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Linthal

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Glarus, 2011 mit Betschwanden, Braunwald, Elm, Engi, Haslen (GL), Luchsingen, Matt, Mitlödi, Rüti (GL), Schwanden (GL), Schwändi und Sool zur neuen Gemeinde Glarus Süd fusioniert. Linthal liegt zuhinterst im Grosstal, bildet den Ausgangspunkt des Klausenpasses und bestand aus den drei Teilen Matt, Dorf und Ennetlinth sowie der Streusiedlung Auen. Die einst grösste Glarner Gemeinde Linthal umfasste mit dem Tödi (3614 m) als höchste Erhebung den gesamten südlichen Kantonsteil, einen Fünftel des Kantonsgebiets. 1289 Lintal. 1777 994 Einwohner; 1799 1538; 1850 1745; 1880 2301; 1900 1894; 1950 1741; 1960 2645; 1970 1458; 2000 1200; 2010 1088.

Linthal: Situationskarte 2010 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.
Linthal: Situationskarte 2010 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.

Linthal erscheint im Habsburger und Säckinger Urbar als Tagwen Nieder- und Oberlinthal. 1376 und endgültig 1395 erfolgte der Loskauf von den Grundzinsen des Klosters Säckingen. Nach 1415 entstanden aus Niederlinthal die bis 1836 zu einem Wahltagwen vereinigten Tagwen Ennetlinth und Rüti, aus Oberlinthal die Tagwen Dorf und Matt. Ursprünglich gehörte auch Braunwald zum Tagwen Niederlinthal. Die drei Tagwen Ennetlinth, Dorf und Matt bildeten die Kirchgemeinde, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Schulgemeinde aufging. Die Tagwen verfügen bis heute über Besitzungen. Das Bürgerrecht von Linthal ist nach wie vor mit der Zugehörigkeit zu einem Tagwen verknüpft.

1289 ist eine Kapelle bezeugt, die spätestens 1319 zur Pfarrkirche erhoben wurde, 1333 eine neben der Kirche erbaute Schwesternklause. In der Reformation 1528 blieb Linthal mehrheitlich beim alten Glauben. 1543 zählte man jedoch nur noch wenige Katholiken, die aber aufgrund einer Glarner Zusage von 1531 an die katholischen Orte ab 1556 die Kirche für sich allein beanspruchten. Bis zum Bau einer eigenen Kirche in Ennetlinth 1604 besuchten die reformierten Einwohner den Gottesdienst in Betschwanden. An den kommunalen Verwaltungsaufgaben der überkonfessionellen Kirchgemeinde änderte sich aber nichts. Ihr gehörten weiterhin fast alle Wälder sowie die Geissweid- und Wildheurechte. 1781 zerstörte ein Hochwasser die reformierte Kirche, die 1782 im Tagwen Dorf neu aufgebaut wurde. 1795 teilte die Kirchgemeinde den Waldbesitz unter den drei Tagwen auf. Im selben Jahr gab man sich den Ortsnamen Linthal. 1905-1906 entstand die heutige katholische Kirche im Tagwen Matt. Die heutige katholische Kirchgemeinde Linthal umfasst auch Rüti und Braunwald.

Bis ins 18. Jahrhundert lebte man von der Landwirtschaft. Im Mittelalter dominierte die Selbstversorgung (v.a. Schafzucht). Ab dem 15. Jahrhundert, spätestens im 17. Jahrhundert folgte die Alpsömmerung von Rindern für den Export. Den Zugang zur Baumgartenalp ermöglichte die 1457 gebaute, mehrfach erneuerte Pantenbrücke. 1530 wurde das Landvogt-Schiesser-Haus an der Matt gebaut, das 1974-1976 in den alten Zustand versetzt wurde und seither ein Dorfmuseum beherbergt. Verdienstmöglichkeiten in der Baumwollhandspinnerei ab 1714 und in der Handweberei ab ca. 1760 führten Ende des 18. Jahrhunderts zu einem Bevölkerungsanstieg. Während der Krise um 1770 herrschte grosse Armut. Nachdem das Hochwasser der Linth immer wieder schwere Schäden verursacht hatte, schuf 1832-1834 die Linthkorrektion die Voraussetzungen für die Ansiedlung von Industrie. Die 1839 eröffnete Spinnerei Kunz, seit 1997 Spinnerei Linthal AG, ist weltweit einer der modernsten Betriebe der Branche. Die 1852 gegründete Feinspinnerei und -weberei (ab 1901 Firma Bebié) stellte bis 1998 vor allem Strickgarne her. 1879 erfolgte der Anschluss Linthals ans Eisenbahnnetz der Nordostbahn. 1895-1900 wurde die Klausenpassstrasse auf der Glarnerseite erstellt (1922 Postautokurs Flüelen-Linthal). Ca. 1830-1915 herrschte im Stachelbergbad Kurbetrieb. 1905-1907 wurde die Standseilbahn nach Braunwald erstellt (seit 1982 mit SBB-Anschluss). Zum touristischen Angebot gehören ferner fünf SAC-Hütten.

Das Kraftwerk Linth-Limmern AG. Blick auf die Staumauer Limmernboden am Ende der Betonierphase, rechts das lawinensichere Gebäude für Unterkunft, Kantine und Büros. Fotografie von Hans Jakob Schönwetter, 1962 (Landesarchiv des Kantons Glarus, Fotosammlung Schönwetter).
Das Kraftwerk Linth-Limmern AG. Blick auf die Staumauer Limmernboden am Ende der Betonierphase, rechts das lawinensichere Gebäude für Unterkunft, Kantine und Büros. Fotografie von Hans Jakob Schönwetter, 1962 (Landesarchiv des Kantons Glarus, Fotosammlung Schönwetter). […]

1840 baute man das reformierte Schul- und Pfarrhaus (1974 Umbau zum Gemeindehaus), 1847 das Schulhaus Auen (1958 Neubau), 1889 das Dorfschulhaus Sand (1973-1974 Neubau) und seit 1865 besteht die Sekundarschule. 1874 wurden die konfessionellen Schulen vereint. Das 1938 gegründete Bürger- und Altersheim wurde 1977-1978 umgebaut und um einen Neubau ergänzt. Die Bergsturzgefahr am Kilchenstock führte 1930 zur vorübergehenden Evakuierung des betroffenen Dorfteils. Nach den Verwüstungen durch den Durnagelbach 1944 wurden 1945-1985 beispielhafte Verbauungen und Hangsicherungen erstellt. Von nationaler Bedeutung ist das 1957-1965 errichtete Hochdruckspeicherwerk Linth-Limmern mit dem Limmern-Stausee. Neben ca. 40 Arbeitsplätzen brachte es Steuereinnahmen für Linthal und Einkünfte für die Tagwen (Wasserzinsen).

Quellen und Literatur

  • G. Heer, Gesch. der Gem. Linthal, 1909-15
  • Die Kraftwerke Linth-Limmern im Kt. Glarus, 1965
  • A. Lorenzi, 700 Jahre Kilchhöri Linthal, 1984
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Karin Marti-Weissenbach: "Linthal", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.11.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000770/2020-11-19/, konsultiert am 19.03.2024.