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Venedig

Planprospekt der Stadt im späten 16. Jahrhundert. Miniatur des Luzerners Franz Fallenter von 1592 aus dem Pilgerbüchlein, in dem Rudolf Pfyffer von Altishofen über seine 1583-1584 unternommene Reise ins Heilige Land berichtete (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, P 2554, Fol. 11v und 12r).
Planprospekt der Stadt im späten 16. Jahrhundert. Miniatur des Luzerners Franz Fallenter von 1592 aus dem Pilgerbüchlein, in dem Rudolf Pfyffer von Altishofen über seine 1583-1584 unternommene Reise ins Heilige Land berichtete (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, P 2554, Fol. 11v und 12r).

Hauptstadt der gleichnamigen Provinz sowie der Region Venetien, am nördlichen Ende der Adria gelegen, und ehemaliger Stadtstaat mit Landterritorium, das nebst Dalmatien, Istrien und dem Friaul die zu Padua, Vicenza, Verona, Brescia und Bergamo gehörenden Landgebiete (terra ferma) umfasste und in dieser Ausdehnung vom frühen 15. Jahrhundert bis Ende des 18. Jahrhunderts bestand. 1797-1805 unter österreichischer Herrschaft, 1805-1814 Teil des napoleonischen Königreichs Italien, 1815-1866 des Lombardo-Venezianischen Königreichs und ab 1866 bzw. 1946 des Königreichs bzw. der Republik Italien.

Spätmittelalter

Die Kontakte Venedigs mit Graubünden waren wegen der räumlichen Nähe intensiver als diejenigen mit den eidgenössischen Orten. Erste Hinweise auf die Niederlassung von Bündnern in der Lagunenstadt stammen aus dem 14. Jahrhundert. Zur Schliessung der durch Pestzüge um 1350 in der Bevölkerung gerissenen Lücken boten die Stadtbehörden gewerbetreibenden Immigranten Privilegien an; im 15. Jahrhundert sind vor allem Schuhmacher, Gürtler, Bäcker und Salsizhersteller aus dem churrätischen Bereich und aus weiteren Tälern des Alpensüdfusses in Venedig bezeugt. 1458 tritt mit Antonio di Giacomo erstmals ein Bündner Bäcker namentlich in Erscheinung; 1493 beklagte sich die venezianische Zuckerbäckerzunft über die Konkurrenz durch die vielen Engadiner. Verschiedene Schweizer im Gebiet Venedigs widmeten sich dem Handel, so zum Beispiel Bündner dem Viehhandel und St. Galler dem Leinwandhandel (bezeugt ab 1362). Aber auch Basler und Zürcher Kaufleute sind vom 14. Jahrhundert an in Venedig nachgewiesen. Venezianische Kaufleute suchten umgekehrt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts häufig die Zurzacher Messe auf. Die Gefangennahme einiger venezianischer Kaufleute 1484 durch Glarus und Schwyz in Weesen als Repressalie führte zu einem Rückschlag in den Handelsbeziehungen. Venedig reagierte mit einer Aufhebung von bisher gewährten Privilegien und der Einführung eines Zollzuschlags in der Stadt Venedig, was vor allem die St. Galler Kaufleute zu spüren bekamen.

Damals befanden sich bereits Schweizer und Bündner in venezianischen Kriegsdiensten, die noch ohne staatliche Militärkapitulationen geworben worden waren. In diesem Zusammenhang erscheinen die ersten venezianischen Gesandten auf Schweizer Boden, so 1425 Giovanni Amati in Luzern sowie 1439 Francesco Brunicardi und 1463 Niccolò Bernardo in Zürich; Letzterer strebte den Abschluss eines Militärbündnisses an, was die Eidgenossen ebenso ablehnten wie 1478 das Gesuch für eine Soldwerbung von 1000 Mann. 1489 reiste der Berner Johann von Erlach als Gesandter nach Venedig, um auf Wunsch der Eidgenossen um ein Bündnis nachzusuchen. Venedig trat darauf nicht ein, bedachte aber namhafte eidgenössische Politiker mit Pensionen, damit sie einen allfälligen Bündnisabschluss mit Frankreich verhinderten. Um 1490/1494 bemühte sich Graf Jörg von Werdenberg-Sargans vergeblich um ein Bündnis von Eidgenossen und Bündnern mit Venedig.

Frühe Neuzeit

Anfang des 16. Jahrhunderts lavierte die äussere Politik der Drei Bünde zwischen Frankreich und Venedig. Die Drei Bünde schlossen 1500 eine Militärkapitulation für 4000 Söldner mit Venedig ab, nachdem die Signoria ihnen im Schwabenkrieg im Jahre zuvor (1499 Schlacht an der Calven) Hilfe hatte zuteil werden lassen. Dies hinderte sie aber nicht, 1509 einen Soldvertrag mit Frankreich zu vereinbaren und zuzulassen, dass sich Bündner neben anderen Schweizer Söldnern am Feldzug der Liga von Cambrai gegen Venedig beteiligten; den Avancen des venezianischen Gesandten Hieronimo Savorgnano, der auf ein umfassendes Bündnis drängte, hatten Eidgenossen wie Bündner eine Absage erteilt. Ende 1511 und Anfang 1512 weilten Bernardino Morosini als Gesandter der Eidgenossen und Rudolf von Salis-Soglio für die Drei Bünde in Venedig, um die Ankunft einer Gesandtschaft aller eidgenössischen Orte, die Konkordanz einer antifranzösischen Koalition und den Zug von Pavia vom Frühjahr 1512 vorzubereiten (Heilige Liga). Mit dem Erwerb der ennetbirgischen Untertanenlande rückten Eidgenossen und Bündner 1512 näher an Venedig heran. Die Orobische Alpenkette südlich des Veltlins war zur gemeinsamen bündnerisch-venezianischen Grenze geworden. Der Freistaat der Drei Bünde intensivierte seit seiner Neukonstituierung 1524 die Kontakte zu Venedig. So delegierte er noch im gleichen Jahr den Misoxer Notar und Poeten Martino Bovollino in die Lagunenstadt, um von Venedig eine Besitzstandsgarantie für das Veltlin zu erhalten. 1526 vermittelten Venedig, Frankreich und der Papst zwischen den Drei Bünden und dem Kastellan von Musso einen Frieden (Müsserkriege), der für Graubünden die Preisgabe der Drei Pleven bedeutete.

Zum Abschluss von Militärverträgen kam es wieder 1560. Auf den 1. Juni dieses Jahres trat der spätere Nidwaldner Landammann Melchior Lussi als Oberst mit einem Regiment von zwölf Schweizer Fähnlein in den venezianischen Kriegsdienst; ebenfalls auf diesen Zeitpunkt schloss der Bergeller Hercules Salis, zusammen mit seinen beiden Söhnen Rudolf und Abundius, eine Kapitulation für ein Regiment ab. 1571 führte Josua Salis ein Kontingent von 600 katholischen Bündnern als Ruderknechte in den venezianischen Dienst, welche logistische Unterstützung bei der Seeschlacht von Lepanto leisteten.

Das Interesse Venedigs an der Eidgenossenschaft und an Graubünden stieg, nachdem die humanistische Literatur und die Kartografie den schweizerischen Raum in Venedig bekannt gemacht hatten. Insbesondere Aegidius Tschudis Monografie "Die uralt warhafftig Alpisch Rhetia" (lateinisch "De prisca ac vera Alpina Rhaetia") sowie die dazugehörige Karte der Schweiz von 1538 stiessen – übersetzt und in Berichte italienischer Gesandter eingebaut – südlich der Alpen auf grosse Resonanz. An den Verkehrswegen in der Orobischen Alpenkette, so am Passo di San Marco, am Aprica-Übergang und am Mortirolo, wurden erhebliche Verbesserungen vorgenommen. Über diese Routen gelangte seit Einführung der Reformation in Graubünden kontinuierlich reformierte Literatur nach Bergamo, Brescia und Venedig. In diesen Gebieten etablierten sich in der Folge protestantische Minderheiten oder gar Kirchgemeinden. Reformiert waren die meisten der im Venezianischen gewerbetreibenden Bündner, aber auch die Mehrheit der seit 1560 in Bergamo niedergelassenen Zürcher Kaufleute. Viele dieser Gewerbetreibenden und vor allem viele italienische Protestanten flüchteten wegen Nachstellungen durch die Inquisition und die staatlichen Behörden nach Graubünden. Zu diesen Flüchtlingen zählten Handwerker aus dem Val Trompia (Brescia), Bergbauspezialisten wie die Brüder Bellinchetti, der Theologe Girolamo Zanchi, der Arzt Guglielmo Gratirolo aus Bergamo oder diverse Angehörige der adeligen Familie Martinengo da Barco (Brescia). Die Bündner Gesandten Friedrich von Salis und dessen Sohn Johann von Salis setzten sich ab 1554 wiederholt für den religiösen Schutz ihrer Landsleute im Venezianischen ein und erwirkten entsprechende Zusicherungen vom venezianischen Senat. Ab 1564 garantierte Venedig auch den Zürcher Kaufleuten solche Schutzklauseln. Durch Beharrlichkeit bündnerischer Gesandter wurde eine Reihe von Abkommen und Privilegien ausgehandelt, so 1554 ein Auslieferungsvertrag, 1579 die Befreiung vom Personenzoll (in Brescia besassen Bündner Kaufleute diese schon seit 1541), 1582 der Zugang für bündnerische Kaufleute zum Fondaco der Deutschen in Venedig (ein Privileg, das juristisch schon ab 1475 bestand) sowie das Recht, in venezianischem Gebiet eine Waffe auf sich tragen zu dürfen. Um 1600 erfolgte die Installierung Francesco Pontes als "Handelsattaché" der Bündner in Venedig. Der Handel hatte sich beträchtlich ausgeweitet. Bündner Schlachtvieh, Engadiner Käse und Lavezgeschirr aus Plurs wurden in die Stadt Venedig exportiert; umgekehrt fanden venezianisches Salz und Korn den Weg nach Graubünden. Die Zahl der in der Lagunenstadt ein Gewerbe ausübenden Bündner betrug um 1600 ca. 3000.

Tafelaufsatz in Form des Löwen von San Marco. Silber gegossen, ziseliert und vergoldet, geschaffen vom Zürcher Goldschmied Diethelm Holzhalb, 1608 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich).
Tafelaufsatz in Form des Löwen von San Marco. Silber gegossen, ziseliert und vergoldet, geschaffen vom Zürcher Goldschmied Diethelm Holzhalb, 1608 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich). […]

In dieser Zeit der wirtschaftlichen Blüte kam 1603 das lang erstrebte politisch-militärische Bündnis zwischen Venedig und dem Freistaat der Drei Bünde zustande. Dieses Abkommen, ein postumes Werk des Gesandten Johann von Salis, stand im Gegensatz zu den politischen Interessen der spanisch-österreichischen Partei in Graubünden, welche die bündnerische Politik ganz auf die spanisch-mailändische Nachbarschaft auszurichten trachtete. Spanien reagierte postwendend mit dem Bau der nach dem spanischen Gubernator in Mailand genannten riesigen Festung Fuentes am oberen Comersee beim Eingang ins Veltlin. Die politische Verhärtung der Fronten führte die Drei Bünde in der Folge in die Bündner Wirren und in den Dreissigjährigen Krieg. Sie erneuerten 1613 das auf zehn Jahre befristete Bündnis mit Venedig wegen der politischen Komplikationen nicht. Als Ersatz dafür und um die Verbindung zu Frankreich einigermassen sicherzustellen, schloss Venedig 1615 mit Zürich und Bern ein ähnliches Bündnis ab, das 1618 beschworen wurde. Es erlaubte ihm, bei Bedarf gegen die Zahlung von Pensionen je ein Zürcher und ein Berner Regiment anzuwerben. Im Übrigen aber sicherte Venedig den Zürchern und Bernern freien Handel und Wandel – davon profitierte vor allem Zürichs Seidenindustrie – sowie die freie Ausübung des reformierten Bekenntnisses zu. Von Seiten Venedigs waren diese Bündnisse durch den Gesandten Giovanni Battista Padavino seit 1605 vorbereitet und von Gregorio Barbadigó abgeschlossen worden. Padavinos Gesandtenberichte über die Regierungen und die politischen Verhältnisse in Graubünden von 1605 und in der Eidgenossenschaft von 1606 sind eher negativ; er zollt aber auch der Kriegstüchtigkeit der Schweizer hohes Lob und erachtet es für Venedig als vorteilhaft, so mächtige befreundete Republiken in der nächsten Nachbarschaft zu besitzen. Für den Dreibündestaat sei überdies von Nutzen, dass dessen Familien ihre Söhne mit privilegierter Stellung an der Universität Padua studieren lassen könnten. An dieser Hochschule wehte ein besonders toleranter Geist, der auch viele Protestanten aus Gebieten nördlich der Alpen anzog. Der Bündner Thomas von Schauenstein war 1583-1585 Rektor der juristischen Fakultät, und Niccolò Guicciardi und Ercole Guarinoni, die beide aus den Bündner Untertanenlanden stammten, amtierten 1539 bzw. 1584 als Rektoren der artistischen Fakultät. Intensive universitäre Beziehungen bestanden mit Basel. Ferner wirkte 1624-1629 der Jesuit Barthélemy Souvey aus Corbières als Mathematikprofessor an der Universität Padua.

Aufgrund des Bündnisses von Zürich und Bern mit Venedig wurden im 17. Jahrhundert mehrere Militärkapitulationen abgeschlossen. So zog 1648 ein Regiment Werdtmüller und 1658 ein Regiment Weiss nach Dalmatien in venezianische Dienste. 1671 delegierten Zürich und Bern Georg von Orelli als Sondergesandten nach Venedig, um angefallene Pensionengelder im Umfang von 104'000 Dukaten einzutreiben. Im Türkenkrieg kämpfte das Solothurner Regiment Büeler 1652-1664 im Dienste Venedigs auf Kreta und in Dalmatien. Einen schlimmen Ausgang nahm die ohne Bündnisabsicherung 1687 mit Venedig abgeschlossene Militärkapitulation mehrerer katholischer Orte; von den rund 2500 Söldnern, die vom Urner Obersten Sebastian Peregrin Schmid in Griechenland in den Krieg gegen die Türken geführt wurden, kehrten 1691 nach Niederlagen auf dem Peloponnes und der Insel Euböa nur rund 200 in die Heimat zurück (Moreazug). Im 17. Jahrhundert begannen einzelne eidgenössische Orte überdies, Vagabunden und Delinquenten zum venezianischen Galeerendienst zu verurteilen und nach Venedig abzuschieben, wo sie im Krieg gegen die Türken eingesetzt wurden.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts machte sich allgemein eine Abkühlung der eidgenössisch-venezianischen Beziehungen bemerkbar. Venedig lag aber daran, die militärische Kraft der Schweizer und Bündner weiterhin zu nutzen. Darum schickte es 1705 den Gesandten Vendramino Bianchi in die Schweiz, dem es gelang, 1706 ein Bündnis mit Zürich und Bern einerseits und mit dem Freistaat der Drei Bünde andererseits abzuschliessen. Diese Bündnisse beruhten zwar weitgehend auf den Vorlagen von 1603 bzw. 1615, hatten aber prioritär die Anwerbung von Söldnern und nicht den freien Handel zum Gegenstand. In Zürich wurde das Bündnis Anfang 1706 mit grossem Pomp gefeiert, und Bianchi veröffentlichte, von seinem Erfolg beflügelt, 1708 einen Bericht über die Schweiz und deren zugewandte Orte. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts informierten die venezianischen Behörden wiederholt den Zürcher Sanitätsrat über den Ausbruch von Seuchen im Adriaraum.

Gegen die in der Lagunenstadt gewerbetreibenden Bündner ging Venedig dagegen zunehmend mit einengenden Vorschriften vor; diese Schikanen sollten die Dominanz der Bündner – und unter diesen vorwiegend der Reformierten – in einzelnen Wirtschaftsbereichen brechen. So befanden sich 1704 von 104 Zuckerbäckerläden 95 in Händen von Bündnern; 1773 waren von 100 Branntweinverkäufern 75 und von 39 Scherenschleifern 23 Bündner. Nachdem die offizielle Bündner Politik und insbesondere die Vertreter der verschiedenen Häuser von Salis sich wieder stärker an Mailand angelehnt hatten (Drittes Mailänder Kapitulat von 1763) und auch auf Venedigs Vorschlag, gemeinsam die Strassenverbindung zwischen den Bündner Alpenpässen und Venedig auszubauen, nicht eingegangen waren, kündigte die Lagunenstadt 1764 die Allianz mit dem Freistaat der Drei Bünde; der Entzug der vorher gewährten Privilegien zwang 1766 rund 3000 Bündner Kaufleute und Gewerbetreibende zur Rückkehr in die Heimat. Zu diesem Beschluss hatten Neid und Konkurrenzängste des einheimischen Gewerbes beigetragen. In Zusammenhang mit diesen Repressalien und mit Massnahmen gegen die Protestanten lockerten sich auch die Beziehungen zwischen Venedig und den Städten Zürich und Bern.

Jean-Jacques Rousseau hielt sich 1743-1744 als Sekretär des französischen Gesandten Graf Pierre François de Montaigu in Venedig auf. In der Lagunenstadt übten viele Tessiner künstlerische oder wissenschaftliche Berufe aus. Schon in den 1480er Jahren war der Architekt Pietro Lombardo an der Scuola di San Marco tätig. Im 16. Jahrhundert wirkten der Bildhauer Lorenzo Bregno sowie die Architekten Bernardo Contino und Marc-Antonio Paleari, im 17. Jahrhundert die Architekten Baldassare Longhena und Giuseppe Sardi, der Bildhauer Bernardo Falcone sowie der Maler Pier Francesco Mola, im 18. Jahrhundert die Architekten Domenico Rossi und Giorgio Domenico Fossati, die Stuckateure Abbondio Stazio und Carpoforo Mazzetti Tencalla und der Bibliothekar Jacopo Morelli (an der Markusbibliothek), im 19. Jahrhundert der Militärchirurg Tommaso Rima sowie der Maler und Bühnenbildner Vittore Pelli. Die Erinnerung an die Tessiner Künstler in der venezianischen Republik wird heute durch die Schweizerische Stiftung Pro Venezia wachgehalten.

19. und 20. Jahrhundert

Die Besetzung durch Napoleon Bonaparte und der Frieden von Campoformio 1797 bedeuteten das Ende der alten Republik Venedig, deren Gebiet 1815-1866 zum Lombardo-Venezianischen Königreich zählte. Anlässlich des Aufstands vom März 1848 gegen Österreich wurde die Republik San Marco ausgerufen und zu deren Verteidigung der Wunsch nach Schweizertruppen laut. Trotz Verbot in den liberalen Kantonen warb der Thurgauer Hauptmann Johannes Debrunner 126 Schweizer und zog mit ihnen nach Venedig. Diese Kompanie kam an diversen Plätzen zum Einsatz, vor allem im Ordnungsdienst, und es wurde ihr Tapferkeit und gute Mannszucht bescheinigt. Nach der Kapitulation von Venedig kehrten 1849 noch 61 Mann in die Heimat zurück.

Anfang 1848, kurz vor der Proklamation der Republik, hatte die Schweiz Benedikt Wölflin als Vizekonsul in Venedig eingesetzt; dieser pflegte vor allem von Mailand aus auch (Brief-)Kontakte mit der provisorischen Regierung und blieb nach deren Fall bis 1850 im Amt. 1862 wurde schliesslich eine ständige Konsularvertretung in Venedig eingerichtet. Besondere Verdienste erwarb sich Konsul Victor Cérésole (1865-1892), der die gesamte Geschichte der diplomatischen Beziehungen, der bündnerisch-venezianischen ebenso wie der schweizerisch-venezianischen, in seinem Buch "La République de Venise et les Suisses" (1864) regestenartig aufarbeitete und die Abschrift der meisten einschlägigen Dokumente (94 Bände im Bundesarchiv in Bern) überwachte.

Installation von Fabrice Gygi in der Kirche San Stae anlässlich der 53. internationalen Kunstbiennale von Venedig, 2009 © KEYSTONE / Walter Bieri.
Installation von Fabrice Gygi in der Kirche San Stae anlässlich der 53. internationalen Kunstbiennale von Venedig, 2009 © KEYSTONE / Walter Bieri. […]

Im 20. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt Venedig zu einer beliebten Tourismusdestination. Seit 1895 findet in der Lagunenstadt die Biennale Venedig statt, einer der wichtigsten internationalen Anlässe der Gegenwartskunst. Die Schweiz nimmt seit 1920 offiziell an der Biennale Teil und unterhält seit 1951 in den Giardini einen eigenen Pavillon, in dem von der Eidgenössischen Kunstkommission empfohlene Werke schweizerischer Künstler ausgestellt werden. 1988-2009 wurden schweizerische Werke auch in der Kirche San Stae präsentiert, 2011 im Teatro Fondamenta Nuove.

Quellen und Literatur

  • BAR, Abschriften aus dem Staatsarchiv Venedig
  • V. Bianchi, Relazione del paese de' Svizzeri, e loro alleati, 1708
  • J. Debrunner, Die Erlebnisse der Schweizerkompagnie in Venedig, 1849 (21850)
  • G.B. Padavino, Del governo e stato dei Signori Svizzeri, hg. und kommentiert von V. Cérésole, 1874
  • J. Jegerlehner, Die polit. Beziehungen Venedigs mit Zürich und Bern im XVII. Jh., 1897
  • H. Gmür, Das Bündnis zwischen Zürich/Bern und Venedig 1615/1618, 1945
  • Presenza ticinese a Venezia, Ausstellungskat. Lugano 1977
  • D. Kaiser, Fast ein Volk von Zuckerbäckern?, 1985 (21988)
  • M. Bundi, Frühe Beziehungen zwischen Graubünden und Venedig (15./16. Jh.), 1988
  • V. Ruckstuhl, Aufbruch wider die Türken, 1991
  • E. Meyer, «Hans Jakob Büeler und seine zwei Regimenter im Türkenkrieg 1652-1664», in JbSolG 70, 1997, 4-58
  • HbGR
Weblinks
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Zitiervorschlag

Martin Bundi: "Venedig", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.04.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/006646/2015-04-30/, konsultiert am 28.03.2024.