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Flecken

Die Begriffe Flecken, bourg und borgo bezeichnen Siedlungen zwischen Stadt und Dorf mit politischen, wirtschaftlichen und religiös-kulturellen Zentrumsfunktionen, die nicht mit einem umfassenden Stadtrecht, sondern allenfalls mit einzelnen Privilegien wie zum Beispiel dem Markt- oder dem Burgrecht ausgestattet waren (Märkte). Solche Vor-, Klein- und Kümmerformen der Stadt waren zum Teil das Ergebnis langer, schon im Hochmittelalter einsetzender Entwicklungen, die oft nicht in Quellen zu fassen sind; zum Teil erhielten aber auch Dörfer das Marktrecht von den Landesherren im Zuge des spätmittelalterlichen Ausbaus der Territorien.

Ansicht von Herisau, um 1793. Kolorierte Radierung von Heinrich Thomann nach einer Zeichnung von Johann Conrad Mayr (Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, Trogen).
Ansicht von Herisau, um 1793. Kolorierte Radierung von Heinrich Thomann nach einer Zeichnung von Johann Conrad Mayr (Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, Trogen).

Die mittelhochdeutsche Bezeichnung Flecken tritt seit dem 13. Jahrhundert in den Formen flecken und marktfleck in den Quellen auf. Als Flecken galten Ortschaften wie Appenzell, Herisau, Altdorf (UR) und Schwyz, aber auch Langnau im Emmental oder Beromünster. Viele Flecken entstanden im Schutz von Burgen oder Klöstern, andere sind aus agrarischen Einzelhofsiedlungen oder geschlossenen Dörfern hervorgegangen. Im 12. Jahrhundert boten sie das Bild kleiner, locker um die Kirchen gruppierter Häusergruppen. Durch das Fehlen von Mauerringen oder anderen Befestigungen unterschieden sich die Flecken von den Städten. Charakteristisch für sie waren die zentralen Haupt- oder Marktplätze, an deren Rändern die Pfarrkirche und eventuell auch das Rathaus lagen. Dazwischen fügten sich Holzhäuser, die teilweise gereiht waren, aber keine geschlossene Front bildeten.

Auffallenderweise sind Flecken im Gebiet der heutigen Deutschschweiz grösstenteils im voralpinen und alpinen Raum zu finden, da der Prozess der mittelalterlichen Städtegründungen hier aus vorwiegend topografischen Gründen Halt machte, obwohl sich diese Kulturräume von ihrer Wirtschafts- und Sozialstruktur vielleicht auch für Stadtgründungen geeignet hätten. Einige Flecken im alpinen Raum verdankten ihr Marktrecht der direkten Erteilung durch den Kaiser.

Ab dem 13. Jahrhundert nahmen einige der Flecken die Stellung eines Hauptortes in unabhängig werdenden ländlichen Gebieten ein. Diese Flecken zeichneten sich durch den Entwicklungsstand des Gemeinwesens und ein entsprechendes Bewusstsein aus; Schwyz führte zum Beispiel damals ein eigenes Landessiegel. In diesen politischen Zentren lagen das Rathaus und die Gerichtsstätte für das dazugehörige Gebiet, und deren Bewohner besetzten jeweils die meisten gemeinsamen Verwaltungsämter. Die Einwohner der umliegenden Dörfer, die oft nur über eine Kapelle verfügten, waren hier kirchgenössig. Unter Umständen konnte dieser spezielle Typus des Fleckens später in wirtschaftlicher Hinsicht stadtähnlichen Charakter annehmen, wie beispielsweise Schwyz, in dem sich die Handwerker im 15. und 16. Jahrhundert zu Zünften zusammenschlossen.

Ausschnitt aus einem Plan von Boudry. Zeichnung von Josué Perret-Gentil-dit-Maillard, um 1630 (Archives de l'Etat de Neuchâtel, P 718; Fotografie Atelier P. Eismann).
Ausschnitt aus einem Plan von Boudry. Zeichnung von Josué Perret-Gentil-dit-Maillard, um 1630 (Archives de l'Etat de Neuchâtel, P 718; Fotografie Atelier P. Eismann). […]

Die Begriffe bourg und borgo der französischen bzw. der italienischen Sprache haben eine ähnliche Bedeutung. Seit dem Hochmittelalter wurden überdies zuerst mit dem lateinischen burgus und dann auch mit der italienischen und französischen Form die Handwerker- und Kaufleutesiedlungen bezeichnet, die sich in der unmittelbaren Nachbarschaft eines Klosters, einer Burg, eines Bischofssitzes oder aber auch ausserhalb der Mauern einer schon bestehenden Siedlung entwickelten (siehe auch Vorstädte). Diese Siedlungen bestanden anfänglich oft nur aus zwei Häuserreihen, die sich längs der Ausfallstrasse erstreckten. Häufig wurden diese bourgs bzw. borghi später in den Mauerring miteinbezogen. Im Sottoceneri nannte man im 12. Jahrhundert auch die mit der Stadt Como verburgrechteten Dörfer burgi bzw. borghi. Die Bewohner dieser Ortschaften genossen die stadtbürgerlichen Privilegien, ausserdem waren sie von den onera rusticana befreit (Ausbürger).

Quellen und Literatur

  • H.-W. Ackermann, Beitr. zur Verfassungsgesch. des Appenzellerlandes bis zu den Befreiungskriegen, 1953
  • L. Carlen, «Alpenlandschaft und ländl. Verfassung besonders im Tirol, im Wallis und in den Walsersiedlungen», in Monfort 21, 1969, 335-353
  • Kdm AR 1, 1973, 50-54
  • Kdm SZ NF 1, 1978, 49-62
  • Kdm AI, 1984, 129-140
  • F. Häusler, Die alten Dorfmärkte des Emmentals, 1986
  • W. Meyer, 1291. Die Geschichte, 1990
  • Vocabolario dei dialetti della Svizzera italiana 2/2, 1991, 724-727
  • T. Fuchs et al., Herisau, 1999, 100-104
Weblinks

Zitiervorschlag

Beat Häusler: "Flecken", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.12.2005. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007870/2005-12-08/, konsultiert am 28.03.2024.