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Niederurnen

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Glarus, bildet seit 2011 mit Bilten, Filzbach, Mollis, Mühlehorn, Näfels, Oberurnen und Obstalden die neue Gemeinde Glarus Nord. Sie umfasste das gleichnamige Industriedorf im Glarner Unterland, am Ausgang des Niederurner- oder Alpentals, sowie die nordöstlich gelegene, durch die Autobahn A3 abgetrennte Industriesiedlung Ziegelbrücke. Vor 1045 oder zwischen 1077 und 1101 Niter Urnnen. 1543 ca. 200 Einwohner; 1701 532; 1799 770; 1850 1505; 1900 1873; 1950 2931; 2000 3741; 2010 3928.

Niederurnen: Situationskarte 2010 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.
Niederurnen: Situationskarte 2010 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.

Ab ca. 1030 gehörte Niederurnen nachweislich zur Kirche Schänis sowie ab dem 12. Jahrhundert zur Grundherrschaft des Klosters Schänis. 1386 zerstörten die Glarner die 1265 erstmals erwähnte Burg Oberwindegg, die vorgelagert auf einem Felssporn des Hirzli über dem Dorf stand, und nahmen Niederurnen in ihr Landrecht auf. Auf der Burg sassen bis 1288 die Meier von Windegg als Ministerialen des Klosters von Säckingen, anschliessend erhielten die Herzöge von Habsburg das Meieramtslehen und erwarben später auch die Burg. 1528 wurden aus der St. Verenakapelle Bilder und Altäre entfernt und die Bewohner Niederurnens mehrheitlich reformiert, doch war die kirchliche Trennung von Schänis erst 1605 abgeschlossen. 1659 baute Niederurnen die Kapelle zur Kirche aus. Die 1937 neu erbaute katholische Kirche St. Josef löste sich 1956 von der Mutterkirche in Oberurnen und bildete neu die Kirchgemeinde Niederurnen-Bilten.

Im Mittelalter wurde weitgehend eine subsistenzorientierte Land- und Alpwirtschaft betrieben. Wohl die zunehmende Alpsömmerung von Grossvieh führte in den 1540er Jahren zur Gründung der Alpgenossenschaft. Auch die Korporationsgenossen der 1667 neu gegründeten Alt-Schatzkorporation und der 1756 gegründeten Neuen Evangelischen Schatzkorporation verwalteten als erbliche Mitglieder gemeinsam ihre Alpbesitzungen. Der heute grösste Glarner Rebberg unterhalb der Ruine Oberwindegg ist um 1640 erstmals belegt. Dank der vorhandenen Wasserkraft und der Blüte des bis ins 20. Jahrhundert benutzten Mineralbads existierten im 17. Jahrhundert zahlreiche Gewerbe. Aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammt die 1991 restaurierte ehemalige Seidenbandweberei, die sogenannte Bandfabrik. Durch die Linthkorrektion gewann die Gemeinde Kultur-, Bau- und Industrieland. In den Räumen der um 1830 gegründeten ersten Stoffdruckerei (1896 geschlossen) nahm 1903 die Asbestzementfabrikation ihren Anfang (heute Eternit AG). 1851 kaufte die 1834 in Ziegelbrücke entstandene Spinnerei Enderlin & Jenny eine Weberei in Niederurnen hinzu. 1875 erhielt die Gemeinde Anschluss an die Eisenbahnlinie der Nordostbahn von Ziegelbrücke nach Glarus. Nach der verheerenden Überschwemmung Niederurnens durch den Dorfbach 1886 wurde dieser 1888-1892 verbaut und 1904 das Elektrizitätswerk in Betrieb genommen. 1963 erhielt die Gemeinde einen Autobahnanschluss an die A3 und 1973 die kantonale Kehrichtverbrennungsanlage. 2005 stellte der 2. Sektor 40%, der 3. Sektor 57% der insgesamt 2008 Arbeitsplätze in Niederurnen.

Quellen und Literatur

  • J. Elmer, Beitr. zur Gesch. der Gem. Niederurnen, 1974
  • J. Elmer, Die Korporationen in Niederurnen und ihre Geschlechter, 1983
  • 600 Jahre freies Niederurnen, 1386-1986, 1986
  • J. Elmer, «Die Gesch. der evang.-ref. Kirchgem. Niederurnen», in JbGL 80, 2000, 7-79
Von der Redaktion ergänzt
  • Bräm, Andreas : Glarus Nord, 2017, S. 270-315 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Glarus, 2). 

Zitiervorschlag

Karin Marti-Weissenbach: "Niederurnen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.11.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000779/2020-11-19/, konsultiert am 19.03.2024.