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Württemberg

Die Herren von Wirtenberg sind seit Ende des 11. Jahrhunderts bezeugt, als Grafen im Remstal östlich von Stuttgart seit 1139. Württemberg war Grafschaft bis 1495, dann Herzogtum. 1805 erhob es Napoleon zum Königreich. 1918-1933 bestand das Land als Freier Volksstaat. 1945 wurde Württemberg mit Baden durch die Alliierten in zwei Besatzungszonen aufgeteilt; diese gingen 1952 im neuen Bundesland Baden-Württemberg mit Stuttgart als Regierungssitz auf.

Nach dem Einsickern alemannischer Stämme in das Dekumatenland wurde der Raum um Bodensee und Hochrhein ethnisch, sprachlich und soziokulturell zunehmend von den eingewanderten Alemannen geprägt. Das ab etwa 600 bestehende sogenannte ältere Herzogtum Alemannien umfasste weite Gebiete Württembergs, der späteren Schweiz sowie der Oberrheinlande. In derselben Zeit wurde Konstanz auch Sitz eines für den Hauptteil Alemanniens zuständigen Bistums. Ab Ende des 11. Jahrhunderts standen die Staufer an der Spitze des im 10. Jahrhundert auf karolingischer Grundlage neu formierten Herzogtums Schwaben. Nach deren Aussterben 1268 brachten die Grafen von Württemberg grosse Teile des Reichs- und Herzogsguts an sich und stiegen so zum bedeutendsten Fürstenhaus im deutschen Südwesten auf. Mittelpunkt wurde Stuttgart, das ab 1482 offiziell Haupt- und Residenzstadt war. Europaweit reichten die Handelsbeziehungen der Ravensburger Gesellschaft, die enge Beziehungen zu verschiedenen Städten der Eidgenossenschaft, im Leinwandhandel insbesondere zu St. Gallen unterhielt.

Seit dem Erwerb von Reichenweier und Horburg im Elsass 1323/1324 versuchte Württemberg in Gebiete links des Rheins zu expandieren. Dies gelang dank der Heiratsabsprache von Graf Eberhard IV. mit Henriette, der Erbin der Grafschaft Montbéliard. 1407 fiel diese an das Haus Württemberg und erschien fortan unter dem deutschen Namen Mömpelgard. Zur Grafschaft gehörten ca. 50 Dörfer sowie weitere Herrschaften in der Freigrafschaft Burgund mit ca. 70 Dörfern. 1461 erlangte das Fürstbistum Basel Teile der Ajoie mit Pruntrut, die es 1386 an die Grafschaft Montbéliard verkauft hatte, wieder zurück. 1465 scheiterte der Versuch Solothurns, durch die Eroberung Montbéliards sein Gebiet nach Norden zu erweitern. In den Kriegen gegen Herzog Karl den Kühnen war das württembergische Mömpelgard mit den Eidgenossen verbündet. Bis zum Übergang des 1793 von den französischen Revolutionstruppen besetzten Gebiets an Frankreich 1802 behielt der Besitz an der Burgundischen Pforte grosse Bedeutung für das Haus Württemberg, was sich unter anderem auch im Landeswappen widerspiegelt, das die württembergischen Hirschstangen und zwei aufsteigende Barben aus dem Wappen von Montbéliard zeigt.

Fundmünze aus Zug, Vorderseite, mit dem Porträt des württembergischen Herzogs Karl Alexander, von Münzmeister Friedrich Breuer, 1735 (Amt für Denkmalpflege und Archäologie Zug).
Fundmünze aus Zug, Vorderseite, mit dem Porträt des württembergischen Herzogs Karl Alexander, von Münzmeister Friedrich Breuer, 1735 (Amt für Denkmalpflege und Archäologie Zug).
Fundmünze aus Zug, Rückseite, mit dem Vollwappen der Herzöge von Württemberg, von Münzmeister Friedrich Breuer, 1735 (Amt für Denkmalpflege und Archäologie Zug).
Fundmünze aus Zug, Rückseite, mit dem Vollwappen der Herzöge von Württemberg, von Münzmeister Friedrich Breuer, 1735 (Amt für Denkmalpflege und Archäologie Zug). […]

Württemberg war durch den Gebietszuwachs im 15. Jahrhundert zur grössten Grafschaft des Reichs aufgestiegen und wurde 1495 von König Maximilian auf dem Reichstag in Worms zum Herzogtum erhoben. Bereits 1477 hatte der Landesherr in Tübingen eine nach Basler Vorbild konzipierte Universität eröffnet, die schon in ihren Anfangszeiten häufig von Deutschschweizer Studenten besucht wurde und enge Beziehungen zur Universität Basel unterhielt, etwa bei der Berufung des Rektors der Basler Universität, Paul Phrygio, der 1535 die Tübinger Universität reorganisierte. In dem 1499 gegen die Eidgenossen geführten Krieg hatte Württemberg den Oberbefehl des Schwäbischen Bundes und kassierte im Schweizer- oder Schwabenkrieg eine schmachvolle Niederlage. Im Sommer 1514 schlossen nach Bauernaufständen (Bauernbund des "Armen Konrad") Landesherr und Landstände den Tübinger Vertrag, der als eine Art Verfassungsurkunde bis 1806 gültig blieb. 1520 wurde Herzog Ulrich aufgrund wiederholten Rechtsbruchs des Landes verwiesen, konnte sich aber in Mömpelgard halten und von dort mit Schweizer Söldnern bis vor Stuttgart ziehen. Im Bauernkrieg, der innert kürzester Zeit fast alle Landschaften – Adelsherrschaften, geistliche Territorien wie auch reichsstädtische Gebiete – zwischen Thüringen und Lothringen im Norden sowie Tirol und der Eidgenossenschaft im Süden erfasste, wurden in Württemberg die Aufständischen durch das Aufgebot des Schwäbischen Bundes 1525 besiegt. Nach dessen Niederschlagung spielten Täufer aus Württemberg, etwa Balthasar Hubmaier, Wilhelm Reublin und Michael Sattler – Letzterer als mutmasslicher Verfasser der Schleitheimer Artikel – eine wichtige Rolle in der schweizerischen Täuferbewegung. Herzog Ulrich begann unter dem Einfluss von Johannes Oekolampad, Guillaume Farel und Huldrych Zwingli in Mömpelgard und nach seiner Rückkehr in die Stammlande 1534 in Württemberg die Reformation einzuführen. Schweizer Reformatoren wirkten auch bei der Reformation in den schwäbischen Reichsstädten mit, unter anderem in Ulm. Nach dem Augsburger Religionsfrieden setzte Herzog Christoph aber das lutherische Bekenntnis durch. Die massgeblich von Johannes Brenz geprägte neue Kirchenordnung von 1559 galt auch in Mömpelgard, wodurch die Grafschaft zu einer lutherischen Enklave zwischen teils reformierten, teils katholischen Gebieten der Schweiz und Frankreichs wurde. Seitenlinien des Hauses Württemberg regierten mehrfach in Mömpelgard und beerbten 1593 sowie nochmals 1795 die Stuttgarter Hauptlinie, nachdem der dort herrschende Herzog kinderlos gestorben war.

Die Landesordnung von 1552 begünstigte den Ausbau der fürstlichen Staatsgewalt mit einer rational geplanten Landesentwicklung. Für die Herzöge von Württemberg wurden die eidgenössischen Städte, insbesondere der Basler Stadtwechsel, zu wichtigen Kreditgebern. Für die schweizerischen Reisläufer spielte Württemberg eine eher untergeordnete Rolle. Im Dreissigjährigen Krieg und in den Koalitionskriegen des 17. und 18. Jahrhunderts erlitt das Land schwere Verwüstungen und hohe Bevölkerungsverluste. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts setzte eine starke Zuwanderung von Bauern und ländlichen Handwerkern aus der Eidgenossenschaft ein, etwa aus dem Zürcher Oberland und aus Schaffhausen, nach 1697 auch von Waldensern aus dem Piemont. Im Zug des Wiederaufbaus von Württemberg erhielten auch Baumeister aus der Eidgenossenschaft wie Tommaso Comacio und Joseph Guldimann Gelegenheit, in Württemberg zu bauen. Mehrere Schweizer vor allem aus Basel und Schaffhausen wirkten als Leibärzte der württembergischen Herzöge. Einen grossen Einfluss übte der schwäbische Pietismus auf ähnlich gelagerte Bewegungen in der Schweiz aus; in der 1780 in Basel gegründeten Deutschen Christentumsgesellschaft, aus der die Basler Mission hervorging, spielten Württemberger eine führende Rolle. Im Erbvergleich von 1770 wurden die politischen Rechte der württembergischen Stände gestärkt; der von Jean-Jacques Rousseau begeisterte Prinz Ludwig Eugen war gar auswärtiges Mitglied der Helvetischen Gesellschaft. Dennoch blieb das Land absolutistisch regiert, was der 1759 in Marbach am Neckar geborene Friedrich Schiller in seinen frühen Werken scharf kritisierte. Dabei diente ihm im "Wilhelm Tell" (1804) die Schweiz als freiheitliches Gegenbild und Musterland.

Nach dem Verlust der linksrheinischen Besitzungen Reichenweier und Mömpelgard erhielt Württemberg 1795 im Frieden von Basel ein Versprechen auf rechtsrheinische Entschädigungen, das nach dem Frieden von Lunéville erst im Reichsdeputationshauptschluss 1803 eingelöst wurde. Durch Säkularisation und Mediatisierung kamen die Propstei Ellwangen und etliche Klöster sowie bedeutende Reichsstädte zum Herzogtum. Mit dem Frieden von Pressburg Ende 1805 sowie dem Beitritt zum Rheinbund 1806 erhielt das zum Königreich erhobene Württemberg unter anderem Oberschwaben und wurde damit am Bodensee zum Grenznachbarn der Schweiz. Zwischen den beiden Staaten bestand allerdings keine Landverbindung, da Württemberg im Grenzvertrag von Paris 1810 auf Nellenburg verzichtet hatte.

Mit dem Hafenbau von Friedrichshafen begann die württembergische Bodensee-Schifffahrt, die den Handel mit der Schweiz förderte. Seit 1824 bestand eine regelmässige Schiffsverbindung nach Rorschach. In der ersten Blütezeit des Tourismus nahm auch der Personenverkehr über den Bodensee zu. Wichtigste Exportgüter aus Württemberg waren Getreide und Salz. 1825-1826 schloss Württemberg Handelsverträge mit der Schweiz sowie einzelnen Kantonen ab. Nach dem Beitritt Württembergs zum Deutschen Zollverein verhandelte die Schweiz über die Fortführung der bestehenden Handelsverträge und erreichte einige Begünstigungen. Die neue Situation förderte das Entstehen schweizerischer Filialen in Württemberg, so etwa von Escher, Wyss & Cie. in Ravensburg, allerdings in geringerem Umfang als in Baden (D). Um die steigenden Zölle zu umgehen, errichteten auch Unternehmer aus Württemberg Filialen in der Schweiz, so etwa Knorr in St. Margrethen (SG), dann in Thayngen. Aus denselben Gründen gründeten die Brüder Matthäus und Andreas Henke eine Schuhfabrik in Stein am Rhein. Mehrere Einwanderer aus Württemberg standen am Beginn bedeutender schweizerischer Unternehmen, so etwa die Neher in Schaffhausen oder die Saurer im Thurgau. Als Ausbildungsstätte für Schweizer spielten auch das Textiltechnikum in Reutlingen und die Lokomotivfabrik in Esslingen eine gewisse Rolle. Der Bau der Bahnlinien Stuttgart-Friedrichshafen 1847-1850 sowie Tuttlingen-Singen-Schaffhausen 1879 förderte den Warentransport in die Nordostschweiz.

Der autoritär regierende König Friedrich I. schuf aus Alt- und Neuwürttemberg einen einheitlichen Staat, der 1819 unter dem reformwilligen König Wilhelm I. eine Verfassung mit liberalen Elementen erhielt. Der freiheitlichen Bewegung, organisiert in der Bewegungspartei, blieben enge Grenzen gesetzt. Republikanisch Gesinnte orientierten sich an der Schweiz, wo politisch Verfolgte, vor allem Radikalliberale und Handwerksburschen, Asyl fanden. Zahlreiche Württemberger leisteten im 19. Jahrhundert einen wichtigen Beitrag beim Aufbau des schweizerischen Volksschulwesens, unter ihnen etwa Ignaz Thomas Scherr im Kanton Zürich oder Christian Heinrich Hugendubel im Kanton Bern. Nach dem Scheitern der 1848er Revolution flohen viele Freiheitskämpfer aus Württemberg in die Schweiz, unter anderen Georg Herwegh. Nach 1878 trieb der Erlass des Sozialistengesetzes im Deutschen Reich verfolgte Sozialdemokraten ins Schweizer Asyl, aus dem sie illegal gedruckte Arbeiterzeitungen über die Grenze schmuggelten. In Zürich fand unter anderen Clara Zetkin, die später in Stuttgart führende kommunistische Frauenrechtlerin, Anschluss an die sozialistische Bewegung. Neben den wirtschaftlichen und politischen Kontakten über die Grenze entwickelte sich der kulturelle Austausch, unter anderem durch den 1868 gegründeten Bodenseegeschichtsverein mit Sitz in Friedrichshafen und St. Gallen. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 wurden diese Beziehungen unterbrochen.

Nach 1945 teilten die Alliierten das Land entlang der Grenze zwischen der amerikanischen und der französischen Besatzungszone in zwei Gebiete auf: Württemberg-Baden im Norden und Württemberg-Hohenzollern im Süden. In der Versorgungsnot der Nachkriegsjahre bekamen vor allem grenznahe Gemeinden humanitäre Hilfe aus der benachbarten Schweiz. Mit den Wahlen von 1946-1947 begann die politische Konsolidierung, wobei die CDU jeweils stärkste Partei wurde. In Württemberg-Hohenzollern erreichte sie die absolute Mehrheit. Nach einer Volksabstimmung, in der die württembergischen Bezirke mehrheitlich für den Südweststaat stimmten, entstand 1952 das neue Bundesland Baden-Württemberg

Quellen und Literatur

  • Hb. der Baden-Württemberg. Gesch., hg. von M. Schaab, H. Schwarzmaier, 2, 1995, 1-165; 3, 1992, 235-432, 548-551; 4, 2003, 231-319, 343-476
  • Württemberg und Mömpelgard, hg. von S. Lorenz et al., 1999.
  • H. Engisch, Das Königreich Württemberg, 2006
  • J. Inauen, Brennpunkt Schweiz: die süddt. Staaten Baden, Württemberg und Bayern und die Eidgenossenschaft 1815-1840, 2008, v.a. 36 f., 79 f., 189-191, 277 f.,
  • B. Wunder, Kleine Gesch. des Herzogtums Württemberg, 2009
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Wolfgang Hug: "Württemberg", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.02.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/006648/2015-02-03/, konsultiert am 19.03.2024.