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Torfstecherei

Die Idee, Torf aus den Mooren als Brennstoff (Energie) zu nutzen, tauchte in der Schweiz am Anfang des 18. Jahrhunderts erstmals in Zürich und Neuenburg auf. Der Torf, d.h. das unter Luftabschluss nicht oder nur teilweise zersetzte Pflanzenmaterial, wurde von Hand gestochen. Die ziegelförmigen, nassen Soden trockneten an der Luft, erst in kleinen Stapeln von zwei bis vier Torfziegeln, später in grossen Haufen. Während des ganzen 18. Jahrhunderts diente Torf als Brennholzersatz. Sein Abbau war eine Folge der intensiven Nutzung der Wälder insbesondere für die sich stark entwickelnde Protoindustrie, weshalb Perioden der Torfstecherei zumeist mit Zeiten des Holzmangels einhergingen. Am häufigsten wurde Torf indes zu Heizzwecken verwendet. Obschon seine saisonale Produktion nicht überall gleich wichtig war, blieb das Interesse an seiner Nutzung hoch. So gab es im Bistum Basel 1766-1768 Versuche, Torf in grossen Mengen abzubauen und ihn in Torfkohle zu verwandeln. Die Berner Ökonomische Gesellschaft veröffentlichte Abhandlungen über Torf. In Neuenburg zwischen 1785 und 1840 sowie im Berner Seeland 1850 fanden Experimente zur Verkohlung von Torf statt.

Torfstecherei von Hand in Le Crêt im freiburgischen Bezirk Veveyse. Fotografie von Simon Glasson, 1936 (Musée gruérien, Bulle).
Torfstecherei von Hand in Le Crêt im freiburgischen Bezirk Veveyse. Fotografie von Simon Glasson, 1936 (Musée gruérien, Bulle).

Das 19. Jahrhundert, vor allem die zweite Hälfte, war für die Torfstecherei ein goldenes Zeitalter. Der Energiebedarf der stetig wachsenden Bevölkerung und des expandierenden 2. Sektors steigerte auch den Torfabbau für häusliche und gewerbliche Zwecke (Heizung und Kochen bzw. Indienne-Druckereien, Distillerien, Ziegeleien, Kalkbrennerei, Baumwollindustrie, Schmieden und Glashütten). Die Torfgewinnung erreichte in vielen Regionen eine wirtschaftliche Bedeutung. In fast allen Hochmooren des Mittellands und des Juras wurde Torf, teilweise vorübergehend, abgebaut und meist in der Region abgesetzt. Trotz der Einführung mechanischer Maschinen konkurrenzierte die importierte billigere Kohle den Torf und ersetzte ihn grossenteils bereits vor 1900. Durch die Rationierung von Kohle während der beiden Weltkriege kam es für Heizungszwecke zu letzten Phasen des Torfabbaus im grossen Stil. Die Torfstecherei nahm nach 1945 stark ab und das Material wurde nur noch im Gartenbau verwendet. Zum Schutz der Moore verbot die 1987 angenommene Rothenthurm-Initiative den Torfabbau. 2010 verlangten Parlamentarier und Pro Natura aus ökologischen Überlegungen einen Stopp des Torfimports, der auf jährlich 150'000 t geschätzt wird, und den Ersatz durch andere Produkte.

Quellen und Literatur

  • J.J. Früh, Die Moore der Schweiz, mit Berücksichtigung der gesamten Moorfrage, 1904, 318-343
  • Un combustible bon marché [Film], 1941 (BVCF)
  • R. Cop, Jura neuchâtelois, 1990, 41-59
  • M. Kaiser, «Eine Torfstich-Anleitung aus dem 18. Jh.», in Naturmonographie Hudelmoos, 1993, 85-94
  • GKZ 2, 1996, 81-83
  • Zustand und Entwicklung der Moore in der Schweiz, 2007, 16-22
  • P. Hebeisen, «"Ce sera toujours assez tiré d'un marais": un essai d'exploitation industrielle de la tourbe à Bellelay au XVIIIe siècle (1766-1768)», in BZGH 69, 2007, 1-38
  • H.Hirt, «Torfstechen im Seeland», in BZGH 69, 2007, 39-76
Weblinks

Zitiervorschlag

Philippe Hebeisen: "Torfstecherei", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 25.02.2014, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007852/2014-02-25/, konsultiert am 29.03.2024.