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München

Hauptstadt des Bundeslandes Bayern, an der Isar. Drittgrösste Stadt Deutschlands. 2005 1,28 Mio. Einwohner. 1158 erstmals urkundlich erwähnt. 1255-1918 Residenzstadt der Wittelsbacher, seit 1821 Sitz des Erzbischofs von München und Freising.

Der Dottore (Doktor), Figur aus der Commedia dell'arte. Handbemalte Porzellanstatuette nach einer Skizze von Franz Anton Bustelli, um 1760 (Porzellan Manufaktur Nymphenburg, München).
Der Dottore (Doktor), Figur aus der Commedia dell'arte. Handbemalte Porzellanstatuette nach einer Skizze von Franz Anton Bustelli, um 1760 (Porzellan Manufaktur Nymphenburg, München). […]

Für das Mittelalter lassen sich im Unterschied zu anderen bayerischen Städten wie Nürnberg nur sporadische Beziehungen zwischen München und der Eidgenossenschaft sowie deren zugewandten Orten belegen, die vor allem den Salzhandel betrafen. Nach der Reformation bildete München das wichtigste katholische Zentrum Deutschlands, das bis zum Dreissigjährigen Krieg (1618-1648) wirtschaftlich prosperierte und geistig stark vom Einfluss der seit 1559 in der Stadt niedergelassenen Jesuiten geprägt war. Zu deren oberdeutschen Ordensprovinz gehörten sowohl die katholischen Orte der Eidgenossenschaft als auch der grössere Teil des heutigen Bayern einschliesslich Münchens, was einen regen Austausch von Ordensmitgliedern zur Folge hatte. So lehrte zum Beispiel der spätere Provinzial Franz Xaver Amryhn als Theologieprofessor in seiner Vaterstadt Luzern wie in München und war dort 1701-1714 auch als Hofprediger tätig. Als Förderer der Künste und Wissenschaften beriefen die bayerischen Landesherren im 16. und 17. Jahrhundert wiederholt Schweizer Künstler nach München. Der Basler Ludwig Senfl wurde 1523 Kapellmeister der wittelsbachischen Hofkapelle. Der Bündner Enrico Zuccalli, der 1672 Baumeister in der kurfürstlichen (ab 1623) Residenzstadt wurde, war einer der führenden Repräsentanten der italienisch geprägten Epoche der Münchner Barockarchitektur. Er baute das Schloss Nymphenburg aus, vollendete das Hofkollegiatstift St. Kajetan (Theatinerkirche) und errichtete ausserhalb von München das Schloss Lustheim im Schleissheimer Schlosspark. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts führte der Tessiner Franz Anton Bustelli als Modellmeister (1754-1763) in der 1747 gegründeten Nymphenburger Porzellanmanufaktur die barocke Porzellanskulpturkunst – besonders Figuren der Commedia dell'arte im Rokokostil – auf ihren Höhepunkt. Umgekehrt arbeiteten Münchner Künstler im 17. und 18. Jahrhundert an Barockbauten in der katholischen Schweiz mit, so die Hofmaler Karl Nikolaus Pfleger an der Luzerner Jesuitenkirche und Johann Kaspar Sing in Einsiedeln.

Unter König Ludwig I. (1825-1848) entwickelte sich München – seit 1806 Hauptstadt des Königreichs Bayern – zu einem geistig-kulturellen Zentrum von europäischer Ausstrahlung, unter anderem durch die Gründung der Kunstakademie (1808), die Verlegung der 1472 gegründeten Bayerischen Landesuniversität von Landshut nach München (1826) und die Förderung der 1759 gegründeten Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bis 1848 bildete der Münchner Görreskreis ein Zentrum der katholischen Restauration in Deutschland, der auch auf konservative Kreise der katholischen Schweiz prägend wirkte. Angezogen durch Universitätslehrer wie den Publizisten Joseph von Görres und den Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger (1799-1890), absolvierten in den 1830er und 1840er Jahren zahlreiche Schweizer theologische, historische oder juristische Studien ganz oder teilweise an der Universität München, so der spätere St. Galler Bischof Carl Johann Greith, der Luzerner Politiker Philipp Anton von Segesser oder der Publizist und Mentor des Schweizerischen Studentenvereins Josef Gmür. Auch der Sonderbundsführer Bernhard Meyer fand in diesem Kreis vorübergehende Aufnahme während seines Exils. Gleichzeitig war der Salon der Basler Konvertitin Emilie Linder ein Treffpunkt vor allem katholischer Künstler und Gelehrter. Gottfried Keller setzte der Stadt in seinem "Grünen Heinrich" ein literarisches Denkmal. Nach der Errichtung des schweizerischen Bundesstaats gründeten in München ansässige Schweizer, darunter der Zürcher Kunstmaler Wilhelm Rudolf Scheuchzer und der Aargauer Kupferstechereiprofessor Samuel Amsler, 1848 einen Auslandschweizerverein zur Unterstützung hilfsbedürftiger Landsleute (seit 1940 Schweizer Verein München e.V.). Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde München unter König Maximilian II. (1848-1864) zu einem Zentrum der Wissenschaften, das auch Schweizer anzog. In der zweiten Hälfte des 19. und im frühen 20. Jahrhundert wirkten an der Münchner Universität bedeutende Schweizer Gelehrte wie der Staatsrechtslehrer Johann Caspar Bluntschli, der Botaniker Carl Wilhelm von Nägeli, der Latinist Eduard Wölfflin und sein Sohn, der Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin, sowie der Botaniker und spätere schweizerische Generalkonsul in München (1920-1927) Gustav Hegi. Zur gleichen Zeit waren die Münchner Hochschulen ein beliebter Studienort vor allem für angehende Juristen – auch aus der Westschweiz –, Theologen und Geisteswissenschafter, weniger für Architekten und Mediziner.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung unter dem Prinzregenten Luitpold (1886-1912) erlebte die Stadt eine Blüte im Musikleben und im Kunsthandwerk, weshalb München Ausbildungs- oder in der Regel zeitlich befristeter Wirkungsort zahlreicher Künstler und Künstlerinnen zumal aus der deutschsprachigen Schweiz wurde (Künstlerviertel Schwabing). Zu diesen gehörten der St. Galler Hans Karl Eduard von Berlepsch, Wegbereiter des Jugendstils in München wie auch in Zürich, der Landschaftsmaler Arnold Böcklin oder der aus Rapperswil (SG) stammende Karl Greith, Domkapellmeister an der Münchner Liebfrauenkirche. Hinzu kamen hervorragende Radierer wie Albert Welti. In den 1880er Jahren genoss Emilie Welti-Herzog als gefeierte Mozart-Sängerin am Münchner Hoftheater einen weit über München hinausreichenden Ruf. 1877 errichtete die Schweiz in München ein Generalkonsulat.

Vor der Revolution von 1918 unterhielt der Anarchist und Schriftsteller Erich Mühsam, der 1919 zusammen mit dem Anarchisten Gustav Landauer (1870-1919) die Münchner Räterepublik ausrief, sowie der Schriftsteller Johannes Nohl (1882-1963) im Rahmen des von Landauer 1908 gegründeten "Sozialistischen Bundes" Verbindungen in die Schweiz, unter anderem nach Ascona zur Lebensreformbewegung Monte Verità, nach Zürich zur anarchistischen Zeitschrift "Der Weckruf" und zu Fritz Brupbacher, nach Bern zu Margarethe Hardegger. Über dieses Netz lief auch der Schmuggel von Sacharin aus der Schweiz nach Bayern.

Nach dem Ersten Weltkrieg verlor München seinen Rang als Kulturmetropole und wurde in der Weimarer Zeit zu einem Zentrum der antirepublikanischen Kräfte. Zu den Flüchtlingen aus München, die während des Nationalsozialismus Aufnahme in der Schweiz fanden, gehörten auch der Staatsrechtsprofessor Hans Nawiasky sowie der spätere bayerische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner. Nach Kriegsende übernahmen der Kanton und die Stadt St. Gallen im Rahmen der Ostschweizerischen Grenzlandhilfe das Patronat über die ausgebombte Stadt. 1945-1949 kam es vor allem durch die Lieferung von Hilfsgütern und die Einrichtung von zwölf Nähstuben in München zu beträchtlichen materiellen, durch die Spende von Büchern aber auch zu kulturellen und nicht zuletzt menschlichen Hilfeleistungen. 1947 und 1948 verbrachten Münchner Schulkinder dreimonatige Erholungsaufenthalte im Kanton St. Gallen. Im Mai 1956 fand in Anwesenheit der Rektoren sämtlicher Schweizer Hochschulen eine deutsch-schweizerische Hochschulwoche zur Vertiefung der internationalen wissenschaftlichen Beziehungen an der Universität München statt, nachdem deutschen Professoren unmittelbar nach dem Krieg Gelegenheit zu Aufenthalten in der Schweiz geboten worden war, damit diese neue wissenschaftliche und persönliche Kontakte herstellen konnten.

Werbeplakat für ein Radio von Siemens-Albis, in Zollikon gedruckt von Paul Bender, um 1942 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Werbeplakat für ein Radio von Siemens-Albis, in Zollikon gedruckt von Paul Bender, um 1942 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

Ab den 1960er Jahren entwickelte sich der Grossraum München zu einem der führenden Wissenschafts- (zehn Universitäten und Hochschulen), Wirtschafts-, Handels-, Dienstleistungs- und Kommunikationszentren Deutschlands, in dem auch schweizerische Institutionen und Firmen vertreten waren, besonders in den Bereichen der elektronischen Industrie, der Nahrungsmittelindustrie, der Messen und im Verlagswesen (Nestlé, Huber und Suhner GmbH, eine Tochtergesellschaft der Huber + Suhner, Swiss Re). Umgekehrt liessen sich Münchner Unternehmen in der Schweiz nieder, wo sie zum Teil eine wichtige Rolle spielten, wie zum Beispiel die Firma Siemens, welche die Albiswerke in Zürich übernahm (Siemens-Albis). München war zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor allem für Deutschschweizer ein attraktiver Studienort und eine vielbesuchte Kultur-, Einkaufs- und Tourismusmetropole (Theater, Oper, Museen, Oktoberfest).

Quellen und Literatur

  • H. Vietzen, Der Münchner Salzhandel im MA, 1936
  • Ber. über die Ausübung des Patronats von Stadt und Kt. St. Gallen über die notleidende Landeshauptstadt München 1945/49, 1949
  • HS VII
  • H. Raab, «München im Vormärz», in Land und Reich, Stamm und Nation 3, hg. von A. Kraus, 1984, 157-180
  • Gesch. der Stadt München, hg. von R. Bauer, 1992
  • 150 Jahre Schweizer Verein München e.V. 1848-1998, 1998
  • R. Bauer, Gesch. Münchens, 2003 (22005, Sonderausgabe 2008)
  • J.H. Biller, H.-P. Rasp, München – Kunst & Kultur, 182006
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Franz Xaver Bischof; Maria Lehner-Helbig: "München", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.11.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/006600/2009-11-19/, konsultiert am 29.03.2024.