Der schweiz. Getreidebau und seine Geräte, 1988
  • J. Mathieu, Eine Agrargesch. der inneren Alpen, 1992
  • A. Ineichen, Innovative Bauern, 1996
Weblinks

Zitiervorschlag

Sandro Guzzi-Heeb: "Landarbeit", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.01.2015, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007885/2015-01-29/, konsultiert am 29.03.2024.