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RuswilGemeinde

Politische Gemeinde des Kantons Luzern, Amt Sursee. Gemeinde im oberen Teil des Rottals mit mehreren Ortsteilen (Etzenerlen, Rüediswil, Ruswil, Sigigen, Werthenstein-Unterdorf, Ziswil) und zahlreichen Weilern. 1233 Ruswilr. Um 1695 ca. 1440 Einwohner; 1798 2531; 1850 4340; 1900 3928; 1950 4767; 2000 6262.

Archäologische Funde reichen bis in die Mittelsteinzeit zurück. In Dietenei wurde eine hochmittelalterliche Erd- bzw. Holzburg entdeckt. Die Herrschaftsrechte in Ruswil unterstanden den Freiherren von Wolhusen, die in der Kirche von Ruswil ihre Grabstätte hatten. Als die Familie sich vor der Mitte des 13. Jahrhunderts aufteilte, kamen die meisten Güter, Rechte und der Kirchensatz von Ruswil zur jüngeren, das hohe Gericht zur älteren Freiherrenlinie (bzw. zur äusseren und inneren Burg Wolhusen). Ende des 13. Jahrhunderts erwarb Habsburg die Rechte der älteren, 1313 diejenigen der jüngeren Linie. 1370 bestand das wichtigste Lehen in Ruswil aus der Kirche und dem Meierhof, dem halben Twing in Ruswil, Rüediswil und Etzenerlen sowie einem Vierteltwing in Sigigen (die Inhaber der übrigen Teile sind unbekannt). Inhaber des Lehens war Johann von Aarberg-Valangin. Das hohe Gericht beider Wolhusen war ab 1370 Peter von Thorberg verpfändet, gegen dessen Herrschaft die Bewohner 1385-1386 Klage führten. 1375 wurde Ruswil von den Guglern verwüstet. 1419 erwarb das Spital Luzern das Lehen in Ruswil (schon 1410 beim Spitalmeister als habsburgisches Pfand). Bis 1467 kamen auch die übrigen Herrschaftsrechte zu Luzern, unter dessen Herrschaft sich Ruswil zum politisch-wirtschaftlichen Zentrum des gleichnamigen Amts entwickelte.

Im 13. Jahrhundert wird die grosse Pfarrei im oberen Rottal mit der vermutlich im 9./10. Jahrhundert geweihten Mauritiuskirche (Dekanat Oberkirch) erstmals erwähnt. Zur Pfarrei gehörten bis 1657 Wolhusen, die Entlebucher Exklave Wolhusen-Markt und Werthenstein. Kapelle und Twing Nottwil waren 1461-1494 Teil der Ruswiler Marienkaplanei. Der Leutpriester verfügte vom Hochmittelalter an über die Twingrechte des halben Lehens in Ruswil, Rüediswil, Etzenerlen und Sigigen, über die Kontrolle der Masse und Gewichte und über ein Kanzelgericht. 1657 zog Luzern diese Rechte an sich. Ruswil war die reichste Luzerner Pfarrpfründe. Die Pfarrkirche wurde im 17. Jahrhundert erweitert und 1782-1789 durch den heutigen Bau ersetzt (1990-1994 renoviert). Vom 17. Jahrhundert an gab es in der Gemeinde Täufer und Pietisten. 1804 trat die Pfarrei Gebiete an die Kaplanei Hellbühl (1864 Pfarrei) und 1807 an die neue Pfarrei Werthenstein ab. Um 1880 bildete sich um Hopösche eine reformierte Gemeinde mit einer eigenen Schule (1900-1978), 1927-1963 war Hopösche eine selbstständige Kirchgemeinde.

Vom 14. Jahrhundert an sind Dreizelgendörfer mit eigenem Twing belegt, nämlich Ruswil, Rüediswil, Etzenerlen, Sigigen und Buholz (ohne Twing). Der Süden und die Höhenlagen waren noch im 15. und 16. Jahrhundert von grossen Einzelhöfen mit Feldgrasbau geprägtes Ausbaugebiet. 1562 wurden die 14 südwestlichen Höfe aus dem Twingwald von Ruswil ausgeschieden. Daneben bildeten Homberg, Rüeggeringen, Buholz, Bielbach und Schwarzenbach eigene Zehntbezirke. Die Twinge und Zehnten bildeten auch eigene Bruderschaften. Vom 16. Jahrhundert an entwickelte sich der Marktort Ruswil, nun Flecken genannt, zum bedeutenden Zentrum des Landhandwerks, das sich in fünf Bruderschaften zunftartig organisierte und zeitweilig auch Handwerker anderer Ämter integrierte. Vom 17. Jahrhundert an gab es in Ruswil eine Heimindustrie und es wurde mit Tuch gehandelt. Leinen- und Seidenweberei sowie Tuchverleger sind auch für das 18. Jahrhundert belegt. Ruswil verfügte zudem über eine Färberei und ein Gerberzentrum. Eine um 1680 entdeckte Mineralquelle wurde 1693-1717 und 1733-1891 als kleines Heilbad genutzt. Im 19. Jahrhundert wurde Ruswil aufgrund der Zuwanderung zur bevölkerungsstärksten Landgemeinde des Kantons mit dem breitesten Gewerbeangebot. Der Agrarsektor (v.a. Viehhandel) prosperierte ebenfalls. Ab Ende des 19. Jahrhunderts gab es intensive Zuchtbemühungen für Braunvieh und Schweine. 1850 wurden in der Gemeinde 21 Talkäsereien gezählt (1904 11, 1987 8). Neben Getreide und Futtermittel wurden vom 19. Jahrhundert an auch Obst und Tabak angebaut und Torf gestochen. Im 20. Jahrhundert kam der Gartenbau dazu. Im 19. Jahrhundert siedelten sich Industriebetriebe an. In Werthenstein-Unterdorf bestand bis 1870 eine Teigwarenfabrik, dann bis ca. 1910 eine Bandweberei. Seit 1967 hat eine Heizkesselfabrik ihren Sitz in Ruswil 2005 stellten der 1. und 2. Sektor noch je etwa 30% der Arbeitsplätze in der Gemeinde.

1563 wird in Ruswil erstmals ein Schulmeister erwähnt, 1699 ein Schulhaus. 1807-1808 befand sich in Ruswil ein Landschullehrerseminar. Ab 1830 gab es eine Sekundar- und eine Bezirksschule, ab 1876 eine Töchterschule. Weitere Schulen entstanden im 18. und 19. Jahrhundert in Rüediswil, Sigigen, Ziswil, Etzenerlen und Werthenstein-Unterdorf. Die Gewerbeschule hatte 1900-1936 Bestand, die Käserfachschule 1936-1957. 1840 wurde das Armen- und Waisenhaus errichtet. Die Missionare von der Heiligen Familie liessen sich 1909 in Werthenstein-Unterdorf nieder. Im 17. und 18. Jahrhundert war das Dorf ein Zentrum des ländlichen Barocktheaters. Im 19. Jahrhundert entstand der spätklassizistische Dorfkern. Der 1842 gegründete Ruswiler Verein vertrat katholisch-konservative und demokratische Postulate. 1852-1917 gab es Bemühungen, das Rottal mit der Bahn zu erschliessen. Stattdessen führte die Automobilgesellschaft Rottal AG ab 1918 regelmässige Kursfahrten. In der Helvetik und 1815-1819 kam es zu grösseren Grenzverlegungen. Ruswil verlor Höfe an Nottwil und Malters. 1984 wurde die Bürger- und die Einwohnergemeinde in Ruswil zusammengelegt.

Quellen und Literatur

  • F. Glauser, J.J. Siegrist, Die Luzerner Pfarreien und Landvogteien, 1977
  • Ruswil, 1987
  • H. Wicki, Staat, Kirche, Religiosität, 1990
  • A. Erzinger, «Ruswil, Pfarrkirche», in JHGL 10, 1992, 94-96
Von der Redaktion ergänzt
  • Reinle, Adolf: Das Amt Sursee, 1956, S. 327-358 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern, 4).
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Waltraud Hörsch: "Ruswil (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.10.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000650/2014-10-07/, konsultiert am 29.03.2024.