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Näfels

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Glarus, bildet seit 2011 mit Bilten, Filzbach, Mollis, Mühlehorn, Niederurnen, Oberurnen und Obstalden die neue Gemeinde Glarus Nord. Dorf im Glarner Unterland auf der linken Talseite gegenüber von Mollis mit der hoch gelegenen Streusiedlung Näfelser Berg und dem Oberseetal. 1240 Nevels. 1777 533 männliche Glarner; 1850 1869 Einwohner; 1870 2513; 1900 2557; 1950 3327; 2000 3947; 2010 4021.

Näfels: Situationskarte 2010 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.
Näfels: Situationskarte 2010 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.

Die erste Siedlung entstand auf der Schutthalde zwischen den Bergbächen Rauti und Tränki. Bis 1395 war Näfels dem Kloster Säckingen abgabenpflichtig. Die 1351 von eidgenössischen Kriegern zerstörte Burg war Sitz der Ritter von Näfels gewesen und im 13. Jahrhundert wohl an Habsburg übergegangen. Näfels beteiligte sich nach 1280 am Bau der Kapelle, später Kirche, von Mollis, zu dessen Pfarrei es gehörte. 1352 vereinigten sich die beiden Tagwen Obern- und Niedernnevels zum Tagwen Näfels. Von der um 1353 gebauten Talsperre (Letzi) sind im westlichen Teil noch Fragmente erhalten. Zum Andenken an die 1388 gewonnene Schlacht bei Näfels stiftete das Land Glarus 1389 in der Umgebung der heutigen Kirche eine Kapelle; vermutlich im selben Jahr beschloss die Landsgemeinde die alljährliche Feier der sogenannten Näfelser Fahrt (das obeliskartige Schlachtdenkmal im Sendlen von 1888 stammt von Alfred Romang). Bis 1419 fand in Näfels jeden Montag ein Warenmarkt statt, der dann nach Glarus verlegt wurde. Im Mittelalter betrieben die Näfelser hauptsächlich Landwirtschaft auf der Basis von Klein-, ab dem 15. Jahrhundert vermehrt von Grossviehzucht. Ein Alpbrief von 1476 (erneuert 1617) regelte die Sömmerung von Schafen, Schweinen, Rindern und Pferden im Oberseetal. Näfels lehnte die Reformation ab und bildete 1532 mit Oberurnen (Trennung 1868) eine eigene katholische Pfarrei. Eine 1523 erbaute Kapelle wurde 1534 zur Pfarrkirche geweiht.

Ab dem Spätmittelalter bildete sich in Näfels eine Landaristokratie heraus, die katholisch blieb und in der frühen Neuzeit hochrangige Offiziere für die fremden Kriegsdienste hervorbrachte. Als Stifter und Bauherren veränderten sie das Dorf mit markanten Gebäuden. Gardeoberst Kaspar Gallati stiftete 1612 die Friedhofskapelle. Das kunstgeschichtlich wertvollste Gebäude ist der Freulerpalast im Dorfzentrum, den Gardeoberst Kaspar Freuler 1642-1648 erbauen liess. Der Palast weist Elemente der Renaissance, des Frühbarocks und der Régence auf und ist mit seiner reichen Innenausstattung einer der bedeutendsten Herrensitze des 17. Jahrhunderts in der Schweiz. Seit 1946 beherbergt er das Museum des Landes Glarus, dem 1988 ein Glarner Textilmuseum angegliedert worden ist (letzte Gesamtrestaurierung 1975-1989). 1604 wurde das Haus An-der-Letz als markantes Giebelhaus erbaut. Es war Wohnsitz des Generals Niklaus Franz von Bachmann, wurde 1909 von Ida von Müller zur Aufnahme von Waisenkindern bestimmt und der Gemeinde geschenkt. Die barocke Pfarrkirche entstand 1778-1781 an der Stelle des spätgotischen Baus von 1523 nach Plänen von Johann Anton und Jakob Singer (Renovation 1977-1978). Näfels entwickelte sich zum Hauptort von Katholisch-Glarus: 1623-1837 tagte hier 49-mal die katholische Landsgemeinde. 1674 wurde auf Betreiben der katholischen Glarner und zum Missfallen der Reformierten das Kapuzinerkloster Mariaburg gegründet, dessen Bau in den folgenden Jahren auf dem Burghügel erfolgte.

Briefkopf der Alpenkräuterkäsefabrik der Gebrüder Grüninger, um 1905 (Museum des Landes Glarus, Näfels).
Briefkopf der Alpenkräuterkäsefabrik der Gebrüder Grüninger, um 1905 (Museum des Landes Glarus, Näfels). […]

Im 18. Jahrhundert verdrängte die Milchwirtschaft zusehends die exportorientierte Viehzucht; als Zusatzverdienst breitete sich die Baumwollhandspinnerei aus. 1768 entstand eine Indiennefabrik, der bald weitere Textilbetriebe folgten. 1799-1802 litten Näfels und das Kapuzinerkloster schwer unter der Besetzung durch die Franzosen und kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Linthkorrektion, insbesondere der Bau des Escherkanals 1807-1811 auf Molliser Boden, setzte auch in Näfels den häufigen Überschwemmungen ein Ende. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts drohten mehrfach Hungersnöte, denen die Gemeinde mit Urbarisierungsprojekten sowie intensiviertem Anbau von Gemüse und Kartoffeln zu begegnen versuchte. Zwischen 1838 und 1841 konnte sie die Alpen im Oberseetal kaufen. Die Industrialisierung setzte sich allmählich durch: 1823 wurde eine mechanische Spinnerei, 1833 die erste, 1850 eine weitere Zeugdruckerei, 1856 eine Metallgiesserei eröffnet. Die Näfelser Stahlbaufirma Arnold Bosshard fertigte neben zahlreichen Eisenbahnbrücken auch die Bundeshauskuppel in Bern an. Der Anschluss ans Netz der Vereinigten Schweizerbahnen 1859 kam der Industrie zustatten. 1837 führte der Widerstand von Näfels gegen die neue Kantonsverfassung, welche die konfessionellen Unterschiede nicht mehr berücksichtigte, zu einer zweitägigen Besetzung des Dorfs durch drei Glarner Kompanien. Auch das Archiv von Katholisch-Glarus wurde beschlagnahmt und nach Glarus überführt.

Näfelser Fahrt, 1955 (Ringier Bildarchiv, RBA1-1-19643) © Staatsarchiv Aargau, Aarau / Ringier Bildarchiv.
Näfelser Fahrt, 1955 (Ringier Bildarchiv, RBA1-1-19643) © Staatsarchiv Aargau, Aarau / Ringier Bildarchiv. […]

1831 eröffnete das Kapuzinerkloster ein Knaben-Untergymnasium (später als Sekundarschule mit fakultativem Lateinunterricht geführt), für welches 1895 ein erstes Schulhaus, 1954 und 1962 die neuen Schulgebäude errichtet wurden. 1984 gaben die Kapuziner die Klosterschule auf, 1986 traten sie das Kloster an die Franziskaner ab. Mit dem Inkrafttreten der Verfassung von 1837, welche auch die allgemeine Schulpflicht regelte, hatte sich Näfels um die Dorfschule zu kümmern. Die Gemeinde brachte die Schule vorerst im 1840 von ihr erworbenen Freulerpalast unter, 1877 errichtete sie ein eigenes Schulhaus. Seit 1860 steht auch für die Schüler des Näfelser und Oberurner Berggebiets im Schwändital ein Schulhaus. Weitere Schulhausbauten folgten 1958 und 1972. Neben der Schule beherbergte der Freulerpalast von 1846 an auch ein Armen- und Betagtenheim. 1937 erfolgte der Bau eines Altersheims, 1984 die Eröffnung eines regionalen Alters-, Wohn- und Pflegeheims. 1890 wurde in Nebenräumen des Freulerpalasts das erste Gemeindeelektrizitätswerk des Kantons eingerichtet (heute EW Näfels). 1911 schuf die Gemeinde das 9,5 km2 grosse Wildbanngebiet Rauti-Tros im Oberseetal. 1957 wählte die Maschinenfabrik & Giesserei Netstal AG (seit 1976 Netstal-Maschinen AG) Näfels als Standort. Hinzu kamen die Textilwerke Fritz Landolt AG, Firmen für Stahl- und Eisenwaren, für Elektroapparate, eine Orgelbauwerkstatt, eine Kartonagenfabrik, ein Früchtegrosshandel, Pinselfabriken, Bauunternehmen und zahlreiche weitere Gewerbebetriebe. 1973 erfolgte durch einen Zubringer der Anschluss an die Autobahn A3. Das Sportzentrum Glarner Unterland mit Hallen- und Freibad sowie mit Räumen für zahlreiche Sportarten und Veranstaltungen wurde 1975 eröffnet. Eine lange Tradition besitzt die Näfelser Fasnacht.

Quellen und Literatur

  • P. Schwitter, Das Kapuzinerkloster Näfels, 1675-1975, 1975
  • Novalis, Nevels, Näfels [1988]
  • E. Feldmann et al., Näfels, 1991
  • J. Davatz, Der Freulerpalast in Näfels, 1995
  • J. Landolt, Das Land Glarus bis zur Schlacht bei Näfels 1388, 2001
  • J. Davatz, Pfarrkirche St. Hilarius und Kapuzinerkloster in Näfels, Kt. Glarus, 22003
  • F. Hauser, Näfelser Geschichte(n), 2005
Von der Redaktion ergänzt
  • Bräm, Andreas : Glarus Nord, 2017, S. 152-243 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Glarus, 2). 
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Karin Marti-Weissenbach: "Näfels", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.11.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000776/2020-11-19/, konsultiert am 29.03.2024.