de fr it

Mollis

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Glarus, bildet seit 2011 mit Bilten, Filzbach, Mühlehorn, Näfels, Niederurnen, Oberurnen und Obstalden die neue Gemeinde Glarus Nord. Im Unterland auf der rechten Seite des Linthtals gelegen. Das Gemeindegebiet reichte vom Linthkanal und Walensee bis zum Schlattbach bei Netstal und umfasste das gleichnamige Dorf, den Rieterbezirk in der Linthebene, den Weiler Beglingen am Kerenzerberg und die Alp Mullern. 1288 Mollis. 1554 440 Einwohner; 1701 1150; 1799 1654; 1850 2041; 1900 1912; 1950 2191; 1970 2628; 2000 2974; 2010 3337.

Mollis: Situationskarte 2010 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.
Mollis: Situationskarte 2010 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.

Der auf Hüttenböschen, einer kleinen Erhebung 100 m westlich des Walensees entdeckte gallorömische Umgangstempel dürfte zwischen 50 und 150 n.Chr. entstanden und bis ins 4. Jahrhundert benutzt worden sein. Im 8. Jahrhundert fiel grosser Grundbesitz in Mollis an das Kloster Säckingen. Die Teile einer mittelalterlichen Letzimauer bei Beglingen wurden eventuell erst nach der Schlacht bei Näfels (1388) erstellt. Die 1280 errichtete Kapelle wurde 1319 zur Kirche erhoben; 1444 erfolgte die Ablösung von der Pfarrei Glarus, zu der Mollis früher gehört hatte; die neue Pfarrei umfasste auch Näfels und Oberurnen. Fridolin Brunner, 1523-1525 Pfarrer in Mollis, leitete die Reformation ein. Wegen starken Widerstands der Altgläubigen wurden Bilder und Messe erst 1529 abgeschafft. Näfels und Oberurnen bildeten in der Folge eine eigene katholische Pfarrei. Trotz der vertraglichen Regelung von 1532 trugen diese und die Kirchgemeinde Mollis noch lange ernste Zwiste aus. 1761 wurde die heutige Kirche durch Hans Ulrich Grubenmann errichtet (bemerkenswerte Dachstuhlkonstruktion, viele Umbauten). Die katholische Marienkirche, die der Pfarrei Näfels untersteht, stammt von 1963.

Bis ins 15. Jahrhundert dominierte selbstversorgende Landwirtschaft auf der Grundlage von Schafzucht; dann setzte sich die Grossviehzucht für den Export durch, was den Ausbau der Alpwirtschaft nach sich zog. Im 18. Jahrhundert stellten die Bauern ihre Betriebe auf Milchwirtschaft um. Die im 16. Jahrhundert einsetzende gewerbliche Tätigkeit entfaltete sich vor allem im 17. und 18. Jahrhundert. Bäder bestanden am Walenberg im 16. Jahrhundert und an der Rüfi von ca. 1600 bis ins 19. Jahrhundert. Zwischen 1714 und 1789 führte Baumwollhandspinnerei, ab 1760 vermehrt Handweberei zu Wohlstand bei der ganzen Bevölkerung; ein Zeugnis dieser frühen Industrialisierung ist der sogenannte Fabrikhof, eine um 1785 in Gestalt eines spätbarocken Herrschaftsgebäudes errichtete Manufaktur. Wegen der vielen Molliser, die als Offiziere in fremden Diensten standen, galt der Ort während der Helvetik als «Aristokratennest»; er wurde durch Kriegshandlungen und Einquartierungen 1798-1803 stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Bau des Escherkanals 1807-1811 und die bis 1827 vollendete Linthkorrektion ermöglichten die Beilegung alter Streitigkeiten mit Nachbardörfern um die Linthverbauungen. Die Kerenzerbergstrasse wurde 1836-1851 erstellt. 1859 erfolgte der Anschluss ans Netz der Vereinigten Schweizerbahnen (Bahnhof Näfels-Mollis). Im 19. Jahrhundert entstanden mehrere Textilfabriken und Stoffdruckereien. Bis 1967 hielt sich die 1856 gegründete Spinnerei und Weberei Jenny. Die 1860 eingerichtete Wäschefabrik Pfeiffer AG wurde 2000 von der amerikanischen Firma Standard Textile Company Inc. übernommen. An die Stelle der Textilunternehmen traten nach und nach zahlreiche Firmen aus unterschiedlichen Branchen. Schon seit dem 18. Jahrhundert werden die Steinbrüche an der Linthbrücke und im Haltengut betrieben.

Blick südwärts über das Linthtal gegen den Glärnisch. Aquarell von Johann Heinrich Jenny, um 1830 (Landesarchiv des Kantons Glarus).
Blick südwärts über das Linthtal gegen den Glärnisch. Aquarell von Johann Heinrich Jenny, um 1830 (Landesarchiv des Kantons Glarus). […]

Die ehmalige Gemeinde errichtete erst 1862 ein Schulhaus. Die Sekundarschule, die 1863-1872 und dann ab 1883 geführt wurde, steht seit 1973 auch Schülern aus Kerenzen offen. Die 1846 gegründete Mädchenerziehungsanstalt (später Kinder- und Jugendheim) wurde 1983 geschlossen. Der 1782-1784 erbaute Landsitz Haltli beherbergte 1850-1870 und 1890-1892 ein Töchterinstitut, seit 1912 werden die Gebäude von einem Sonderschulheim genutzt. Das Alters- und Pflegeheim Hof öffnete 1973. Der Militärflugplatz auf der Allmende wurde 1936 angelegt (seit 2005 Sportflugzeugplatz). Das Ortsbild von nationaler Bedeutung wird durch mehrere Herrensitze aus dem 17. und 18. Jahrhundert bereichert.

Quellen und Literatur

  • H. Thürer, Gesch. der Gem. Mollis, 1954
  • R. Laur-Belart, «Hüttenböschen. Ein galloröm. Vierecktempel am unteren Ende des Walensees», in JbGL 60, 1963, 5-24
  • C.H. Brunner, «Muren zwischen iren bergen. Zur Sondierung der Letzi Beglingen 1981», in JbGL 72, 1988, 35-46
  • Mollis, 1995
Von der Redaktion ergänzt
  • Bräm, Andreas : Glarus Nord, 2017, S. 60-151 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Glarus, 2). 

Zitiervorschlag

Karin Marti-Weissenbach: "Mollis", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.11.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000774/2020-11-19/, konsultiert am 29.03.2024.