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Gaster

Bildscheibe des Landes Gaster von 1588 aus dem ehemaligen Rathaus Schänis, wahrscheinlich vom Rapperswiler Glasmaler Wolfgang Breny (Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen).
Bildscheibe des Landes Gaster von 1588 aus dem ehemaligen Rathaus Schänis, wahrscheinlich vom Rapperswiler Glasmaler Wolfgang Breny (Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen). […]

Mittelalterliche Herrschaft, 1798-1803 Teil des Kantons Linth, 1803-1831 Teil des Bezirks Uznach im Kanton St. Gallen, 1831-2002 eigener Bezirk im Kanton St. Gallen, ab 2003 Teil der Region See-Gaster. Das topografisch abwechslungsreiche Gebiet, welches Gaster umfasst, steigt von der Linthebene (400 m) bis zur markanten Bergkette Regelstein-Speer-Mattstock-Leistchamm (2101 m) auf, die im Osten das Linthgebiet vom Toggenburg trennt. Im Westen bildet der alte Linthlauf die Grenze zu den Kantonen Glarus und Schwyz, im Süden der Walensee zum ehemaligen Bezirk Sargans, im Norden stösst das Gaster an den ehemaligen Bezirk See. Das Gasterholz (Gemeinde Schänis) wurde schon in der Bronzezeit besiedelt (Biberlikopf, Stralegg). Der Name Gaster leitet sich vom lateinischen Wort castrum (Wehranlage) ab. 1230 Gastirn, 1283 Chastren. 1850 7247 Einwohner; 1900 7301; 1950 9448; 2000 13'217.

Das 741-744 erwähnte Kloster Benken deutet auf die Christianisierung durch das Kloster Reichenau und die Ausbreitung der alemannisch-fränkischen Herrschaft im Linthgebiet hin. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts trat das von Graf Hunfrid von Rätien gegründete Damenstift Schänis an seine Stelle, was die Eingliederung Gasters (ohne Kaltbrunn) in das Bistum Chur zur Folge hatte. Unter der Schirmherrschaft der Edlen von Schänis und deren Verwandten, den Grafen von Lenzburg, konnte das Stift, das seit 1045 Immunität besass, eine geschlossene Grundherrschaft über das ganze Gaster ausbauen. Eine Ausnahme bildete die Hofgemeinde Kaltbrunn, die von Herzogin Reginlinde um 940 dem Kloster Einsiedeln übertragen wurde. Nach dem Aussterben der Lenzburger 1173 kam das Gaster bis 1264 unter die Schirmherrschaft der Kyburger, dann unterstand es bis 1438 den Habsburgern.

Die zentrale Vogteiverwaltung der Habsburger gab der Landschaft Form und Grenzen. Sie wurde anfänglich Niederamt, im 14. Jahrhundert Windegg und ab dem 15. Jahrhundert Gaster genannt. Die Landleute organisierten sich in der Landsgemeinde. Diese schloss 1316 einen Waffenstillstand mit Schwyz, 1333 trat sie dem österreichischen Landfriedensbund bei und führte ein eigenes Landessiegel. 1436 bestätigte Herzog Friedrich IV. von Österreich den Gasterländern die hergebrachten Freiheiten und Gewohnheitsrechte. Ab dem 15. Jahrhundert bildete es eine eigene Herrschaft. Das Ziel, als gleichberechtigter Ort der Eidgenossenschaft beizutreten, ging aber in den Auseinandersetzungen des Alten Zürichkriegs (1436-1450) unter. Das Gaster war 1438-1798 Herrschaft der Orte Schwyz und Glarus, bewahrte jedoch mit Landrat, Landgericht, Landvogteiamt und Landsgemeinde auf Grund der hergebrachten Rechtsordnung (Landbuch) eine weitgehende Mitbestimmung. Die zahlreichen Genossengemeinden hatten eine eigene dörfliche Verwaltung. Ämterlisten und Wappenscheiben aus dem 16. und 17. Jahrhundert bezeugen eine breite Oberschicht, in der fast alle Gasterländer Familien vertreten waren.

Die gute Beziehung zu Schwyz und Glarus dauerte bis 1520 an. Dann erfolgte ein Unterbruch, weil die Obrigkeit den alten Brauch verweigerte, dass jeder Landvogt das alte Landrecht beschwören müsse. 1529 bekannten sich die Gasterländer zur Reformation, von der sie volle Freiheit erwarteten. Sie sagten sich von Schwyz und Glarus los und bekräftigten dies mit Revolution und Bildersturm. 1531 traten wieder die alten Religions- und Herrschaftsverhältnisse in Kraft, allerdings erhielten die Untertanen der Landvogtei das alte Landrecht nicht mehr zurück. Erst 1564 stellten Gnadenbrief und Neufassung des Landrechts die weitgehende Selbstverwaltung wieder her.

1798 wünschten die Gasterländer, mit Uznach, March und Rapperswil einen eigenen Kanton, den sogenannten Kanton unter dem Walensee, zu gründen. Das Gebiet wurde dann jedoch dem Kanton Linth einverleibt, gelangte 1803 an den Kanton St. Gallen, wo es zum Bezirk Uznach geschlagen wurde, und bildete ab 1831 einen eigenen Bezirk, der die sechs Gemeinden Amden, Weesen, Schänis, Benken, Kaltbrunn und Rieden umfasste. Mit einer bekannten Ausnahme blieb das Gaster der ländlich-konservativen Grundhaltung treu: Angeführt von Oberst Dominik Gmür wählte das Gaster 1847 liberal und verhalf damit der liberalen Partei zur Mehrheit im St. Galler Grossen Rat, der mit seiner Stimme in der Tagsatzung den Ausschlag zur Auflösung des Sonderbundes gab.

Denkmalprojekt für Hans Conrad Escher von der Linth. Kupferstich von C. Schulthess und Johann Martin Esslinger, um 1828 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Denkmalprojekt für Hans Conrad Escher von der Linth. Kupferstich von C. Schulthess und Johann Martin Esslinger, um 1828 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Die unruhige und geschiebereiche Linth hatte die Verlandung des Sees zwischen Benken und Tuggen, die Versumpfung der Linthebene und die Linthkorrektion zur Folge, die 1807 ihren Anfang nahm. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte das Gaster von der Landwirtschaft, vorwiegend von Viehzucht, Käse- und Butterproduktion. Nur wenige Personen waren als Fuhr- und Schiffleute im Transithandel beschäftigt. Das Land verarmte, was im 19. Jahrhundert eine starke Auswanderung nach Amerika zur Folge hatte. Eine Öffnung brachte 1859 die Bahnstrecke von Rapperswil nach Glarus bzw. Chur, doch beschränkten sich Gewerbe und Industrie auf kleine Dorfbetriebe. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzte mit dem Wirtschaftsboom und einer erhöhten Mobilität eine nachhaltige Entwicklung ein. Vielfältige Bau-, Fabrikations- und Dienstleistungsbetriebe entstanden. Die Entwicklung steht unter dem Einfluss des Wirtschaftsraums Zürich, dessen S-Bahn-Netz bis nach Ziegelbrücke reicht. Dennoch ist das Gaster immer noch von ländlich-dörflicher Prägung.

Quellen und Literatur

  • E. Gmür, Rechtsgesch. der Landschaft Gaster, 1905
  • A. Hüppi, Das st. gall. Linthgebiet, 1937
  • W. Ammann, Die Reformation in Gaster, 1941
  • F. Elsener, Der Hof Benken, 1953
  • F. Wernli, Der Hof Benken und die Entstehung der Gemeinden, 1961
  • HA 106/108, 1996
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Alois Stadler: "Gaster", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.11.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007644/2006-11-20/, konsultiert am 19.03.2024.